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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: I-6 U 248/05
Rechtsgebiete: BGB, HGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 291
BGB § 826
HGB § 128
InsO § 93
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. September 2005 verkündete Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

A.

Wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf die tatsächlichen Feststellungen, wegen der zur Verurteilung der Beklagten führenden Erwägungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung greifen die Beklagten ihre Verurteilung in vollem Umfang an. Insbesondere machen sie geltend:

Eine Durchgriffshaftung zu Lasten von GmbH-Gesellschaftern müsse auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

Eine solche Haftung unter dem Gesichtspunkt des existenzvernichtenden Eingriffs scheide im Streitfall schon deshalb aus, weil es an einer Entnahme aus dem Vermögen der Schuldnerin durch sie (die Beklagten) fehle. Auch die Belastung der Schuldnerin mit Verbindlichkeiten könne einem Vermögensentzug nicht gleichgestellt werden, da das Stammkapital als eigentliches Haftungssubstrat hiervon unberührt geblieben und es auch nicht zu einer Vermischung mit anderen Vermögenssphären gekommen sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne hier noch nicht einmal von einer Fehlleistung des Managements ausgegangen werden, und auch die Annahme einer Gefährdung des Vermögens der Schuldnerin durch das Landgericht begegne Bedenken, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt die Entwicklung der K.-KG nicht absehbar gewesen sei.

Was den Gesichtspunkt der Unterkapitalisierung anbelange, sei es eine vereinzelt gebliebene und von der Rechtsprechung zutreffend abgelehnte Auffassung, auf diesen könne eine Durchgriffshaftung auch dann gestützt werden, wenn es nicht zu einer Vermischung von Vermögensinteressen gekommen sei; zu Recht wende die Rechtsprechung in derartigen Fällen lediglich § 826 BGB, dessen Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben seien, an. Im Übrigen bereite die Bestimmung einer sogenannten qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung erhebliche Schwierigkeiten, und nach den gängigen Definitionen habe es hier an einer solchen gefehlt. Immerhin sei die Schuldnerin als Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (im folgenden: BQG) über mehrere Monate am Markt aktiv gewesen und habe in dieser Zeit überlebt.

Schließlich stehe der Annahme einer Durchgriffshaftung im Streitfall entgegen, dass es gar nicht um den Schutz gutgläubiger Gläubiger, die mit einer werbenden GmbH in Kontakt getreten und Verträge geschlossen hätten, gehe, da die Schuldnerin als nicht unternehmerisch tätige BQG bereits in der Krise des Hauptunternehmens gegründet worden und zu diesem Zeitpunkt allen Beteiligten, namentlich den Arbeitnehmern der Schuldnerin, bekannt und bewusst gewesen sei, dass deren Gründung und ihr Tätigwerden am Markt äußerst problematisch wären; allen Beteiligten sei eine zutreffende Risikoabschätzung möglich gewesen, diese habe sich geradezu aufgedrängt.

Die Beklagten beantragen sinngemäß,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 27. September 2005 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und greift hierzu sein erstinstanzliches Vorbringen vertiefend auf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge und die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Gründen zu B. Bezug genommen.

B.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht dem Kläger gegen die Beklagten einen Anspruch auf Begleichung der gegen die Schuldnerin gerichteten Insolvenzforderungen zuerkannt. Diese Durchgriffshaftung folgt daraus, dass die Gesellschafter einer BQG in der Form einer GmbH die Fähigkeit dieser Gesellschaft zur Erbringung der Remanenzkosten sicherzustellen haben und die Beklagten dies versäumten.

1.

Bei der Bestimmung der Haftungsgrundlage im einzelnen kann die nach wie vor ungeklärte Frage auf sich beruhen, inwieweit die von der Rechtsprechung nunmehr entwickelte Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs auf die Haftung wegen qualifizierter materieller Unterkapitalisierung zurückwirkt (dazu: Baumbach/ Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 13 Rdnr. 16 a.E.; Goette ZIP 2005, S. 1481/1487; Philipp/Weber DB 2006, S. 142 ff.). Denn die Besonderheit einer BQG bewirkt, dass es bei ihr nicht in erster Linie auf die Frage des notwendigen Umfangs haftenden Eigenkapitals - in welcher Form auch immer - ankommt.

Nach den eigenen Darlegungen der Beklagten vor dem Landgericht handelt es sich bei einer BQG um ein arbeitsmarktpolitisches Instrument zur Beschäftigung und Sicherung sowie zum Schutze der Arbeitnehmer eines zu sanierenden Unternehmens und des Arbeitsmarktes; Geschäftsgegenstand ist die "Verwaltung" der übernommenen Arbeitsverhältnisse, die Organisation von Fortbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für diese Mitarbeiter sowie der Versuch, sie an außenstehende Arbeitgeber weiterzuvermitteln; insgesamt tritt eine BQG nicht mit einer Gewinnerzielungsabsicht am Markt auf, sie ist nicht werbend am Markt tätig, um eigene Profite zu erwirtschaften. Nichts anderes lässt sich der Berufungsbegründung entnehmen; mag dort zunächst auch undeutlich davon die Rede sein, die Schuldnerin sei als BQG mehrere Monate am Markt aktiv gewesen, wird doch später wiederum ausgeführt, es habe sich bei ihr um eine nicht unternehmerisch tätige BQG gehandelt.

Auf dieser Grundlage ist allein maßgeblich, ob es einer BQG gelingt, den von ihr "übernommenen" Arbeitnehmern während der Zeit ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft die ihnen vertraglich eingeräumten Leistungen einerseits aus staatlichen Quellen, andererseits durch Aufbringung der sogenannten Remanenzkosten zukommen zu lassen. Hierbei bedarf es zur Deckung der Remanenzkosten nicht zwingend eines Eigenkapitals, ebensogut kann sich eine BQG auf vollständig und nachhaltig, d.h. bestens abgesicherte Erstattungsansprüche gegen Dritte, vorzugsweise gegen das zu sanierende abgebende Unternehmen, stützen.

Nach alledem geht es nicht um eine Frage materieller Unterkapitalisierung, sondern darum, der BQG im Verbund mit anderen Unternehmen, insbesondere dem zu sanierenden Unternehmen, eine ihrer Aufgabe angemessene Stellung einzuräumen.

Diese Lage entspricht bei wertender Betrachtung der Problematik der sogenannten "Aschenputtel-GmbH".

Bei einem im herkömmlichen Sinne unternehmerisch tätigen Konzern wird eine einzelne Konzerngesellschaft, deren Lage von Anfang an derart nachteilig gestaltet wird, dass ihr alle Risiken ("die schlechten Linsen"), der oder den anderen Gesellschaften die Ertragschancen ("die guten Linsen") zugewiesen werden, bei der also die Weichen von Anbeginn an auf ihre Benachteiligung auch ohne Entnahme von Stammkapital und ohne weitere Eingriffe von Seiten ihrer Gesellschafter gestellt sind, als "Aschenputtel-Gesellschaft" bezeichnet. Bei diesen Gesellschaften geht es nicht darum, dass während ihrer werbenden Tätigkeit (in diesem Sinne nachträglich) unkompensierte nachteilige Eingriffe in ihre Vermögens- und Ertragslage erfolgen würden, sondern darum, dass ihr von vornherein durch eine entsprechende Satzungs- oder sonstige Vertragsgestaltung die zur Erfüllung ihrer Funktion als Haftungsträger benötigte Fähigkeit vorenthalten wird, die vorhersehbaren Risiken ihres Geschäftsbetriebs zu bestehen und ihren Verbindlichkeiten nachzukommen (Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 2000, S. 83/91 f., 97 und 111). Herkömmlich wurden solche Fälle der Durchgriffshaftung in der Fallgruppe des sogenannten Institutsmissbrauchs erfasst (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 13 Rdnr. 26). Nach Entwicklung der Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs kann die Situation der sogenannten Aschenputtel-GmbH, also die Vorenthaltung angemessener Geschäftschancen, als von diesem Rechtsinstitut mit umfasst angesehen werden, auch wenn es nicht um einen "Zugriff" auf das Gesellschaftsvermögen im Sinne der bisher vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fälle geht (in diesem Sinne bereits Röhricht a.a.O., S. 111; ferner nunmehr Baumbach/Hueck/Fastrich a.a.O., Rdnr. 20 a.E. sowie - auf der Grundlage einer von der Rechtsprechung abweichenden dogmatischen Herleitung der Durchgriffshaftung - Altmeppen/Roth-Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 13 Rdnr. 93 a.E.). So hält es auch Th. Raiser (in: Großkommentar zum GmbHG, Band I, 2005, § 13 Rdnr. 162-164) - allerdings an Fälle der Unterkapitalisierung anknüpfend - für eine Aufgabe der künftigen Rechtsanwendung, den Tatbestand der Existenzvernichtungshaftung dergestalt zu erweitern, dass er nicht nur durch einen "Zugriff" auf vorhandene, zur Befriedigung der Gläubiger notwendige Vermögenswerte der Gesellschaft ausgelöst wird, sondern auch durch eine mangelhafte Ausstattung mit Vermögenswerten; in dieselbe Richtung dürfte die Bemerkung von Lutter/Hommelhoff (a.a.O., Rdnr. 11) gehen, auch wer eine Gesellschaft mit unangemessen niedrigem Kapital betreibe, missbrauche sie und missachte ihre Fähigkeit zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten, weshalb es nicht begründbar sei, den nachträglichen Ressourcenabzug die Existenzvernichtungshaftung auslösen zu lassen, die anfängliche Ressourcenverwehrung dagegen für haftungsrechtlich unbeachtlich zu halten (auch diese Bemerkung bezieht sich der Sache nach nicht nur auf eine materielle Unterkapitalisierung im herkömmlichen Sinne, sondern auf jegliche Art der Verwehrung von Ressourcen, damit auch einer Vorenthaltung angemessener Geschäftschancen).

Mit einer derartigen "Aschenputtel"-Situation einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft ist es vergleichbar, einer BQG die nachhaltige Absicherung der durch sie gegenüber ihren Arbeitnehmern als Gläubigern eingegangenen Verbindlichkeiten zu verwehren. Denn hier ist der Unternehmenszweck - im Sinne eines werbenden Unternehmens: die Geschäftschance -, bestimmten Arbeitnehmern während einer bestimmten Laufzeit materielle Absicherung zu gewähren. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn die BQG ihrerseits, aus welchen Quellen auch immer, nachhaltig gesichert ist. Ein solches Verständnis wird auch durch die korrespondierende Interessenlage bei dem zu sanierenden abgebenden Unternehmen und den Arbeitnehmern nahegelegt. Die Einrichtung einer BQG ermöglicht dem abgebenden Unternehmen einen drastischen Personalabbau, ohne an die Einschränkungen des Kündigungsschutzrechts und (im einzelnen) des Betriebsverfassungsrechts gebunden zu sein. Dementsprechend enthalten im Streitfall die dreiseitigen Verträge zwischen Arbeitnehmer, abgebendem Unternehmen und BQG an vorderster Stelle den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem bisherigen Arbeitgeber (Anlage K 6/Anlagenband, § 1 Nr. 1, 1. Abs.). Die Aufgabe der bisherigen Arbeitsverhältnisse und damit die zunächst einmal bei ihnen eintretenden Rechtsverluste werden den Arbeitnehmern durch besondere geldliche Zuwendungen in Form von Abfindungen und Mobilitätsprämien schmackhaft gemacht, aber auch dadurch, dass sie für die Laufzeit der BQG einen "sicheren" Arbeitgeber gewinnen. Erst hierdurch werden sie nämlich zu der für sie maßgeblichen Abwägung befähigt, ob es für sie besser sei, bei ihrem alten Arbeitgeber zu bleiben und dessen typischerweise unsicheres weiteres wirtschaftliches Schicksal zu teilen oder das bisherige Arbeitsverhältnis aufzugeben, dafür, jedoch definitiv zeitlich - wie hier: eng - begrenzt, eine weitere "Beschäftigung" einzugehen und darauf zu hoffen, entweder während deren Laufzeit ein "ordentliches" neues Arbeitsverhältnis zu finden oder nach deren Ablauf in den Bezug von Sozialleistungen zu wechseln. Dementsprechend enthalten die dreiseitigen Verträge im Streitfall die ausdrückliche Formulierung, die BQG - also die Schuldnerin - biete dem Mitarbeiter eine garantierte Verweildauer von 24 Monaten an (§ 2 Abs. 1 Satz 1). Als bloßes Angebot ist die Verweildauer nur deshalb formuliert, weil der Arbeitnehmer, findet er eine neue Anstellung, die Verweildauer nicht vollständig ausschöpfen muss. Diese Garantie einer Verweildauer ist nach § 2 Abs. 2 jenes Vertrages inhaltlich nur begrenzt dadurch, dass die Voraussetzungen für die Auszahlung des Strukturkurzarbeitergeldes fortbestehen und das Arbeitsverhältnis mit der BQG nicht aus verhaltensbedingten Gründen ordentlich gekündigt wird. Diesen Regelungszusammenhängen entsprechend, formulierte schon die Betriebsvereinbarung vom März 2002 u.a. über die Gründung der Schuldnerin als BQG als das erste Ziel der abzuschließenden dreiseitigen Verträge die Einkommenssicherung der übergehenden Mitarbeiter (Anlage K 4, S. 2 unten/Anlagenband). Diese mit dem "Überwechseln" von Arbeitnehmern in eine BQG verbundenen Ziele, durch die erst die für das abgebende Unternehmen eintretenden Vorteile gerechtfertigt erscheinen, würden schon dem Ansatz nach verfehlt, wenn die Arbeitnehmer damit rechnen müssten, trotz Fortbestandes der die staatlichen Leistungen rechtfertigenden Sachlage im Falle einer Insolvenz ihres alten Arbeitgebers mehr oder minder gleichzeitig auch die Folgen einer Insolvenz der BQG zu erleiden.

Aufgrund dieser Überlegungen ergibt sich: Wer einer BQG die für sie erforderliche und typischerweise voraussehbare/berechenbare finanzielle Ausstattung - aus welcher Quelle auch immer - vorenthält und ihr Überleben auf Gedeih und Verderb vom Überleben gerade des zu sanierenden abgebenden Unternehmens abhängig macht, weist dem abgebenden Unternehmen alle Chancen - nämlich in Form eines weitgehend "gesetzesfreien" Personalabbaus - zu und der BQG alle - nämlich aus der Beschäftigung der Arbeitnehmer folgenden - Risiken, mit anderen Worten macht er die BQG zum "Aschenputtel" des abgebenden Unternehmens. Wird die BQG in Form der GmbH geführt, stellt ein derartiges Verhalten die Vorenthaltung notwendiger Voraussetzungen für die Funktion der Gesellschaft als Haftungsträger und damit einen Missbrauch der Rechtsform der GmbH dar, der einem nachträglichen Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen im Sinne einer nachträglichen "Weichenstellung ins Aus" vergleichbar ist. Damit ist auch in einem solchen Fall eine Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs eröffnet.

In diesem Sinne liegen die Dinge hier.

Über die soeben dargelegte rechtliche Notwendigkeit hinausgehend, haben die Beklagten - ohne dass es hierauf maßgeblich ankäme - sogar eingeräumt, dass es auch der Üblichkeit entspreche, die Zahlung der Remanenzkosten an die BQG nachhaltig zu sichern. Eine derartige Absicherung muss, was keiner näheren Ausführungen bedarf, effektiv sein und kann nicht darin bestehen, dass die Gesellschafter der BQG auf die (ihre) Sanierungsbemühungen hinsichtlich des abgebenden Unternehmens und die dadurch bewirkte "Stabilisierung" dessen Leistungsfähigkeit auch für die Erbringung der Remanenzkosten verweisen. Angesichts dessen ist es auch ohne Belang, welche Maßnahmen im einzelnen jene Gesellschafter ergriffen hatten, um das abgebende Unternehmen zu retten, insbesondere ob sie dessen haftendes Kapital erhöhten oder nicht. Unabhängig hiervon und die Entscheidung nicht tragend fragt sich in der Tat, wieso, wenn es den Beklagten wirklich um eine Absicherung der Schuldnerin gegangen wäre, sie das von ihnen gegebene Darlehen von 1,2 Mio. Euro ausschließlich der K.-KG und nicht zumindest teilweise der Schuldnerin gewährten.

Nach alledem kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass die Ansprüche der Schuldnerin gegenüber der K.-KG überdies nirgends in nachvollziehbarer Form dokumentiert wurden.

2.

Auch die weiteren Voraussetzungen einer Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Das funktionswidrige Verhalten der Gesellschafter verletzte im Hinblick auf den Unternehmenszweck der Schuldnerin Mindestmaßstäbe eines ordentlichen, d.h. auch die Interessen der Gesellschaftsgläubiger - hier der Arbeitnehmer - berücksichtigenden kaufmännischen Verhaltens und war in diesem Sinne betriebsfremd, nämlich mit dem von der Schuldnerin zu betreibenden "Geschäft" als BQG unvereinbar.

Infolge der Ausgestaltung als "Aschenputtel"-Gesellschaft trat die Existenzvernichtung - nicht nur eine bloße Existenzgefährdung - der Schuldnerin ein.

Der Feststellung eines Verschuldens bedarf es nicht, weil die Durchgriffshaftung an funktionswidriges Verhalten anknüpft und daher keine Verschuldenshaftung darstellt. Die erforderliche Zurechenbarkeit zu den Gesellschaftern ist schon durch das Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Mindestmaßstäbe ordentlichen kaufmännischen Verhaltens gewährleistet, da hierdurch die Erkennbarkeit des existenzvernichtenden Charakters der Maßnahme impliziert wird (in diesem Sinne: Baumbach/Hueck/Fastrich a.a.O., Rdnr. 19; Lutter/Hommelhoff a.a.O., Rdnr. 25 a). Aus diesem Grunde ist es unerheblich, welche Ursachen die Insolvenz der K.-KG, die ihrerseits die Insolvenz der Schuldnerin bewirkte, hatte, insbesondere ob es den Beklagten zum Verschulden gereichte, deren wahre Finanzlage nicht durchschaut zu haben, oder ob sie insofern Opfer von Täuschungshandlungen des Herrn K. waren.

Unter denjenigen Insolvenzgläubigern, auf deren Ausfall sich der Kläger beruft, sind keine, denen deshalb kein Durchgriffsrecht zustünde, weil sie das Insolvenzrisiko der Schuldnerin auf sich genommen hätten (zu diesem Gesichtspunkt: Lutter/Hommelhoff a.a.O., Rdnr. 23). Näher in Betracht kommen insofern ohnehin lediglich die Arbeitnehmer.

Es spricht nach Auffassung des Senats bereits viel dafür, dass der Ausschlussgrund einer Risikoübernahme bei Gläubigern, die faktisch zum Vertragsschluss gezwungen sind, nicht bejaht werden kann und dass ein solcher Zwang generell bei Arbeitnehmern gegeben ist (so wohl Lutter/Hommelhoff a.a.O.). Das bedarf nach dem Parteivorbringen im Streitfall aber keiner abschließenden Entscheidung.

Denn die Beklagten machen lediglich geltend, bei den Verhandlungen der Geschäftsführungen der K.-KG und der Schuldnerin mit dem, anwaltlich vertretenen, Betriebsrat der K.-KG sei das Problem der Sicherheiten ausdrücklich besprochen worden, sämtliche Arbeitnehmer hätten durch den Betriebsrat Kenntnis von der Tatsache gehabt, dass die K.-KG eine geeignete Absicherung der Remanenzkosten nicht habe vornehmen können, alle "Vertragsparteien" seien sich dennoch einig gewesen, dass die Verträge (Sozialplan, Dienstleistungsvertrag mit der M. GmbH und die dreiseitigen Verträge) hätten geschlossen werden sollen. Indes kann der Betriebsrat jedenfalls beim Abschluss der dreiseitigen Verträge nicht als Vertreter der Arbeitnehmer verstanden und auf dessen Kenntnisstand abgestellt werden. Mit der bloßen, durch keine näheren Angaben erläuterten, Behauptung der Information der einzelnen Arbeitnehmer durch den Betriebsrat und (im Schriftsatz vom 15. September 2005, S. 13 unten; Bl. 144 GA) unmittelbar durch den Beklagten zu 1. als Geschäftsführer der Schuldnerin über fehlende Besicherungsmöglichkeiten wird nicht aufgezeigt, durch welche Ausführungen im Einzelnen den Arbeitnehmern selbst nicht nur die Tatsache der fehlenden Absicherung der Remanenzkosten, deren konkrete Bedeutung sie ohne nähere Erläuterung im Zweifel nicht erfassen konnten, sondern auch die hierdurch bewirkten möglichen Konsequenzen für den Fortbestand der Schuldnerin nachvollziehbar mitgeteilt wurden. Selbst wenn aber dieser Gesichtspunkt gegenüber jedem Arbeitnehmer angesprochen worden wäre, könnte wegen der in den dreiseitigen Verträgen garantierten Verweildauer nicht davon die Rede sein, die Arbeitnehmer hätten bestimmte Insolvenzrisiken bewusst auf sich genommen.

Schließlich ist auch nicht feststellbar, dass den Arbeitnehmern als Gläubigern tatsächlich kein "Schaden" entstanden sei, weil die Alternative zur unabgesicherten Gründung der Schuldnerin gewesen wäre, dass die K.-KG unmittelbar in die Insolvenz geraten wäre, weshalb die Schuldnerin im Gegenteil jedenfalls für das Jahr ihres Bestehens vor der Insolvenz die Arbeitsplätze nicht nur bei ihr, sondern auch die verbliebenen bei der K.-KG gesichert habe (in diesem Sinne und nicht als Angriff gegen die Richtigkeit des vom Kläger vorgetragenen Zahlenwerks sind die bestreitenden Darlegungen der Beklagten in den Schriftsätzen vom 26. Juli 2004, S. 13 - Bl. 42 GA - und vom 11. Juli 2005, S. 20 a.E. - Bl. 106 GA - zu verstehen).

Zunächst erscheint es schon sehr fraglich, ob es sich bei der Durchgriffshaftung überhaupt um einen Schadenersatzanspruch oder nicht vielmehr einen - auf § 128 HGB analog gestützten - Erfüllungsanspruch handelt, in dessen Rahmen Schadensgesichtspunkte nur begrenzt Berücksichtigung finden können (dazu: Th. Raiser a.a.O., Rdnr. 152; Altmeppen/Roth-Altmeppen a.a.O., Rdnr. 75 a.E.). Jedenfalls trifft die Darlegungs- und Beweislast für einen hinter dem Ausfall der Insolvenzforderungen zurückbleibenden Schaden insgesamt den Gesellschafter (dazu: Altmeppen/Roth-Altmeppen a.a.O., Rdnr. 89-91). Dem werden die Beklagten durch die bloße, substanzlose Benennung eines angeblich allein möglichen alternativen Geschehensablaufs, dessen konkrete wirtschaftliche Folgen für die Insolvenzgläubiger in Gegenüberstellung zum tatsächlichen Ablauf in keiner Weise dargestellt werden, nicht gerecht.

Zur Geltendmachung der Durchgriffshaftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs ist der Kläger als Insolvenzverwalter gemäß § 93 InsO aktivlegitimiert. Dies entspricht dem allgemein eingenommenen Standpunkt.

3.

Auf die im ersten Rechtszuge erklärte, jedoch unspezifizierte Hilfsaufrechnung mit (wohl künftigen) Schadenersatzansprüchen kommen die Beklagten trotz des Hinweises auf die Substanzlosigkeit im angefochtenen Urteil des Landgerichts in zweiter Instanz nicht mehr zurück.

4.

Die Forderung des Klägers nach Rechtshängigkeitszinsen ist berechtigt, §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen. Es liegt sowohl der Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vor - da, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, erstmals in Deutschland eine BQG insolvent wurde -, als auch derjenige nach Nr. 2 der genannten Vorschrift, weil die Behandlung einer sogenannten Aschenputtel-Gesellschaft wie auch der qualifizierten materiellen Unterkapitalisierung als mögliche Fallgruppen des existenzvernichtenden Eingriffs - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 148.390,09 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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