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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: I-4 U 211/06
Rechtsgebiete: BGB, AVB, AHB, VVG


Vorschriften:

BGB §§ 305 ff.
AVB § 1 Nr. I. 1.
AVB § 4 Nr. 4
AVB § 4 Nr. 5
AHB § 4 Nr. I. 6.
AHB § 4 Nr. I. 6. Abs. 3
VVG § 152
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. November 2006 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger nach Maßgabe des Versicherungsscheins ... Versicherungsschutz wegen der von der C. AG gegen ihn im Verfahren des Landgerichts Schweinfurt 5 HKO 62/03 erhobenen Ansprüche zu gewähren hat, soweit dies einen Teilbetrag von 326.332,07 Euro betrifft, der der C. AG als Schaden aufgrund erneuter Prüfung ihrer Jahresabschlüsse für 1998 bis 2001 durch die W. entstanden sein soll.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Deckungsschutz aus dem zwischen ihnen bestehenden Haftpflichtvermögensschadensversicherungsvertrag von Steuerberatern in Anspruch. Grundlage für sein Begehren ist seine Inanspruchnahme durch die C. AG vor dem Landgericht Schweinfurt (5HK O 62/03). Der Kläger war Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft und wurde für sie auch als Steuerberater tätig. Insoweit soll er - so der Vortrag der C. AG im Haftpflichtprozess - seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft in beiden Eigenschaften verletzt haben. Aufgrund dessen erhebt die C. AG gegen den Kläger Ansprüche in Höhe von insgesamt 458.607,47 Euro. Hierauf entfällt ein Teilbetrag von 326.332,07 Euro darauf, dass aufgrund des pflichtwidrigen Handelns des Klägers die Jahresabschlüsse für die Jahre 1998 bis 2001 hätten neu erstellt und überprüft werden müssen.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Vorbringens und der von den Parteien gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in den Entscheidungsgründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Darüber hinaus ist unstreitig, dass der Kläger sein Aufsichtsratsmandat im Juni 2002 niedergelegt und seine Steuerberatertätigkeit für die C. AG im November 2002 eingestellt hat. Im Auftrag der Gesellschaft fand im Jahr 2002 eine Sonderprüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft R. & Partner in M. statt, die zur Feststellung umfangreicher Falschbuchungen in den Jahren ab 1998, denen tatsächliche Umsätze nicht zugrunde lagen, führte. Die für die Prüfung der Jahresabschlüsse 1998-2001 zunächst beauftragte Gesellschaft K. widerrief mit Schreiben vom 23. April 2002 ihre Bestätigungsvermerke für die Jahre 1998 bis 2000. Das Mandat zur Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2001 kündigte sie mit Schreiben vom 19. Februar 2002.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass Deckungsschutz jedenfalls aus zwei Gründen nicht bestehe, so dass es auf eine nähere Differenzierung zwischen der Tätigkeit des Klägers als Steuerberater und als Aufsichtsratsmitglied nicht ankomme. Zum Einen handele es sich bei den Kosten für die Neuerstellung der Jahresabschlüsse, für die eine Korrektur der dem Kläger oblegenen Buchhaltung notwendig gewesen sei, um ein Erfüllungssurrogat, für welches auch im Bereich der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung Deckungsschutz nicht bestehe. Soweit der Kläger vorbringe, die Kosten seien allein für die erneute Prüfung der Jahresabschlüsse angefallen, fehle es an einer notwendigen Differenzierung und Aufschlüsselung der Rechnung. Darüber hinaus habe der Kläger eine wissentliche Pflichtverletzung begangen, bei der Versicherungsschutz ebenfalls nicht bestehe. Er habe selbst vorgetragen, die ihm vorgelegten Belege nicht überprüft zu haben. Dies sei zwar grundsätzlich zulässig, jedoch bedürfe es zumindest einer stichprobenartigen Prüfung, wenn die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Belege offensichtlich sei. Diese Voraussetzung habe hier vorgelegen, denn es hätten sich keine Lizenzeinnahmen zugunsten der Gesellschaft wiedergefunden, obwohl die Zahl der Lizenzpartner und die Anzahl der abgesetzten Ware unstreitig stetig gestiegen seien. Der damalige Vorstand der C. AG habe den Umsatz des Unternehmens betrügerisch höher erscheinen lassen und die Börsenkurse manipuliert. Umsätze mit der Fa. V. E. Ltd. in H. K. habe es mangels tatsächlichen Bestandes des Unternehmens nicht gegeben. Die entsprechenden Ein- und Ausgangsrechnungen der C. AG seien unstreitig fingiert gewesen. Die Rechnungen hätten als Lieferanschrift nur die C. AG, nicht jedoch einen Endkunden ausgewiesen. Dies sei über Jahre hinweg geschehen, so dass für den Kläger Anlass zur Nachfrage und Überprüfung bestanden habe, was er unterlassen habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, der unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend macht, die Kosten in Höhe von 326.332,07 Euro beträfen ausschließlich die erneute Prüfung und Testierung der Jahresabschlüsse. Hierbei handele es sich nicht um ein Erfüllungssurrogat. Solche Surrogate seien in der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung auch gar nicht von der Deckungspflicht der Beklagten ausgeschlossen. Die vom Landgericht herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs könne heute unter dem Blickwinkel des AGB-Gesetzes bzw. der §§ 305 ff. BGB nicht mehr Geltung haben. Eine wissentliche Pflichtverletzung im Sinne des § 4 Nr. 5 der hier vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) habe er - der Kläger - nicht begangen. Sie lasse sich aus den vom Landgericht festgestellten Umständen nicht herleiten. Hinsichtlich der fehlenden Lizenzeinnahmen in 1998 und 1999 fehle es bereits an entsprechendem Vortrag der Parteien, so dass das Landgericht diese Feststellung gar nicht habe treffen dürfen. Sie sei auch nicht zutreffend, denn "gesonderte" Lizenzeinnahmen habe es gar nicht gegeben, so dass dem Kläger insoweit auch nichts Außergewöhnliches habe auffallen können.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil "aufzuheben" und festzustellen, dass die Beklagte ihm nach Maßgabe des Versicherungsscheins ... Versicherungsschutz wegen der von der C. AG gegen den Beklagten im Verfahren des Landgerichts Schweinfurt 5 HKO 62/03 erhobenen Ansprüche zu gewähren hat, soweit dies einen Teilbetrag von 326.332,07 Euro betrifft, der der C. AG als Schaden aufgrund erneuter Prüfung ihrer Jahresabschlüsse für 1998 bis 2001 durch die W. entstanden sein soll.

Die Beklagte bittet um

Zurückweisung der Berufung

und tritt dem gegnerischen Vorbringen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Einzelnen entgegen. Sie macht geltend, dass der Kläger die Deckungsgrenze unberücksichtigt lasse. Ferner trage er nicht vor, inwieweit er von der C. AG wegen Pflichtverletzungen in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied in Anspruch genommen werde, was jedoch erforderlich sei, weil insoweit kein Deckungsschutz bestehe. Die Beklagte hafte aber auch deshalb nicht, weil es Deckungsschutz für Erfüllungssurrogate, die an die Stelle der vertraglich geschuldeten Leistung des Versicherten getreten seien, nicht gebe. Der Kläger sei auch mit der Erstellung der Jahresabschlüsse beauftragt gewesen. Die geltend gemachten Kosten seien nicht durch die Prüfung bereits erstellter Jahresabschlüsse entstanden, sondern durch die umfangreiche Korrektur der Buchführung und darauf aufbauend durch die Neuerstellung der Jahresabschlüsse. Schließlich habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass der Kläger eine wissentliche Pflichtverletzung begangen habe. Insoweit trägt die Beklagte in der Berufungserwiderung umfangreich - teilweise über ihren erstinstanzlichen Vortrag hinaus - vor, aus welchen Gründen dies der Fall sei. Hierauf wird Bezug genommen.

Die Akte 5 HK O 62/03 LG Schweinfurt war zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Senats.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Urkunden und Schriftstücke verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Die geltend gemachte Deckungsverpflichtung der Beklagten aus dem Vermögensschadenshaftpflichtversicherungsvertrag besteht. Die hiergegen erhobenen Einwände sind unbegründet. Ein Ausschlusstatbestand kann nicht festgestellt werden.

A.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Deckung aus der Berufshaftpflichtversicherung für Vermögensschäden aus der Tätigkeit des Steuerberaters in Anspruch.

1. Grundlage hierfür ist ein Anspruch, den die C. AG gegen ihn vor dem LG Schweinfurt geltend macht. Der Haftpflichtprozess wird von den beteiligten Parteien übereinstimmend nicht betrieben. Vielmehr soll vorab die Frage der Deckungsverpflichtung der hiesigen Beklagten geklärt werden.

2. Nach § 1 Nr. I. 1. der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB = Anlage K3 = Bl. 50 ff. GA) gewährt der Versicherer (die Beklagte) dem Versicherungsnehmer (Kläger) Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit - von ihm selbst oder einer Person, für die er einzutreten hat - begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird.

3. Unstreitig besteht insoweit eine Deckungsgrenze von 500.000,-- DM bzw. 255.645,94 Euro. Dieser Grenze wird im Klageantrag dadurch Rechnung getragen, dass es dort heißt: "nach Maßgabe des Versicherungsscheins ..." Versicherungsschutz zu gewähren, auch wenn die gegen den Kläger erhobene Forderung, wegen welcher Versicherungsschutz begehrt wird, die Betragsgrenze überschreitet. Mit der Benennung des Anspruchs, der gegen den Kläger erhoben wird, trägt er lediglich dem Umstand Rechnung, dass der Schadensfall, für den die Deckungspflicht geltend gemacht wird, konkret zu bezeichnen ist. Eine Missachtung der Deckungsgrenze liegt hierin nicht.

B.

Die Parteien streiten über das Vorliegen von versicherungsrechtlichen Ausschlusstatbeständen, die zur Leistungsfreiheit der Beklagten führen sollen. Der Vortrag der Beklagten lässt die Feststellung solcher Ausschlüsse indessen nicht zu.

I.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Kläger müsse im vorliegenden Deckungsprozess näher darlegen, inwieweit er für den Schaden von 326.332,07 Euro aufgrund von Pflichtverletzungen in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied der C. AG in Anspruch genommen wird, um den versicherten Bereich der Steuerberatertätigkeit von dem nichtversicherten Bereich seiner damaligen Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied trennen zu können.

1. Soweit der Kläger von der C. AG auch in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied in Anspruch genommen wird, kann er zwar - dies macht die Beklagte zu Recht geltend, wird vom Kläger aber auch gar nicht bestritten - keinen Deckungsschutz verlangen, und zwar schon nach § 1 Nr. I. 1. der AVB nicht, denn versichert ist allein die Steuerberatertätigkeit des Klägers und keine andere berufliche Tätigkeit. Darüber hinaus schließt § 4 Nr. 4 der AVB Haftpflichtansprüche aus der Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Aufsichtsratsmitglied privater Unternehmungen vom Versicherungsschutz aus.

2. Die Klausel in § 4 Nr. 4 AVB kann jedoch nicht so ausgelegt werden, dass der Kläger schon dann keinen Versicherungsschutz genießt, wenn er als Steuerberater für ein Unternehmen tätig wird, bei welchem er auch Aufsichtsratsmitglied ist. Vielmehr heißt es dort nur, "aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied" bestehe kein Versicherungsschutz.

3. Daher ist - allerdings allein auf der Grundlage des Vortrags der C. AG im Haftpflichtprozess - zu prüfen, inwieweit dem Kläger tatsächlich vorgeworfen wird, er habe Pflichten aus seiner beruflichen Tätigkeit als Steuerberater verletzt. Maßgeblich, aber auch ausreichend ist nämlich, dass er in seiner Eigenschaft als Steuerberater von einem Dritten für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird (§ 1 Nr. I. 1. der AVB).

a. Liegen keine für den Deckungsprozess Bindungswirkung entfaltenden Tatsachenfeststellungen aus einem Haftpflichtprozess vor, ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein Versicherer einem Versicherungsnehmer Deckungsschutz für eine Inanspruchnahme durch einen Dritten zu gewähren hat, grundsätzlich auf dessen Begründung des Anspruchs abzustellen (BGH VersR 2001, 90; OLG Hamm VersR 2007, 980).

Unerheblich ist dabei, ob die erhobenen Ansprüche im Ergebnis begründet sind oder nicht; Deckungsschutz schuldet der Versicherer (bei Vorliegen der Deckungsvoraussetzungen) in beiden Fällen. Nach § 1 Nr. I. 1. der AVB ist allein maßgeblich, dass der Kläger für einen Vermögensschaden "verantwortlich gemacht" wird, nicht hingegen, dass dies auch tatsächlich berechtigt ist. Ob der Vorwurf der Pflichtverletzung begründet ist, ist allein im Haftpflichtprozess zu klären (OLG Köln VersR 2003, 1166; OLG Stuttgart 1999, 961).

b. Nach den Ausführungen der C. AG im Haftpflichtprozess ist der Kläger Steuerberater und Aufsichtsratsmitglied gewesen und soll er in beiderlei Hinsicht Pflichten verletzt haben. Hinsichtlich der Buchhaltungsarbeiten und der Erstellung der Jahresabschlüsse, die er nach der Behauptung der C. AG ebenfalls schuldete, soll er dabei als Steuerberater tätig gewesen sein (vgl. Bl. 5 der Beiakte). Dabei sollen ihm zahlreiche schwere Buchungsfehler unterlaufen sein, weshalb letztlich die Jahresabschlüsse von 1998 bis 2001 neu hätten erstellt und geprüft werden müssen, wobei die ersten Prüfungsarbeiten für den Abschluss von 2001 nicht zu Ende geführt, sondern später auf der Grundlage ordnungsgemäßer Buchhaltung und Jahresabschlüsse erneut aufgenommen und beendet worden seien, und zwar anstelle der ursprünglich beauftragten Gesellschaft K. nunmehr durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W.. Insoweit sei dem Kläger eine positive Vertragsverletzung des Steuerberatervertrags vorzuwerfen (Bl. 21 der Beiakte). Aus der gesamten Prüfungstätigkeit der W. für die Jahre 1998 bis 2001 resultiere ein Schaden in Höhe von 326.332,07 Euro.

Der Kläger hat daher - durch Bezugnahme auf die Ausführungen der C. AG im Haftpflichtprozess - schlüssig dargelegt, dass er von dieser auf Schadensersatz (in Höhe der hiesigen Klageforderung) wegen Pflichtverletzungen aus seiner Tätigkeit als Steuerberater in Anspruch genommen wird. Dass der Kläger selbst bestreitet, mit der Erstellung der Jahresabschlüsse befasst gewesen zu sein, ist für die Frage seiner Inanspruchnahme durch die C. AG und deren Begründung ihres Anspruchs unerheblich. Maßgeblich ist der Vortrag der C. AG im Haftpflichtprozess. Dieser ist entgegen den Interpretationsversuchen der Beklagten auch eindeutig, mögen die von der C. AG gegen den Kläger erhobenen zahlreichen Vorwürfe auch keine klare Differenzierung aufweisen. Die Schadensposition über 326.332,07 Euro wird jedenfalls eindeutig auf Fehler der Steuerberatertätigkeit des Klägers gestützt.

Auf Bl. 73 der Beiakte ist von der C. AG aufgrund des gegnerischen Bestreitens auch ausdrücklich klargestellt worden, dass es sich allein um Kosten "der erneuten Prüfung und Testierung der Jahresabschlüsse" handelt. Es würden - so die C. AG - keine "kostenlosen Buchführungs- und Jahresabschlussarbeiten" für die Jahre 1998 bis 2001 geltend gemacht werden. Ob diese eindeutige Erklärung der Klägerin im Haftpflichtprozess tatsächlich zutrifft, bedarf im Deckungsprozess keiner Klärung. Maßgeblich ist die Anspruchsbegründung der C. AG.

II.

Der von der Beklagten ausdrücklich geltend gemachte Ausschlusstatbestand des § 4 Nr. I. 6. AHB, wonach die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung sind, greift hier nicht ein.

Dabei bedarf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob das so genannte Erfüllungssurrogat in der reinen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung ohne ausdrückliche Einbeziehung des § 4 Nr. I. 6. AHB ausgeschlossen ist, hier keiner Antwort, denn der gegen den Kläger geltend gemachte Schaden ist kein Erfüllungssurrogat.

1. Unter den Begriff des Erfüllungssurrogats im Sinne des § 4 Nr. I. 6. Abs. 3 AHB fallen solche Ansprüche, die auf den Gegenwert derjenigen Leistung gerichtet sind, die der Versicherungsnehmer aufgrund seiner vertraglichen Erfüllungspflichten hätte erbringen müssen (BGH MDR 1963, 382). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer versteht die Regelung dahingehend, dass vom Haftpflichtversicherungsschutz Ansprüche Dritter ausgenommen sind, mit denen der Dritte sein unmittelbares Interesse an der vertraglich geschuldeten Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber verfolgt (BGH VersR 2005, 110, 112; Senat, Urteil vom 4. April 2006 - I-4 U 136/05 -).

Dieses Interesse wird durch den Inhalt der vertraglich geschuldeten Leistung bestimmt (BGH aaO). Entscheidend für den Versicherungsschutz ist also, welchen Inhalt der Vertrag hat; die Deckung ist nur insoweit ausgeschlossen, wie die vertragliche Leistungspflicht des Versicherungsnehmers reicht. Nicht allein die geltend gemachte Anspruchsgrundlage, sondern die Berücksichtigung des tatsächlich Verlangten und seine Bewertung im Hinblick auf den Inhalt des vertraglichen Leistungsversprechens bestimmen die Einordnung, ob es sich bei der Ersatzforderung um ein Erfüllungssurrogat handelt oder um Schadenersatz im Sinne der gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen. Ist der Umfang des vertraglichen Leistungsversprechens ermittelt, sind alle Ansprüche, die das Zurückbleiben der tatsächlichen Leistung hinter dem Versprochenen ausgleichen sollen, als Erfüllungssurrogate ausgeschlossen (Späte, Haftpflichtversicherung, § 4 AHB Rn 174).

2. Danach stellen die Kosten, welche der C. AG aufgrund der Notwendigkeit einer erneuten Prüfungstätigkeit eines Wirtschaftsprüfers entstanden sind, keinen Gegenwert für die vom Kläger selbst geschuldeten Leistungen dar. Er wird nicht auf Schadensersatz wegen erforderlicher Nachbesserung von Buchhaltung oder Jahresabschlüssen in Anspruch genommen, sondern auf Ersatz von Kosten, die für eine Leistung eines Dritten aufgewendet werden mussten. Bei diesen Kosten handelt es sich nicht um das positive, sondern um das negative Interesse der C. AG. Hätte der Kläger (nach der Behauptung der C. AG) seine Pflichten als Steuerberater im Hinblick auf die von ihm zu erstellenden Jahresabschlüsse in vollem Umfang ordnungsgemäß erfüllt, wäre es nicht notwendig gewesen, einen zweiten Wirtschaftsprüfer zu beauftragen. Die C. AG will daher so gestellt werden, wie sie stünde, wenn der Kläger als Steuerberater ordnungsgemäß gearbeitet, also die Bücher ordnungsgemäß geführt und die Jahresabschlüsse richtig erstellt hätte. Dann nämlich wären ihr die Aufwendungen für die W. nicht entstanden.

Bei dieser Sachlage liegt kein Erfüllungssurrogat im Sinne der Vorschrift vor. Ob dies generell, also auch in anderen Fällen, in denen es um den Ersatz des negativen Interesses geht, gilt, braucht hier nicht geklärt zu werden. Unter den vorliegend gegebenen Umständen ist der Anspruch der C. AG gegen den Kläger jedenfalls nicht auf ein Erfüllungssurrogat gerichtet.

III.

Und schließlich sind auch die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands des § 4 Nr. 5 der AVB nicht gegeben.

1. Nach § 4 Nr. 5 der AVB bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadensverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.

2. Derartige Ausschlussklauseln, für deren Erfüllung der Versicherer die volle Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH r+s 2001, 408; OLG Hamm VersR 2007, 980; OLG Frankfurt OLG-Report 2000, 150), setzen Wissentlichkeit des Versicherten und damit direkten Vorsatz voraus; bedingter Vorsatz genügt somit - im Unterschied zu § 152 VVG - nicht. Allerdings muss der Vorsatz nur die Pflichtwidrigkeit umfassen, nicht hingegen die Schadensverursachung. Voraussetzung für einen wissentlichen Pflichtenverstoß ist demnach (lediglich), dass dem Versicherungsnehmer ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben ist, er seine Pflicht auch tatsächlich gekannt hat und der Verstoß für den Schaden ursächlich geworden ist (BGH r+s 2001, 408; BGH MDR 1991, 419; BGH VersR 1987, 174; OLG Köln VersR 2002, 1371 und r+s 1997, 496; Senat, VersR 1990, 411).

Ein derartiger Pflichtenverstoß lässt sich schlüssig nur mit der Begründung geltend machen, dass aufgezeigt wird, wie sich der Versicherte hätte verhalten müssen. Für einen bewussten Pflichtverstoß muss darüber hinaus dargelegt werden, der Versicherte habe gewusst, wie er sich hätte verhalten müssen (BGH MDR 1991, 419). Direkter Vorsatz in diesem Sinne erfordert das Wissen und Wollen der Pflichtverletzung. Der Versicherte muss die von ihm verletzte Pflicht positiv gekannt und subjektiv das Bewusstsein gehabt haben, gesetz-, vorschrifts-, anweisungs- oder bedingungswidrig zu handeln (BGH r+s 2001, 408).

3. Danach kann hier ein wissentlicher, für den gegen den Kläger geltend gemachten Schaden ursächlich gewordener Pflichtenverstoß nicht festgestellt werden.

a. Dass der Kläger gewusst hat, dass im Auftrag der Eheleute Schnabel bloße Scheinumsätze gebucht wurden, will die Beklagte selbst nicht behaupten. So heißt es in der Berufungserwiderung ausdrücklich, sie wolle nicht behaupten, der Kläger habe der Gesellschaft und den Aktionären vorsätzlich einen Schaden zufügen wollen (Bl. 272 GA). Hiervon müsste man aber ausgehen, wenn man seine Kenntnis davon unterstellt, dass es zahlreiche Scheinumsätze gab.

b. Darüber hinaus kommt die Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung des Klägers aber schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte sich für ihre Behauptung an dem Sachvortrag der C. AG im Haftpflichtprozess orientiert, der jedoch klare und eindeutige Feststellungen im Hinblick darauf, welche Pflichten der Kläger als Steuerberater wissentlich verletzt haben soll, nicht zulässt. Das gesamte Vorbringen der C. AG vermengt die Pflichten des Klägers als damaliger Aufsichtsrat der Gesellschaft mit denen in seiner Eigenschaft als Steuerberater. Das mag für den Haftpflichtprozess - auf seinem derzeitigen Stand - (noch) keine besonderen Auswirkungen haben, verhindert aber im hiesigen Deckungsprozess die Feststellung konkreter Pflichtverletzungen und darauf aufbauend die Feststellung der Wissentlichkeit bestimmter Pflichtverletzungen.

Dabei kommt es nicht - wie die Beklagte irrtümlich meint - hauptsächlich auf Buchhaltungsmängel, sondern vielmehr darauf an, welche Fehler der Kläger bei der Erstellung (bzw. Vorbereitung) der Jahresabschlüsse begangen hat, denn diese mussten neu erstellt und sodann wieder geprüft werden. Nach dem Vorbringen der C. AG ist aber nicht klar, welche Pflichtverletzungen der Kläger bei dieser Tätigkeit begangen haben soll. Es ist nicht ersichtlich, dass dabei bestimmte Steuerberaterpflichten so evident verletzt wurden, dass auf die Wissentlichkeit des Klägers geschlossen werden könnte. Die von ihm erstellten (bzw. vorbereiteten) Abschlüsse wiesen offenbar keine derart gravierenden Fehler auf, dass die zunächst beauftragte K. ihre Testate für die Jahre 1998 bis 2000 nicht erteilen konnte. Wären die behaupteten Fehler jedoch so schwerwiegend gewesen, wie die Beklagte meint, wäre die Testatserteilung kaum nachvollziehbar, mag die K. auch - wie die Beklagte vorträgt - vereinzelt Kritik an der Gesellschaft und konkret auch an deren Buchhaltung geübt haben.

Im derzeitigen Stadium des Haftpflichtprozesses sind daher keine konkreten Pflichtverletzungen des Klägers als Steuerberater zu erkennen, welche die Jahresabschlüsse betreffen. Damit scheidet auch die Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung des Klägers aus. Es mag sein, dass sich wissentliche Pflichtenverstoße aus der weiteren Durchführung des Haftpflichtprozesses ergeben. Darauf kann jedoch im vorgezogenen Deckungsprozess nicht abgestellt werden.

c. Aber selbst im Hinblick auf den Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe zahlreiche Buchungen ohne Vorliegen der entsprechenden Belege vorgenommen, was sich auch in den von ihm erstellten Jahresabschlüssen niedergeschlagen habe, ist eine Wissentlichkeit einer Pflichtverletzung nicht festzustellen.

Es kann dahinstehen, inwieweit solche Vorgänge im Einzelfall tatsächlich pflichtwidrig sind. Es muss auch einem Steuerberater konzediert werden, nach Art und Gewicht von Buchungsvorgängen sowie danach zu differenzieren, ob im Einzelfall bereits die Angaben seines Mandanten für die Berechtigung einer bestimmten Buchung ausreichen. Darauf kommt es hier aber nicht einmal an. Die Beklagte hat keine konkreten Fälle, die einer Überprüfung zugänglich gewesen wären, dargelegt. Damit scheidet aber sowohl die Feststellung bestimmter Pflichtverletzungen des Klägers als auch der Wissentlichkeit seines Pflichtenverstoßes aus. Für die wissentliche Pflichtverletzung muss konkret feststellbar sein, welche Pflicht der Kläger im Einzelfall hatte, dass ihm diese Pflicht auch bewusst war und er gleichwohl von ihr abgewichen ist. Dazu hat die Beklagte über pauschale Ausführungen hinaus nichts vorgetragen. Sollten in bestimmten Buchungsfällen entsprechende Belege gefehlt haben, muss dies für den Einzelfall überprüfbar aufgezeigt werden. Da der Kläger geltend macht, die dem im Jahre 2002 tätigen Prüfungsunternehmen R. & Partner vorliegenden Unterlagen entsprächen nicht den Unterlagen, die ihm zur Verfügung standen, hätte nur der Zeugenbeweis für den konkreten Einzelfall das geeignete Beweismittel darstellen können, um das Fehlen von Belegen für bestimmte Buchungen nachvollziehen und feststellen zu können. Dementsprechend hätte auch der unter Beweis gestellte Sachvortrag am Einzelfall orientiert sein müssen. Daran fehlt es.

d. Die weitere Behauptung der Beklagten, aufgrund fehlender Endkunden-Angaben in den Rechnungen sei dem Kläger bekannt gewesen, dass ordnungsgemäße Kundenrechnungen nicht bestanden, reicht ebenfalls nicht für eine wissentliche Pflichtverletzung.

Es bleibt offen, welche Rechnungen der Kläger tatsächlich vorgelegt bekommen hat. Es sollen ihm nach seiner Darstellung auch reine Saldenlisten vorgelegt worden sein. Aus den Listen ergaben sich die Verdachtsmomente jedoch nicht, so dass insoweit auch nicht auf eine Kenntnis des Klägers geschlossen werden kann. Dass bereits das Buchen aufgrund von Listen evident pflichtwidrig war, kann mangels konkreten Vortrags der Beklagten ebenfalls nicht festgestellt werden (in welchen Buchungsvorgängen genau wäre aus welchen Gründen statt Liste welcher Beleg notwendig gewesen, wie hätte sich das auf den Jahresabschluss ausgewirkt).

e. Es trifft auch nicht zu, dass der Kläger Buchungen ohne Rechnungen an die V. E. Ltd. im Haftpflichtprozess nicht bestritten hat. Aus Bl. 53-54 der Beiakte ergibt sich etwas anderes.

f. Soweit die Beklagte sich auf der Grundlage der Ausführungen des Landgerichts auf die Notwendigkeit eine stichprobenartigen Einzelbelegprüfung beruft, die der Kläger unterlassen habe, folgt daraus keine wissentliche Pflichtverletzung des Klägers, die für den eingetretenen Schaden auch tatsächlich ursächlich geworden ist. Hierfür fehlt jeder überprüfbare und einem Nachweis zugängliche konkrete Sachvortrag. Es ist nicht feststellbar, bei welchem Buchungsvorgang dem Kläger welche Erkenntnisse vorlagen oder von ihm zumindest erzielt werden konnten, er aus welchen Gründen Anlass für eine - wenn auch nur stichprobenartige - Überprüfung hatte und welche tatsächliche Überprüfung welche konkreten Erkenntnisse gebracht hätte.

g. Der pauschale Vorwurf der Beklagten, die Bücher der C. AG seien nicht ordnungsgemäß geführt gewesen, das Belegprinzip sei durchbrochen gewesen, eine fortlaufende Kontoauszugsnummerierung und eine systematische Ablage habe es nicht gegeben, lässt den Schluss auf eine wissentliche, schadensursächliche Pflichtverletzung des Klägers ebenfalls nicht zu.

Es kann nämlich - über die fehlende Konkretisierung einzelner Pflichtverstöße und der Wissentlichkeit ihrer Begehung durch den Kläger hinaus - schon nicht festgestellt werden, dass diese Pflichtverletzungen tatsächlich ursächlich für den von der C. AG erlittenen und geltend gemachten Schaden geworden sind. Die Jahresabschlüsse mussten nicht aus diesem Grund, sondern deshalb neu erstellt und geprüft werden, weil die zahlreichen Fehlbuchungen, denen tatsächliche Umsätze nicht zugrunde lagen, eliminiert werden mussten.

Aus den vorgelegten Kontounterlagen ohne Buchungstext (Bl. 119 ff. GA) lassen sich ebenfalls keine Rückschlüsse zu Lasten des Klägers ziehen. Sie stammen von Januar 2004 und nicht aus der Zeit, als der Kläger für die C. AG tätig war. Das ist vom Kläger auch ausdrücklich gerügt worden.

h. Die in der Berufungsinstanz erstmals vorgetragenen Umstände, die für eine wissentliche Pflichtverletzung des Klägers sprechen sollen, werden den aufgezeigten rechtlichen Anforderungen ebenfalls nicht gerecht.

Nach den Anforderungen des Bundesgerichtshofs muss konkret aufgezeigt werden, in welcher Hinsicht der Kläger falsch gearbeitet hat, also auch, was er ordnungsgemäß hätte tun müssen und woraus dies folgt, und dass ihm dies aus konkret zu benennenden Gründen auch klar war. Dem genügt auch der Vortrag in der Berufungserwiderung nicht.

Dies gilt auch für die Behauptung, der Kläger habe die fehlende Plausibilität des Produktions- und Vorfinanzierungsmodells der Gesellschaft erkannt (Bl. 280 GA). Die hinter der Gesellschaft stehenden Eheleute S. haben Aktionäre, Banken und die K. lange Zeit erfolgreich getäuscht. Dies gilt - mangels Mittäter- oder Gehilfenschaft - auch für den Kläger. Dass dieser nicht nur der Steuerberater der Gesellschaft, sondern darüber hinaus auch deren Aufsichtsratsmitglied war, ändert daran nichts. Die C. AG wirft dem Kläger insoweit lediglich fahrlässige Pflichtverletzungen vor, insbesondere durch Unterlassen von Kontrollen oder Überprüfungen. Daraus kann für eine wissentliche Pflichtverletzung des Klägers als Steuerberater jedoch nichts hergeleitet werden.

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 204.516,75 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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