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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: I-4 U 92/05
Rechtsgebiete: BauO NRW, VGB 88, VwVfG, BGB


Vorschriften:

BauO NRW § 34
VGB 88 § 15
VGB 88 § 15 Nr. 1b
VGB 88 § 15 Nr. 3
VGB 88 § 15 Nr. 3 S. 1
VGB 88 § 15 Nr. 3 S. 2
VwVfG § 35
VwVfG § 36 II Nr. 4
BGB § 286 I
BGB § 286 II Nr. 3
BGB § 288 I
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.03.2005 verkündete Urteil der 8.Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - 8 O 484/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.637,12 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Zwischen den Parteien besteht seit 1997 eine Wohngebäudeversicherung, der die VGB 88 zugrunde liegen. Der Kläger ließ das versicherte Gebäude 2001 dergestalt umbauen, dass anschließend insgesamt 3 Wohnungen im Haus vorhanden waren. Die ihm hierfür erteilte Baugenehmigung sieht entsprechend § 34 BauO NRW vor, dass die Geschossdecken mit einem konstruktiven Brandschutz "F 30" ausgestattet sein müssen. Dieser Brandschutz wurde beim Umbau nicht eingebracht. Am 31.08.2002 kam es zu einem Brand im versicherten Gebäude aufgrund eines elektrischen Defekts. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte die Kosten der nachträglichen Einbringung des Brandschutzes erstatten muss. Diese Kosten belaufen sich auf 14.637,12 €.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten ergebe sich aus § 15 VGB 88. Er hat darüber hinaus behauptet, erst zwei Monate nach Vergabe des Auftrags bzgl. der Schadensbeseitungsarbeiten darüber in Kenntnis gesetzt worden zu sein, dass die Beklagte die Mehrkosten für den konstruktiven Brandschutz "F 30" nicht übernehme. Hätte er hiervon vor Auftragsvergabe Kenntnis gehabt, hätte er die Brandschutzarbeiten ggf. selber durchgeführt und Lohnkosten i.H.v. ca. 10.000,- € eingespart.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.637,12 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, Ersatz für die Beseitigung der "Bausünden" des Klägers nicht zu schulden.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 29.03.2005 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch ergebe sich nicht aus § 15 VGB 88. Wiederherstellungskosten i.S.v. § 15 Nr.1b VGB 88 mache der Kläger nicht geltend. Auch § 15 Nr.3 VGB 88 sei nicht einschlägig. Es liege keine Auflage im Sinne dieser Norm vor. Um eine solche handele es sich auch nicht bei der Bezugnahme in der Baugenehmigung auf die Landesbauordnung. Denn hierbei handele es sich allein um den Hinweis auf die Rechtslage. § 15 Nr.3 VGB 88 greife auch nicht unter Berücksichtigung seines Regelungszweckes ein. Geschützt werden solle nur der Versicherungsnehmer, den besondere Kosten träfen, weil sich die gesetzlichen Vorschriften im Vergleich zur Gesetzeslage bei Gebäudeerrichtung oder -umgestaltung geändert haben. Das sei hier eben nicht der Fall. Die Beklagte schulde schließlich auch keinen Schadensersatz. Sie habe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass die entsprechenden Kosten übernommen würden. Darüber hinaus fehle es an einer zurechenbaren Verursachung der Kosten, da der Kläger die Kosten bereits beim Umbau hätte aufbringen müssen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er macht geltend, § 15 VGB 88 sei unklar, so dass die Klausel zu seinen Gunsten weit auszulegen sei. Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien nach dem Wortlaut von § 15 Nr.3 VGB 88 lediglich Kosten, die durch eine vor dem Versicherungsfall mit Fristsetzung erteilte Auflage hervorgerufen werden. Weitere Einschränkungen seien nicht gegeben. Die Baugenehmigung sei vorliegend als Auflage i.S.v. § 15 VGB 88 zu verstehen. Darüber hinaus stehe ihm der erstinstanzlich geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 29.03.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg - 8 O 484/04 - zu verurteilen, an ihn 14.637,12 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.10.2004 zu zahlen.

Die Beklagte, die das angefochtene Urteil für richtig hält, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist begründet.

1.)

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der geltend gemachten Hauptforderung ergibt sich aus § 15 Nr.3 VGB 88.

Nach § 15 Nr.3 S.1 VGB 88 werden auch notwendige Mehrkosten infolge behördlicher Auflagen auf der Grundlage bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles erlassener Gesetze und Verordnungen ersetzt. Gem. § 15 Nr.3 S.2 VGB 88 sind, soweit behördliche Auflagen mit Fristsetzung vor Eintritt des Versicherungsfalles erteilt wurden, dadurch entstehende Mehrkosten nicht versichert.

Eine behördliche Auflage liegt hier vor. Die dem Kläger erteilte Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG. Sie hat den vom Kläger auf S.1 des Schriftsatzes vom 07.01.2005 (Bl.37 GA) vorgetragenen unstreitigen Inhalt. Danach liegt eine Baugenehmigung vor, "die vorsieht, dass ein Brandschutz F 30 erforderlich ist". Das ist eine Auflage i.S.v. § 36 II Nr.4 VwVfG.

Dass die Baugenehmigung vor Eintritt des Versicherungsfalles erlassen worden ist, steht dem Anspruch nicht entgegen. Die Auflage muss nicht "anlässlich" des Versicherungsfalles ergangen sein. Denn es ist nicht ersichtlich, woraus sich eine solche Einschränkung aus der Sicht eines durchschnittlichen Erklärungsempfängers ergeben soll.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (vgl. BGH NJW-RR 2005, 257). Bei Risikoausschlüssen geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Ihr Anwendungsbereich darf mithin nicht weiter ausgedehnt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Ziels und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass sein Versicherungsschutz Lücken hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH a.a.O.). Diese Grundsätze sind auch bei der Frage, inwieweit § 15 Nr.3 VGB 88 Einschränkungen unterliegt, zu beachten.

S.1 des § 15 Nr.3 VGB 88 enthält keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die Auflage zu einem bestimmten Zeitpunkt erteilt worden sein muss. Nach S.2 sind lediglich Kosten vom Versicherungsschutz ausgenommen, die wegen einer vor dem Versicherungsfall mit Fristsetzung erteilten Auflage entstehen. Aus letzterem muss ein unbefangener Leser schließen, dass Mehrkosten aufgrund einer Auflage, die ohne Fristsetzung vor dem Versicherungsfall erteilt, aber nicht umgesetzt worden ist, erstattungsfähig sind. Der Wortlaut ist insofern eindeutig. Er signalisiert einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, dass es nach dem Willen der Beklagten einen Unterschied macht, ob eine Fristsetzung vorliegt oder nicht. Auch eine einschränkende Auslegung von § 15 Nr.3 VGB 88 im Hinblick auf Sinn und Zweck ist nicht gerechtfertigt. Dass die Begünstigung eines Versicherungsnehmers, dem vor dem Versicherungsfall eine Auflage ohne Fristsetzung erteilt worden ist, von der Beklagten keinesfalls gewollt war und/oder gewollt werden konnte, ist weder dem zum Vertragsgegenstand gemachten Regelungswerk noch dem Gesamtzusammenhang zu entnehmen. Die Beklagte mag eine solche Begünstigung tatsächlich nicht gewollt haben. Das ist aber nicht nach außen deutlich geworden, was zu Lasten der die Klausel § 15 Nr.3 VGB 88 verwendenden Beklagten geht.

Dass die vom Kläger für den Brandschutz "F 30" aufgewandten Kosten 14.637,12 € betragen, ist unstreitig.

2.) Die beantragten Zinsen stehen dem Kläger gem. §§ 286 I, II Nr.3, 288 I BGB zu. Es ist unstreitig, dass die Beklagte mit Schreiben vom 01.10.2004 die Leistung ernsthaft verweigert hat. Sie befindet sich deshalb seit dem 02.10.2004 in Verzug.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, sind nicht gegeben. Es ist nicht zu erwarten, dass die vorliegende Fallkonstellation in einer Vielzahl von Fällen zu entscheiden ist.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 14.637,12 €

Ende der Entscheidung

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