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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: I-5 U 109/05
Rechtsgebiete: VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 67
VVG § 67 Abs. 1
BGB § 203
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 548
BGB § 548 Abs. 1
BGB § 548 Abs. 1 S. 1
BGB § 823
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 01.09.2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Ausgenommen hiervon sind die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten, die diese selbst zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Am 22.12.2003 kam es durch einen in Brand geratenen Adventskranz zu einem Brandschaden in der Mietwohnung der Beklagten, den die Klägerin im Rahmen einer mit dem Eigentümer/Vermieter des Gebäudes bestehenden Gebäudeversicherung regulierte. Den insoweit verauslagten Betrag von 25.751,40 EUR verlangt sie nunmehr aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers von der Beklagten erstattet. Diese ist ihrerseits bei ihrer Streithelferin haftpflichtversichert, die hinsichtlich des Brandschadens ebenfalls einstandspflichtig wäre. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe den Brand grob fahrlässig verursacht, weil sie seinerzeit die Kerzen auf dem Adventskranz nicht gelöscht, jedenfalls keine entsprechende Nachschau gehalten habe, bevor sie zu Bett gegangen sei. Demgegenüber hat die Beklagte behauptet, sie habe damals die Kerzen gelöscht, so dass ihr allenfalls einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Vor diesem Hintergrund haben die Parteien unter Heranziehung der hierzu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung im Wesentlichen um die Beantwortung der Rechtsfrage gestritten, ob die Klägerin in ergänzender Auslegung des Versicherungsvertrages mit dem Eigentümer/Vermieter rechtswirksam darauf verzichtet hat, die Beklagte im Schadensfall in Regress nehmen zu dürfen.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass ein konkludenter Regressverzicht der Klägerin wegen des von der Beklagten zumindest fahrlässig verursachten Brandschadens nach den Umständen, insbesondere mit Rücksicht auf die auf Seiten der Beklagten bestehende Haftpflichtversicherung, nicht angenommen werden könne.

Hiergegen richtet sich die von ihrer Streithelferin unterstützte Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die Abweisung der Klage begehrt. Erstmals im Berufungsverfahren erhebt sie nun die Einrede der Verjährung, weil die gemäß § 67 VVG auf die Klägerin übergegangenen Ersatzansprüche des Eigentümers/Vermieters gemäß § 548 BGB bereits vor Einreichung des Mahnbescheids im vorliegenden Verfahren verjährt gewesen seien. Dem allem ist die Klägerin entgegengetreten. Sie will die Berufung zurückgewiesen wissen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Landgericht entschieden, dass die Beklagte der Klägerin aus gemäß § 67 Abs. 1 VVG übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers, des Eigentümers/Vermieters N, gemäß § 823 BGB Schadensersatz in geltend gemachter Höhe schuldet. Die hiergegen mit der Berufung vorgetragenen Einwendungen führen zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und geben lediglich zu folgenden, ergänzenden Anmerkungen Anlass.

a)

Auf der Grundlage der insoweit im Berufungsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil geht auch der Senat für seine Entscheidung davon aus, dass die Beklagte den in Rede stehenden Brand jedenfalls fahrlässig verursacht hat, weil sie es seinerzeit unter Missachtung der nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt versäumt hat, ein Entzünden des ausgetrockneten Adventskranzes durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu verhindern - § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Daraus folgt weiter, dass die Beklagte dem Eigentümer/Vermieter gemäß § 280 Abs. 1 bzw. § 823 BGB zum Ersatz des Brandschadens verpflichtet ist. Der erstattungsfähige Schaden beträgt nach den auch in diesem Punkt mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts 25.751,40 EUR.

b)

Die Klägerin muss sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entgegenhalten lassen, an der Geltendmachung des gemäß § 67 Abs. 1 VVG auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruches ihres Versicherungsnehmers durch eine entsprechende Regressverzichtsvereinbarung im Rahmen des zugrunde liegenden Versicherungsvertrages gehindert zu sein. Insoweit kann hier letztlich dahin stehen, ob auf dem Boden des vom BGH in nunmehr gefestigter Rechtsprechung vertretenen versicherungsrechtlichen Lösungsansatzes grundsätzlich im Wege der ergänzenden Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrages von einem Haftungsausschluss zugunsten des Mieters für einfache Fahrlässigkeit auszugehen ist (BGH VersR 2001, 94ff.; VersR 2001 856f.; VersR 2002, 433; vgl. auch: OLG Hamm VersR 2002, 705 f u. 1280 f.; OLG Dresden, VersR 2003, 1391, 1392; kritisch hierzu: Gaul/Pletsch, NVersZ 2001, 490ff m. w. N.). Denn der Senat teilt mit dem Landgericht die Auffassung des OLG Köln (VersR 2004, 593ff.; ebenso: LG Lübeck, VersR 2004, 234), das jedenfalls bei bestehender und - wie hier - eintrittspflichtiger Haftpflichtversicherung des fahrlässig schädigenden Mieters für einen solchen Regressverzicht des Gebäudeversicherers im Verhältnis zu seinem Versicherungsnehmer ohne das Hinzutreten besonderer Umstände kein Raum ist.

Der BGH hat diese Streitfrage bisher nicht entschieden, sondern lediglich - allerdings wiederholt - ausgeführt, dass die Annahme eines Regressverzichts für einfache Fahrlässigkeit als Ergebnis der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung nicht davon abhängen könne, ob der Mieter im Einzelfall eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen habe (BGH VersR 2001, 94ff., 96; VersR 2001, 856). Darum geht es hier nicht. Streitentscheidend ist vielmehr die Beantwortung der weiterführenden Frage, ob ein vom BGH grundsätzlich favorisierter Regressverzicht auch dann greift, wenn - wie im vorliegenden Fall - die auf Seiten des Mieters bestehende Haftpflichtversicherung für den in Rede stehenden Schaden auch tatsächlich einzustehen hat. Gerade diese Frage hat der BGH in den vorerwähnten Entscheidungen ausdrücklich offen gelassen. Sie ist im Sinne der angefochtenen Entscheidung zu beantworten.

Die Erwägung des BGH, dem Gebäudeversicherungsvertrag sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein Regressverzicht des Gebäudeversicherers zu entnehmen, beruht entscheidend auf der Annahme, dass es in dem für den Versicherer erkennbaren Interesse des Vermieters liege, das zumeist auf längere Zeit angelegte Vertragsverhältnis zu seinem Mieter so weit wie möglich unbelastet zu lassen. Dieses berechtigte Interesse sei im Schadensfall gefährdet, weil der Vermieter in seiner Eigenschaft als Versicherungsnehmer die Obliegenheit treffe, den Versicherer bei der Durchsetzung der Regressforderung zu unterstützen, wohingegen dem Mieter naturgemäß daran gelegen sei, den Regress des Versicherers abzuwehren. Darüber hinaus werde das Mietverhältnis im Falle der Inanspruchnahme des Mieters durch den Versicherer auch dadurch belastet, dass der Mieter sich dann in seiner Erwartung getäuscht sehe, bei dem Brand eines gegen Feuer versicherten Gebäudes nicht in Anspruch genommen zu werden (grundlegend: BGH, VersR 2001, 94ff., 96).

Diese Erwägungen tragen dann nicht mehr, wenn eine bestehende Haftpflichtversicherung des Mieters für den im Regresswege an diesen herangetragenen Schaden einzustehen hat. Denn zu einer ernsthaften, einen Regressverzicht rechtfertigenden Belastung des Mietverhältnisses wird es nicht kommen, wenn der Haftpflichtversicherer Deckungsschutz gewährt und den Mieter solcherart von den monetären Risiken des Schadensfalles in der Weise freistellt, dass sich die Auseinandersetzung über die Schadensregulierung faktisch zwischen ihm und dem Gebäudeversicherer abspielt. Denn ebenso wie der Gebäudeversicherer im eigenen Namen aus übergegangenem Recht gegen den Mieter vorgeht, hat dieser die Prozessführung seinem Haftpflichtversicherer zu überlassen (§ 5 Nr. 4 AHB). Der dann allein verbleibende Umstand, dass beide, Vermieter und Mieter, verpflichtet sind, ihre jeweilige Versicherung im Rahmen einer streitigen Schadensregulierung zu unterstützen und solcherart am Rande einer gerichtlichen Auseinadersetzung der allenfalls marginalen Gefahr ausgesetzt sind, möglicherweise kontradiktorische Rechtspositionen vertreten zu müssen, rechtfertigt es nach Auffassung des Senats angesichts der auf beiden Seiten des Mietverhältnisses weitgehend in Fortfall geratenen finanziellen Risiken nicht, dem Vermieter auch für diesen Fall ein berechtigtes Interesse daran zuzubilligen, seinem Versicherer einen Verzicht auf die Inanspruchnahme des für den Schadensfall verantwortlichen Mieters abzuverlangen. Diesem wiederum kann es unter solchen Umständen vernünftigerweise auch nicht unverständlich erscheinen, trotz des Bestehens einer Gebäudeversicherung für einen Schadensfall in Anspruch genommen zu werden, dessen Regulierung er einer auch für diesen Fall abgeschlossenen Haftpflichtversicherung überlassen kann. In Erwägung all dessen lässt sich dann allerdings gerade nicht sagen, dass es dem für die ergänzende Vertragsauslegung maßgeblichen hypothetischen Willen der Parteien des Gebäudeversicherungsvertrages (zur ergänzenden Vertragsauslegung: Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 157 BGB, Rn. 7 m. w. N.; vgl. auch: Gaul/Platsch NVersZ 2001, 490, 497) entsprochen haben könnte, auch bei zu unterstellender Kenntnis von dem Bestehen einer eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung des Mieters einen Regressverzicht zu dessen Gunsten zu vereinbaren (im Ergebnis ebenso: OLG Köln, a. a. O; LG Lübeck, a. a. O.; Armbrüster NVersZ 2001, 193; Prölss, r+s 1997, 221; Gaul/Pletsch NversZ 2001, 490; Wolter, VersR 2001, 998ff; Günther, VersR 2004, 595ff., 597f.; a. A.: OLG Stuttgart, VersR 2004, 592f). Hinzu tritt die vom BGH in anderem Zusammenhang für maßgeblich erachtete Erwägung, dass jedenfalls dann nicht von einem konkludenten rechtsgeschäftlichen Haftungsverzicht auszugehen sei, wenn dieser nicht dem Haftpflichtigen, sondern lediglich seiner Haftpflichtversicherung zugute gekommen wäre (BGH, VersR 1992, 1145ff., 1147; VersR 1993, 1092f., 1093). So wäre es bei einem Regressverzicht im Ergebnis allerdings auch hier.

c)

Soweit die Beklagte erstmals mit der Berufungsbegründung Verjährung des auf die Klägerin übergegangenen Ersatzanspruches einwendet, hat ihr Vorbringen im Ergebnis ebenfalls keinen Erfolg. Allerdings ist die Beklagte mit der erstmaligen Erhebung der Verjährungseinrede im Berufungsverfahren nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 291) nicht gemäß § 531 Abs. 2 präkludiert, wenn - wie hier - die den Verjährungseinwand tragenden Tatsachen unstreitig sind (ebenso zuletzt: OLG Naumburg, IBR 2005, 650).

Der auf die Klägerin übergegangene Schadensersatzanspruch ihres Versicherungsnehmers ist allerdings nicht gemäß § 548 Abs. 1 BGB verjährt. Zwar ist der Beklagten im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB nicht nur mietvertragliche Ersatzansprüche, sondern auch alle mit diesen konkurrierenden Ansprüche aus demselben Sachverhalt umfasst. Das gilt insbesondere auch für deliktische Schadensersatzansprüche (BGH, NJW 1993, 2797 m. w. N.). Allerdings beginnt die Verjährung nach § 548 Abs. 1 S. 1 BGB erst in dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Sache zurückerhält, was jedenfalls voraussetzt, dass der Mieter mit Kenntnis des Vermieters den Besitz an der Mietsache vollständig und unzweideutig aufgibt (BGH, NJW 2004, 774, BGH, NJW 2005, 2004; BGH, NJW-RR 2004, 1566). Die Gewährung ungehinderten Zutritts bei fortdauernder Besitzlage reicht hierfür nicht aus (BGH, NJW 1991, 2416), wie die Beklagte allerdings wohl meint. Im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte die in Mitleidenschaft gezogene Mietwohnung zwischenzeitlich auf- und den Besitz hieran an den Vermieter zurückgegeben hat. Vielmehr spricht ihre offenkundig unveränderte Anschrift dafür, dass sie die Wohnung weiter innehat. In Erwägung all dessen kann offen bleiben, ob der Lauf der Verjährung aus den von der Klägerin mit der Berufungserwiderung aufgezeigten Gründen gemäß § 203 BGB gehemmt war und rechtzeitig vor Ablauf durch Einreichung eines Mahnbescheides unterbrochen wurde.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision zu, weil die hier streitentscheidende Frage, ob auch dann von einem Regressverzicht des Gebäudeversicherers zugunsten des Mieters auszugehen ist, wenn dieser im konkreten Schadensfall Deckungsschutz seiner Haftpflichtversicherung genießt, von anderen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird und bisher nicht höchstrichterlich entschieden ist - § 543 Abs. 2 Nr.1 ZPO.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 25.751,40 EUR

Ende der Entscheidung

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