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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: I-4 U 151/07
Rechtsgebiete: AUB 88, ZPO


Vorschriften:

AUB 88 § 4 II. (1)
AUB 88 § 4 II. (1) Satz 2
AUB 88 § 4 II. (2)
AUB 88 § 7
AUB 88 § 7 I. (1)
AUB 88 § 7 I. (1) Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. Juni 2007 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Invaliditätsansprüche aus dem zwischen ihnen bestehenden Unfallversicherungsvertrag wegen dauerhafter Schäden aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 10. September 2004 geltend.

Der Unfallversicherungsvertrag wurde 1997 von dem damaligen Ehemann zugunsten der Klägerin und zweier gemeinsamer Kinder geschlossen. 1999 wurde der Vertrag im Wege eines 3. Nachtrags auf die Klägerin übertragen, die fortan Versicherungsnehmerin war. Dem Vertrag lagen im Jahre 2004 die AUB 88 in der Fassung von 1995 (Bl. 42 ff. GA) zugrunde. Gemäß § 7 I. (1) Abs. 2 dieser Bedingungen können Ansprüche wegen unfallbedingter Invalidität nur dann geltend gemacht werden, wenn die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht worden ist.

Die Klägerin erlitt aufgrund des Unfalls vom 10. September 2004 u.a. ein Hämatom am linken Auge. Sie schenkte dieser Verletzung aufgrund der weiteren Unfallfolgen zunächst keine besondere Beachtung, stellte dann jedoch fest, dass sie mit der neuen Brille nicht so gut wie vor dem Unfall sehen konnte. Nachdem sich im Laufe eines Jahres keine Besserung einstellte, begab sie sich in augenärztliche Behandlung. Am 18. November 2005 diagnostizierte die Augenärztin Dr. K. eine Optikusatrophie, ein Absterben des Sehnervs am linken Auge. In ihrer Mitteilung an die die Klägerin ebenfalls behandelnden Ärzte Dres. W. und H. vom 18. November 2005 (Bl. 18 GA) heißt es:

"Die Pat. berichtet, dass vor ca. 1 Jahr ein Autounfall mit Schleudertrauma geschehen ist. Ich gehe nun davon aus, dass die Optikusatrophie von dem herrührt; ich habe die Pat. nun zum Neurologen verwiesen."

Es schlossen sich weitere Untersuchungen bei dem Neurologen Dr. S. und im Klinikum St. M. in A. an. Bei einem Gespräch im Januar 2006 erklärte Frau Dr. K. der Klägerin, dass sich ihre Diagnose aufgrund der weiteren Untersuchungen bestätigt habe und der Zustand des linken Auges endgültig sei. Bei einer weiteren Untersuchung im Uni-Klinikum R. wurde die Diagnose der Optikusatrophie erneut gestellt. In der "Zusammenfassung und Beurteilung" des Oberarztes Dr. H. vom 23. Februar 2006 (Bl. 19 GA) heißt es:

"Frau R. stellte sich bei uns am 15.02.2006 vor. Die klinische sowie Gesichtsfelduntersuchung zeigte eine Optikusatrophie, die am ehesten traumatischer Genese ist, weil die Patientin von einem Autounfall im Jahr 2004 berichtet, bei dem es zu einer Commotio cerebri kam."

Die Klägerin meldete am 15. Februar 2006 beim Versicherungsbüro S. GmbH den Schaden und übersandte einen Tag später das ausgefüllte Formular der Schadenanzeige (Bl. 50 ff. GA) an die Beklagte. Die Beklagte lehnte Leistungen wegen Fristablaufs nach § 7 I. (1) der AUB 88 ab (vgl. Schreiben vom 2. März 2006 = Bl. 20 GA und Schreiben vom 29. Juni 2006 = Bl. 53 GA).

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die ärztliche Feststellung der Invalidität am 18. November 2005 rechtzeitig erfolgt sei. Im Übrigen sei die Berufung der Beklagten auf den Fristablauf treuwidrig. Die Beklagte habe es unterlassen, auf die Fristen hinzuweisen. Darüber hinaus habe sie - die Klägerin - im Juni 2005, als sie den Vertrag geändert habe, erfahren, dass die Beklagte seit 2002 bei Vertragsänderungen neue Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen mit der Bezeichnung AL-AUB 2002 verwende. Nach Nr. 2.1.1.1 dieser AUB reiche es aus, wenn Invalidität innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall ärztlich festgestellt und vom Versicherungsnehmer geltend gemacht worden sei. Auf diese Versicherungsbedingungen habe die Beklagte sie bereits vor ihrem Unfall hinweisen müssen, um sie zum Gegenstand des Unfallversicherungsvertrags machen zu können. Dies wäre bei einem entsprechenden Hinweis auch geschehen. Der Vertrag sei vor dem Unfall vom 7. Juli 2003 bis zum 7. Juli 2004 verlängert worden. Die Verwendung der neuen AUB der Beklagten hätte zu einem inhaltsgleichen Versicherungsvertrag ohne Prämienerhöhung geführt. Etwaige neue Ausschlusstatbestände wären gegenüber der Fristverlängerung in Nr. 2.1.1.1 der AL-AUB 2002 nicht ins Gewicht gefallen. Darüber hinaus habe es sich um ein vollständig neues Klauselwerk gehandelt, so dass die Hinweispflicht der Beklagten unabhängig davon bestanden habe, ob die neuen Bedingungen teilweise auch für den Versicherungsnehmer nachteilige Klauseln enthielten.

Nach der Gliedertaxe führe die Funktionsunfähigkeit des linken Auges zu einem Invaliditätsgrad von 50 %. Aufgrund der vereinbarten Progression bestehe Anspruch auf 100 % der Versicherungssumme, also 42.900,-- Euro. Die Invalidität sei unfallbedingt und innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten. Die Beklagte handele auch deshalb treuwidrig, weil die Klägerin sich umfangreichen ärztlichen Untersuchungen unterzogen habe.

Die Beklagte ist den klägerischen Ausführungen im Einzelnen entgegen getreten. Sie hat u.a. geltend gemacht, dass der Versicherungsvertrag von der Klägerin zum Ende der vereinbarten Dauer im Jahre 2003 nicht gekündigt worden sei. Daher habe er sich gemäß § 4 II. (1) Satz 2 AUB 88 um ein Jahr verlängert. Dies sei auch im Jahre 2004 so gewesen. Verhandlungen über eine Verlängerung oder Änderung des Vertrags seien nicht geführt worden. Eine Vertragsänderung sei abgesehen von der bedingungsgemäßen Verlängerung auch nicht vereinbart worden. Dies sei vielmehr erst im Jahr 2005 geschehen. Bei dieser Gelegenheit habe die Beklagte auf die neuen Versicherungsbedingungen hingewiesen, was zur Einbeziehung derselben geführt habe. Im Vergleich zu den AUB 88 enthielten die AL-AUB 2002 auch nicht nur für den Versicherungsnehmer vorteilhafte Regelungen, so dass selbst bei etwaigen - unstreitig aber nicht geführten - Vertragsverhandlungen eine Hinweispflicht der Beklagten nicht bestanden hätte.

Es werde bestritten, dass bei der Klägerin überhaupt Invalidität eingetreten sei. Eine solche sei jedenfalls nicht unfallbedingt und auch nicht innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten. Es werde bestritten, dass von einer fünfzigprozentigen Invalidität auszugehen sei. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen erfüllten nicht die Anforderungen an eine Feststellung unfallbedingter Invalidität. Es werde dort lediglich den Angaben der Klägerin gefolgt, wonach der Unfall aus September 2004 ursächlich gewesen sein könnte. Die Bescheinigung vom 15. Februar 2006 sei zudem verfristet. Die Berufung auf die Verfristung der Geltendmachung der Invalidität gegenüber der Beklagten sei nicht treuwidrig. Eine Hinweispflicht habe nicht bestanden. Eine Belehrungsbedürftigkeit der Klägerin sei vor Ablauf der Frist nicht erkennbar gewesen. Sie - die Beklagte - habe erst mit der Meldung des Unfalls im Februar 2006 von dem Unfall erfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Vortrags und der von den Parteien vor dem Landgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in den Entscheidungsgründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass die Fristen des § 7 AUB 88 hinsichtlich der rechtzeitigen ärztlichen Feststellung und der rechtzeitigen Geltendmachung von Invalidität nicht eingehalten seien. Zum Zeitpunkt des Unfalls hätten die AUB 88 Geltung gehabt. Die Berufung auf die Fristversäumung sei nicht treuwidrig. Es habe für die Beklagte keine erkennbare Belehrungsbedürftigkeit der Klägerin bestanden, weil der Unfall erst nach Fristablauf gemeldet worden sei. Die Beklagte habe die Klägerin auch nicht aufgrund einer positiven Vertragsverletzung im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätten die AL-AUB 2002 im Zeitpunkt des Unfalls bereits gegolten. Hierfür wäre eine Hinweispflicht der Beklagten bei Einführung der neuen AUB erforderlich, die nicht bestanden habe. Eine solche könne nur angenommen werden, wenn die Parteien vor dem Unfall in Vertragsverhandlungen über eine etwaige Vertragsänderung oder -erweiterung getreten wären, was unstreitig nicht der Fall gewesen sei. Darüber hinaus sei eine rechtzeitige ärztliche Feststellung von Invaliditätsfolgen aus dem Unfall nicht erfolgt. Aus der Bescheinigung vom 18. November 2005 gehe nicht hervor, dass die beginnende Optikusatrophie eine dauerhafte Schädigung darstelle.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die an ihrem erstinstanzlichen Begehren und Sachvortrag uneingeschränkt festhält und noch einmal hervorhebt, dass die Beklagte eine anlassunabhängige Hinweispflicht über die Einführung neuer Versicherungsbedingungen aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 GG getroffen habe. Die Beklagte sei bereit gewesen, die Umstellung von bereits bestehenden Vertragsverhältnissen auf die neuen Bedingungen vorzunehmen. Dann aber sei sie verpflichtet gewesen, diese Möglichkeit allen Versicherungskunden anzubieten. Infolge dessen habe die Beklagte die Klägerin im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als wären die AL-AUB 2002 bereits vor dem Unfall vom 10. September 2004 vereinbart worden.

Soweit der Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und der Optikusatrophie der Klägerin streitig sei, werde nunmehr auch das Gutachten von Prof. Dr. L. vom 18. Juli 2007 vorgelegt. Danach sei der Ursachenzusammenhang sehr wahrscheinlich. Da das Gutachten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung des Landgerichts erstellt worden sei, habe es nicht bereits in erster Instanz vorgelegt werden können.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.900,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2006 zu zahlen.

Die Beklagte bittet um

Zurückweisung der Berufung

und tritt dem gegnerischen Vorbringen unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Ausführungen im Einzelnen entgegen. Ergänzend macht sie geltend, dass es sich bei den AL-AUB 2002 nicht um ein vollständig neues Klauselwerk der Beklagten gehandelt habe. Vielmehr seien die Regelungen den AUB 99 nachgebildet, die gegenüber den AUB 88 nur wenige materielle Änderungen enthielten.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat richtig entschieden. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Invaliditätsleistung aus dem Unfallversicherungsvertrag mangels Einhaltung der vereinbarten Frist zur Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen nicht zu. Ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassenen Hinweises auf die Einführung neuer Versicherungsbedingungen, nach welchen die Frist zur Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen gewahrt gewesen wäre, besteht ebenfalls nicht.

A.

Die Klägerin macht Invaliditätsleistungen aus dem Unfallversicherungsvertrag geltend, dem im Zeitpunkt des Unfallereignisses die AUB 88 der Beklagten zugrunde lagen. Soweit die Parteien im Sommer 2005, also nach dem Unfall, abweichende Versicherungsbedingungen vereinbart haben, hat dies für die Entscheidung des Rechtsstreits - abgesehen von etwaigen Nebenpflichtverletzungen der Beklagten - keine Relevanz. Eine rückwirkende Geltung der neuen AUB ist nicht vereinbart worden. Ebenso wenig kann dem ab Juli 2005 geltenden Vertrag entnommen werden, dass für zukünftig angemeldete Ansprüche die neuen Versicherungsbedingungen zugrunde zu legen seien.

B.

Kommt es demnach allein auf die bis Juni 2005 geltenden AUB 88 an, ist deren Fristenregelung für Invaliditätsansprüche nach § 7 I. (1) maßgeblich, wonach unfallbedingte Invalidität binnen eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und binnen weiterer drei Monate die Invalidität ärztlich festgestellt und gegenüber der Beklagten geltend gemacht worden sein muss.

I. Es ist bereits fraglich, ob die Bescheinigung von Frau Dr. K. vom 18. November 2005 den Anforderungen an eine ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität genügt.

Dabei liegen die Zweifel nicht unbedingt darin, dass die Bescheinigung nicht hinreichend erkennen lasse, es sei mit einer dauerhaften Beeinträchtigung des linken Auges aufgrund der diagnostizierten "beginnenden" Optikusatrophie zu rechnen, sondern eher darin, ob die Bescheinigung auch den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Invalidität bestätigt. Die Ärztin hat nur bescheinigt, dass die Klägerin ihr den Autounfall als Ursache angegeben habe und sie - die Ärztin - "nun davon ausgehe, dass die Optikusatrophie von dem herrühre". Die fristgerechte ärztliche Feststellung im Sinne der Unfallversicherungsbedingungen ist jedoch eine Anspruchsvoraussetzung. An die ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen (BGHZ 137, 174; OLG Saarbrücken VersR 2005, 929; OLG Hamm MDR 2004, 34; OLG Koblenz r+s 2003, 473). Sie setzt jedoch immerhin voraus, dass sich aus ihr der Unfall als die ärztlicherseits angenommene Ursache einer Gesundheitsbeeinträchtigung, deren Dauerhaftigkeit und die Art ihrer Auswirkung ergeben. Ferner muss sich aus ihr ergeben, dass die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit des Versicherten innerhalb des ersten Jahres nach dem Unfall beeinträchtigt worden ist (OLG Karlsruhe OLG-Report 2005, 373 und 1230).

Daran gemessen sind zumindest Zweifel berechtigt, dass die Bescheinigung vom 18. November 2005 den aufgezeigten Anforderungen genügt. Auf die weitere ärztliche Bescheinigung des Uni-Klinikums R. vom 23. Februar 2006 kommt es demgegenüber schon deswegen nicht an, weil sie erst nach Ablauf der vereinbarten 15-Monats-Frist erstellt worden ist.

II. Auf Vorstehendes kommt es jedoch letztlich nicht an, weil schon die Frist für die Geltendmachung von unfallbedingter Invalidität gegenüber der Beklagten nicht eingehalten worden ist.

1. Dass die Frist von 15 Monaten seit dem Unfall, binnen welcher unfallbedingte Invalidität gegenüber der Beklagten geltend gemacht worden sein muss, von der Klägerin nicht eingehalten worden ist, ist unstreitig. Sie hat den Unfall erstmals am 15. Februar 2006 bei ihrem Versicherungsagenten gemeldet und einen Tag später die Schadensmitteilung abgeschickt. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist des § 7 I. (1) AUB 88 bereits abgelaufen.

2. Die Berufung der Beklagten auf die Versäumung der Frist ist nicht treuwidrig. Einen Verstoß gegen Treu und Glauben kann die Berufung auf die Fristversäumung dann darstellen, wenn für den Versicherer vor Fristablauf eine erkennbare Belehrungsbedürftigkeit des Versicherungsnehmers bestand, was auch dann der Fall sein kann, wenn er Leistungen bereits vor Fristablauf aus anderen Gründen als den der Fristversäumung ablehnt und nicht auf die maßgeblichen Fristen hinweist, oder wenn er den Versicherten trotz Fristablaufs erheblichen ärztlichen Untersuchungen aussetzt und später Leistungen wegen Fristablaufs ablehnt. Derartige Fallgestaltungen liegen hier jedoch nicht vor. Die Klägerin hat der Beklagten den Unfall erst im Februar 2006 und somit nach Fristablauf gemeldet. Vorher wusste die Beklagte weder von dem Unfall noch von einer möglichen Invalidität der Klägerin. Die Beklagte hat auch die ärztlichen Untersuchungen der Klägerin nicht veranlasst, vielmehr hat sich die Klägerin den Untersuchungen aus eigenem Antrieb ausgesetzt.

3. Die Klage hätte daher allenfalls dann Erfolg haben können, wenn die Klägerin von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes so zu stellen wäre, als hätten die erst ab Juli 2005 vereinbarten AL-AUB 2002 bereits im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfallereignisses gegolten (§ 280 BGB). Nach diesen AUB wäre die Frist zur Geltendmachung von Invalidität eingehalten, weil sie sich nach Nr. 2.1.1.1 auf 21 Monate nach dem Unfall beläuft.

Eine derartige Nebenpflicht in Form einer Hinweis- und Einbeziehungsverpflichtung der Beklagten im Hinblick auf die seit dem Jahre 2002 bestehenden AL-AUB 2002 kann indessen nicht festgestellt werden. Die Beklagte war nicht verpflichtet, spätestens bei der Verlängerung des Versicherungsvertrags im Sommer 2004 auf die seit 2002 bestehenden AL-AUB 2002 hinzuweisen und auf deren Einbeziehung in den Vertrag mit der Klägerin hinzuwirken.

a. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit konkrete Vertragsverhandlungen über den Abschluss oder die Änderung/Erweiterung eines Unfallversicherungsvertrags einen Versicherer zu einem solchen Hinweis verpflichten können. Unstreitig hat es nämlich solche Verhandlungen der Parteien nach Einführung der neuen AUB der Beklagten, aber vor dem Unfall der Klägerin nicht gegeben. Automatisiert ablaufende Vertragsanpassungen und -änderungen aufgrund von vereinbarten Fortsetzungsklauseln oder regelmäßiger Dynamisierung von Prämie und Leistung sind Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien nicht gleichzusetzen (Senat, VersR 1997, 1134).

b. Der Senat kann auch offen lassen, ob sich eine Hinweispflicht des Versicherers für den Fall ergeben kann, dass neu eingeführte oder einzuführende Versicherungsbedingungen ein komplett neues Regelwerk darstellen oder dem Versicherungsnehmer ausschließlich günstige Veränderungen enthalten, also nicht nur per Saldo Vorteile für den Versicherungsnehmer bringen. Dieser Fall liegt hier nicht vor.

Die AL-AUB 2002 der Beklagten sind kein komplett neues Bedingungswerk. Zwar ist die Anordnung der Bedingungen, nicht aber der wesentliche Teil ihres Inhalts geändert worden. Soweit inhaltliche Änderungen bestehen, gehen diese nicht nur zu Gunsten, sondern ebenso zu Lasten des Versicherungsnehmers. Dabei handelt es sich zum einen um die Verlängerung der Frist, innerhalb welcher Invalidität bei Kindern unter 16 Jahren neubeurteilt werden kann (Nr. 9.4 der AL-AUB 2002). Da die beiden Kinder der Klägerin mitversichert sind und beide Kinder im Jahr 2004 noch unter 16 Jahren alt waren, war für den konkreten Versicherungsvertrag der Klägerin diese Klausel, die sich ggf. zu ihren Lasten auswirken konnte, von entscheidender Relevanz. Zum anderen sind die AL-AUB 2002 der Beklagten den Musterbedingungen der AUB 99 nachgebildet. Diese enthalten gegenüber den AUB 88/94 zwar nur wenige materielle Änderungen; soweit sie jedoch vorhanden sind, sind sie dem Versicherungsnehmer nicht ausschließlich vorteilhaft, sondern verschlechtern auch seine Rechtsposition im Vergleich zu den AUB 88/94 (zu den Einzelheiten vgl. Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., vor § 1 AUB 99 Rn 9).

Im Übrigen beinhaltet der von der Klägerin ab Juli 2005 zusätzlich vereinbarte "XXL-Schutz" nicht nur veränderte Versicherungsbedingungen, sondern auch erweiterte Leistungen der Beklagten. Für die Schaffung eines weitergehenden Versicherungsschutzes hat aber der Versicherungsnehmer selbst zu sorgen, ohne dass der Versicherer ihn bei Neueinführung weiterer Leistungskataloge jeweils unterrichten müsste. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die erhöhten Leistungen mit einer höheren Prämienzahlung einhergehen, wie es hier der Fall war (siehe Nr. 4 der Anlage K12 = Bl. 66 GA).

c. Eine von jedem konkreten Anlass losgelöste, allgemeine Hinweispflicht des Versicherers darauf, dass er neue Bedingungen für einen bestimmten Versicherungszweig eingeführt hat, besteht demgegenüber nicht. Insbesondere genügt es nicht, dass sich aus dem neuen Klauselwerk einzelne Vorteile für den Versicherungsnehmer gegenüber den bislang in den Vertrag einbezogenen Regelungen ergeben, um eine Hinweisverpflichtung annehmen zu können.

aa. Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die Beklagte in den Jahren 2003 und 2004, als es zu bedingungsgemäßen Vertragsverlängerungen um jeweils ein Jahr kam, grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre, einem ausdrücklichen Antrag der Klägerin auf Einbeziehung der AL-AUB 2002 zuzustimmen. Hierfür spricht, dass die Beklagte auch im Jahr 2005 nach entsprechenden Vertragsverhandlungen der Geltung dieser Versicherungsbedingungen zugestimmt hat und daher nichts dafür ersichtlich ist, dass ihr für die Einbeziehung der neuen Bedingungen in bereits bestehende Verträge die generelle Bereitschaft gefehlt haben könnte. Unter diesem Blickwinkel wäre es daher möglicherweise bereits 2004 für die Beklagte geboten gewesen, der Klägerin den Versicherungsschutz nach Maßgabe der neuen Bedingungen nicht zu verweigern, wenn ein entsprechender Antrag an sie herangetragen worden wäre.

bb. Dies ist indessen nicht der maßgebliche Gesichtspunkt für die Entscheidung dieses Rechtsstreits. Entscheidend ist vielmehr, ob die Beklagte von sich aus auf eine Einbeziehung der Bedingungen hätte hinwirken müssen, indem sie die Klägerin auf die Existenz der AL-AUB 2002 hinwies, um die Möglichkeit eines entsprechenden Antrags auf Einbeziehung in den Vertrag zu eröffnen. Eine solche Verpflichtung traf sie jedoch nicht.

Spätestens seit 1999 hatten die Parteien eine Dynamisierung von Leistung und Beitrag vereinbart (vgl. Anlage K2 = Bl. 8 GA). Der danach in regelmäßigen Zeitabständen erfolgte Zuwachs von Leistung und Beitrag setzte aufgrund der bereits früher getroffenen Vereinbarung keine besondere Vertragsverhandlung voraus und kann daher dem Fall einer Verhandlung über die Umgestaltung oder Verlängerung des Versicherungsvertrags nicht gleichgesetzt werden (Senat aaO). Gleiches gilt für die automatisierte Vertragsverlängerung bei fehlender rechtzeitiger Kündigung nach § 4 II. (1) und (2) der AUB 88 (Klimke, Die Hinweispflicht des Versicherers bei Einführung neuer AVB, NversZ 1999, S. 453). Da aber eine allgemeine Verpflichtung der Versicherer zur Information ihrer Versicherungsnehmer über die Schaffung neuer Vertragsbedingungen und zu deren Einbeziehung in bestehende Verträge nicht besteht (OLG München VersR 2005, 1418; OLG Hamm VersR 1994, 37), kommt eine Pflicht zum Hinweis auf neue Bedingungen - abgesehen von dem Fall geführter Vertragsverhandlungen - allenfalls dann in Betracht, wenn hierfür ein besonderer, dem Versicherer erkennbarer Grund spricht. Insoweit genügt es nicht, dass einzelne Klauseln der neuen Bedingungen das Vertragsverhältnis zugunsten des Versicherungsnehmers verändern würden. Ob es ausreicht, wenn festgestellt werden kann, dass die Veränderungen ausnahmslos im Interesse des Versicherungsnehmers liegen, um eine Hinweispflicht des Versicherers auslösen zu können (so OLG Hamburg VersR 1988, 620; OLG Hamm VersR 1994, 37; OLG Bamberg VersR 1998, 833; vom Senat aaO mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen), braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine noch darüber hinaus gehende Hinweispflicht besteht indessen jedenfalls nicht. Sie würde zu einem kaum überschaubaren Prüfungsaufwand für den Versicherer oder dazu führen, dass der Versicherer - unabhängig von den konkreten Auswirkungen auf einzelne Vertragsverhältnisse - jeden Versicherungsnehmer der betroffenen Sparte von der Existenz neuer Versicherungsbedingungen informieren müsste, damit jeder von ihnen die Möglichkeit eigener Entscheidungsbildung und der Geltendmachung konkreten Informationsbedarfs für seinen Vertrag hat. Eine derart weitgehende Informationspflicht besteht jedoch nicht (OLG München aaO; weitergehend: Klimke aaO, S. 453, der eine anlassunabhängige Hinweispflicht des Versicherers befürwortet, wenn es größere Änderungen oder eine vollständige Ersetzung des Bedingungswerks gegeben hat).

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 42.900,-- Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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