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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: I-6 U 27/05
Rechtsgebiete: BGB, WpHG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 123
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
WpHG § 14
WpHG § 14 Nr. 1
ZPO § 398 Abs. 1
ZPO § 447
ZPO § 448
ZPO § 525
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 1. Dezember 2004 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Zum Sachverhalt wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte den Kläger im Zusammenhang mit dem Kauf der 213.333,33 G.-Aktien falsch beraten habe. Jedenfalls habe der Kläger mit dem Vergleich vom 16. Dezember 2002 auf die streitgegenständlichen Ansprüche wirksam verzichtet.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er macht geltend:

Dem Landgericht seien Verfahrensfehler unterlaufen, das Urteil sei auch inhaltlich unrichtig. Der Vergleich vom 16. Dezember 2002 sei unwirksam, die Beweiswürdigung des Landgerichts unzutreffend. Schon nach der vorgelegten Korrespondenz, aber auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, sei davon auszugehen, dass die Beklagte die Rückübertragung der Nachlass-Aktien in das Depot "des Klägers" (gemeint ist hier ersichtlich das Nachlassdepot) von dem Vergleichsabschluss und damit von seinem, des Klägers, Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung abhängig gemacht habe. Damit sei eine widerrechtliche Drohung im Sinne von § 123 BGB erwiesen. Zumindest hätte es seiner Vernehmung als Partei bedurft, weil die behauptete Verknüpfung von Rückübertragung der Nachlassaktien und Verzicht auf Schadensersatzansprüche aufgrund der Vorkorrespondenz und des Ergebnisses der Beweisaufnahme jedenfalls anbewiesen sei.

Darüber hinaus sei er vor Abschluss des Vergleichs arglistig getäuscht worden. Der Wahrheit zuwider habe die Beklagte Insiderwissen, umfangreiche G.-Aktienbestände ihrer Mitarbeiter, ihre Kenntnis von der Testamentsvollstreckung und der Vorerbschaft sowie die Zusage vorbehaltloser Rückübertragung der Nachlassaktien in das Nachlassdepot in Abrede gestellt. Dadurch habe sich für ihn, den Kläger, das Prozessrisiko im Fall streitiger Auseinandersetzung erhöht, so dass die Täuschung für den Vergleichsabschluss zumindest mitursächlich gewesen sei.

Im Übrigen sei der Vergleich sittenwidrig, weil zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis bestehe. Während die Beklagte im Wesentlichen nur die Tilgung über 18 Monate gestreckt habe, habe er auf erhebliche Schadensersatzansprüche in Höhe der Klageforderung verzichtet. Hinsichtlich der verwerflichen Gesinnung der Beklagten habe das Landgericht wesentliche Gesichtspunkte nicht einmal angesprochen. Hierzu zählt der Kläger das Bestreiten einer Zusage zur Rückgabe der Nachlassaktien sowie ihrer Kenntnis von Testamentsvollstreckung und Vorerbschaft. Zudem habe die Beklagte die ihm, dem Kläger, drohenden straf- und berufsrechtlichen Folgen aus der Übertragung der Nachlassaktien zum Abschluss des Vergleichs ausgenutzt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.303.361,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar davon 2.145.600,00 € Zug-um-Zug gegen Rückübereignung von 180.000 Stück G.-Aktien aus seinen Depots Nrn. 2092112 und 1015999 an die Beklagte,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtlichen weiteren und zukünftigen Schaden zu ersetzen, der ihm aus und im Zusammenhang mit dem zwischen dem 18. Dezember 2000 und 28. Februar 2001 erfolgten Erwerb von 213.333,33 Stück G.-Aktien, der Aufnahme der zur Finanzierung dieser Ankäufe erforderlichen Kredite bei der Beklagten und den die vorgenannten Aktien betreffenden Halteempfehlungen der Beklagten entstanden ist und noch entstehen wird,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert: Es fehle an einem Anfechtungsgrund. Die Drohung, einen Anspruch nicht freiwillig zu erfüllen, sei als solches nicht widerrechtlich, sondern stelle lediglich die zulässige Wahrnehmung verfahrensrechtlicher Möglichkeiten dar. Die mit der Weigerung freiwilliger Leistung verbundene Verweisung auf den Klageweg sei vom Gegner grundsätzlich hinzunehmen. Die Drohung mit einem Rechtsstreit sei erst dann widerrechtlich, wenn der Drohende positiv wisse, dass ihm ein Anspruch überhaupt nicht zustehe oder der Anspruch der Gegenseite berechtigt sei. So liege der Sachverhalt jedoch nicht. Vielmehr sei ihr Standpunkt wirksamer Übertragung der Nachlassaktien in das Depot des Klägers richtig, zumindest vertretbar. Im Übrigen habe sie die Rückübertragung der Nachlassaktien nicht verweigert, wie durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt werde.

Das Berufungsvorbringen zur arglistigen Täuschung sei unschlüssig. Zum Komplex Insiderwissen sei dem Kläger nur das mitgeteilt worden, was ihre hausinternen Mitteilungen ergeben hätten. Jedenfalls am subjektiven Element der Arglist, spätestens an der Kausalität der Täuschung, fehle es. Auch hinsichtlich des G.-Aktienbestandes ihrer Mitarbeiter habe sie keine fehlerhaften Angaben gemacht, im Übrigen keinesfalls arglistig gehandelt. Auch sonst habe sie bei den Vergleichsgesprächen ihren Kenntnisstand zutreffend wiedergegeben. Darüber hinaus seien die Anfechtungsgründe, die nicht Gegenstand des fristwahrenden Anfechtungsschreibens vom 12. Dezember 2003 gewesen seien, nicht mehr berücksichtigungsfähig.

Die Sittenwidrigkeit eines Vergleichs sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines derartigen streitbeendenden Vertrages zu beurteilen. Danach scheide hier eine Sittenwidrigkeit aus.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus seiner Investition in die G.-Aktien. Den streitgegenständlichen Schadensersatzansprüchen steht bereits der wirksame Vergleich vom 16. Dezember 2002 entgegen.

1.

Der Vergleich ist nicht nach § 138 Abs. 2 BGB sittenwidrig. Es fehlt schon an einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung.

Es liegt in der Natur eines Vergleichs, dass die Vertragsparteien mehr oder minder nachgeben. Um dieses Nachgeben und damit zugleich das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung unter dem Blickwinkel eines Missverhältnisses im Sinne von § 138 Abs. 2 BGB zu bewerten, kommt es nicht maßgeblich darauf an, welche Forderung die eine Partei oder welche wechselseitigen Forderungen beide Parteien aufgemacht haben. Entscheidend ist vielmehr, wie sich im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die Chancen und Risiken für die Vergleichsparteien darstellten. Erscheint der Vergleich unter Berücksichtigung der Chancen und Risiken ausgewogen, scheidet von vornherein eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB aus. So liegt der Fall hier. Denn während die Chancen des Klägers, gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche erfolgreich einklagen zu können, gering waren, waren die Chancen der Beklagten, ihre Darlehensrückzahlungsansprüche erfolgreich einzuklagen, hoch.

a)

Die Chancen des Klägers, eine Klage auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu gewinnen, waren gering.

aa)

Allgemeine Aufklärungspflichten hat die Beklagte nicht verletzt. Über das Kurs-, Klumpen- und Verlustrisiko der Aktienkäufe bedurfte der Kläger, von Beruf Rechtsanwalt, zudem gelernter Bankkaufmann und erfahrener Anleger, keinerlei Aufklärung. Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang die selbstkritischen Äußerungen des damaligen Klägeranwalts im Aktenvermerk vom 22. Oktober 2002 (Bl. 708, 709 GA): "Wie hoch ist die Verpflichtung der Bank, einem solch aufgeklärten Kunden zu helfen?" "? Erg.: Kein Beratungsfehler! Relativ sicheres Feld!"

bb)

Der Kläger bedurfte auch keiner Aufklärung darüber, dass Mitarbeiter der Beklagten G.-Aktien hielten. Denn ein nicht bloß abstraktes, sondern unter den gegebenen Umständen erkennbares Risiko, das sich für ihn aus dem Aktienerwerb der Mitarbeiter ergeben konnte, legt er nicht dar. Zu Interessenkonflikten konnte es nur kommen, wenn der Kläger (und sein Bruder) Gefahr liefen, von den Mitarbeitern der Beklagten zwecks einer für diese günstige Kursmanipulation instrumentalisiert zu werden, insbesondere, wenn die Mitarbeiter durch Beeinflussung des Klägers (und seines Bruders) eine Marktenge hätten ausnutzen können. Anhaltspunkte für eine solche Gefahr liegen nicht vor. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte eigens eine Abteilung unterhält, um derartigen Gefahren zum Kundenschutz vorzubeugen. Auch die nunmehr vom Kläger pauschal aufgestellte und von der Beklagten bestrittene Behauptung, deren Mitarbeiter hätten 10 % des free floates der G.-Aktien gehalten, führt insoweit nicht weiter. Dies besagt nur, dass auch die Mitarbeiter Interesse an Kursgewinnen hatten, nicht aber, dass die Gefahr bestand, den Kläger und seinen Bruder zu instrumentalisieren. Darüber hinaus kommt es nicht auf die Menge der von den Mitarbeitern gehaltenen Aktien an, sondern darauf, ob durch gezieltes Lenken des Klägers und seines Bruders die Kurse im Interesse kauf- oder verkaufswilliger Mitarbeiter hätten beeinflusst werden können.

Im Übrigen hat der Kläger der Beklagten bereits auf Seite 13 der Klageschrift vorgeworfen, damit geworben zu haben, dass auch ihre Mitarbeiter in G.-Aktien investierten. Hätte deren Aktienbesitz die Gefahr einer Interessenkollision begründet, hätte diese für den Kläger auf der Hand gelegen. Einer Aufklärung bedurfte er dann nicht mehr.

cc)

Das Thema "Insiderwissen" war ursprünglich Teil einer gegenüber der Beklagten aus verhandlungstaktischen Gründen aufgebauten "Drohkulisse", wie den Aussagen der Zeugen H. und J., an deren Wahrheit zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, zu entnehmen ist und auch mit der Aussage des Zeugen L. in Einklang gebracht werden kann. Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte konnte die Preisgabe von Insiderwissen allerdings schon nicht begründen. Denn wenn die Beklagte Insiderwissen preisgegeben und der Kläger dieses bewusst in seine Anlageentscheidungen mit einbezogen hatte, erfolgte beides unter Verstoß gegen § 14 WpHG. Dann aber kann der Kläger aus diesem gemeinsamen rechtswidrigen Vorgehen keine Pflichtverletzung der Beklagten ihm gegenüber herleiten.

Selbst wenn man einmal annimmt, dass der Kläger - wie es im Rahmen der Vergleichsverhandlungen Sinn gemacht hätte und im vorliegenden Rechtsstreit nur noch vage angesprochen worden ist (vgl. den Vermerk von Rechtsanwalt J. zum ersten Themenkomplex, Bl. 708 GA, und den Schriftsatz des Klägers vom 25. August 2004, S. 20 = Bl. 663 GA) - der Beklagten nunmehr hilfsweise eine Vorspiegelung von Insiderwissen zum Vorwurf machen will, führt dies nicht deutlich weiter. Zum einen legt der Kläger nicht dar, dass die ihm als Insiderwissen vorgestellten Informationen falsch waren. Zum anderen stellte sich schon im Zeitpunkt des Vergleichsabschusses die Beweislage für den beweisbelasteten Kläger nicht günstig dar. Schließlich wäre zu fragen gewesen, ob der Kläger im Hinblick auf § 14 Nr. 1 WpHG überhaupt schutzwürdig war.

dd)

Insbesondere zum Ende der ersten Instanz hat der Kläger im Kern eine Pflichtverletzung der Beklagten damit begründet, dass die Beklagte ihm gegenüber falsche Angaben zu Bilanzzahlen der G.-AG und damit zum inneren Wert der G.-Aktien gemacht habe. Bei richtiger Analyse des Geschäftsberichts der G.-AG für das Jahr 2000 habe die Beklagte bereits im Frühjahr 2001 erkennen müssen, dass die G.-Aktien kein Kurspotential mehr geboten hätten, sondern sogar überbewertet gewesen seien.

Insoweit fällt zunächst auf, dass dieser Vorwurf (als nachgeborene Erkenntnis) erst im Laufe des Rechtsstreits erhoben wurde und nicht Gegenstand der damaligen Vergleichsverhandlungen war. Diese Entwicklung steht einer Einbeziehung des neuen Vorwurfes in die Bewertung der Chancen und Risiken allerdings nicht entgegen.

Für diese Bewertung ist angesichts der unstreitigen allgemeinen Auffassung der Analysten, die mit den Empfehlungen der Beklagten übereinstimmt, zu berücksichtigen, dass der Beklagten eine positive Bewertung der Aktie nicht vorzuwerfen, darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit für eine fehlerhafte Überbewertung des jeweiligen Kurspotentials nicht hoch war. Da das Kurspotential zum Zeitpunkt der Kauf- und Halteempfehlungen von der Beklagten durchaus vertretbar eingeschätzt worden ist, die Beklagte nach dem Klagevorbringen nur falsche Bilanzzahlen, z.B. zur Höhe des Eigenkapitals, genannt hat, hätte der Beklagten in einem Rechtsstreit zwar, unterstellt man diesen Fehler, erfolgreich eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden können, weil Auskünfte richtig sein müssen. Allerdings wäre dann die Kausalitätsfrage höchst problematisch geworden. Denn entscheidend ging es dem Kläger um Kursgewinne und damit die "richtige" Einschätzung des Kurspotentials. Entsprach die Einschätzung der Beklagten zum Kurspotential der allgemeinen Auffassung, stellt die Abstandnahme vom Kauf der G.-Aktien bei einer Aufklärung über die tatsächlichen Bilanzzahlen nicht die einzige vernünftige Handlungsalternative dar, so dass die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens keine Anwendung hätte finden können (vgl. BGH, WM 2004, 1774, 1777).

b)

Den eher zweifelhaften Erfolgsaussichten einer Schadensersatzklage gegen die Beklagte standen die hohen Erfolgsaussichten der Beklagten für eine Klage auf Darlehensrückzahlung gegenüber. Zweifel an der Wirksamkeit des Darlehensvertrages hat selbst der Kläger nicht aufkommen lassen.

c)

Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Beklagte zur Verwertung der Nachlassaktien berechtigt war, hatten auf die vom Kläger erhobenen Schadensersatzansprüche und die Darlehensrückzahlungsansprüche der Beklagten keinen Einfluss.

Soweit hier die Werthaltigkeit der Ansprüche der Beklagten in Rede stand und damit Wirtschaftlichkeitserwägungen vorzunehmen waren, war der Streit von untergeordneter Bedeutung. Die mit laufenden Zinsen verbundenen Forderungen der Beklagten beliefen sich - wie dem Kündigungsschreiben der Beklagten vom 3. September 2002 zu entnehmen ist (Anl. B 7 a zur Klageerwiderung = Bl. 173 f. GA) - bereits im Oktober 2002 auf etwa 2,2 Mio. €, der Wert der 78.100 Nachlassaktien dagegen belief sich zu dieser Zeit auf rund 235.000,00 €. Der Zeuge M. hat nach seiner unwiderlegten Aussage die Nachlassaktien als keinen wesentlichen Punkt des Vergleichsgesprächs bezeichnet. Das besondere Interesse des Klägers an einer Regelung zu den Nachlassaktien lag auch nicht in deren Wert begründet, sondern darin, dass sie aus dem von ihm verwalteten Nachlass stammten.

Hinzukommt, dass die Position der Beklagten auch hier deutlich besser war als die des Klägers. Zentraler Streitpunkt war, ob die Nachlassaktien wirksam in das Depot des Klägers übertragen worden waren. Hierfür waren die Anordnung der Testamentsvollstreckung und die Vor- und Nacherbschaft nicht von maßgeblicher Bedeutung. Entscheidend war, ob der Kläger aufgrund der postmortalen Vollmacht seines Vaters im Außenverhältnis zur Beklagten die Übertragung der Nachlassaktien in sein Depot wirksam veranlasst hat. Dem lässt sich mit der lapidaren Bemerkung, die Vollmacht habe nur noch "pro forma" bestanden, nicht erfolgreich entgegentreten. Vielmehr hätte die Vollmacht nur dann keine Wirkung entfaltet, wenn der Kläger der Beklagten kollusives Zusammenwirken mit ihm hätte nachweisen können. Allein die Kenntnis der Beklagten von der Vor- und Nacherbschaft und der Testamentsvollstreckung hätte ein solches kollusives Zusammenwirken nicht erkennen lassen. Denn diese Kenntnis hätte einer gutgläubigen Annahme der Beklagten, dass sich der Kläger bei der Übertragung der Nachlassaktien in sein Depot im Innenverhältnis zu den Erben korrekt verhält, nicht entgegengestanden. Den einzigen Anhaltspunkt für ein kollusives Zusammenwirken hat der Kläger erst sehr spät in der ersten Instanz vorgetragen, und zwar nachdem im Parallelrechtsstreit seines Bruders die dort zuständige Zivilkammer des Landgerichts am 30. Juni 2004 mit deutlichen Worten ihre Bedenken gegen die Begründetheit der Klage des Bruders mitgeteilt hatte (Anlage B 45 zum Schriftsatz der Beklagten vom 7. Juli 2004 = Bl. 578, 579 GA). Erst in der Folgezeit nämlich hat der Kläger mit Schriftsatz vom 12. Juli 2004, Seite 2 = Bl. 592 GA, behauptet, er habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass seine Schwester als Miterbin mit einer solchen Transaktion keineswegs einverstanden sei. Die Behauptung ist streitig. Unabhängig von der Frage, ob die behauptete Kenntnis einer ablehnenden Haltung der Schwester bei den Vergleichsverhandlung überhaupt zur Sprache gekommen ist, war im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses in jedem Fall zu bedenken, dass wiederum der Kläger beweisbelastet war und die Aussichten auf eine erfolgreiche Beweisführung keinesfalls höher bewertet werden konnten als die Aussichten auf ein Scheitern des Nachweises.

Angesichts des Umstandes, dass der Wert der Nachlassaktien nur einen geringen Bruchteil der geltend gemachten Ansprüche der Beklagten ausmachte, zudem der Kläger auch hier das Beweisrisiko zu berücksichtigen hatte, erscheint es daher auch durchaus plausibel, dass die Nachlassaktien bei den Vergleichsverhandlungen selbst unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Dies gilt umso mehr, wenn man die Ansprüche der Beklagten gegen den Bruder des Klägers in eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung mit einbezieht. Eine solche Gesamtbetrachtung ist angezeigt, weil die Beklagte nur bereit war, einen in der Konstruktion gleichen Vergleich einheitlich mit beiden Brüdern zu schließen. Die vom Kläger in diesem Rechtsstreit aufgeworfene Frage wirksamer Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ändert an allem nichts. Gleiches gilt für die Frage, ob dem Kläger die Freigabe der Nachlassaktien zum Jahresende 2002 zugesagt worden war.

d)

Bei der aufgezeigten Ausgangslage für einen Vergleich musste das Nachgeben des Klägers vernünftigerweise erheblich größer sein als das der Beklagten. Der Kläger musste jedes Entgegenkommen der Beklagten positiv bewerten. Dass sie ihm hinreichend entgegenkam, ergibt sich aus dem Vergleich.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte dem Kläger mit der Vergleichsvariante 2 ein Alternativangebot zur freien Auswahl gemacht hatte, mit dem sie dem Kläger mehrere 100.000,00 € nachgelassen hätte. Wieso dieses und ein entsprechendes Angebot an den Bruder des Klägers für beide nicht akzeptabel gewesen sein sollen, begründet der Kläger nicht schlüssig. Richtig ist zwar, dass die Brüder mit der Annahme dieses Angebotes ihre Depotwerte verloren hätten. Zu bedenken ist aber auch, dass sie dann von weitaus größeren Verbindlichkeiten befreit worden wären. Allein die mit der Annahme der Variante 1 verbundene Hoffnung, am Ende noch besser dazustehen als bei der Variante 2, machte diese keineswegs inakzeptabel.

2.

Unter den zuvor aufgezeigten Umständen und weiterer Berücksichtigung der Tatsache, dass die Parteien, der Kläger und sein Bruder vertreten durch einen Rechtsanwalt, nach eingehender Prüfung ihrer Positionen den Vergleich schlossen, scheidet auch eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB aus.

Soweit der Kläger der Beklagten vorwirft, ihm vor Abschluss des Vergleichs gedroht oder ihn arglistig getäuscht zu haben, rechtfertigen diese Vorwürfe allein die Annahme der Sittenwidrigkeit nicht. Denn insoweit geht § 123 BGB als lex specialis vor. Zudem treffen diese Vorwürfe nicht zu, wie sich aus nachfolgenden Ausführungen ergibt.

3.

Der Vergleich ist nicht wirksam angefochten.

a)

Die Beklagte hat dem Kläger nicht widerrechtlich gedroht.

Der Kläger hat klargestellt, dass die Beklagte ihm nicht ausdrücklich mit einer Strafanzeige gedroht hat. Auch sonst ist dem Verhalten der Beklagten eine derartige Drohung nicht zu entnehmen, mag auch der Zeuge L. subjektiv etwas anderes empfunden haben.

Es ist nicht einmal festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger gedroht hat, ohne Vergleichsabschluss die Nachlassaktien nicht freigeben zu wollen. Vielmehr war im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses völlig offen, wie die Beklagte sich hinsichtlich der Nachlassaktien verhalten hätte, wenn es nicht zu dem Vergleich gekommen wäre. Deutlich zeigen dies die Aussagen des Zeugen K. und des Zeugen J., des seinerzeitigen Rechtsanwalts des Klägers. Der Zeuge K. hat insoweit im Wesentlichen ausgesagt, dass die Rückübertragung der Nachlassaktien weder im Gespräch vom 12. September 2002 noch bei folgenden internen Gesprächen von einem irgendwie gearteten Vergleichsabschluss abhängig gewesen sei. Für die Behandlung der Frage, wie die Beklagte mit den Nachlassaktien verfahren wäre, wenn es zu keinem Vergleich gekommen wäre, habe kein Anlass mehr bestanden. Der Zeuge Rechtsanwalt J., seinerzeitiger Anwalt des Klägers, hat ausgesagt, es sei in keinem Fall so gewesen, dass die Beklagte den Kläger vor die Wahl gestellt habe, entweder einen Vergleich zu schließen oder sich der Einleitung strafrechtlicher Schritte auszusetzen. Die Beklagte habe unmissverständlich klargestellt, nicht daran interessiert zu sein, dass der Kläger strafrechtliche Probleme bekomme. Zu keinem Zeitpunkt sei von der Beklagten geäußert worden, zur Rückübertragung der Nachlassaktien nicht bereit zu sein. Die Frage, wie sich die Beklagte bei einem Scheitern der Vergleichsverhandlungen verhalten hätte, habe sich angesichts der von Beginn an sehr konstruktiv geführten Gespräche nicht gestellt. Diese Aussagen sind klar, in sich widerspruchsfrei und überzeugend. Ihnen stehen die Aussagen der weiteren Zeugen und sonstige Umstände nicht entgegen. Dass die Freigabe der Nachlassaktien Gegenstand des Vergleichs wurde, ist schon deshalb naheliegend, weil der Kläger auf die Freigabe besonderen Wert legte und der Vergleich dem Kläger die Gelegenheit bot, ihm in diesem Punkt Klarheit zu verschaffen. Soweit nach der Aussage des Zeugen L. bei den Vergleichsverhandlungen strafrechtliche Aspekte angesprochen wurden, lag darin keine Drohung, im Fall des Scheiterns der Vergleichsverhandlungen strafrechtliche Schritte einleiten zu wollen. Im Kern ist der Aussage dieses Zeugen nur zu entnehmen, dass er das Verhalten des Zeugen M. als "bedrohlich" empfunden habe. Diese subjektive Einschätzung steht aber dem sich aus der Gesamtheit der Beweisaufnahme ergebenden Bild, dass die Beklagte mit der Einleitung strafrechtlicher Schritte oder dem Zurückhalten der Nachlassaktien nicht gedroht hat, nicht entgegen. Soweit die Beklagte, hier z.B. durch die Zeugin N., bei den Vergleichsverhandlungen die Auffassung vertreten hat, dass im maßgeblichen Außenverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten die Nachlassaktien "auf juristisch korrektem Weg" in das Depot des Klägers übertragen worden seien, ergibt sich auch hieraus keine Drohung, bei einem Scheitern der Vergleichsverhandlungen die Herausgabe der Nachlassaktien zu verweigern. Hier hat die Beklagte lediglich ihren Standpunkt dargelegt, ohne dass über hypothetische Geschehensabläufe für den Fall eines Scheiterns der Vergleichsverhandlungen gesprochen wurde. Es liegt jedoch in der Natur von Vergleichsverhandlungen, dass die Vergleichsparteien unterschiedliche Standpunkte vertreten.

Weiterer Beweis ist nicht zu erheben. Weder erscheint eine wiederholte Vernehmung nach §§ 525, 398 Abs. 1 ZPO angezeigt, noch liegen die Voraussetzungen der §§ 447, 448 ZPO für eine Vernehmung des Klägers als Partei vor. Die behauptete Drohung ist nicht anbewiesen, vielmehr weist das Ergebnis der Beweisaufnahme in die entgegengesetzte Richtung. Das Prinzip der Waffengleichheit gebietet eine Parteivernehmung des Klägers schon deswegen nicht, weil es nicht um ein "Vier-Augen-Gespräch" geht und dem Kläger zudem mit seinem Bruder und seinem damaligen Rechtsanwalt zwei Zeugen aus seinem "Lager" zur Verfügung standen.

b)

Die Beklagte hat den Kläger bei den Vergleichsverhandlungen auch nicht arglistig getäuscht. Vielmehr hat sie im Anschluss an die ersten Vergleichsbemühungen, wie angekündigt, hausinterne Überprüfungen vorgenommen und dem Kläger das unstreitige Ergebnis dieser Überprüfungen, die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht für begründet zu halten und die Voraussetzungen eines Straftatbestandes durch die Weitergabe von Insiderwissen nicht feststellen zu können, wahrheitsgemäß mitgeteilt. Dass die Beklagte den Vorwurf des Klägers nicht einräumte, ist aufgrund des Ergebnisses der hausinternen Ermittlungen nur konsequent und nicht zu bestanden. Dass die Behauptung der Beklagten, ihre hausinternen Ermittlungen hätten zu einem für ihn, den Kläger, ungünstigen Ergebnis zu dem Vorwurf unzulässiger Weitergabe von Insiderwissen geführt, unwahr war, behauptet der Kläger nicht. Er behauptet nur, das Ergebnis sei unzutreffend.

Soweit der Kläger der Beklagten vorwerfen will, dass nach ihren Ermittlungsergebnissen von einer Vorspiegelung von Insiderwissen durch ihre Anlageberater anlässlich von Kauf- und Halteempfehlungen auszugehen sei, wird damit schon keine zum Vergleichsabschluss führende Täuschungshandlung dargelegt, sondern allenfalls eine für die Anlageentscheidungen des Klägers ursächliche Täuschungshandlung. Der sich daraus ergebende Streitpunkt war dann aber gerade Gegenstand des Vergleichs.

Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger durch die Verteidigung der Beklagten hinsichtlich der gerügten Preisgabe von Insiderwissen zum Vergleichsabschluss "bestimmt" worden ist. Beide Umstände haben - wie oben dargelegt - keinen maßgeblichen Einfluss auf die Bewertung der Chancen und Risiken einer Schadensersatzklage gehabt. Gleiches gilt hinsichtlich der Verteidigung der Beklagen zu dem ihr vorgeworfenen Halten von G.-Aktien durch ihre Mitarbeiter.

4.

Entfaltet der Vergleich vom 16. Dezember 2002 nach alledem Wirksamkeit, ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt bis zu 2.350.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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