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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: I-4 U 55/03
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 59
Der Versicherer, der aufgrund einer Flugrückholkosten-Versicherung seinen Versicherten die Kosten erstattet hat, die durch die medizinisch notwendige und ärztlich angeordnete Rückführung aus dem Ausland mittels eines Flugzeugs entstanden sind, hat keinen Anspruch aus § 59 Abs. 2 VVG auf Beteiligung an den Kosten des Rücktransports gegen einen anderen Versicherer, der denselben Personen als Mitgliedern eines Vereins aufgrund eines gesonderten Versicherungsvertrages Deckung für die Aufwendungen bietet, die für den Krankenrücktransport durch den Flugdienst des Vereins oder in dessen Auftrag entstehen, weil die versicherten Gefahren nicht identisch sind und damit keine Doppelversicherung vorliegt.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-4 U 55/03

Verkündet am 14. Oktober 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. R... und der Richterin am Landgericht B... auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. Februar 2003 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin gewährt Mitgliedern der D... R... (im Folgenden: DRF) Versicherungsschutz für die Kosten, die durch eine medizinisch notwendige und ärztlich angeordnete Rückführung aus dem Ausland mittels eines Flugzeugs entstehen (Flugrückholkosten-Versicherung). Der Beklagte bietet aufgrund eines Rahmenvertrages mit dem D... R... K... (im Folgenden: DRK) DRK-Mitgliedern, die dies wünschen, aufgrund eines gesonderten Versicherungsvertrages Deckung für die Aufwendungen, die für den medizinisch notwendigen Krankenrücktransport durch den DRK-Flugdienst bzw. in dessen Auftrag entstehen. Aufgrund von Unfällen und Erkrankungen hat die DRF drei Personen (B... Sch..., H... K... und Dr. L... R...) vom Urlaubsort an ihren Wohnsitz in Deutschland zurückgebracht. Die dadurch entstandenen Kosten hat die Klägerin getragen. Sie nimmt den Beklagten in Höhe von 23.608,64 € auf (hälftigen) Ausgleich in Anspruch, da für die Rückführung der Betroffenen bei beiden Parteien Versicherungsschutz bestehe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da im Streitfall keine Identität des versicherten Interesses und der versicherten Gefahr gegeben sei. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie macht geltend: Das Landgericht habe verkannt, dass es sich bei der Beschränkung der Leistungspflicht des Beklagten auf die Erstattung von Kosten für Rettungsflüge des DRK-Flugdienstes um eine verhüllte Obliegenheit handele. Davon abgesehen wecke die entsprechende Regelung in den AVB des Beklagten Auslegungszweifel, die nach der Unklarheitenregel zu seinen Lasten gehen müssten. Selbst wenn aber ungeachtet dessen von einem Risikoausschluss auszugehen sei, müsse der Beklagte sich trotzdem zur Hälfte an ihren Aufwendungen beteiligen, da ihm die gleichen Kosten entstanden wären, wenn die Rückführung der versicherten Personen durch den DRK-Flugdienst erfolgt wäre. Insofern müsse sich der Beklagte auch vorwerfen lassen, dass er die Versicherten nicht über seine begrenzte Eintrittspflicht belehrt habe.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 23.608,64 € nebst 5 % Zinsen seit dem 31. Mai 2002 zu zahlen.

Der Beklagte, der das Urteil verteidigt, bittet um Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil und den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die Klägerin kann eine anteilige Beteiligung des Beklagten an den Kosten des Krankentransports nicht unter dem Blickwinkel der Doppelversicherung verlangen. Erstattungsansprüche stehen ihr auch nicht aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer zu.

1.

Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Voraussetzungen für einen Rückgriff unter den beteiligten Versicherern nach § 59 Abs. 2 VVG nicht gegeben sind. Prämisse dafür ist das Bestehen einer Doppelversicherung. Eine solche liegt nur vor, wenn die jeweils versicherten Interessen und Gefahren identisch sind. Ob Identität vorliegt, ist durch einen Vergleich des in den jeweiligen AVB beschriebenen Risikos zu ermitteln (OLG Nürnberg VersR 1997, 180). Sind Interesse und Gefahr nicht vollständig identisch, sondern nur in Teilbereichen, so liegt eine Doppelversicherung nur in dem sich überschneidenden Bereich vor (Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 58 Rn. 7). Soweit es um die Rückführung der versicherten Personen durch die DRF geht, ist hier jedoch keine Gefahrenidentität anzunehmen, da der Beklagte gemäß § 2 des Rahmenvertrages mit dem DRK und nach § 1 Abs. 1 sowie § 5 Abs. 1 d AVB/RKT nur Versicherungsschutz für Aufwendungen versprochen hat, die für die Rückführung durch den Flugdienst des DRK oder im Auftrag des DRK-Flugdienstes entstehen (vgl. GA 31, 35 u. 37). Die Dienste des DRK-Flugdienstes haben die bei der Klägerin Versicherten aber nicht in Anspruch genommen.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dieser Regelung um eine rechtlich unbedenkliche Risikoabgrenzung und nicht um eine verhüllte Obliegenheit handelt, die selbst im Falle einer schuldhaften Verletzung die Ausgleichspflicht des in Anspruch genommenen Versicherers unberührt lässt (vgl. Römer, a.a.O., § 59 Rn. 10). Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Unterscheidung zwischen Obliegenheit und Risikobegrenzung nicht so sehr auf Wortlaut und Stellung der Versicherungsklausel an. Entscheidend ist vielmehr deren materieller Gehalt, weil der Schutz des § 6 VVG, der für die Leistungsfreiheit des Versicherers ein Verschulden erfordert, dem Versicherungsnehmer nicht dadurch entzogen werden kann, dass Obliegenheiten in den AVB so verhüllt werden, dass sie nicht als Verhaltensvorschrift, sondern als Risikobeschreibungen erscheinen. Maßgebend ist deshalb, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er den zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert (BGH v. 24.5.00 - IV ZR 186/99 - VersR 2000, 969 unter 1a).

Daran gemessen wird durch die zwischen DRK und Beklagtem ausgehandelten Versicherungsbedingungen - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht bestehender Versicherungsschutz lediglich wegen nachlässigen Verhaltens nachträglich wieder entzogen. Das folgt nicht nur daraus, dass die Leistungsbeschränkung nicht in den mit Obliegenheiten überschriebenen § 10 AVB/RKT eingefügt worden ist, sondern primär aus dem Zusammenspiel zwischen AVB und der Rahmenvereinbarung mit dem DRK. Denn daraus geht hervor, dass die Offerte des Beklagten sich nur an DRK-Mitglieder richtet (§ 1 Rahmenvereinbarung). Diesen will das DRK - preisgünstig und für sich kostenneutral - verständlicher Weise nur die Dienste des eigenen und nicht irgendeines Flugdienstes anbieten. Bei einem solchen Kopplungsgeschäft und entsprechender Fassung der Bestimmungen wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen, dass er im Notfall auch auf einen anderen Leistungserbringer seiner Wahl ausweichen kann. Denn das wäre ersichtlich nicht mehr das Versicherungsprodukt, das DRK und der Beklagte gemeinsam speziell für DRK-Mitglieder ausgearbeitet haben.

Aus denselben Gründen kann auch nicht angenommen werden, dass die Klauseln, die diese Leistungsbeschränkung deutlich zum Ausdruck bringen und zudem dem Erwartungshorizont des durchschnittlichen Versicherungsnehmers und DRK-Mitglieds entsprechen, unklar oder überraschend im Sinne von §§ 3, 5 AGBG, § 305 c BGB nF sind.

2.

Der Anspruch auf Erstattung der Kosten der Krankentransporte steht der Klägerin auch nicht aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten zu, weil diese nur dann einen Deckungsanspruch gegen den Beklagten haben, wenn der DRK-Flugdienst den Rücktransport ausführt oder organisiert. Das war hier nicht der Fall.

3.

Unerheblich ist schließlich, ob dem Beklagten dieselben Kosten entstanden wären, wenn sich die betroffenen Versicherten statt an die DRF an den DRK-Flugdienst gewandt hätten. Denn das würde nichts daran ändern, dass die Voraussetzungen des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs nach § 59 Abs. 2 VVG oder eines versicherungsvertraglichen Anspruchs gegen den Beklagten nicht erfüllt sind. Darüber kann der Senat nicht aus Billigkeitsgründen hinwegsehen. Im Übrigen widerspricht es auch nicht Treu und Glauben, wenn die Klägerin die Kosten für die Rückführung ihrer Versicherten allein tragen muss. Denn das wäre im umgekehrten Fall, wenn der Beklagte nach Inanspruchnahme des DRK-Flugdienstes die Kosten übernommen hätte, nicht anders gewesen, da auch die Klägerin durch die Subsidiaritätsklausel in § 3 Abs. 2 ihrer AVB den Rückgriff anderer Versicherer ausschließt (zur Wirksamkeit dieser Klausel, vgl. Senat, Urteil vom 25.09.01 - 4 U 51/01 - r + s 2002, 297 = ZfSch 2002, 191 = OLG Report Düsseldorf 2002, 203).

4.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert: 23.608,64 €

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