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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.09.2004
Aktenzeichen: I-6 U 38/04
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB §§ 74 ff.
HGB § 74 Abs. 2
BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Dezember 2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe: I. Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass der Kläger sich in § 1 Absatz 1 und 2 der Kundenschutzvereinbarung vom 28. Januar 2002 verpflichtet hat, für die Dauer von einem Jahr weder mittelbar noch unmittelbar, weder als abhängig Beschäftigter noch als selbständig Tätiger für die Kundin G. GmbH tätig zu werden, und zwar unabhängig davon, ob der beabsichtigte Vertragsschluss zwischen der Beklagten und der G. GmbH tatsächlich zustande kommt, und sich für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlungen zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte bestätigt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der vorgenannten Kundenschutzvereinbarung noch nicht sicher war, ob der Vertrag mit der G. GmbH tatsächlich zustande kommen würde. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagten stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht zu, weil die entsprechenden Vorschriften in § 9 Abs. 2 des Rahmenvertrages in Verbindung mit § 1 des Einzelvertrages und § 1 der Kundenschutzvereinbarung wegen Fehlens einer Karenzentschädigung entsprechend § 74 Abs. 2 HGB unwirksam seien. Die für kaufmännische Angestellte geltende Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB sei wegen des vergleichbaren Schutzbedürfnisses auch auf den Kläger, bei dem es sich um einen wirtschaftlich abhängigen freien Mitarbeiter handele, anzuwenden. Mit der hiergegen gerichteten Berufung macht die Beklagte geltend, die Kriterien für eine entsprechende Anwendung des § 74 Abs. 2 HGB lägen nicht vor. Bei der in Rede stehenden Klausel handele es sich nicht um ein Wettbewerbsverbot, sondern um eine Kundenschutzklausel, bei der sich das Verbot lediglich auf einen beschränkten Zeitraum und einen einzigen Kunden bezogen habe. Deshalb sei die Berufsausübungsfreiheit des Klägers nicht unangemessen beeinträchtigt worden. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. April 2003, auf die das Landgericht sich bezogen habe, betreffe einen anders gelagerten Fall. Der dortige Kläger sei über einen Zeitraum von drei Jahren ausschließlich für die H. AG tätig gewesen und habe betriebsspezifisches Know How erworben, das sein wesentliches wirtschaftliches Potential ausgemacht habe. Ferner sei der dortige Kläger in die Betriebsorganisation eingebunden gewesen. Demgegenüber sei der Kläger dieses Rechtsstreits nur ein knappes Jahr für die Beklagte tätig gewesen, und seine Tätigkeit habe sich auf ein einziges Projekt bezogen. Der Kläger habe im Übrigen in der Zeit von 1997 bis 2001 vielfältige Kenntnisse im Telekommunikationssektor erlangt, die er auch ohne weiteres in anderen Unternehmen dieser Branche hätte einsetzen können. Zudem habe der Kläger die Kundenschutzklausel gezielt verletzt. Es hätte ihm oblegen, seinen neuen Arbeitgeber über die diesbezügliche Vereinbarung mit ihr, der Beklagten, in Kenntnis zu setzen. Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie den Kläger zu verurteilen, an sie den widerklagend geltend gemachten Betrag in Höhe von 52.576,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.576,00 EUR seit dem 1. Februar 2003 und im Übrigen seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der Beklagten im Einzelnen entgegen. Insbesondere trägt er vor, er habe im Rahmen der Tätigkeit für die Beklagte branchenspezifische Spezialkenntnisse betreffend das X-System der Firma I. erworben, das lediglich noch von einer Firma J. eingesetzt werde, allerdings auch nur in abgeänderter Form. Ferner wendet sich der Kläger gegen die Höhe der Vertragsstrafe. Er vertritt die Ansicht, die angesetzte Vertragsstrafe in Höhe von monatlich 10.000,00 EUR sei sittenwidrig und damit nichtig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge sowie die nachstehenden tatsächlichen Feststellungen verwiesen. II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. 1. Das Landgericht hat zu Recht der auf Zahlung von 7.424,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gerichteten Klage stattgeben und die Widerklage abgewiesen. a) Der Kläger kann - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - von der Beklagten eine restliche Vergütung in Höhe von 7.424,00 EUR verlangen. Demgegenüber steht der Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf eine Vertragsstrafe in Höhe von 60.000,00 EUR, mit dem sie wegen eines Teilbetrages von 7.424,00 EUR die Aufrechnung erklärt hat und den sie wegen des weiter gehenden Betrages von 52.576,00 EUR im Wege der Widerklage verfolgt, nicht zu. Als Anspruchsgrundlage für die Vertragsstrafe kommt allein § 9 Abs. 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrages in Verbindung mit § 1 des Einzelvertrages, die beide vom 28. Januar 2002 datieren, in Betracht. Diese Kundenschutzklausel ist aber wegen Fehlens einer Karenzentschädigung entsprechend § 74 Abs. 2 HGB unwirksam. Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. April 2003 (NJW 2003, 1864, 1865), der sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (NJW 1998, 99, 100) angeschlossen hat, wonach die für kaufmännische Angestellte geltenden Wettbewerbsregelungen der §§ 74 ff. HGB wegen des vergleichbaren Schutzbedürfnisses auch auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter anzuwenden sind, ist auch der Kläger als ein wirtschaftlich abhängiger freier Mitarbeiter zu qualifizieren: Der Kläger befand sich im Verhältnis zur Beklagten trotz seiner formalen Selbständigkeit als Subunternehmer in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, die für ihn ein Schutzbedürfnis begründete, das mit dem Schutzbedürfnis von kaufmännischen Angestellten vergleichbar ist, auch wenn der Kläger keinen Weisungen der Beklagten unterlag und zur persönlichen Leistungserbringung nicht verpflichtet war. Denn wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, war der Kläger zwischen Februar und Dezember 2002, also über einen Zeitraum von elf Monaten, ausschließlich für die Beklagte tätig und verfügte nicht über weitere Einkünfte. Ferner hatte der Kläger keine Mitarbeiter beschäftigt, und es ist nicht ersichtlich, dass ihm dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Überdies war der Kläger in die Betriebsorganisation der G. GmbH eingebunden, denn dort befand sich sein Arbeitsplatz. Schließlich war die Zusammenarbeit der Parteien wie bei einem Arbeitsverhältnis auf eine längere Zeit hin angelegt. Den Rahmenvertrag haben sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, und es ist anzunehmen, dass der zwischen den Parteien zustande gekommene Einzelvertrag auch auf einen längeren Zeitraum angelegt war. Jedenfalls wurde das Projekt bei der G. GmbH letztlich über einen Zeitraum von fast zwei Jahren durchgeführt, wie sich aus dem Internetprofil des Klägers ergibt, wonach der Kläger im Zeitraum 2002/2003 bei der G. tätig war und erst für die Zeit vom 1. Januar 2004 an einen neuen Aufgabenkreis gesucht hat. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist trotz seiner Beschränkungen, und zwar auf zwölf Monate und einen einzigen Geschäftspartner, für den Kläger von einschneidender Bedeutung, auch wenn der Kläger vielseitig einsetzbar ist. Es belastete ihn in einem Maße, dass er es zumindest nicht entschädigungslos hinnehmen muss. Allerdings ist der Beklagten einzuräumen, dass sich der Sachverhalt, auf den sich die oben genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes bezog, in diesem Zusammenhang von dem vorliegenden Fall in Einzelpunkten unterscheidet. Hier war der Kläger nicht über einen Zeitraum von fast drei Jahren, sondern nur knapp ein Jahr lang als Subunternehmer für die Beklagte tätig. Außerdem macht die Beklagte geltend, der Kläger habe sich keine Spezialkenntnisse angeeignet. Vielmehr habe sich das Projekt auf eine Standardsoftware für die Abrechnung und Betreuung von Mobilfunkprovidern bezogen. Dies führt jedoch nicht zu dem Ergebnis, dass der Kläger das Wettbewerbsverbot vorliegend entschädigungslos hinnehmen müsste. Auch wenn der Kläger vorliegend nur knapp ein Jahr als Subunternehmer für die Beklagte tätig war, ist unter Berücksichtigung der weiteren Umstände bereits die Wertung gerechtfertigt, dass das Wettbewerbsverbot für den Kläger von einschneidender Bedeutung war. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Parteien den Rahmenvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen hatten und das Projekt bei der G. GmbH letztlich - wie oben ausgeführt - über einen Zeitraum von fast zwei Jahren durchgeführt worden ist, was darauf schließen lässt, dass es nicht nur auf einen ganz kurzen Zeitraum angelegt war. Auch dass der Kläger in den Jahren 1997 bis 2001 vielfältige Kenntnisse im Telekommunikationssektor erlangt hatte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Anderenfalls könnte sich nur ein weniger gut qualifizierter Mitarbeiter auf die fehlende Karenzentschädigung berufen, während dies einem besonders gut qualifizierten Mitarbeiter nicht möglich wäre. Auch der Vortrag der Beklagten, die vom Kläger im Hinblick auf die Projektdurchführung erworbenen Kenntnisse von dem X-System der Firma I. seien gerade nicht dessen wesentliches wirtschaftliches Potential gewesen, führt nicht weiter. Denn jedenfalls steht fest, dass der Kläger nur an einem einzigen Projekt bei der G. GmbH arbeitete und das konkrete X-System, das Gegenstand des Projekts war, seinerzeit nur von einem einzigen weiteren Unternehmen, und dann noch in abgeänderter Form, benutzt wurde. Es ist auch anzunehmen, dass der Kläger, wenn er sich bereits nach einem Jahr beruflich neu hätte orientieren müssen, nicht ohne finanzielle Einbußen anderweitig hätte tätig sein können, zumal er nicht einmal darauf hätte verweisen können, das bei der G. GmbH betreute Projekt vollständig, also bis zu seinem Abschluss, begleitet zu haben. Aufgrund dieser Umstände in ihrer Gesamtheit war das Wettbewerbsverbot für den Kläger bereits von so einschneidender Bedeutung, dass er es nicht entschädigungslos hinnehmen musste. Dem Umstand, dass das Wettbewerbsverbot den Kläger vorliegend möglicherweise weniger stark beeinträchtigte als den Kläger in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 2003 zugrunde liegenden Fall, hätte ausreichend durch die Höhe der Karenzentschädigung Rechnung getragen werden können. b) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 60.000,00 EUR. Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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