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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.03.2009
Aktenzeichen: I-4 U 181/08
Rechtsgebiete: AKB, VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AKB § 14
AKB § 14 Abs. 1
AKB § 14 Abs. 3
AKB § 14 Abs. 5 Satz 2
VVG § 64
VVG § 64 Abs. 1 a.F.
BGB §§ 317 ff.
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 8. August 2008 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

Das Ergebnis von Klage und Widerklage hängt davon ab, ob das im Verfahren gemäß § 14 AKB erzielte Gutachten des Sachverständigen (Obmanns) Löffler für die Parteien bindend ist. In diesem Fall ist die Widerklage unbegründet, weil der Beklagte keinen höheren Wiederbeschaffungswert seines verunfallten Fahrzeugs als denjenigen, den die Klägerin bereits erstattet hat, verlangen kann. Gleichfalls steht fest, dass die Klägerin gemäß § 14 Abs. 5 Satz 2 AKB Anspruch auf Erstattung ihrer in diesem Verfahren entstandenen Sachverständigenkosten hat, während der Beklagte den Ersatz seiner Sachverständigenkosten nicht geltend machen kann.

II.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Das im Verfahren gemäß § 14 AKB erzielte Gutachten des gemäß Absatz 3 der Vorschrift tätig gewordenen Obmanns Löffler ist für die Parteien bindend.

Auf das Sachverständigenverfahren gemäß § 14 AKB ist die Regelung in § 64 VVG (in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) anzuwenden. Nach § 64 Abs. 1 VVG aF iVm § 14 Abs. 1 AKB ist die Feststellung des Wiederbeschaffungswerts eines versicherten Fahrzeugs durch den vereinbarten Sachverständigen - hier: des gemäß § 14 Abs. 3 AKB "entscheidenden" Obmanns, nachdem sich die zuvor tätigen Ausschussmitglieder T. und G. nicht einig waren - nur dann nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Dabei können - zumindest mit gebotener Zurückhaltung - die Rechtsgedanken der §§ 317 ff. BGB entsprechend herangezogen werden (Prölls/Martin - Voit/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 64 Rn 1). Eine offenbare Abweichung von der wirklichen Sachlage ist gegeben, wenn sie für jeden fachkundigen und unbefangenen Beurteiler bei gewissenhafter Prüfung offen, also klar und deutlich zutage tritt (Prölls/Martin aaO, Rn 42 mwN). Entscheidend ist letztlich, ob das Gesamtergebnis des Gutachtens offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht (Prölls/Martin aaO, Rn 35 und 37). Erheblich ist die Abweichung, wenn sie bei ihrer Akzeptanz zu offenbarem Unrecht führen würde (Prölls/Martin aaO, Rn 36 mwN).

Diese Voraussetzungen können nach dem erstinstanzlich erzielten Beweisergebnis nicht festgestellt werden. Das Landgericht hat nach Einholung des Sachverständigengutachtens S. rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Bewertung des Wiederbeschaffungswerts durch den Sachverständigen L. mit 16.900,-- Euro jedenfalls nicht offenbar unrichtig ist. Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an diese Feststellungen gebunden. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung bestehen nicht. Sie werden mit der Berufung gegen die angefochtene Entscheidung nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Dabei kommt es nach der aufgezeigten Rechtslage nicht darauf an, ob überhaupt Abweichungen des Gutachtens L. von der wirklichen Sachlage festzustellen sind. Die Bindungswirkung nach § 14 AKB entfällt erst dann, wenn die Abweichung im Hinblick auf das Gutachtenergebnis erheblich ist und offenbar zutage tritt. Diesen Nachweis hat der beweispflichtige Beklagte, der die mangelnde Bindungswirkung in Abrede stellt (vgl. zur Beweislast Prölls/Martin aaO, Rn 35), mit dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten des Sachverständigen Stiegen nicht geführt.

1. Die Berufung greift das Gutachten des Obmanns L. bereits nicht gezielt an. Sie befasst sich vielmehr ausschließlich mit dem gerichtlich eingeholten Gutachten S.. Es fehlt daher schon an Berufungsangriffen, aus welchen Gründen das im Verfahren nach § 14 AKB eingeholte und grundsätzliche bindende Gutachten des Sachverständigen L. tatsächlich keine Bindungswirkung entfalten soll. Hierauf ist der Beklagte mit der prozessleitenden Verfügung vom 11. November 2008 hingewiesen worden.

2. Ungeachtet dessen hat das Landgericht den Sachvortrag des Beklagten in erster Instanz für ausreichend erachtet und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben, ob das Gutachten L. offenbare und erhebliche Abweichungen von der wirklichen Sachlage enthält. Hierbei sind dem Landgericht keine Rechtsfehler unterlaufen, die eine erneute Tatsachenfeststellung im Berufungsrechtszug rechtfertigen könnten. Der beauftragte Sachverständige S. hat den zugrunde liegenden und maßgeblichen Sachverhalt aus den nachstehend näher erläuterten Gründen zutreffend und vollständig erfasst. Er hat keine für die Feststellung des tatsächlichen Wiederbeschaffungswerts des verunfallten Fahrzeugs nicht aussagekräftigen oder gar unzulässigen Erwägungen angestellt. Das Ergebnis seines Gutachtens ist daher nicht zu beanstanden. Danach liegt eine erhebliche Abweichung des Gutachtens L. von der wirklichen Sachlage nicht vor:

Unstreitig war der verunfallte Wagen kein Serienfahrzeug, sondern das Produkt eines durch ein Tuningunternehmen durchgeführten Eigenbaus, so dass der vom Beklagten immer wieder herangezogene Vergleich mit einem Serienfahrzeug der Marke ..., Typ M3, schon im Ansatz nur bedingt möglich ist. Es wird vom Beklagten auch nicht bestritten, dass der Komplettaufbau eines einzelnen ... erheblich teurer ist als seine Serienanfertigung, so dass es nahe liegt, dass bei dem Fahrzeug des Beklagten, für das kein vergleichsweise höherer Erwerbspreis aufgewandt werden musste, erheblich billigere Teile - möglicherweise stammend aus einem Unfallfahrzeug - Verwendung gefunden haben. Unstreitig sind denn auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug von Anfang an (zumindest) gebrauchte Teile verbaut worden, so dass das Datum der Erstzulassung des Fahrzeugs nur eingeschränkt aussagekräftig ist. Insbesondere aber bleibt nach zutreffender Ansicht des Sachverständigen S. die Ungewissheit, was genau bei der Herstellung des Fahrzeugs verwendet wurde. Alter und Beanspruchung der Teile sind unbekannt. Diese Ungewissheit geht zu Lasten des für einen höheren Wiederbeschaffungswert und die Unverbindlichkeit des Gutachtens L. beweisbelasteten Beklagten. Dabei ist unerheblich, ob die Mutmaßung eines Unfallvorschadens - etwas anderes hat der Sachverständige nicht zum Ausdruck gebracht - zutreffend ist. Bereits die Ungewissheit, welcher Art und Güte die verbauten Teile waren, genügt, um als wertmindernder Faktor ins Gewicht zu fallen, weil auch ein hinreichend kundiger Kaufinteressent sein Augenmerk hierauf lenken und seine Entscheidung hierauf stützen würde.

Ebenso unstreitig hatte das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht in vollem Umfang die Ausstattung eines vergleichbaren Serienfahrzeugs ..., nämlich in Bezug auf den (leistungsschwächeren) Motor, den Frontstoßfänger und die Vordersitze, wobei es für die Erstattungspflicht der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag nicht darauf ankommt, dass der Stoßfänger nur vorübergehend angebracht worden sein soll, weil der Wert des Wagens im Unfallzeitpunkt maßgebend ist. Nicht zu beanstanden ist ferner die sachverständige Bewertung, dass das vergleichsweise höhere Leergewicht des Fahrzeugs bei dem leistungsschwächeren Motor, der grundsätzlich für ein leichteres Fahrzeug vorgesehen ist, zu einem erhöhten Kraftstoffverbrauch führt und sich dies im Hinblick auf die zu erwartende ablehnende Reaktion potenzieller Käufer negativ auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auswirkt.

Soweit der Beklagte moniert, der Sachverständige S. habe die tatsächlich vorhandene Ausstattung - insbesondere im Hinblick auf das Schnitzer-Fahrwerk und die Räder - nicht hinreichend gewürdigt, lässt er außer Betracht, dass der Sachverständige ausdrücklich erklärt hat, dass es darauf für die Bewertung letztendlich nicht ankommt (vgl. Seite 14 des Gutachtens vom 5. Dezember 2007 = Bl. 243 GA). Im Übrigen hat er aber auch zutreffend ausgeführt, dass ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen (Bl. 197 ff. GA) hinsichtlich des Fahrwerks und der Räder die Vorführung bei einem anerkannten Sachverständigen und die Erteilung einer entsprechenden Prüfbescheinigung erforderlich war (Bl. 232-233 GA), eine entsprechende Bescheinigung indessen nicht vorgelegt worden ist.

Es kommt im Ergebnis nicht darauf an, ob und inwieweit der PKW des Beklagten im maßgeblichen Unfallzeitpunkt die Bezeichnung "..." verdient hat. Entscheidend ist vielmehr, ob die konkrete Ausstattung des Fahrzeugs einen höheren Wiederbeschaffungswert rechtfertigt. Solches zeigt die Berufung aber nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Sachverständige S. hat - wie im Einzelnen bereits ausgeführt - den Sachverhalt zutreffend und vollständig erfasst, unzulässige Bewertungskriterien hat er seiner Beurteilung nicht zugrunde gelegt. Insbesondere hat er erkannt und berücksichtigt, dass der untersuchte Wagen im Fahrzeugbrief als M3/B eingetragen war. Ebenso hat er berücksichtigt, dass die für eine M3-Ausstattung erforderlichen Verstärkungen von Karosserie und anderen Fahrzeugteilen, das Schnitzer-Fahrwerk und bestimmte Räder vorhanden waren.

3. Gegen die Höhe der angefallenen Sachverständigenkosten erhebt die Berufung keine Einwände, so dass sich nähere Ausführungen hierzu erübrigen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die beiden Rechnungen der Sachverständigen G. und L. (Bl. 16-18 GA) übersetzt sein könnten.

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.978,53 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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