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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.09.2005
Aktenzeichen: I-5 U 91/04
Rechtsgebiete: GUB, BGB, ZPO, EGBGB, AGBG


Vorschriften:

GUB § 8 Ziff. 2
BGB § 768
BGB § 768 Abs. 1 Satz 1
BGB § 770
BGB § 771
ZPO § 529
ZPO § 546
EGBGB Art. 229 § 5 Satz 1
AGBG § 1
AGBG § 1 Abs. 2
AGBG § 9 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.03.2004 verkündete Urteil des Vorsitzenden der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

Die Klägerin nimmt die beklagte ... aus einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch. Wesentlicher Streitpunkt ist deren Wirksamkeit.

Die Klägerin schloss mit der ... - im folgenden: Auftragnehmerin - am 23.07.1999 einen Generalunternehmervertrag (GUB). Darin verpflichtete sich die Auftragnehmerin zur Errichtung eines Büro- und Lagergebäudes In F.... Vor Vertragsschluss fanden mehrere Angebots-Verhandlungen statt.

In dem Protokoll zur Angebots-Verhandlung vom 22.07.1999 ist unter dem Punkt 3.7.4 die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft angekreuzt; bei den Punkten Stellung einer Vertragserfüllungs-, Abschlagszahlungs- und Vorauszahlungsbürgschaft wurde nein angekreuzt (GA 158).

Unter § 8 Ziffer 2 GUB findet sich folgende Regelung: "Der Auftraggeber ist berechtigt, als Sicherheit für die Erfüllung der Gewährleistungsansprüche einen Teilbetrag gemäß Ziff. 8 BVB einzubehalten. Der Generalunternehmer kann Sicherheit durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft mit Inhalt und Form gemäß Ziff.17 ZVB leisten." Gemäß Ziff. 8.2 BVB ist die Auftraggeberin berechtigt, als Sicherheit für die Erfüllung etwaiger Gewährleistungsansprüche fünf Prozent der Bruttoabrechnungssumme einzubehalten. In den zusätzlichen Vertragsbedingungen der Klägerin (ZVB) heißt es dann unter 17.1: Bürgschaften hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber auf Anforderung gemäß Formvorlage des Auftraggebers als unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaften einer deutschen Großbank zur Absicherung der sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen des Auftragnehmers zu stellen. In den Bürgschaften muss auf die Rechte aus den §§ 768, 770 und 771 BGB sowie auf das Recht der Hinterlegung verzichtet werden und die Verpflichtung enthalten sein, auf erstes Anfordern zu leisten. .."

Ziffer 17.3 lautet: "Gewährleistungsbürgschaften müssen unbefristet sein."..

Unter dem 15.06.2000 erteilte die Beklagte zu Gunsten der Klägerin eine Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern nach Maßgabe der Ziffer 17.1 ZVB bis zum Betrag von 461.568,91 DM. Mit Schreiben vom 11.06.2001 nahm die Klägerin die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch und begründete dies mit Schreiben vom 22.06.2001 unter Hinweis auf Mängel der Werkleistung der Aufragnehmerin. Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Den Bürgschaftsanspruch macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe mit der Auftragnehmerin über die Sicherheit bezüglich der Gewährleistungsbürgschaft verhandelt. Die Bürgschaften der Vertragsparteien hätten bei den Verhandlungen zur Disposition gestanden. Zunächst sei von der Klägerin im Rahmen der Verhandlungen ein 10%-iger Einbehalt gefordert worden. Dies habe die Auftragnehmerin jedoch nicht akzeptieren wollen. Daraufhin sei der Forderung der Auftragnehmerin nachgegeben worden, lediglich einen 5 %-igen Einbehalt vorzunehmen, der jedoch durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösbar sein sollte. Es sei auch alternativ die Einzahlung auf ein Sperrkonto bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist verhandelt worden. Die Auftragnehmerin habe jedoch den vollen Vertragspreis nach Abnahme zur Verfügung haben wollen und statt dessen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern akzeptieren wollen. Die Regelung über den Sicherheitseinbehalt und die Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern stelle demnach keine allgemeine Geschäftsbedingung dar.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie Euro 236.005,63 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.Juni 2001.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ein Aushandeln der Vertragsbestimmungen betreffend die Gewährleistungsbürgschaft bestritten und die Auffassung vertreten, die Bürgschaft sei gemäß den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wegen Verstoßes gegen das AGBG nichtig.

Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluß vom 06.08.2002 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27.11.2002 (GA 218f.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Ob die Stellung der selbstschuldnerischen Bürgschaft ausgehandelt worden sei, hat die Kammer dahinstehen lassen. Selbst bei Annahme, dass es sich insoweit um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, und die Bürgschaft unwirksam sei, entfiele nicht der Anspruch der Klägerin. Der Vertrag zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin wäre bei Unwirksamkeit der Vertragsklausel lückenhaft, so dass an die Stelle der Klausel die Gestaltung getreten wäre, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingungen bekannt gewesen wäre. Das wäre hier eine unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie die erstinstanzliche Klageabweisung weiterverfolgt. Die Beklagte rügt zum einen unzureichende bzw. fehlerhafte Tatsachenfeststellung durch das Landgericht. Bei zutreffender Würdigung der von ihr erhobenen Beweise hätte die Kammer zu dem Ergebnis kommen müssen, dass im Zuge der Vertragsverhandlungen der Auftragnehmerin und der Klägerin die Bestellung einer Sicherheit für mögliche Gewährleistungsansprüche nicht ausgehandelt worden sei (GA 318 - 319). Die Berufung beanstandet weiter, dass das Landgericht aufgrund der Unwirksamkeit der Bürgschaft von einer Vertragslücke ausgegangen ist, die dahingehend auszufüllen sei, dass der Bauunternehmer eine unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft schuldete. Eine ergänzende Vertragsauslegung sei nach den Vorschriften des AGBG nicht geboten (GA 321, 332f.).

Aus dem Sachvortrag der Parteien ergebe sich nicht, dass die Parteien, hätten sie die Unwirksamkeit der klägerischen AGB gekannt, eine selbstschuldnerische Bürgschaft vereinbart hätten. Das Landgericht hätte daher bereits nach dem Vorbringen der Parteien nicht die Feststellungen treffen können, dass nach dem mutmaßlichen Parteiwillen unter sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Gestellung einer selbstschuldnerische Bürgschaft gewählt worden wäre.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens verteidigt die Klägerin das Urteil gegen die Angriffe der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zum einen auf die tatsächlichen Ausführungen im angefochtenen Urteil sowie auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z... und G.... Insoweit wird auf den Inhalt des Protokolls der Sitzung vom 07.07.2005 (GA 421ff) verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus der Bürgschaftserklärung vom 15.06.2000 besteht nicht. Die angefochtene Entscheidung war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

I.

Die Berufung ist begründet, da die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen ( § 513 Abs. 1 ZPO).

II.

Auf das Schuldverhältnis sind die bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetze anwendbar, Art.229 § 5 Satz 1 EGBGB.

1. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu Unrecht aus der Bürgschaftserklärung vom 15.06.2000 in Anspruch. Hierin hat sich die Beklagte bis zum Betrage von 461.586,91 DM für die Erfüllung sämtlicher Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegenüber der Auftragnehmerin auf erstes Anfordern der Klägerin verbürgt.

a) Nach dem Inhalt der Bürgschaftsurkunde ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch durch die von der Beklagten übernommene Verpflichtung gesichert. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bürge auf Anforderung grundsätzlich sofort zu zahlen hat. Alle Streitfragen werden in den Rückforderungsprozess verlagert (BGH, Urt. vom 08.03.2001, IX ZR 236/00, ZIP 2001, 833f). Die Inanspruchnahme des Bürgen ist jedoch rechtsmissbräuchlich, mit der Folge, dass der Gläubiger keine Zahlung verlangen kann, wenn sich aus dem unstreitigen Sachverhalt oder dem Inhalt der Vertragsurkunden die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2001, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.08.2001, 23 W 46/01, WM 2001, 2294 f m.w.N.; Palandt-Sprau, BGB, 62. Aufl. 2004, Rz. 14b vor § 765m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung ist hier gegeben, da die zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin geschlossene Sicherungsabrede wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG a.F. unwirksam ist.

b) Gegen die individualvertraglich eingegangene Verpflichtung des Werkunternehmers gegenüber dem Auftraggeber, zur Sicherung dessen Gewährleistungsansprüche eine Bürgschaft auf ersten Anfordern zu stellen, bestehen keine Bedenken (vgl. BGH, Urt. v. 02.04.1998, IX ZR 79/97, NJW 1998, 2280; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Auflage, 2003, Rz. 1260).

Handelt es sich jedoch bei der vertraglichen Regelung, kraft derer der Besteller nach Abnahme des Bauwerks 5% der Auftragssumme für die Dauer der - fünfjährigen - Gewährleistungspflicht als Sicherheit einbehalten darf und durch die dem Auftragnehmer lediglich das Rechts eingeräumt ist, den Einbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen, um eine vorformulierte Vertragsbedingung, die dem Anwendungsbereich des AGBG a.F. unterliegt, so ist diese Bestimmung wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG a.F. aufgrund der hierin liegenden unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam (vgl. BGH Urt. v. 05.06.1997, VII ZR 324/95, NJW 1997, 2598f; Urteil vom 02.03.2000, VII ZR 475/98; BauR 2000, 1052; Urteil vom 22.11.2001, VII ZR 20/00, BauR 2002, 463; Urteil vom 15.05.2002, VII ZR 494/00, NJW-RR 2002, 1311 = BauR 2002, 1392f; zuletzt Urteil vom 09.12.2004 , VII ZR 265/03, WM 2005, 268f; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.08.2001, 23 W 46/01, WM 2001, 2294ff = BauR 2001, 1940ff; OLG Hamm, Urteil vom 27.04.2004, ZIP 2004, 2244f).

Die die Sicherungsabrede beinhaltende Vertragsklausel in dem zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin geschlossenen Werkvertrag stellt eine von der Klägerin vorgegebene Allgemeine Geschäftsbedingung dar und ist also nicht individualvertraglich vereinbart worden.

aa) Voraussetzung für Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG ist u.a., dass die Vertragsbedingungen von dem Verwender "für eine Vielzahl" von Verträgen vorformuliert sind (BGH, Urteil vom 26.09.1996, VII ZR 318/95 BauR 1997, 123; Urteil vom 13.09.2001, VII 487/99, BauR 2001, 980f = NJW-RR 2002, 13f = NZBau 2001, 682ff). Die vorformulierten Vertragsbedingungen sind nur dann Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn der Verwender im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Absicht der Mehrfachverwendung hatte (BGH, Urteil vom 04.05.2000, VII ZR 53/99, BauR 2000, 1182 = ZfBR 2000, 1182). Aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten Bedingungen kann sich ein von dem Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert worden sind (BGH, Urteil vom 27.11.2003, VII ZR 53/03, BauR 2004, 488, 490). Der Umstand allein, dass das fragliche Vertragswerk drucktechnisch auch angesichts des Layouts (Verwendung des Briefpapiers der Klägerin mit entsprechendem Logo) zweifelsfrei von der Klägerin stammt, ist isoliert betrachtet zwar noch kein vollkommen ausreichender Beleg für die erforderliche Mehrfachverwendungsabsicht. Jedoch gibt es weitere Anhaltspunkte für eine Mehrfachverwendung. Die in Rede stehenden Vertragsklauseln sind allem Anschein nach für eine Mehrfachverwendung vorformuliert. Sie bestehen aus einer Vielzahl von formelhaften Wendungen zur Regelung der typischen konfliktgefährdeten Sachverhalte. Weiterhin enthalten sie fast ausschließlich den Auftragnehmer bzw. Subunternehmer belastende Regelungen. Die Vertragsklauseln vermitteln auch nicht den Anschein, dass sie auf das spezielle Bauvorhaben bzw. diesen Vertragspartner zugeschnitten sind. Dass in bestimmten Teilen individuelle Regelungen vorhanden sind, die aber offenkundig nur im Bereich der rein deskriptiven Aufzählungen der Vertragsbestandteile bestehen, widerlegt nicht den Anschein eines zur Mehrfachverwendung entwickelten Vertrages (BGH, Urteil vom 27.11.2003, VII ZR 53/03, a.a.O.).

bb) Gemäß § 1 Abs. 2 AGBG liegen allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Aushandeln bedeutet mehr als verhandeln. Es genügt nicht, dass das Formular dem Vertragspartner bekannt ist und dass der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird und den Vorstellungen des Partners entspricht. Vielmehr kann von "Aushandeln" nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen "gesetzesfremden" Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (BGH, Urteil vom 03.11.1999, VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110, 1111. Auch wenn es schließlich bei der gestellten Klausel verbleibt, muss der Verwender sie vorher grundsätzlich zur Disposition gestellt haben (BGH, Urteil vom 27.03.1991, NJW 1991, 1678, 1679). Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH, Urt. v. 09.10.1986, VII ZR 245/85, NJW-RR 1987, 144, 145), auch dann, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf bleibt (BGH, Urteil vom 03.11.1999, NJW 2000, 1110, 1111f.). Jedoch kann allenfalls unter besonderen Umständen ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines "Aushandelns" gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt (BGH, Urt. v. 09.10.1986, VII ZR 245/85, NJW-RR 1987, 144, 145).

Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat unter Berücksichtigung der von dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Z... und G... nicht den ihr obliegenden Nachweis für ein Aushandeln in diesem Sinne erbringen können.

(1) Bereits auf der Grundlage der Aussage des von der Klägerin genannten Zeugen Z... kann es nicht als bewiesen gelten, dass die Parteien die in Rede stehende Klausel eines Sicherheitseinbehalts in Höhe von 5 % , die die Auftragnehmerin durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern erbringen kann, im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG a.F. ausgehandelt haben. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass die Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen den gesetzesfremden Kern der Klauseln § 8 Nr. 2 GUB, Zif. 8.2 BVB und Ziffer 17.1. ZVB zur Disposition gestellt hat.

Ziffer 8.2 1.Absatz BVB sieht einen Barsicherheitseinbehalt vor. Das weicht ab von dem in § 641 BGB enthaltenen Grundsatz, dass die Vorleistungspflicht des Werkunternehmers mit der Abnahme endet (OLG Hamburg, Beschluss vom 14.05.1999,

8 U 25/99, BauR 2000, 445, 446). Gemäß § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die volle Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten und von diesem Zeitpunkt an zu verzinsen. Da das dispositive Gesetzesrecht die Abwicklung ohne Gewährleistungseinbehalt des Auftraggebers vorsieht, schuldet der Auftragnehmer auch keine Sicherheit zur Ablösung eines Gewährleistungseinbehalt (OLG Hamm, ZIP 2004, 2244, 2246). Soweit der Barsicherheitseinbehalt durch die Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, Ziffer 8.2 1.Absatz BVB, weicht auch das vom in § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB niedergelegten Grundsatz ab, dass dem Bürgen die Einwendungen und Einreden des Hauptschuldners zustehen und der Gläubiger der Hauptschuld das Entstehen und die Fälligkeit der verbürgten Hauptschuld im Bürgschaftsfall darlegen und beweisen muss (vgl. OLG Hamburg, BauR 2000, 445, 446). Denn die Bürgschaft auf erstes Anfordern gewährt dem Gläubiger Vorteile, die über seine aus dem Bauvertrag folgenden berechtigten Sicherungsinteressen hinausgehen, indem sie ihm die Möglichkeit einräumt, sich sofort liquide Mittel zu verschaffen, wenn der Bürgschaftsfall nach seiner Meinung eingetreten ist. Diese Sicherungsform begründet besonders dadurch, dass die Fälligkeit der gesicherten Forderung nicht einmal schlüssig dargelegt zu werden braucht, die Gefahr des Missbrauchs. Wird der Anspruch aus der Bürgschaft erfüllt, trifft den Bürgen oder den Hauptschuldner das Risiko der Bonität des Gläubigers. Für eine solche Risikoverlagerung ist nach dem gesetzlichen System der werkvertraglichen Gewährleistung kein berechtigtes Interesse anzuerkennen (BGH, ZIP 2001, 833, 834f.)

Nach dem obigen Ausführungen ist also der Sicherheitseinbehalt mit den gesetzgeberischen Grundgedanken grundsätzlich nicht in Einklang zu bringen und benachteiligt den Werkunternehmer unangemessen. Einen diese Benachteiligung aufwiegenden Ausgleich böte die Möglichkeit eines Austauschs des Sicherheitseinbehalts gegen eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft, jedoch nicht eine Bürgschaft auf erstes Anfordern (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2003, VII ZR 57/02, WM 2004, 96f = NJW 2004, 443 = BauR 2004, 325f). Mithin läge ein Aushandeln der in Rede stehenden Klausel nur dann vor, wenn nicht nur über die verschiedenen Sicherungsmöglichkeiten gesprochen worden ist, sondern die Klägerin auch sich bereit erklärt haben sollte, statt der in dem Vertragsformular aufgeführten Bürgschaft auf erstes Anfordern eine andere Sicherungsmöglichkeit zu akzeptieren, mit der Barsicherheitseinbehalt ausgetauscht werden könnte.

Derartiges kann bereits der Aussage des Zeugen Z... nicht entnommen werden. Der Zeuge Z..., der der wesentliche Verhandlungsführer auf Seiten der Klägerin war, hat zwar ausgesagt, dass im Rahmen der Angebotsverhandlungen über die Sicherheitsleistung gesprochen worden sei. Er habe zuerst eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 % vereinbaren wollen. Eine solche habe die Klägerin aber nicht durchsetzen können, so dass sich die Klägerin mit einem Sicherheitseinbehalt von 5 % zufrieden gegeben habe. Dieser Sicherheitseinbehalt habe bei Stellung der Schlussrechnung durch eine Bürgschaft abgelöst werden sollen. Dass die Klägerin bei der Höhe und der Art der Sicherheitsleistung zurückgesteckt habe, sei geschehen, um den Geschäftsführer der Auftragnehmerin, den Zeugen G..., dazu zu bewegen, seinerseits mit dem Preis zurückzugehen.

Der Umstand, dass - nach der Darstellung der Vertragsverhandlungen durch den Zeugen Z... - über die zunächst von der Klägerin angestrebte Vertragserfüllungsbürgschaft gesprochen wurde und dann von dieser abgesehen wurde mit Rücksicht auf einen dann vereinbarten - ablösbaren - Sicherheitseinbehalt nimmt den fraglichen Vertragsklauseln nicht den Charakter der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Denn dass die Klägerin im Rahmen der Vertragsverhandlungen und insbesondere bei nochmaligem Durchgehen der einzelnen Vertragspunkte auch die Art, wie die Auftragnehmerin den Sicherheitseinbehalt abzulösen kann, zur Disposition gestellt hat, der Auftragnehmerin also die Möglichkeit gegeben hat, durch eine andere als die in den Formularen der Klägerin vorgesehene Sicherungsform der Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern den vorgenommenen Gewährleistungseinbehalt ausgezahlt zu erhalten, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Z... nicht. Vielmehr hat der Zeuge erklärt, bei den Angebotsverhandlungen sei nicht auf die Einzelheiten der - zur Ablösung des Gewährleistungseinbehalts dienenden - Bürgschaft eingegangen worden. Auch hat der Zeuge nicht ausgesagt, dass bei dem Durchgehen des Vertragstextes beim letzten Verhandlungsprotokoll vom 22.07.1999 die Problematik der Bürgschaft auf erstes Anfordern als Ablösemittel des Sicherheitseinbehalts thematisiert worden sei und die Klägerin der Auftragnehmerin Alternativen hierzu aufgezeigt oder angeboten hat.

(2) Selbst wenn man allgemeine Verhandlungen über die Sicherheitsleistungen für die Annahme eines Aushandelns der in Rede stehenden Klauseln ausreichen lassen wollte, so bestehen auf der Grundlage der Aussage des ebenfalls vom Senat vernommenen Zeugen G..., des Geschäftsführers der Auftragnehmerin, durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Vertragsverhandlungen durch den Zeugen Z.... Nach dessen Aussage sei hier - wie bei sämtlichen zwischen der Klägerin und der Auftragnehmerin geschlossenen Verträgen - von der Klägerin eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10% und eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 5 % gefordert worden. Auf den Vorhalt, in den vorliegenden Angebotsverhandlungsprotokollen und im letztlich geschlossenen Vertrag sei eine Vertragserfüllungsbürgschaft nicht vorgesehen, hat der Zeuge G... nachvollziehbar dargelegt, dass hier wahrscheinlich anstelle einer Vertragserfüllungsbürgschaft von 10 % ein fortlaufender Einbehalt von 10% bis zur Bestellung einer Bürgschaft vorgenommen worden sei, so dass er jedenfalls 90% ausgezahlt bekommen habe. Erst gegen Aushändigung der 5protzentigen Gewährleistungsbürgschaft seien die fortlaufend einbehaltenen 10 % ausbezahlt worden.

Auch hat der Zeuge G... ausgesagt, dass zwar über den Preis verhandelt worden sei, jedoch nur in der Weise, dass Preisveränderungen an unterschiedliche und veränderte Leistungen angeknüpft worden seien. Es sei jedenfalls nicht so gewesen, dass gesagt worden sei, für den Fall dass keine Bürgschaft beigebracht werden müsse, müsse der Preis reduziert werden oder umgekehrt. Insoweit steht die Aussage des Zeugen G... im Widerspruch zu der Aussage des Zeugen Z..., der ausgesagt hat, die Klägerin habe im Hinblick auf die Sicherheitsleistung zurückgesteckt, um die Auftraggeberin zu Zugeständnisse beim Preis zu bewegen.

Ebenfalls hat der Zeuge G... nicht die Aussage des Zeugen Z... bestätigt, er - der Zeuge G... - habe auf die Forderung der Klägerin nach einem Bareinbehalt vorgeschlagen, stattdessen die übliche Gewährleistungsbürgschaft zu vereinbaren.

Schließlich hat der Zeuge G... noch auf die Frage, ob bei den Vertragsverhandlungen über Bürgschaften auf erstes Anfordern oder einfache Bürgschaften gesprochen worden sei, erklärt, dass er hiervon nichts verstehe und über diese Dinge sei jedenfalls mit ihm nicht gesprochen worden.

Insgesamt steht die Aussage des Zeugen G... in wesentlichen Kernpunkten den Teilen der Aussage des Zeugen Z..., aus denen sich ein Aushandeln im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG a.F. möglicherweise ableiten ließe, entgegen. Demnach kann - da keine durchgreifenden Gesichtspunkte erkennbar sind, warum die Aussage des Zeugen Z... vorzugswürdig sein soll - hiervon nicht zu Gunsten der Klägerin ausgegangen werden, selbst wenn man entgegen den obigen Ausführungen auf der Basis der Darstellung des Zeugen Z... ein Aushandeln annehmen wollte.

3. Nach alledem sind die - nicht individualvertraglich vereinbarten - Sicherungsklauseln betreffend der Ablösung des Gewährleistungseinbehalts durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gemäß § 9 Abs. 1 AGBG a.F. unwirksam. Die auf Grund der Unwirksamkeit entstehende Vertragslücke kann nicht - im Gegensatz zu der Unwirksamkeit der Vereinbarung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern (vgl. hierzu zuletzt BGH, Urteil vom 04.07.2002, VII ZR 502/99, ZIP 2002, 1690f) - im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung dadurch, dass der Sicherheitseinbehalt durch eine selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaft abgelöst werden kann, geschlossen werden (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 09.12.2004 , VII ZR 265/03, WM 2005, 268f; OLG Hamm vom 27.04.2004, 21 U 152/03, ZIP 2004, 2244, 2246; OLG München, Urteil vom 03.02.2004, 9 U 3458/03, BauR 2004, 1466 = IBR 2004, 135); OLG Celle, 13. Zivilsenat, Urteil vom 13. November 2003, Az: 13 U 136/03 NZBau 2004, 214-215, OLGR Celle 2004, 267-269); OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.11.2003, 7 U 135/00, OLGR 2004, 191f = BauR 2004, 1165ff)

4. Die Ausführungen der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.08.2005 geben dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 Abs. 1 ZPO).

Nach den obigen Darlegungen unter 1. b) bb) (1) ist bereits unter Zugrundelegung der Bekundungen des Zeugen Z... ein Aushandeln der fraglichen Klauseln nicht gegeben.

Soweit die Klägerin ein Aushandeln damit begründet, dass sie, die Klägerin, von ihrer ursprünglichen Forderung nach einem Bareinbehalt oder zumindest nach einer Vertragserfüllungsbürgschaft habe abrücken müssen, da dies von der I... bzw. von deren Verhandlungsführer dem Zeugen G... nicht akzeptiert worden sei, und der Zeuge G... aus eigener Initiative vorgeschlagen habe, einen Betrag in Höhe von 5% der Gesamtvergütung für etwaige Gewährleistungsansprüche einzubehalten und diesen Betrag gegen Stellung einer entsprechenden Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern auszuzahlen, kann ein entsprechender Ablauf der Vertragsverhandlungen der Aussage des Zeugen Z... nicht entnommen werden. Entgegen dem Verständnis der Klägerin hat der Zeuge Z... nicht bekundet, dass der Zeuge G... aus eigenem Antrieb die letztlich von der Klägerin stammende Allgemeine Geschäftsbedingung bezüglich des Gewährleistungseinbehalts und der Möglichkeit deren Ablösung durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern in die Verhandlungen eingebracht hat.

Es bleibt auch dabei, dass der Klägerin der Nachweis für ihre Behauptung, sie habe im Hinblick auf die Höhe und Art der Sicherheitsleistung zurückgesteckt, um die I... bzw. den Zeugen G... dazu zu bewegen, seinerseits beim Preis zurückzugehen, trotz der dahingehenden Bekundungen des Zeugen Z... nicht gelungen ist. Insbesondere findet diese Behauptung keinen Beleg in den Verhandlungsprotokollen vom 15.02., 31.05. und 22.07.1999. Richtig ist, dass das Angebotsprotokoll vom 15.02.1999 auf Seite 10 einen Vertragspreis von 7.710.500,-- DM ausweist, während in dem Verhandlungsprotokoll vom 31.05.1999 eine Vertragssumme von 7.345.000,-- DM aufgeführt ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass der Preisbildung (und damit auch der Reduzierung des Preises gegenüber dem Verhandlungsprotokoll vom 15.02.1999) ein neues Angebot der IBG vom 13.04.1999 zu Grunde gelegt wurde (vgl. 3.1.2 Seite 4 des Angebotsverhandlungsprotokolls). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Verringerung des Vergütungsanspruches nicht - wie vom Zeugen G... bekundet - Folge der Abänderung des von der IBG zu erbringenden Leistungsumfanges gewesen ist, sondern - zumindest auch - auf ein Nachgeben der Klägerin im Hinblick auf die Art und Höhe der Sicherheitsleistungen durch den Auftragnehmer zurückzuführen sind. Dies gilt auch, soweit das Angebotsverhandlungsprotokoll vom 22.07.1999 eine Nettovertragssumme von 7.280.000 DM beinhaltet. Die zu diesem Preis führenden Schritte ergeben sich aus Punkt 4.0 des Angebotsverhandlungsprotokoll. Ausgehend von dem Angebotspreis in Höhe von 7.195.000 DM, bei dem es sich um den Angebotspreis aus dem Verhandlungsprotokoll vom 31.05.1999 unter Verzicht auf den Ausbau von 300 m² Bürofläche handelt (vgl. Punkt 6.0 Seite 9 des Angebotsverhandlungsprotokolls vom 31.09.1999), werden unter 4.2 des Angebotsverhandlungsprotokolls vom 22.07.1999 weitere Mehrkosten aufgelistet, deren Addition mit dem Angebotspreis letztlich die Nettovertragssumme von 7.280.000 DM ergibt.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf der Anwendung §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: € 236.005,63

Ende der Entscheidung

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