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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.10.2005
Aktenzeichen: I-4 U 198/04
Rechtsgebiete: StGB, ZPO


Vorschriften:

StGB § 249
ZPO § 141
ZPO § 447
ZPO § 448
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 17.09.2004 - 11 O 472/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 1996 eine Hausratversicherung, aufgrund derer er die Beklagte wegen angeblich entwendeten Urlaubsgepäcks in Anspruch nimmt.

Am 23.05.2003 gegen 3.50 Uhr erstattete der Kläger gegenüber der Polizei in Polen Strafanzeige wegen des Diebstahls seines Pkw ..., amtl. Kennzeichen ..., nebst Urlaubsgepäcks. Er und seine Ehefrau gaben übereinstimmend an, ca. 2 Stunden zuvor kurz hinter der polnischen Grenze über einen Gegenstand gefahren zu sein und dann angehalten zu haben, um den rechten Vorderreifen zu überprüfen. Beide hätten das Fahrzeug verlassen und festgestellt, dass der rechte Vorderreifen durchstochen gewesen sei. Der Kläger habe sodann versucht, den defekten Reifen zum Zwecke der Reparatur mittels eines an den Zigarettenanzünder angeschlossenen Kompressors aufzupumpen, während seine Ehefrau ihm mit der Taschenlampe geleuchtet habe. In diesem Moment habe sich ein unbekannter Dritter auf den Fahrersitz gesetzt und sei mit dem Wagen, dessen Motor wegen des Kompressors in Betrieb gewesen sei, weggefahren. Am 30.05.2003 meldete der Kläger den Schaden der Beklagten und gab an, seine Frau habe neben der leicht geöffneten Beifahrertür gestanden, als ein maskierter Täter in das Auto gesprungen sei und vom Fahrersitz aus mit der Beifahrertür gegen die Ehefrau des Klägers geschlagen habe. Seinen Schaden am Urlaubsgepäck beziffert er auf 5.062,- €.

Der Kläger hat behauptet, während er neben dem rechten Vorderreifen gekniet und seine Ehefrau neben ihm gestanden habe, sei die Beifahrertür halb geöffnet gewesen. Als sie gemerkt hätten, dass ein Unbekannter in das Fahrzeug gestiegen sei und auf dem Fahrersitz Platz genommen habe, habe seine Ehefrau die Taschenlampe fallen lassen und mit beiden Händen an den Fensterbereich der Beifahrertür gegriffen, um den Täter am Schließen dieser Tür zu hindern. Er selber habe die Taschenlampe vom Boden aufgehoben, sei um den Wagen herumgelaufen und habe versucht, mit der Taschenlampe auf die Scheibe der Fahrertür einzuschlagen. Dem Täter sei es jedoch gleichzeitig gelungen, die Beifahrertür zuzuziehen, die Zentralverriegelung zu bedienen und das Fahrzeug in Bewegung zu setzen. Zuvor habe er die Beifahrertür so heftig gegen den Körper seiner Ehefrau gestoßen gehabt, dass sie nach hinten geschleudert worden und zu Fall gekommen sei. Im Wagen habe sich das Urlaubsgepäck befunden, wie es in der Schadensaufstellung angegeben sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.062,- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.08.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, es liege kein Versicherungsfall vor, da bereits nach dem Vorbringen des Klägers kein Raub gegeben sei. Außerdem habe der Kläger die Situation grob fahrlässig herbeigeführt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe einen Versicherungsfall, der nur in einem Raub bestehen könne, nicht schlüssig dargelegt. Er habe mehrere verschiedene Sachverhaltsschilderungen angeboten, ohne zu erklären, weshalb unterschiedliche Darstellungen zur Entwendung des Wagens existierten. Selbst wenn man nur auf die jetzige Sachverhaltsdarstellung des Klägers abstelle, sei diese aus näher dargelegten Gründen nicht überzeugend. Aber auch bei Zugrundelegung eines solchen Tathergangs liege kein Raub vor. Es sei keine Gewalt angewandt worden, um die Beute zu entwenden. Schließlich sei die Klage aber auch deshalb unbegründet, weil der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Es habe ihm oblegen, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass sich ein unbekannter Täter ohne weiteres auf den Fahrersitz setzen und wegfahren könne.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er macht im wesentlichen geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft eine Beweisaufnahme unterlassen. Rechtsirrig habe es ausgeführt, dass es auf die Aussage der benannten Zeugen nicht ankomme, da der Sachvortrag schon unschlüssig sei, insbesondere sich teilweise widersprechende Sachverhaltsvarianten vorgetragen seien. Voneinander abweichenden Sachverhaltsschilderungen lägen auch nicht vor. Bei tatsächlich voneinander abweichenden Sachverhaltsdarstellungen habe das Gericht den Sachverhalt durch Beweisaufnahme aufklären müssen. Der Vortrag in der Klageschrift sei nicht unschlüssig. Dort sei beschrieben, dass der Täter zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands Gewalt angewandt habe, was den Tatbetand des § 249 StGB erfülle. Schließlich sei das Landgericht von überhöhten Anforderungen an seine Sorgfaltspflichten ausgegangen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 17.09.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf - 11 O 472/03 - zu verurteilen, an ihn 5.062,- € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.08.2003 zu zahlen.

Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für richtig hält, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gegenüber der Beklagten nicht zu, da das Vorliegen eines Versicherungsfalles nicht festgestellt werden kann. Das streitgegenständliche Gepäck war nach der vorliegenden Versicherungspolice nur gegen Abhandenkommen durch Einbruchdiebstahl oder Raub versichert. Ein "schlichter" Diebstahl wird vom versicherten Risiko nicht umfasst. Dass sich der vom Kläger in der Klageschrift schlüssig dargelegte Raub tatsächlich wie behauptet am 23.05.2003 ereignet hat, steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats fest.

Die Beweisaufnahme war nicht schon deshalb entbehrlich, weil die klägerischen Sachverhaltsschilderungen bei der Polizei in Polen, in der Erklärung gegenüber der Beklagten vom 30.05.2003 und in der Klageschrift in der Tat voneinander abweichen, was das Hantieren des Diebes mit der Beifahrertür anbelangt. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW-RR 2000, 208) ist eine Partei nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern. Ein Widerspruch zu früherem Vortrag steht danach einer Beweiserhebung nicht entgegen, er kann gegebenenfalls bei der Beweiswürdigung Beachtung finden. Gleiches muss für einen Fall wie den vorliegenden gelten, in dem das prozessuale Vorbringen in sich widerspruchsfrei ist, aber nicht mit vorprozessualen Erklärungen übereinstimmt.

Der Kläger hat nicht beweisen können, dass sich der Vorfall vom 23.05.2003 so wie von ihm in der Klageschrift dargestellt abgespielt hat. Zwar hat die Zeugin C. ausgesagt, sie habe nach Bemerken des Unbekannten auf dem Fahrersitz die Taschenlampe fallen lasse und die geöffnete Beifahrertür im Fensterbereich mit beiden Händen ergriffen, um den Täter am Schließen der Tür zu hindern. Der Täter habe sodann die Beifahrertür heftig gegen ihren Körper gestoßen, wodurch sie den Halt verloren und die Tür losgelassen habe sowie zu Boden gefallen sei. Die Zeugin hat jedoch nicht nachvollziehbar zu erklären vermocht, weshalb diese Gewaltanwendung gegenüber ihrer Person in der von der polnischen Polizei gefertigten Anzeige mit keinem Wort Erwähnung findet. So erscheint schon zweifelhaft, dass der aufnehmende Polizeibeamte diesen ihm angeblich von der Zeugin geschilderten Umstand bei der Protokollerstellung vernachlässigt haben soll. Die Protokollniederschrift ist insgesamt sehr ausführlich und detailreich, was auf Sorgfalt bei der Erstellung schließen lässt. Auch die übrige Sachbehandlung durch die polnische Polizei zeigt, dass sie den Vorfall nicht "auf die leichte Schulter genommen" hat. So hat sie ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Unterlagen noch in den Morgenstunden des 23.05.2003 eine 1,5 stündige Ortsbesichtigung durchgeführt. Zudem handelt es sich bei der von der Zeugin behaupteten Gewaltanwendung nicht um eine unerhebliche Nebensächlichkeit, sondern einen Umstand, der nicht nur für die Abwicklung evtl. vorhandener Versicherungen des Klägers, sondern auch die Aufklärung der Tat bzw. eine spätere Strafverfolgung des Täters von erheblicher Bedeutung sein konnte. Selbst wenn man aber einmal davon ausgeht, dass bei aller Sorgfalt gerade das Gewaltmoment versehentlich bei der Niederschrift der Aussage der Zeugin C. übersehen wurde, und weiterhin zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass er selbiges mangels eigener Wahrnehmung in seiner Aussage nicht geschildert hat oder auch dort der Polizeibeamte trotz Schilderung den gleichen Fehler gemacht hat, ist wenig nachvollziehbar, dass der Zeugin die Lücke im Protokoll beim anschließenden Durchlesen nicht aufgefallen sein will. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Zeugin übernächtigt und durch die Ereignisse mitgenommen war. Sie war jedoch in der Lage gewesen, eine detailreiche Schilderung des Geschehens sowie eine genaue Beschreibung der diversen abhanden gekommenen Gegenstände vorzunehmen. Zudem hatte die Polizei, wie die Zeugin selber zugegeben hat, sie aufgefordert, die Anzeige sorgfältig durchzulesen.

Bereits die aufgrund des Gesagten verbleibenden Zweifel sind so erheblich, dass der Zeugin ihre Bekundung, der Täter habe sie mit der Beifahrertür geschlagen, nicht mit der notwendigen Sicherheit geglaubt werden kann. Das geht zu Lasten des beweispflichtigen Klägers, ohne dass es noch darauf ankommt, ob der behauptete Stoß mit der Beifahrertür durch eine auf dem Fahrersitz sitzende Person überhaupt technisch möglich ist. Dahinstehen konnte auch, ob die mit der entsprechenden Einlassung des Klägers übereinstimmende Aussage der Zeugin zum Verhalten des Klägers während des behaupteten Stoßes mit der Beifahrertür glaubhaft ist.

Für die vom Kläger beantragte Vernehmung seiner Person als Partei war kein Raum. Das für ein Vorgehen nach § 447 ZPO notwendige Einverständnis hat die Beklagte nicht erklärt. Eine Vernehmung nach § 448 ZPO schied aus, da es an einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der klägerischen Behauptung zur Gewaltanwendung fehlt. Die Vernehmung des Klägers wäre als Beweismittel aber auch unergiebig gewesen. Wie er in seiner Anhörung nach § 141 ZPO angegeben hat, verfügt er über keinerlei eigene Wahrnehmung bzgl. des von ihm behaupteten Vorgehens des Täters gegenüber seiner Ehefrau. Ob nicht auch das gegen die Richtigkeit der Bekundung der Zeugin C. spricht, bedurfte nach dem Gesagte keiner abschließenden Klärung mehr.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, sind nicht gegeben.

Berufungsstreitwert: 5.062,- €

Ende der Entscheidung

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