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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: I-6 U 162/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 278 Satz 1 | |
BGB § 280 Abs. 1 | |
BGB § 280 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 311 Abs. 2 Nr. 1 |
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Juni 2004 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise geändert.
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 15.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2003 Zug um Zug gegen Übertragung von 4.500 Stück Inhaberstammaktien der Beklagten - Wertpapierkennnummer: ............. - zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits - beider Rechtszüge - werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
A.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache nur zu einem ganz geringen Teil Erfolg. Die Klage ist zulässig und, wenngleich mit der Einschränkung einer vom Kläger Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung, begründet.
1.
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist jedenfalls infolge rügeloser Einlassung der Beklagten gegeben, Art. 24 EuGVVO.
2.
Die schuldrechtlichen Beziehungen der Parteien beurteilen sich nach deutschem materiellen Recht. Die Parteien haben sich zumindest in schlüssiger Form mit der Anwendung deutschen Rechts auf ihre Rechtsbeziehungen einverstanden erklärt (Art. 27 Abs. 2, Abs. 1 EGBGB), denn das Landgericht hat deutsches Recht angewendet, und im Berufungsrechtszug haben die Parteien hiergegen keine Einwände erhoben.
3.
Die Klage ist begründet, weil dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch aus Verhandlungsverschulden nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 278 Satz 1 BGB auf Schadenersatz zusteht. Danach hat die Beklagte den Kläger so zu stellen, als wäre es zu den hier in Rede stehenden Zeichnungsverträgen über 4.500 Stück Aktien nicht gekommen.
a)
Für das Vorliegen dieses Schadenersatzanspruches ist es ohne Belang, dass der Kläger die Geschäfte unter Berufung auf eine arglistige Täuschung angefochten hat (vgl. BGH WM 1995, S. 263/264; BGH VersR 2000, S. 511/512 f.; BGH NJW 2001, S. 2163/2164).
b)
Der Senat hat, wie der Beklagten bekannt, bereits entschieden (Urteil vom 5. August 2004 in Sachen I-6 U 195/03) und hält hieran nach Überprüfung fest, dass die von der Beklagten zu leistende vorvertragliche Aufklärung denjenigen Anforderungen genügen muss, die die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung - wie auch die Rechtsprechung des Senats - an Vermittler von ungewöhnlichen Anlagegeschäften stellt, die mit besonderen, über das übliche Maß hinausgehenden Risiken behaftet sind. Nach diesen Grundsätzen, die nicht nur für Börsentermingeschäfte, sondern auch für die Vermittlung hochspekulativer Aktien gelten, hat der Vermittler den potentiellen Kunden über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken des Geschäfts aufzuklären und ihm ein zutreffendes Bild von den Gefahren und Chancen der vermittelten Geschäfte in der Weise zu verschaffen, dass der Kunde seine Investitionsentscheidung sachgerecht treffen kann. Dabei sind an die Aufklärung hohe Anforderungen zu stellen, insbesondere muss sie schriftlich erfolgen, weil sie bei schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhängen nur dann ihren Zweck erfüllen kann; die Darstellung muss namentlich zutreffend und vollständig sein und dem unbefangenen Leser einen realistischen Eindruck von der Eigenart des Geschäfts vermitteln (Senat a.a.O. m. zahlr. Nachw.). Diese Grundsätze bei den hier in Rede stehenden Anlagegeschäften anzuwenden, rechtfertigt sich daraus, dass es sich vorliegend um eine Art von Privatplatzierungen handelt, bei denen nicht nur die wirtschaftlichen Zusammenhänge schwierig - unter anderem hinsichtlich bestehender Möglichkeiten der Manipulation des Wertes der Anlegeransprüche sowie hinsichtlich der Aufbringung des Kapitals und der Fähigkeit der Gesellschaft zur Rückerstattung der Einlagen -, sondern die auch mit erheblichen Gefahren und Risiken verbunden sind. Hingegen steht der Anwendung der genannten Grundsätze nicht entgegen, dass die Beklagte nicht als Vermittlerin, sondern - durch Telefonverkäufer handelnd - als Verkäuferin aufgetreten ist, weil der Anleger in beiden Fällen gleichermaßen schutzbedürftig ist (zu Vorstehendem: Senat a.a.O.).
Im Streitfall wurde, wie im Senatstermin erörtert, dem Kläger in schriftlicher Form ein zutreffendes Bild von den durch ihn abzuschließenden Geschäften nicht vermittelt.
Dabei kann auf sich beruhen, ob der dem Kläger zugänglich gemachte Prospekt allgemein hinsichtlich der mit dem fehlenden Börsenhandel verbundenen hohen Risiken die gebotene Aufklärung leistete oder ob in ihm das besonders gravierende Manipulationsrisiko wegen der extremen Marktenge nicht hinreichend herausgestellt und als bloßes "Basisrisiko" (Liquiditätsrisiko) verharmlost und damit die Risikolage insgesamt verschleiert wurde.
Jedenfalls war der Prospekt bezüglich der Fortdauer der vorstehend genannten Risiken unrichtig. Der Kläger hat in erster Instanz (Schriftsatz vom 14. Dezember 2003, Seite 3) unwidersprochen vorgetragen, dass bei der Beklagten die Absicht eines Börsenganges in Wahrheit nicht bestanden habe. Diesen Standpunkt hat auch das Landgericht im angefochtenen Urteil (Seite 5) eingenommen, ohne dass dies mit der Berufungsbegründung angegriffen wird. Der Prospekt der Beklagten hingegen erweckt an mehreren Stellen den Eindruck, dass ein Börsengang beabsichtigt sei (nachfolgende Hervorhebungen durch das Gericht): Auf Seite 25, zu Ziff. IX Nr. 19 wird ausgeführt, die Wertpapiere seien zum Zeitpunkt der Prospekterstellung noch nicht börsennotiert, die Aktie könne derzeit nur auf dem freien Markt verkauft werden; auf Seite 29, zu Ziff. XII Nr. 6 heißt es, die Gesellschaft sei bemüht, die Aktie bei einem vorbörslichen Makler listen zu lassen (was für den unbefangenen Anleger zumindest den Anschein der Vorbereitung eines Börsenganges erweckt); auf Seite 30, zu Ziff. XII Nr. 9 schließlich wird gesagt, die Aktie werde zunächst nicht an einer Börse gehandelt. Diese Passagen konnten bei einem unbefangenen Verständnis vom Anleger nur so aufgenommen werden, dass der Emittent, also die Beklagte, bestrebt sei, die Zeit des fehlenden Börsenhandels ihrer Aktien zu beenden. Bestand diese Absicht nicht, war der Prospekt unrichtig, jedenfalls wegen des durch ihn hervorgerufenen Eindrucks in einer der Unrichtigkeit gleichstehenden Weise unklar.
Selbst wenn jedoch in Bezug auf den Gesichtspunkt der Absicht des Börsenganges eine mündliche Aufklärung des Klägers als Anlegers für ausreichend gehalten würde, führte dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger von den Telefonverkäufern die fehlende Absicht des Börsenganges und damit das diesbezügliche Defizit des Prospektes vor Augen geführt wurde.
c)
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, liegen nicht vor.
d)
Der schuldhafte Pflichtverstoß der Beklagten war für die Zeichnungsverträge über die Aktien ursächlich.
Wer vertragliche oder - wie hier - vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten, wegen Nichtbefolgung der Hinweise, entstanden wäre. Es besteht die Vermutung, dass sich der Geschädigte "aufklärungsrichtig" verhalten hätte (Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl., 2005, § 280 Rdnr. 39 m.w.N.).
Abgesehen davon, dass der Kläger hier die ausschlaggebende Bedeutung des Prospektes für die Zeichnung der Aktien ausdrücklich geltend gemacht hat, greift jene Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zu seinen Gunsten ein. Die Beklagte hat sie in keiner Weise erschüttert.
e)
Der von der Beklagten zu leistende Schadenersatz besteht darin, den Kläger so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten gestanden hätte, mithin die Verträge über den Erwerb der Aktien rückgängig zu machen.
Könnte der Kläger hingegen die Aktien, für deren völlige Wertlosigkeit nichts ersichtlich ist, behalten, stünde er sich ungerechtfertigterweise besser als vor Abschluss der Geschäfte. Im Wege des Vorteilsausgleichs hat er daher die Wertpapiere auf die Beklagte zurück zu übertragen. Insofern ist das landgerichtliche Urteil zu ändern.
4.
Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen ist nicht zu beanstanden; sie wird auch nicht gesondert angegriffen. Diese Verzinsungspflicht besteht auch bei einem Schadenersatzanspruch, der - wie hier - auf Zahlung Zug um Zug gegen Vorteilsausgleichung gerichtet ist (BGH MDR 2005, S. 322).
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; es ist nicht ersichtlich, dass die Aktien der Beklagten einen Wert hätten, dessen Höhe es gebieten würde, ihre Zug um Zug zu erbringende Rückübertragung bei der Kostenentscheidung durch eine Quote zu berücksichtigen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ein Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.750,00 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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