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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.06.2003
Aktenzeichen: I-4 U 194/02
Rechtsgebiete: BB-BUZ, ZPO


Vorschriften:

BB-BUZ § 2
BB-BUZ § 7
ZPO § 767
1.

Der Versicherer ist nicht gehalten, in dem von dem Versicherungsnehmer geführten Rechtsstreit um Berufsunfähigkeitsrente von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, gemäß § 7 BB-BUZ die Fortdauer der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen und den Versicherungsnehmer wegen zwischenzeitlich erworbener neuer Fähigkeiten auf eine andere Tätigkeit zu verweisen, sondern kann sich auch erst zu einem späteren Zeitpunkt auf diese Abänderungsmöglichkeit berufen.

2.

Falls nach der Verurteilung des Versicherers der Weg über die Einstellung der Leistungen mit Bescheid gemäß § 7 Abs. 4 BB-BUZ unter Hinweis auf die Frist nach § 12 Abs. 3 VVG aus formellen Gründen nicht zum Erfolg führt, kann der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen.

3.

Für die Frage, ob es sich um neu erworbene Fähigkeiten des Versicherungsnehmers handelt, kommt es auf den Erwerb nach dem Zeitpunkt des Leistungsanerkenntnisses und im Falle einer Verurteilung des Versicherers auf den Erwerb nach dem Zeitpunkt an, zu dem die Abgabe eines Anerkenntnisses geboten war.


OBERLANDESGERICHT DUSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-4 U 194/02

Verkündet am 10. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richter am Oberlandesgerichts Dr. S..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. W... und der Richterin am Landgericht B...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1. August 2002 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus dem vollsteckbaren Urteil des Landgerichts D... vom 15. Dezember 1999 - 11 O 216/97 - sowie aus dem vollstreckbaren Urteil des Oberlandesgerichts D... vom 9. Januar 2001 - 4 U 38/00 - wird ab dem 1. Oktober 2001 für unzulässig erklärt.

Der Beklagte wird verurteilt, die ihm erteilten vollstreckbaren Ausfertigungen der beiden genannten Urteile an die Klägerin herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt im Wege der Vollstreckungsgegenklage die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus einem in der Berufungsinstanz bestätigten Urteil, mit dem sie zur Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente verurteilt wurde.

Der Beklagte, der bei der Klägerin seit 1989 eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unter Einbeziehung der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Klägerin (im folgenden: BUZ) unterhält, nahm die Klägerin im Vorprozess 11 O 216/97 LG D... auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit in seinem Beruf als Koch in Anspruch. Mit Urteil vom 15. Dezember 1999, bestätigt durch Urteil des Senats vom 9. Januar 2001, verpflichtete das Landgericht die Klägerin zur Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente mit Wirkung ab 1. Juni 1996 und zur Beitragsbefreiung des Beklagten.

Bereits in der Zeit vom 1. August 1997 bis 2. Juni 1999 absolvierte der Beklagte ausweislich eines Abschlusszeugnisses vom 2. Juni 1999 eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Seit dem 7. Juni 1999 war er als leitender Angestellter der Firma ... B...-O... und D... V... mbH mit einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich überwiegend im Bereich der Kundenbetreuung und des Multimedia-Supports tätig. Hiervon erlangte die Klägerin erst im Rahmen eines im Jahr 2001 durchgeführten Nachprüfungsverfahrens Kenntnis.

Mit Schreiben vom 21. Juni 2001 stellte sie ihre Leistungen mit Wirkung ab 1. Oktober 2001 unter Hinweis auf die Frist nach §§ 6 BUZ, 12 Abs. 3 VVG und mit der Begründung ein, der Beklagte könne nunmehr auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit als Bürokaufmann verwiesen werden, so dass bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht mehr gegeben sei.

Der Beklagte erhob innerhalb der Sechsmonatsfrist Klage auf Fortgewähr von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung vor dem Landgericht D... (11 O 410/01 LG D...). Die Einzelrichterin wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass für die Klage kein Rechtsschutzinteresse bestehe, weil die Forderung gegen den Versicherer tituliert sei und der Versicherer Vollstreckungsgegenklage erheben müsse, um sich von seiner Leistungspflicht zu befreien. Daraufhin nähme der jetzige Beklagte die Klage noch vor Stellung der Sachanträge zurück.

Nunmehr begehrt die Klägerin mit der erhobenen Vollstreckungsgegenklage, die Zwangsvollstreckung aus dem Leistungsurteil für unzulässig zu erklären. Sie hat die Ansicht vertreten, sie könne den Beklagten nach seiner Umschulung mit Erfolg auf eine Tätigkeit als Bürokaufmann verweisen, die der früher ausgeübten Tätigkeit sozial gleichwertig sei. Hierzu hat sie behauptet, der Beklagte verdiene seit April 2001 monatlich 4.521,83 DM brutto, während er als Koch zuletzt ein Gehalt von 4.383,52 DM brutto erhalten habe. Sie hat die Ansicht vertreten, die Vollsteckungsgegenklage sei schon deshalb begründet, weil der Beklagte gegen die Einstellungsmitteilung vom 21. Juni 2001 nicht wie erforderlich innerhalb der Frist der §§ 6 BUZ, 12 Abs. 3 VVG Klage erhoben bzw. die erhobene Klage wieder zurückgenommen habe mit der Folge, dass diese gemäß § 269 Abs. 3 ZPO als nicht anhängig geworden anzusehen sei. Dass der Beklagte die Umschulung bereits vor dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses abgeschlossen habe, stehe dem Erfolg der Klage unter dem Gesichtspunkt der Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, da die Klägerin erst nach Rechtskraft des Vorurteils von der Verweisungsmöglichkeit Kenntnis erlangt habe und zum anderen die rechtsgestaltende Mitteilung über die Leistungseinstellung nach § 7 BUZ erst nach Abschluss des Vorprozesses erfolgt sei.

Der Beklagte hat geltend gemacht, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokaufmann sei der vorangegangenen nicht gleichwertig, da er nur etwa 1.000 € im Monat verdient habe und seinem Arbeitgeber zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes Darlehen in Höhe von insgesamt rund 26.000 € gewährt habe.

Seit dem 31. Mai 2002 sei er zudem arbeitslos.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage aus § 767 ZPO sei nicht schon deshalb erfolgreich, weil der Beklagte nicht rechtzeitig Klage gegen die Einstellungsmitteilung vom 21. Juni 2001 erhoben habe, denn er habe die Klage ohne eigenes Verschulden im Vorprozess nur aufgrund eines unzutreffenden gerichtlichen Hinweises zurückgenommen. In der Sache könne die Klägerin Einwendungen gegen den titulierten Anspruch nicht mit Erfolg geltend machen, da diese nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert seien. Die Umschulung des Beklagten zum Bürokaufmann habe schon während des Vorprozesses stattgefunden, so dass eine Verweisung auf die neue Tätigkeit schon zum damaligen Zeitpunkt, möglich gewesen sei. Für den Zeitpunkt der Entstehung der Einwendung im Sinne von § 767 Abs. 2 ZPO komme es allein auf das objektive Entstehen der Einwendung an, nicht hingegen auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch die Partei.

Mit der Berufung rügt die Klägerin, die Klagerücknahme im Vorprozess sei schuldhaft gewesen, da sie auf einen bloßen und unstreitig falschen Hinweis des Gerichts ohne eigene Prüfung durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten erfolgt sei. Der Einwand der Verweisungsmöglichkeit sei auch nicht präkludiert, da sowohl die Mitteilung nach § 7 BUZ als rechtsgestaltender Akt wie auch die Kenntnis des Klägers von den veränderten Umständen als Voraussetzung für die Ingangsetzung des Nachprüfungsverfahrens zeitlich nach dem rechtskäftig abgeschlossenen Vorprozess lägen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts D... vom 1. August 2002, Aktenzeichen: 11 O 89/02, abzuändern

und

1.

die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts D... vom 15. Dezember 1999, Aktenzeichen: 11 O 216/97, sowie aus dem vollstreckbaren Urteil des Oberlandesgerichts D... vom 9. Januar 2001, Aktenzeichen: 4 U 38/00, ab dem 1. Oktober 2001 für unzulässig zu erklären,

sowie

2.

den Beklagten zu verurteilen, die ihm erteilten vollstreckbaren Ausfertigungen der beiden genannten Urteile an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Die erhobene Vollstreckungsgegenklage ist gemäß § 767 ZPO zulässig und begründet, weil die Klägerin dem Beklagten mit der Verweisung auf seine neu erworbenen beruflichen Fähigkeiten einen materiell-rechtlichen Einwand gegen die titulierte Forderung entgegenhalten kann.

1.

Der Einwand, der Beklagte habe neue berufliche Fähigkeiten erworben, auf die er nach §§ 2 Abs. 1, 7 BUZ verwiesen werden könne, ist nicht deshalb nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, weil die Klägerin die Verweisung bereits im Vorprozess hätte geltend machen können.

Nach § 767 Abs. 2 ZPO sind Einwendungen nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses entstanden sind. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der objektiven Entstehung der Einwendung wie etwa des Aufrechnungsgrundes, der Aufrechnungslage oder des Kündigungsgrundes an und nicht auf den Zeitpunkt, in dem die Partei Kenntnis vom Einwendungsgrund erlangt hat (BGH NJW 1964, 1797; NJW 2001, 231).

Zwar hatte der Kläger seine Umschulung zum Bürokaufmann bereits vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess beendet, so dass eine Verweisung objektiv schon im Vorprozess möglich gewesen wäre. Allerdings will die Klägerin den Beklagten hier gar nicht für die Zeit vor der mündlichen Verhandlung des Senats vom 12. Dezember 2000 auf seine neu erworbenen beruflichen Fähigkeiten verweisen, sondern sich erst für die Zeit ab dem 1. Oktober 2001 nach durchgeführtem Nachprüfungsverfahren auf die Verweisungsmöglichkeit berufen. Insofern muss es dem Versicherer freistehen zu entscheiden, wann er im Einklang mit den Versicherungsbedingungen ein Nachprüfungsverfahren durchführt. Zögert er die Nachprüfung hinaus, was letztlich allein dem Versicherungsnehmer zugute kommt, wird man ihm nicht entgegenhalten können, er habe seine Leistungen schon früher einstellen müssen.

Unabhängig davon kann die Klägerin mit dem Einwand der Verweisungsmöglichkeit schon deshalb nicht präkludiert sein, weil dies wegen der Besonderheiten des Streitfalls mit Treu und Glauben nicht zu vereinbaren wäre. Die Möglichkeit der Verweisung aufgrund nachträglich erlangter Kenntnis von einer Umschulung wäre bei gewöhnlichem Gang der Dinge in einem gesonderten Rechtsstreit über die Berechtigung der Leistungseinstellung überprüft worden. Insoweit ist anerkannt, dass der Versicherungsnehmer gegen eine Mitteilung nach § 7 BUZ zunächst innerhalb der Sechsmonatsfrist nach §§ 6 BUZ, 12 Abs. 3 VVG klagen muss, wenn er sich gegen die Leistungseinstellung wirksam zur Wehr setzen will. Vom Ausgang dieses Prozesses hängt ab, ob der Versicherer anschließend mit Erfolg Vollstreckungsgegenklage gegen die Vorverurteilung erheben kann. Klagt der Versicherungsnehmer gegen eine wirksame Einstellungsmitteilung nicht, so kann der Versicherer nach Ablauf der Sechsmonatsfrist den Weg nach § 767 ZPO beschreiten, ohne dass es weiterer Feststellungen bedarf (OLG München VersR 1997, 95, 96 im Anschluss an BGH VersR 1987, 808). Im vorliegenden Fall ist die Klage gegen die Einstellungsmitteilung nur deshalb nicht durchgeführt worden, weil der damalige Kläger und jetzige Beklagte diese aufgrund des unzutreffenden gerichtlichen Hinweises zurückgenommen hat, einer solchen Klage bedürfe es nicht, vielmehr müsse der Versicherer Vollstreckungsgegenklage erheben. Es würde an Rechtsschutzverweigerung grenzen, wenn man der Klägerin, die die Klagerücknahme im damaligen Prozess nach § 269 Abs. 1 ZPO nicht einmal verhindern konnte, jetzt nach § 767 Abs. 2 ZPO den Verweisungseinwand abschneiden wollte, der in dem richtigerweise zu führenden Prozess um die Rechtmäßigkeit der Leistungseinstellung möglicherweise zum Erfolg geführt hätte. Die Parteien sind daher so zu stellen, wie sie ständen, wenn das Klageverfahren gegen die Einstellungsmitteilung durchgeführt worden wäre. Die materielle Berechtigung des Verweisungseinwands ist damit in vollem Umfang zu überprüfen.

2.

Der von der Klägerin geltend gemachte materiell-rechtliche Einwand gegen die titulierte Forderung ist begründet. Der Anspruch auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente und Befreiung von der Beitragszahlungspflicht aus §§ 1 Abs. 1 S. 2 VVG, 1 Abs. 1, 2 BUZ ist mit Wirkung ab 1. Oktober 2001 erloschen, weil die Klägerin den Beklagten von diesem Zeitpunkt an wirksam auf die Tätigkeit als Bürokaufmann verwiesen hat.

a) Nach § 2 Abs. 1 BÜZ ist der Versicherungsnehmer nur dann berufsunfähig, wenn er auch außerstande ist, eine andere als die zuletzt innegehabte Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Bei der Ermittlung des Ausbildungs- und Erfahrungsstandes können auch nachträglich im Wege einer Umschulung erworbene Fähigkeiten berücksichtigt werden, die eine Abänderung der Leistungsentscheidung im Wege des Nachprüfungsverfahrens nach § 7 BUZ rechtfertigen können. Die Klägerin hat sich in § 7 Abs. IS. 2 BUZ eine Überprüfung der Fortdauer der Berufsunfähigkeit auch im Hinblick auf den Erwerb neuer Fähigkeiten vorbehalten.

Aufgrund seiner Ausbildung zum Bürokaufmann kann der Beklagte nunmehr in einem kaufmännischen Beruf arbeiten, wie dies bei der Tätigkeit für die Firma B.../O.../S... der Fall ist. Hierzu ist der Beklagte ausweislich seiner Selbstauskunft vom 27. April 2001 auch körperlich in der Lage.

Der bisherigen Lebensstellung entspricht die Tätigkeit dann, wenn sie weder hinsichtlich der Vergütung noch hinsichtlich der sozialen Wertschätzung spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (Prölss-Voit, VVG, 26. Aufl., § 2 BUZ Rnr. 30 m.w.N.). Hinsichtlich der sozialen Wertschätzung steht die Tätigkeit als leitender kaufmännischer Angestellter eines Handelsunternehmens nicht hinter der vom Beklagten zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines Souschefs in einem Krankenhaus zurück. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass mit der neuen Tätigkeit eine Einkommenseinbuße verbunden wäre. Die Klägerin hat ihre Behauptung, die Einkünfte des Beklagten als Bürokaufmann lägen mit 4.521,83 DM brutto monatlich noch über dem vorherigen Verdienst von 4.383,52 DM durch Vorlage der Tätigkeitsbeschreibung des Arbeitgebers vom 31. Mai 2001 (GA 50) belegt. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte im April 2001 brutto 4.174 DM verdient hat. Unter Hinzurechnung von anteiligem Urlaubs- und Weihnachtsgeld ergibt sich der von der Klägerin errechnete Betrag. Der Beklagte, der demgegenüber einen Verdienst von lediglich 1.000 € monatlich behauptet, ist für die konkreten Umstände, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit beider Tätigkeiten ergeben soll, darlegungs- und beweisbelastet (BGH r + s 2003, 164, 165). Dieser Darlegungslast hat er mit dem Vortrag, er habe seinem Arbeitgeber Darlehen in Höhe von rund 26.000 € zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes gewährt, nicht genügt, denn daraus ergibt sich bereits nicht, dass das vom Beklagten bezogene monatliche Gehalt aus diesem Grund geringer ausgefallen wäre. Maßgeblich bleibt das vom Arbeitgeber ausgewiesene Monatseinkommen, das der Beklagte auch in dieser Höhe versteuert hat.

Dass der Beklagte, wie er behauptet, seit dem 31. Mai 2002 arbeitslos ist, hindert den Versicherer nicht daran, ihn auf die Tätigkeit eines Bürokaufmanns zu verweisen, nachdem er in seinem neuen Beruf zumindest fast zwei Jahre tätig gewesen war (BGH VersR 2000, 171, 172 f.), denn das Risiko, aus anderen als gesundheitlichen Gründen den Arbeitsplatz zu verlieren, ist als sogenanntes "Arbeitsplatzrisiko" in der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht abgedeckt (BGH VersR 1989, 579; VersR 2000, 171, 172 f.; Prölss-Voit, § 2 BUZ Rnr. 48). Die Verweisung auf den Vergleichsberuf verstößt nur dann gegen Treu und Glauben, wenn der Versicherungsnehmer gerade wegen der Gesundheitsbeeinträchtigung, die ihm die Fortführung seines bisherigen Berufs unmöglich macht, auch keinen Arbeitsplatz innerhalb des für ihn an sich noch ausübbaren Vergleichsberufs finden kann (Prölss-Voit, § 2 BUZ Rnr. 49) oder wenn lediglich sogenannten Nischenarbeitsplätze in Betracht kommen, für die es keinen allgemeinen Arbeitsmarkt gibt (Senat VersR 1996, 879; VersR 2001, 972). Das aber macht der Beklagte nicht geltend.

b) Die Klägerin hat die aufgetretene Verweisungsmöglichkeit im Nachprüfungsverfahren nach § 7 BUZ wirksam geltend gemacht.

In formeller Hinsicht erfordert eine Leistungseinstellung nach Anerkennung oder anderweitiger Feststellung der Leistungspflicht eine, förmliche Mitteilung der bevorstehenden Einstellung, die nachvollziehbar begründet ist, dem Versicherungsnehmer die nötigen Informationen zur Abschätzung seines Prozessrisikos gibt und einen Hinweis auf die Frist nach §§ 6 BUZ, 12 Abs. 3 VVG enthält (BGH VersR 1993, 562, 565; VersR 1996, 958; OLG München VersR 1997, 95, 96).

Diese Voraussetzungen sind mit Schreiben vom 21. Juni 2001 gewahrt. Eine detaillierte Vergleichsbetrachtung als die dort angestellte war nicht erforderlich, da der Beklagte genügend eigene Kenntnisse über die von ihm ausgeübten Tätigkeiten besaß, um das Prozessrisiko abschätzen zu können (vgl. München VersR 1997, 95, 97)

In materieller Hinsicht kommt eine Abänderung nach Anerkennung oder Feststellung der Leistungspflicht i.S.v. § 7 Abs. 1 BUZ nur aufgrund einer nachträglich eingetretenen Besserung des Gesundheitszustandes oder einer Verweisungsmöglichkeit infolge neu erworbener beruflicher Fähigkeiten in Betracht. Bestand die Möglichkeit einer Verweisung auf eine Vergleichstätigkeit dagegen bereits bei Abgabe des Anerkenntisses und ist sie vom Versicherer lediglich nicht wahrgenommen worden, so kann sie auch im Wege des Nachprüfungsverfahrens nicht mehr geltend gemacht werden (BGH VersR 1987, 753, 754; VersR 1993, 562, 565; VersR 2000, 171, 173; Senat r + s 1999, 521).

Für die Frage, ob es sich um neu erworbene Fähigkeiten handelt, ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Leistungsanerkenntnisses abzustellen. Gibt der Versicherer kein Anerkenntnis ab und wird seine Leistungspflicht später durch Urteil festgestellt, so ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Abgabe eines Anerkenntnisses geboten war und nicht etwa der des Urteilserlasses. Geboten war ein Anerkenntnis hier bereits am 1. Juni 1996, denn die Klägerin ist zur Zahlung von Berufsunfähigkeitsrente mit Wirkung ab 1. Juni 1996 verurteilt worden. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 BUZ wird auch im Prozess um die erstmalige Feststellung der Leistungspflicht rückwirkend auf den Eintritt der Berufsunfähigkeit festgestellt. Ergeben sich danach relevante Veränderungen durch Verbesserung des Gesundheitszustandes oder Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten, so kann der Versicherer nach der Rechtsprechung des BGH auch schon während des Prozesses ein Nachprüfungsverfahren einleiten. Zur Wahrung der Förmlichkeiten genügt in diesem Fall die Geltendmachung der Änderung durch einen Schriftsatz (BGH VersR 2000, 171, 173 unter II.2.b). Das spricht dafür, ein Nachprüfungsverfahren schon dann für zulässig zu halten, wenn sich seit dem Zeitpunkt, in dem das Anerkenntnis hätte abgegeben werden müssen, relevante Änderungen ergeben haben. Dies wird durch die Erwägung bestätigt, dass der Versicherer in einem um die Feststellung von Berufsunfähigkeit geführten Prozess in der Regel keine Veranlassung hat, die Möglichkeit von Verweisungen aufgrund neuer Fähigkeiten, die erst im Laufe des Prozesses erworben wurden, fortlaufend zu prüfen. Davon ausgehend ist die am 1. August 1997 begonnene Umschulungsmaßnahme eine nachträgliche Änderung, die die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens nach § 7 Abs. 1 BUZ rechtfertigt.

Die Klägerin hat daher mit der Verweisung auf den Beruf des Bürokaufmanns eine begründete materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch geltend gemacht.

Wirksam wird die Leistungseinstellung nach § 1 Abs. 4 BUZ nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden der Mitteilung, frühestens zu Beginn des darauffolgenden Versicherungsvierteljahres, das hier am 1. April begann. Die Einstellung ist daher ab dem 1. Oktober 2001 wirksam geworden.

Aus der Begründetheit der Vollstreckungsgegenklage folgt zugleich ein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigungen der beiden im Vorprozess ergangenen Urteile, der mit der Vollstreckungsgegenklage zulässigerweise verbunden werden kann (Zöller-Herget, ZPO, 22. Aufl., § 767 Rnr. 21).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Streitwert der Berufungsinstanz: 9.884,60 € (dreieinhalbfacher Jahresbetrag der Berufsunfähigkeitsrente und der Beitragsbefreiung, §§ 12 GKG, 9 ZPO).

Ende der Entscheidung

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