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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: I-6 U 19/05
Rechtsgebiete: BGB, UKlaG, ARB 75


Vorschriften:

BGB § 305 c Abs. 1
BGB § 307
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307 Abs. 2
BGB § 307 Abs. 3 Satz 1
BGB § 308
BGB § 309
UKlaG § 1
ARB 75 § 14 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. Dezember 2004 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - 12 O 328/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I. Zum Sachverhalt wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen Gegen das die Klage abweisende Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 2004 - 12 O 328/03 - die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen hinsichtlich des Arbeits- und Wohnungs-/Grundstücksrechtsschutzes in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen - ausgenommen gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen - folgende oder inhaltsgleiche Klausel zu verwenden: "Für Leistungsarten nach § 2 b) und c) besteht Versicherungsschutz jedoch erst nach Ablauf von sechs Monaten nach Versicherungsbeginn (Wartezeit)." Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen. II. Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Unterlassungsklage ist unbegründet. Die beanstandete Klausel ist nicht nach § 307 BGB unwirksam. 1. Ob die Wartezeitklausel als überraschende Klausel gemäß § 305 c Abs. 1 BGB anzusehen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn ein Verstoß gegen § 305 c Abs. 1 BGB kann angesichts des klaren Wortlauts des § 1 UKlaG, der lediglich Verstöße gegen §§ 307 bis 309 BGB nennt, nicht geltend gemacht werden (vgl. zur entsprechenden Rechtslage nach §§ 3, 13 AGBG BGH, NJW-RR 1987, 45, 46; zum neuen Recht Palandt/Bassenge, BGB, 64. Aufl., § 1 UKlaG Rdnr. 4; Basedow in MünchKomm., BGB, 4. Aufl., § 305 c Rdnr. 4). 2. Zwar unterliegt die Klausel der Prüfung nach § 307 Absätze 1 und 2 BGB. Sie erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift. a) Die Klausel ist nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB ausgenommen. Denn es handelt sich hier um eine kontrollfähige Nebenabrede. Die Klausel modifiziert das Hauptleistungsversprechen dahin, dass der Rechtsschutz für bestimmte Bereiche erst nach Ablauf einer Wartefrist gewährt wird. Der wesentliche Vertragsinhalt wäre auch ohne die Regelung einer Wartezeit hinreichend bestimmbar (vgl. in diesem Zusammenhang zu § 8 AGBG BGH, NJW 1999, 2279, 2281). b) Die Klausel ist nicht unwirksam. Denn sie belastet den Versicherungsnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 und 2 BGB). Eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn der Klauselverwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, NJW 1984, 1531, 1532; NJW 2000, 1110, 1112). So liegt der Fall hier nicht. Den beiderseitigen Interessen ist noch hinreichend Rechnung getragen. aa) Wartezeitklauseln entsprechen überall da einem berechtigten Anliegen des Versicherers, wo die Gefahr besteht, dass das versicherte Risiko bei Vertragsschluss schon latent als Schaden vorhanden oder doch angelegt ist. Die Wartezeit soll in diesen Fällen dazu führen, dass möglichst nur bei Vertragsschluss noch nicht absehbare und damit ungewisse Risiken unter den Versicherungsschutz fallen (BGH, NJW-RR 1988, 819, 820). Sogenannte Zweckabschlüsse sollen vermieden werden. Soweit die Beklagte mit der Wartezeit das Ziel verfolgt, sich vor solchen Zweckabschlüssen zu schützen, sind schon keine Anhaltspunkte für eine unangemessene Benachteiligung gegeben (vgl. BGH, NJW 1999, 2279, 2281). bb) Gerade bei Dauerschuldverhältnissen, öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen oder sonstigen Dauerrechtsverhältnissen wie dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis erscheint die Gefahr, dass das versicherte Risiko bei Vertragsschluss schon latent als Schaden vorhanden oder doch angelegt ist, nicht gering. Denn anders als z.B. dem durch Verkehrsrechtsschutz abgedeckten Bereich entwickeln sich hier Rechtsstreitigkeiten oft über einen gewissen Zeitraum, in dem sich Spannungen zwischen den Parteien aufbauen und erst am Ende in einer rechtlichen Auseinandersetzung münden. Es erscheint daher durchaus angemessen, dass die Beklagte sich für eine Wartezeitregelung in den Bereichen Arbeits-, Wohnungs- und Grundstücksrechtschutz entschieden hat. cc) Es mag sein, dass auch bei den in Rede stehenden Dauerrechtsbeziehungen allein der Zweck, sich vor Schadensfällen zu schützen, die bei Vertragsschluss schon zumindest angelegt waren, keine Wartezeit von sechs Monaten erfordert. Gegen die Notwendigkeit einer derart langen Wartezeit spricht immerhin die "übliche" Wartezeit von drei Monaten nach § 14 Abs. 3 Satz 3 ARB 75 und dessen Nachfolgeregelungen. In der Abwehr von Zweckabschlüssen erschöpft sich das berechtigte Interesse der Beklagten an einer Wartezeit von sechs Monaten aber nicht. Vielmehr dient - wie im Senatstermin erörtert - die Wartezeit auch der Ansparung für künftige Versicherungsleistungen, was die Beklagte mit der von ihr angeführten Wechselwirkung zwischen Wartezeit und Prämienhöhe anklingen lässt. Die Regelung ist damit auch Ausdruck des Versicherungsprinzips im Sinne einer Äquivalenz zwischen Beitrags- und Versicherungsleistung (vgl. hierzu auch BGH a.a.O.). Es ist grundsätzlich dem Versicherer zu überlassen, in welcher Weise er die Deckung seiner vertraglichen Leistungen durch Prämien kalkuliert. Insbesondere macht es die Vorstellung von der Gefahrengemeinschaft aller Versicherten nicht erforderlich, den Versicherungsschutz mit dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, in dem auch die Pflicht des Versicherungsnehmers beginnt, Prämien zu zahlen (BGH a.a.O.). dd) Die Wartezeitregelung weicht nicht von einem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn solche Regelungen, an denen eine private Rechtsschutzversicherung gemessen werden könnte, hält das Gesetz nicht bereit. ee) Die Dauer der Wartezeit von sechs Monaten überschreitet noch nicht die Grenze, jenseits der gesagt werden könnte, der Vertragszweck sei gefährdet (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 AGBG). Der Kläger verkennt das Gewicht der Länge der Wartezeit, wenn er sie lediglich zu einer Vertragsdauer von einem Jahr in Relation setzt. Denn eine Rechtsschutzversicherung ist wie eine Versicherung gegen das Verdienstausfallrisiko bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit (vgl. hierzu BGH a.a.O.) auf längere Dauer angelegt. Auch wenn der Versicherungsnehmer sechs Monate warten muss, bis er Leistungen aus der Versicherung erwarten kann, verfehlt eine solche Versicherung doch nicht von vornherein ihren Zweck. Für den einzelnen Versicherungsnehmer kann es durchaus sinnvoll sein, für den späteren Fall rechtlicher Auseinandersetzungen rechtzeitig vorzusorgen und eine Wartezeit von sechs Monaten in Kauf zu nehmen. ff) Auch einer Kontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB hält die Klausel stand. Eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien zeigt, dass die Beklagte mit der Regelung der Wartezeit nicht allein ihre Interessen durchzusetzen versucht. Mit der Ansparzeit unternimmt die Beklagte den Versuch, die Prämien zugunsten des Versicherungsnehmers niedrig zu halten (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH a.a.O.). Dem steht nicht entgegen, dass sich mit dem Argument einer (fiktiven) Verhinderung einer (fiktiven) Preisanhebung vordergründig nahezu alle verbraucherfeindlichen Regelungen rechtfertigen ließen. Denn hier geht es nicht um eine Klausel, die allenfalls mittelbar in die Preiskalkulation Eingang gefunden hat, sondern eine Klausel, die mit dem Teilzweck der Ansparung für künftige Versicherungsleistungen unmittelbare Kalkulationsgrundlage der Versicherungsprämie ist. gg) Schließlich ist die Wartezeitklausel auch nicht zu beanstanden unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Klarheit in dem Sinne, dass der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages die Wartezeit und ihre Wirkung erkennen kann (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Im Rahmen der Versicherungsbedingungen ist die Risikobeschränkung erkennbar und nicht verschleiert. Sie ist zutreffend § 4 der Versicherungsbedingungen mit der Überschrift "Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz" zugeordnet. Ob der Klausel daneben ein Überraschungsmoment innewohnt, ist - wie eingangs bereits ausgeführt - in diesem Rechtsstreit nicht zu überprüfen. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihren Grund in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 3.000,00 EUR. Mit diesem Wert bemisst der Senat regelmäßig den Streit um die Wirksamkeit einer Klausel in Verfahren nach § 5 UKlaG. Dementsprechend wird in Abänderung (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG) der Streitwertfestsetzung im angefochtenen Urteil auch der Streitwert für die erste Instanz auf 3.000,00 EUR festgesetzt. Die Voraussetzungen für die Revision liegen nicht vor. Die Zulässigkeit von Wartezeitklauseln ist durch die zitierte BGH-Rechtsprechung im Wesentlichen bereits geklärt.

Ende der Entscheidung

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