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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.11.2006
Aktenzeichen: I-6 U 283/05
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO, FGG, BGB


Vorschriften:

GmbHG § 30
GmbHG § 30 Abs. 1
GmbHG § 31
GmbHG § 31 Abs. 1
GmbHG § 34 Abs. 3
ZPO § 256 Abs. 1
FGG § 127
BGB § 162 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufungen der Beklagten wird das am 28. Oktober 2005 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagten seit dem 9. Oktober 2004 nicht mehr ihre Gesellschafterinnen sind, nachdem deren Geschäftsanteile von jeweils 12.500,-- DM (= 6.391,15 €) mit Beschluss vom 9. Februar 2001 eingezogen worden sind. Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil richten sich die form- und fristgerecht eingereichten sowie rechtzeitig begründeten Berufungen der Beklagten.

In der Berufungsinstanz halten die Beklagten an ihrer Rechtsauffassung fest, dass sie Gesellschafterinnen der Klägerin geblieben seien. Da die Klägerin unstreitig selbst wirtschaftlich nicht in der Lage sei, ohne Herbeiführung einer Überschuldung irgendeine Zahlung zu leisten, seien sie nicht verpflichtet, eine Zahlung anzunehmen, die mit dem Anspruch der Klägerin auf Rückgewähr belastet sei. Das Schreiben der Klägerin vom 20. September 2004 habe ein gemäß § 30 Absatz 1 GmbHG nicht annehmbares Angebot enthalten. Sie seien nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin ihre Bankverbindung bekannt zu geben. Es sei zudem unstreitig, dass die übrigen Gesellschafter der Klägerin nicht bereit seien, das Abfindungsentgelt aus ihrem Privatvermögen zu zahlen. Dies habe der Zeuge G. im Termin vom 23. September 2005 im Namen seiner Eltern, der übrigen Gesellschafter der Klägerin, unmissverständlich erklärt.

Die Wirkungen des ursprünglich wirksamen Einziehungsbeschlusses vom 9. Februar 2001 seien im Übrigen spätestens einen Monat nach Rechtskraft des Senatsurteils vom 23. Januar 2003 entfallen.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hält an ihrer Rechtsansicht fest, dass die Beklagten die Entgegennahme des Einziehungsentgelts verweigert und damit den Eintritt der Bedingung für ihr endgültiges Ausscheiden aus der Klägerin treuwidrig verhindert hätten.

Es könne dahingestellt bleiben, ob sie damals wie heute in der Lage gewesen sei, das Einziehungsentgelt ohne Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften zu zahlen, weil es auch in wirtschaftlich schwierigen Situationen für eine GmbH die Möglichkeit gebe, das Einziehungsentgelt ohne Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften zu zahlen. Solche Möglichkeiten seien den Parteien im Verfahren um die Anfechtung der Gesellschafterbeschlüsse vom 16. September 2003 vor dem Landgericht Wuppertal - 15 0 29/04 - von dem Vorsitzenden mehrfach vorgeschlagen worden, als sich das Gericht um die vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits bemüht habe. Entsprechend diesen Vorschlägen hätten die Gesellschafter G. im Herbst 2004 beabsichtigt, ihr das zur Zahlung notwendige Kapital unter Verzicht auf die Rückforderung zur Verfügung zu stellen. Hintergrund der Erklärung des Zeugen G. im Termin vom 23. September 2005, seine Eltern seien nun nicht (mehr) bereit, eine Zahlung zu erbringen, seien die in diesem Termin geführten Vergleichsgespräche gewesen, bei denen erörtert worden sei, dass eine Zahlung nur dann Sinn mache, wenn die Beklagten das Einziehungsentgelt annähmen. Zudem habe zwischen den Parteien feststehen sollen, dass der Bedingungseintritt - nämlich das Ausscheiden der Beklagten - spätestens durch die Zahlung erfolgt sei. Dies hätten die Beklagten aber nicht gewollt, weil sie der Ansicht gewesen seien, zwischen der Fassung des Einziehungsbeschlusses und der etwaigen Zahlung sei so viel Zeit verstrichen, dass die Wirkung des Einziehungsbeschlusses entfallen sei.

Die Wirkung des Einziehungsbeschlusses vom 9. Februar 2001 sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bereits einen Monat nach Rechtskraft des Senatsurteils vom 23. Januar 2003 - 6 U 25/02 - entfallen. Aus dem Tenor des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 2. Juni 2004 - 4 O 379/03 - ergebe sich, dass die Beklagten noch bis zur Zahlung des Einziehungsentgeltes Gesellschafterinnen seien. Zwischen dem Erlass dieses Urteils und der angebotenen Zahlung sei kein unangemessen langer Zeitraum verstrichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie die nachstehend getroffenen tatsächlichen Feststellungen.

II.

Die Berufung ist begründet.

1. Die Feststellungsklage ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

Als festzustellendes Rechtsverhältnis kommt hier die angeblich seit dem 9. Oktober 2004 nicht mehr bestehende Gesellschafterstellung der Beklagten in Betracht. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung zwecks Beilegung des Streites über die Gesellschaftsmitgliedschaft der Beklagten. Von dem Nichtbestehen dieser Gesellschafterstellung hängt zudem die Wirksamkeit der von den übrigen Gesellschaftern der Klägerin am 5. Januar 2005 gefassten Beschlüsse ab und das Amtsgericht Wuppertal - HRB ...... - hat das Verfahren auf Eintragung dieser Beschlüsse in das Handelsregister am 14. Februar 2005 gemäß § 127 FGG bis zur Klärung der Gesellschafterstellung der Beklagten ausgesetzt und der Klägerin eine einmonatige Frist zur Klageerhebung gesetzt.

2. Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Antrag auf Feststellung, dass die Beklagten seit dem 9. Oktober 2004 nicht mehr Gesellschafterinnen der Klägerin sind, ist nicht begründet.

Die Beklagten sind Gesellschafterinnen der Klägerin geblieben. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 9. Februar 2001, mit dem die Geschäftsanteile der Beklagten von jeweils 12.500,-- DM (= 6.391,15 €) eingezogen worden sind, ist zwar trotz seiner Anfechtung seit dem Urteil des Senats vom 23. Januar 2003 - 6 U 25/02 -, mit dem die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 2. November 2001 - 37 O 38/01 - zurückgewiesen worden ist, inhaltlich unanfechtbar geworden, aber er hat seine Wirkung verloren. Denn die aufschiebende gesetzliche Bedingung, dass die Zahlung des Einziehungsentgelts ohne Beeinträchtigung des Stammkapitals in angemessener Zeit erfolgt, ist ausgefallen.

Die ohne Verletzung der §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG aus den frei verfügbaren Mitteln der Gesellschaft erfolgte Zahlung des Einziehungsentgelts ist Bedingung für die Wirksamkeit der Einziehung. Der Senat folgt insoweit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur.

Zur Sicherung des betroffenen Gesellschafters hat sich in Rechtsprechung und Schrifttum die h. M. gebildet, wonach der Einziehungsbeschluss unter der aufschiebenden gesetzlichen Bedingung steht, dass die geschuldete Abfindung ohne Verstoß gegen das Stammkapitalerhaltungsgebot (§§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG) ausgezahlt wird. Gemäß § 30 Absatz 1 GmbHG, auf den § 34 Abs. 3 GmbHG verweist, darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft nach § 31 Abs. 1 GmbHG erstattet werden. Bis zum vollständigen Erhalt der Abfindung bleiben der Gesellschaftsanteil und mit ihm die Gesellschafterstellung mit allen Rechten und Pflichten bestehen. Steht fest, dass die Abfindung nicht ohne Beeinträchtigung des Stammkapitals gezahlt werden kann, ist die aufschiebende Bedingung ausgefallen und die Entziehung ohne Wirkung. Zur Begrenzung des die Beteiligten belastenden Schwebezustands tritt diese Folge ein, wenn die Zahlung nicht in angemessener Zeit erfolgen kann. Angemessenheit kann allerdings nur nach den Umständen des konkreten Falles beurteilt werden (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 34 Rdnr. 41 m. w. N.).

Diese Rechtsprechung geht zurück auf eine Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 142, 286, 290 f.), das davon ausging, dass die entgeltliche Zwangseinziehung nur unter der gesetzlichen Bedingung rechtswirksam gefasst werden konnte, dass die Abfindungszahlung unter Beachtung des Kapitalerhaltungsgebots des § 30 Abs. 1 GmbHG möglich ist. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung in einer Entscheidung aus dem Jahr 1953 aufgegriffen und - allerdings im Zusammenhang mit einer Ausschließungsklage trotz fehlender Satzungsregelung - bestätigt (BGHZ 9, 157, 173), dass das Ausschließungsurteil an die Bedingung zu knüpfen sei, dass der betroffene Gesellschafter innerhalb angemessener, im Urteil festzusetzender Frist den Gegenwert für seinen Geschäftsanteil erhalte. Diese Rechtsprechung ist für den Fall der Zwangseinziehung nach Eigenkündigung vom OLG Frankfurt a. M. (NJW-RR 1997, 612 f.) und OLG Zweibrücken (GmbHR 1997, 939, 942; Nichtannahmebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. April 1997, - II ZR 162/96, DStR 1997, 1336) sowie für den Fall der Zwangseinziehung ohne vorherige Kündigung vom OLG Schleswig (NZG 2000, 703, 706) fortgeschrieben worden. Bisher vertritt in der Rechtsprechung nur das OLG Hamm (GmbHR 1993, 743, 746) die Gegenmeinung, dass der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung durch den Einziehungsbeschluss verliere, selbst wenn das Abfindungsentgelt noch nicht ausgezahlt sei. In jüngeren Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die Fragestellung bei der Einziehung eines Geschäftsanteils offen gelassen (BGH, NJW-RR 1995, 667, 668; NJW 1998, 3546; NZG 2003, 871, 872). Durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. April 1997 (- II ZR 162/96, DStR 1997, 1336), mit dem er die Annahme der Revision gegen das vorgenannte Urteil des OLG Zweibrücken abgelehnt hat, scheint er die h. M. - bei einer Zwangseinziehung nach Eigenkündigung - im Ergebnis gebilligt zu haben (Goette, DStR 1997, 1336, 1337). Allerdings hat der Bundesgerichtshof sich - obwohl gegen das Urteil des OLG Schleswig Revision eingelegt worden war (vgl. Sosnitza, NZG 2000, 705, 707) - noch nicht dazu geäußert, ob die aus BGHZ 9, 157 abgeleitete Bedingungslehre auf den hier vorliegenden Fall einer "reinen" Zwangseinziehung übertragbar ist (s. Beschluss des BGH vom 17. Juli 2006 - II ZR 313/05 -). Das überwiegende Schrifttum (Baumbach/Hueck/Fastrich, aaO; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 34 Rdnr. 27 ff.) hat sich der herrschenden Rechtsprechung angeschlossen.

Das sich aus dieser herrschenden Meinung ergebende Erfordernis, den auszuschließenden Gesellschafter bis zur Beendigung des möglicherweise lang andauernden Schwebezustands durch Zahlung des Einziehungsentgelts an allen wesentlichen Entscheidungen der Gesellschaft beteiligen zu müssen, kann zwar zu erheblichen Konflikten und damit zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft führen. Diese nachteilige Folge ist jedoch hinzunehmen, weil die Wahrung seiner Rechte bei Annahme der sofortigen Wirkung des Einziehungsbeschlusses nicht in ausreichender Form gesichert wären. Der zwangsweise ausgeschiedene Gesellschafter hätte das Insolvenzrisiko zu tragen, ohne Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen zu können. Dieser Interessenlage wird die in der Literatur vertretene Auffassung, der Einziehungsbeschluss stehe unter der auflösenden Bedingung der die Stammeinlage nicht angreifenden Zahlung des Einziehungsentgelts (Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 34 Rdnr. 61) nicht gerecht. Insbesondere wäre die bei Eintritt der Bedingung erforderliche Rückabwicklung, bei welcher der ausgeschiedene Gesellschafter so gestellt werden müsste, wie er gestanden hätte, wenn der Einziehungsbeschluss von vornherein unwirksam gewesen wäre, faktisch nicht durchführbar (OLG Schleswig, aaO, 704).

Der Ansicht, der betroffene Gesellschafter habe das Recht, die GmbH aufzulösen, wenn diese bei Fälligkeit nicht in der Lage sei, die geschuldete Abfindung aus ungebundenem Vermögen zu bezahlen (Grunewald, GmbHR 1991, 185, 186), kann wegen der vollständigen Risikoverlagerung auf den auszuscheidenden Gesellschafter nicht gefolgt werden (OLG Schleswig, aaO, 705).

Der Senat vermag sich auch nicht der teilweise in der Literatur (Fingerhut/Schröder, BB 1997, 1805, 1806; Lutz, DStR 1999, 1858, 1862; beim LG Köln, GmbHR 1998, 1083, 1084 gab es eine entsprechende zulässige Satzungsregelung) und von der Klägerin vertretenen Auffassung anzuschließen, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zumindest die Zwangseinziehung aus "wichtigem Grund", wie sie hier vorliegt, zum sofortigen Untergang des Geschäftsanteils und zum vollständigen Wegfall der Mitgliedschaftsrechte des betroffenen Gesellschafters führen müsse, auch wenn das Abfindungsentgelt noch nicht oder nicht vollständig ausgezahlt sei. Denn selbst wenn der ausgeschlossene Gesellschafter in gravierender Weise gegen die Gesellschaftsinteressen verstoßen haben sollte, so dass das Interesse der Mitgesellschafter, ihn effektiv und zügig aus dem Gesellschafterkreis auszuschließen, ein gewisses Gewicht entfaltet, kann das nicht dazu führen, dem Gesellschaftsinteresse an seinem Ausschluss den absoluten Vorrang vor seinem Risiko eines Teil- oder Totalverlusts seines Abfindungsentgelts durch allgemeine Vermögensverschlechterung der GmbH einzuräumen. Denn den verbleibenden Gesellschaftern stehen auch bei Fehlen ungebundenen Vermögens der Gesellschaft mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, das Abfindungsentgelt auf andere Weise, etwa aufgrund verbindlicher Zahlungszusagen der verbleibenden Gesellschafter mit gleichzeitigem Ausschluss oder gleichzeitiger Stundung des Rückgriffsanspruchs oder durch Kapitalherabsetzung, aufzubringen und dadurch den Einziehungsbeschluss so schnell wie möglich wirksam werden zu lassen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts gilt die Bedingung nicht gemäß § 162 Abs. 1 BGB als eingetreten, weil die Beklagten den Eintritt der Bedingung nicht wider Treu und Glauben verhindert haben.

Es kann dahinstehen, ob die Weigerung, die Bankverbindung mitzuteilen, treuwidrig gewesen ist, denn den Beklagten ist nicht in angemessener Zeit eine Zahlung des Einziehungsentgelts ohne Verstoß gegen das Stammkapitalerhaltungsgebot (§§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG) angeboten worden.

Da die Klägerin nicht der Lage war, das im Jahre 2003 von den Beklagten im Klagewege geltend gemachte Abfindungsentgelt unter Wahrung des Kapitalerhaltungsgebotes zu zahlen, wurde infolge Berufungsrücknahme im August 2004 durch Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 2. Juni 2004 - 4 O 379/03 - unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19. Februar 2004 rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagten "noch bis zur Zahlung des Einziehungsentgelts in Höhe von jeweils 6.376,77 €" Gesellschafterinnen der Klägerin sind.

Zur Annahme des in den Monaten September bis November 2004 von der Klägerin erneut unterbreiteten Zahlungsangebots sind die Beklagten nicht verpflichtet gewesen, weil zu keinem Zeitpunkt erklärt worden ist, dass die Zahlung aus dem Privatvermögen der Gesellschafter der Klägerin und damit ohne Beeinträchtigung ihres Stammkapitals erfolgen würde.

In den anwaltlichen Schreiben vom 20. und 27. September 2004 bot die Klägerin dem anwaltlichen Vertreter der Beklagten zwar die Zahlung des Abfindungsentgeltes an und bat um Vorlage einer Geldempfangsvollmacht bzw. Mitteilung der Bankverbindung der Beklagten, aber sie erwähnte mit keinem Wort, ob die Abfindung aus dem freien Vermögen der Klägerin oder aus dem Privatvermögen ihrer übrigen Gesellschafter gezahlt werden sollte. Auch auf die Erklärung der Beklagten in ihren anwaltlichen Schreiben vom 1. und 11. Oktober 2004, dass sie angesichts der Vermögenslosigkeit der Klägerin nicht bereit seien, eine Zahlung entgegenzunehmen, die unter Verstoß gegen § 30 GmbHG erfolge, reagierte die Klägerin nicht. In ihren anwaltlichen Schreiben vom 5. Oktober 2004 an den anwaltlichen Vertreter der Beklagten und an die beiden Beklagten persönlich ging sie ebenfalls nicht darauf ein, aus welchem Vermögen das Abfindungsgeld stammen würde. Im anwaltlichen Schreiben vom 3. November 2004 wies sie erstmals darauf hin, dass das Einziehungsentgelt "in der von Herrn Vors.RiaLG Wuppertal Dr. H. vorgeschlagenen, nicht anfechtbaren Weise gezahlt werden kann". Allerdings blieb sie eine Antwort auf das anwaltliche Schreiben der Beklagten vom 4. November 2004 schuldig, in welchem sie erklärten, dass ihnen solche Vorschläge nicht bekannt seien, und ausdrücklich um die Mitteilung baten, wie diese Vorschläge lauteten.

Selbst wenn die Gesellschafter G. im Herbst 2004 bereit gewesen sein sollten, die Abfindungsentgelte der Beklagten aus ihrem Privatvermögen zu zahlen, was als eine zulässige Möglichkeit angesehen wird, das Nichtigkeitsverdikt der §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG zu vermeiden (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Auflage, § 34 Rdnr. 30; Harst, GmbHR 1987, 183, 185), ist dies den Beklagten im genannten Schriftwechsel nicht kommuniziert worden.

Von der zweiten zulässigen Möglichkeit der Klägerin, das Abfindungsentgelt ohne Verletzung des Kapitalerhaltungsgebotes nach § 30 Abs. 1 GmbHG durch Herabsetzung des Stammkapitals zu zahlen (Lutter/Hommelhoff, aaO; Harst, aaO), konnten die Beklagten nicht ausgehen. Da die Klägerin gemäß § 3 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages nur das erforderliche Mindeststammkapital von 50.000,-- DM ausweist, konnte die Klägerin den zur Auszahlung des Entgelts erforderlichen Überschuss auch nicht durch Kapitalherabsetzung herstellen.

Den Schreiben der Klägerin konnten die Beklagten aber auch nicht entnehmen, dass die Klägerin inzwischen wieder zu Vermögen gekommen ist, zumal die Klägerin der von den Beklagten in den Schreiben vom 1. und 11. Oktober 2004 behaupteten Vermögenslosigkeit und Insolvenzlage der Klägerin nicht entgegengetreten ist.

Die Beklagten mussten daher davon ausgehen, dass sie ihr Abfindungsentgelt nur unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG erhalten und nach der Annahme trotz verlorener Gesellschafterstellung zur Rückeinlage nach § 31 GmbHG verpflichtet bleiben würden. Unter diesen Umständen sind sie zur Zahlungsannahme nicht verpflichtet gewesen.

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben weder die Klägerin noch ihre Gesellschafter G. das gemäß § 4 Ziffer 6 des Gesellschaftsvertrages zu entrichtende "Einziehungsentgelt" gezahlt. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2005 vor dem Landgericht hat der Zeuge G. erklärt, dass seine Eltern, die übrigen Gesellschafter der Klägerin, nicht bereit seien, das Abfindungsentgelt aus ihrem Privatvermögen zu leisten und einen vollstreckbaren Titel gegen sich ergehen zu lassen; ausschließlich die Klägerin sei zur Zahlung bereit. Selbst wenn diese Erklärung aus den von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgetragenen Gründen abgegeben worden sein sollte, hat die Klägerin damit nicht behauptet, dass ihre Gesellschafter G. zum gegenwärtigen Zeitpunkt zur Zahlung des Abfindungsentgelts aus ihrem Privatvermögen bereit sind.

Zudem hat die Klägerin den Vortrag der Beklagten, dass die Klägerin damals wie heute wirtschaftlich nicht in der Lage ist, das Einziehungsentgelt ohne Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften zu zahlen, nicht bestritten. Sie hat nicht in Abrede gestellt, dass die Beteiligung der Klägerin an der Grundstücksgesellschaft GbR XY-Straße nicht "werthaltig" ist. Den substantiierten Vortrag der Beklagten zur Begründung der mangelnden Werthaltigkeit dieser Beteiligung auf Seite 3 f. des Berufungsbegründungsschriftsatzes hat die Klägerin nicht bestritten. Auch ihrer von den Beklagten behaupteten Zahlungsunfähigkeit ist sie nicht entgegengetreten.

Im Hinblick darauf, dass die Gesellschaft selbst zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses weniger als acht Jahre bestanden hatte und dass die unanfechtbare Zahlung des Abfindungsentgeltes an die Beklagten weiterhin nicht absehbar ist, kann der inzwischen verstrichene Zeitraum nicht mehr als angemessen angesehen werden.

Da die Wirksamkeit der Einziehung unter der Bedingung der zulässigen Zahlung steht und das Einziehungsentgelt nicht in angemessener Zeit unter Wahrung des § 30 Abs. 1 GmbHG gezahlt worden ist, entfällt die gesetzliche Bedingung mit der Folge, dass auch die Wirkung des ursprünglich wirksamen Einziehungsbeschlusses wieder entfällt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen, weil der Bundesgerichtshof noch nicht über die Grundsatzfrage einer etwaigen Übertragbarkeit der aus dem Urteil BGHZ 9, 157 abgeleiteten sogenannten Bedingungslehre auf den hier vorliegenden Fall einer "reinen" Zwangseinziehung gemäß § 34 GmbHG entschieden hat, diese hier entscheidungserheblich ist und das OLG Hamm eine abweichende Rechtsauffassung vertritt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.782,30 € (2 x 6.391,15 €) festgesetzt (§§ 47, 48 Abs. 1 GKG, 3, 4 Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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