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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.06.2005
Aktenzeichen: I-4 U 165/04
Rechtsgebiete: VVG, ZPO


Vorschriften:

VVG § 12 Abs. 3
VVG § 12 Abs. 3 S. 1
VVG § 12 Abs. 3 S. 2
ZPO § 167
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Juli 2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, weil der Kläger die Klagefrist versäumt hat.

1) Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 11. März 2003 eine Klagefrist gesetzt und ihm eine den Anforderungen des § 12 Abs. 3 S. 2 VVG genügende Rechtsfolgenbelehrung erteilt. Das Schreiben ist ihm unstreitig (spätestens) am 13. März 2003 zugegangen (vgl. GA 98). Innerhalb der somit am 13. September 2003 endenden Klagefrist ist die Klageschrift auch beim Landgericht Wuppertal eingegangen (GA 1: 9. September 2003). Dadurch wurde die Frist jedoch nicht gewahrt, da die Zustellung bei der Beklagten, die erst am 17. Dezember 2003 stattfand, nicht mehr "demnächst" i.S. von § 167 ZPO erfolgt ist.

2) Nach dem Sinn und Zweck der in § 167 ZPO (= § 270 Abs. 3 ZPO a.F.) getroffenen Regelung soll die Partei vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes bewahrt werden, weil derartige Verzögerungen außerhalb ihres Einflussbereichs liegen. Zuzurechnen sind ihr jedoch Verzögerungen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter, für dessen Versäumnisse sie einzustehen hat (§ 85 Abs. 2 ZPO), bei gewissenhafter Prozessführung hätten vermeiden können. Nach gefestigter Rechtsprechung ist daher eine Klage dann i.S. des § 167 ZPO "demnächst" zugestellt, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtumstände alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Das ist jedoch nicht mehr der Fall, wenn sie durch nachlässiges, wenn auch nur leicht fahrlässiges Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben. Als geringfügig in diesem Sinne sind in der Regel Zustellungsverzögerungen bis zu 14 Tagen anzusehen. Eine Zeitspanne von mehr als zwei Wochen, um die sich die Klagezustellung durch leichte Fahrlässigkeit verzögert, wird nicht mehr als unschädlich betrachtet (BGH NJW-RR 1995, 254).

3) Im Streitfall trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Verantwortung für eine 14 Tage deutlich übersteigende Verzögerung der Klagezustellung.

a) Zwar durfte der Prozessbevollmächtigte die gerichtliche Kostenanforderung, die mit Schreiben vom 10. September 2003 (GA 10) erfolgt ist, abwarten, bis er den für die Zustellung erforderlichen Kostenbetrag anwies. Da der Kostenvorschuss am 23. September 2003 bei der Gerichtskasse eingezahlt worden ist, ist der 14-Tages-Zeitraum nicht überschritten, zumal ohnehin nur eine Fristüberschreitung zu Lasten des Klägers geht, zu der es vom Ablauf der Klagefrist (13. September 2003) an gekommen ist.

b) Aus demselben Grund ist nicht zu beanstanden, dass der Prozessbevollmächtigte für die Beantwortung der zweiten Anfrage zur örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts knapp eine Woche benötigt hat (vgl. GA 11, 12). Dass er auf die erste Anfrage vom 30. September 2003 (GA 4) nicht reagiert hat, kann dem Kläger auch nicht angelastet werden, da ungeklärt ist, ob das Schreiben, das am 1. Oktober 2003 zum Versand gegeben worden ist, überhaupt seinem Prozessbevollmächtigten zugegangen ist.

c) Ein zumindest leicht fahrlässiges Versäumnis des Prozessbevollmächtigten ergibt sich jedoch daraus, dass er nach Einzahlung des Kostenvorschusses der Nachricht von der Klagezustellung mehr als neun Wochen tatenlos entgegengesehen hat. Er musste nämlich nicht nur alles ihm Zumutbare tun, um die Voraussetzungen für die Zustellung der Klage zu schaffen, sondern auch im Sinne einer größtmöglichen Beschleunigung auf sie hinwirken. Deshalb durfte er das Ausbleiben der Nachricht von der Klagezustellung, für die es aus seiner Sicht keinen erkennbaren Grund gab, nicht unbegrenzt hinnehmen (BGH VersR 2003, 489; NVersZ 2000, 72, 73; VersR 1992, 433; BGHZ 69, 361, 364 = VersR 1977, 1153, allerdings jeweils ohne Festlegung auf eine Frist von höchstens drei Wochen). Stattdessen muss er die Zustellung spätestens nach vier Wochen anmahnen, weil das Ausbleiben der Nachricht nach Ablauf dieser Frist so ungewöhnlich ist, dass sich einem Rechtsanwalt der Verdacht aufdrängen muss, es sei im Geschäftsbetrieb des Gerichts ein Fehler aufgetreten (OLG Hamm VersR 2005, 390, 391; NJW-RR 1998, 1004; KG r+s 2003, 140; OLG Celle, VersR 1976, 854). Etwas anderes mag gelten, wenn bekannt ist, dass in einem bestimmten Bezirk, bei einem bestimmten Gericht oder auch nur bei einer bestimmten Abteilung eines Gerichts längere Bearbeitungszeiten üblich sind (OLG Hamm VersR 2005, 390, 391). Solche Erkenntnisse liegen dem Senat für den Bereich des Landgerichts Wuppertal jedoch nicht vor. Auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat derartiges bei der Erörterung der Fristversäumnis nicht vorgebracht.

Die danach gebotene Nachfrage, ob und warum bisher nicht zugestellt worden ist, erübrigte sich nicht, weil die Zustellung nicht von der Beantwortung der verlorengegangenen Anfrage zur Zuständigkeit hätte abhängig gemacht werden dürfen, da absehbar war, dass der Gerichtsstand der Agentur (§ 48 VVG) vorlag und aus der Klageschrift hervorging, dass die Klage zur Wahrung der Frist nach § 12 Abs. 3 VVG erhoben wurde (GA 3). Denn selbst im Falle einer überflüssigen oder gar fehlerhaften Auflage muss sich der Prozessbevollmächtigte alsbald um den Fortgang der Sache kümmern (BGH NJW-RR 1992, 470, 471 = VersR 1992, 433). Ebenso wenig ist ein Versäumnis des Prozessbevollmächtigten zu verneinen, weil nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (NVersZ 2000, 429), auf die der Kläger sich beruft, vom Versicherungsnehmer nicht erwartet werden kann, auf eine Beschleunigung innerbehördlicher Arbeitsgänge hinzuwirken. Denn darum ging es im Streitfall nicht. Schließlich ist die Zustellung nicht unterblieben, weil die Kammer, deren Geschäftsstelle oder die Schreibkanzlei überlastet war, sondern weil die erste die Zuständigkeit betreffende Anfrage aus ungeklärten Gründen dem Prozessbevollmächtigten nicht zugegangen ist. Dies kann auch auf dem Postweg verloren gegangen sein. Ferner ist auch der weiteren vom Kläger zitierten Rechtsprechung (BGH VersR 1999, 217; NJW 1993, 2614; NJW 1988, 411, 413) nicht zu entnehmen, dass unter den gegebenen Umständen eine Nachfrageobliegenheit nicht bestand. In den angesprochenen Entscheidungen hat der BGH lediglich klargestellt, dass es keine absolute zeitliche Höchstgrenze gibt, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als "demnächst" erfolgt angesehen werden kann. Schließlich kann der Kläger sich nicht darauf berufen, dass die Befugnis, ihm als Versicherungsnehmer eine Klagefrist setzen zu dürfen, ein überkommenes Privileg des Versicherers darstellt und die Vorschrift eigentlich abgeschafft gehört (so ausdrücklich: Römer in: Römer/Langheid VVG, 2. Aufl., § 12 Rn. 32). Denn das ändert nichts daran, dass die Gerichte, so lange die Vorschrift nicht vom Gesetzgeber aufgehoben oder geändert wird, daran gebunden bleiben.

d) Die Versäumung der Nachfragepflicht ist auch für die weitere Verzögerung der Klagezustellung ursächlich geworden (zum Kausalitätserfordernis BGH VersR 2003, 489, 490). Wie der weitere Verlauf der Dinge zeigt, ist die Zustellung nämlich nach Eingang des Schriftsatzes vom 1. Dezember 2003, in dem der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Ausbleiben der Klagezustellung erstmals beanstandet hat, und nach Beantwortung der erneuten Anfrage zur Zuständigkeit binnen zwei Wochen erfolgt. Hätte der Prozessbevollmächtigte sich mit diesem Anliegen bereits vier Wochen nach Einzahlung der Gerichtskosten, also am 21. Oktober 2003, an die Kammer gewandt, so wäre die Klagezustellung schon Anfang November 2003, mithin mehr als einen Monat früher als tatsächlich geschehen, erfolgt.

4) Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung, da der Senat nicht von der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des BGH oder des OLG Frankfurt abweicht und die Entscheidung auch im übrigen keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

Berufungsstreitwert: 6.805,43 €.

Ende der Entscheidung

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