Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 17.11.2005
Aktenzeichen: I-6 U 51/05
Rechtsgebiete: BGB, VerbrKrG


Vorschriften:

BGB §§ 488 ff.
BGB § 488 Abs. 1 Satz 2
BGB § 490
BGB § 490 Abs. 1 n.F.
BGB § 498 n.F.
BGB § 498 Abs. 1
BGB § 498 Abs. 1 Nr. 2 n.F.
VerbrKrG § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 08.02.2005 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Zum Sachverhalt wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit folgenden Änderungen Bezug genommen. Die Klägerin schrieb den Beklagten entsprechend den mit der Anlage K 3 (Bl. 21 GA) vorgelegten Computerausdrucken an. Der Zugang dieser Schreiben ist unstreitig. Der Beklagte ist lediglich der Auffassung, dass diese Schreiben den Anforderungen an eine Mahnung nicht genügten.

Mit seiner Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er macht geltend: Fehlerhaft habe das Landgericht übersehen, dass die Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes und § 498 BGB n.F. Spezialregelungen darstellten, und später eingetretene wirtschaftliche Umstände rückwirkend auf den Zeitpunkt der Kündigung bezogen. § 490 BGB n.F. sei nach Sinn und Zweck des §§ 12 VerbrKrG, 498 BGB n.F. einschränkend auszulegen. Diese Regelungen könnten nicht durch eine Anwendung des § 490 BGB n.F. "ausgehebelt" werden. § 490 BGB n.F. dürfe nicht ohne Berücksichtigung der Regelung in § 498 BGB n.F. Anwendung finden. Daher hätte zumindest eine Mahnung nach § 498 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. vor Ausspruch der Kündigung erfolgen müssen. Überdies habe bei der Kündigung ein Grund im Sinne des § 490 Abs. 1 BGB n.F. nicht vorgelegen. Allein der mit seinem Schreiben vom 6. Februar 2004 dargestellte Liquiditätsengpass von fünf weiteren Monaten habe die Annahme einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse nicht begründet. Denn selbst wenn man einen Verzug von sieben Monatsraten im Zeitpunkt der Kündigung annehmen würde, hätte die Summe des Rückstandes nicht 5 % des Nominaldarlehens erreicht.

Der Beklagte beantragt,

abändernd, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Februar 2005 - 6 O 223/04 - , die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt mit der Maßgabe, dass Zinsen erst ab dem 16. März 2004 verlangt werden und die Klage im Übrigen zurückgenommen werde,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert: Wie sich aus dem eigenen Schreiben des Beklagten vom 6. Februar 2004 ergebe, hätten die Voraussetzungen des § 490 BGB im Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen. Die dort vom Beklagten gewünschte kurze Überbrückungsphase von maximal fünf Monatsraten sei im März 2004 bereits verstrichen gewesen. Die Folgezeit habe bestätigt, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende Vermögensverschlechterung gehandelt habe. Denn der Beklagte habe - wie unstreitig ist - bis heute weder Zahlungen auf den Rückstand geleistet noch monatliche Zahlungen wieder aufgenommen.

Mit der Berufungserwiderung und mit weiteren Schriftsätzen vom 14. Juli 2005 und 9. August 2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorsorglich weitere fristlose Kündigungen ausgesprochen, die der Beklagte zurückgewiesen hat.

Der Beklagte stimmt der teilweisen Klagerücknahme zu.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in dem nach wirksamer Teilklagerücknahme noch zur Entscheidung anstehenden Umfang keinen Erfolg. Die Klage ist in ihrem aufrechterhaltenen Teil begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 189.306,38 € aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB nebst Zinsen ab dem 16. März 2004.

1.

Der Rechtsstreit ist nach §§ 488 ff. BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung zu entscheiden (Art. 229 § 5 Sätze 1und 2 EGBGB).

2.

Der Darlehensrückzahlungsanspruch ist fällig. Das Darlehen ist wirksam gekündigt.

a)

Bereits mit ihrem Kündigungsschreiben vom 12. März 2004 hat die Klägerin den Darlehensvertrag wirksam aus wichtigem Grund gekündigt. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen des § 490 BGB vor.

aa) Ob § 490 BGB auch bei einem Verbraucherdarlehen neben § 498 BGB anwendbar bleibt, wird nicht einheitlich beantwortet.

Habersack (in Münch.Komm., BGB, 4. Aufl., § 498 Rdnr. 22; im Ergebnis, allerdings ohne Begründung, ebenso Jauernig, BGB, 11. Aufl., § 498 Rdnr. 10) vertritt im Hinblick auf den Zweck des § 498 BGB, die Zulässigkeit der Gesamtfälligstellung während einer Krise des Darlehensnehmers von der Erfüllung qualifizierter Voraussetzungen abhängig zu machen, die Auffassung, dass im Anwendungsbereich dieser Vorschrift eine auf § 490 Abs. 1 BGB gründende Kündigung wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögenslage oder erheblicher Vermögensgefährdung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Diese Sperrwirkung entfalte § 498 BGB nur dann nicht, wenn massive Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass sich der Verbraucher nicht nur in vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten befinde, seine Schieflage vielmehr von Dauer sei; davon könne insbesondere nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ausgegangen werden.

Demgegenüber vertritt Putzo (Palandt/Putzo, BGB, 64. Aufl., § 498 Rdnr. 3; ebenso Bamberger/Roth, BGB, § 498 Rdnr. 3) ohne nähere Begründung die Auffassung, dass 490 BGB auch bei einem Verbraucherdarlehen neben § 498 BGB anwendbar bleibe.

Dieser Auffassung ist angesichts der besonderen Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB zuzustimmen. Der Lebenssachverhalt, der die Voraussetzungen des § 498 Abs. 1 BGB erfüllt, kann auch die Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB erfüllen, muss es aber nicht. Zahlungsverzug muss nicht mit einer wesentlichen Vermögensverschlechterung einhergehen. Andererseits ist nach der gesetzgeberischen Wertung im Fall einer wesentlichen Vermögensverschlechterung, also dann, wenn die Darlehensrückzahlung ganz oder teilweise gefährdet ist (vgl. Palandt/Putzo a.a.O. Rdnr. 6) und im Interesses des Darlehensgebers so schnell wie möglich gerettet werden muss, was noch zu retten ist, das Interesse des Schuldners am weiteren Behalten des Darlehens nicht schützenswert. Ein Interesse des Schuldners, in dieser Phase dem Darlehensgeber ein größeres Insolvenzrisiko aufzubürden als anderen Gläubigern, ist nicht ersichtlich. Zudem würde sich das Abstellen auf die Voraussetzungen des § 498 BGB gerade dann, wenn - wie hier - der Darlehensnehmer zur Zahlung weiterer Raten nicht in der Lage ist, als reine Förmelei erweisen. Dementsprechend gelangt auch Habersack zur Anwendbarkeit des § 490 Abs. 1 BGB, wenn die Schieflage des Darlehensnehmers nicht nur vorübergehender Natur ist, wofür zwangsläufig eine Prognose vorzunehmen ist. Schließlich kann zwanglos die von § 490 Abs. 1 BGB geforderte Wesentlichkeitsgrenze erst dann als überschritten angesehen werden, wenn die Prognose gerechtfertigt ist, dass die eingetretene oder drohende wirtschaftliche Verschlechterung nicht nur vorübergehender Natur ist.

bb) Die in diesem Sinne auszulegenden Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB lagen bereits zum Zeitpunkt der mit Schreiben vom 12. März 2004 erklärten Kündigung, auf den es insoweit allein ankommt (vgl. BGH, WM 1979, 1176, 1178; 1985, 1493), vor. Wie sich in der Tat aus der Zahlungseinstellung des Beklagten und seinem vorangegangenen Schreiben vom 6. Februar 2004 ergibt, war in den Vermögensverhältnissen des Beklagten eine wesentliche Verschlechterung eingetreten, durch die die Rückerstattung des Darlehens gefährdet wurde. Dass sich die Vermögensverhältnisse wesentlich verschlechtert hatten, zeigt sich bereits darin, dass der Beklagte bis Herbst 2003 zur Bedienung der monatlichen Zins- und Tilgungsraten in Höhe von 2.500 DM = 1.278,23 € in der Lage war, seither aber nicht mehr. Aufgrund der der Klägerin vom Beklagten mitgeteilten Gründe hierfür war auch davon auszugehen, dass es sich nicht nur um eine vorübergehende Verschlechterung der Vermögensverhältnisse handelte. Denn die Angaben des Beklagten im Schreiben vom 6. Februar 2004, denen der Beklagte auch in diesem Rechtsstreit nichts Wesentliches hinzuzufügen vermochte, boten für eine günstigere Prognose keine hinreichende Grundlage. Eine Wende war keinesfalls zum Greifen nahe, nicht einmal vorhersehbar, Aussichten auf eine solche waren allenfalls vage. Selbst bei einer Betrachtung aus heutigem Blickwinkel hat die Zeit ab Februar 2004 nichts hervorgebracht, was eine positive Prognose hätte rechtfertigen können. denn bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte - wie sein Prozessbevollmächtigter im Senatstermin bestätigt hat - weder auf die aufgelaufenen Rückstände Zahlungen erbringen können noch die laufenden Zahlungen wieder aufnehmen können.

Werthaltige Sicherheiten, die eine Darlehensrückzahlung gewährleistet hätten, hat der Beklagte der Klägerin, wie der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Senatstermin ebenfalls bestätigt hat, bei der Darlehensauszahlung nicht gestellt. Dass der Beklagte der Klägerin im Vorfeld der Kündigungserklärung Sicherheiten nicht einmal zur Verfügung stellen konnte, ergibt sich wiederum aus seinem Schreiben vom 6. Februar 2004. Danach hatte er bereits bis zu diesem Zeitpunkt alle ihm "zur Verfügung stehenden Mittel und Reserven, insbesondere aus Lebensversicherungen und Grundstücksverkäufen, soweit sie nicht bereits abgetreten waren, eingesetzt", sodass er der Klägerin "keine weitere Sicherheit anbieten" konnte.

b)

Wäre nicht schon die Kündigung vom 12. März 2004 wirksam, wäre es die mit Schriftsatz vom 9. August 2005 ausgesprochene Kündigung.

3.

Der geltend gemachte Verzugszins ist ab Zugang des Kündigungsschreibens gerechtfertigt. In der erklärten Erwartung restlosen Forderungsausgleichs im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung ist eine Mahnung zu sehen. Dass hierbei ein relativ geringfügig höherer Betrag angesprochen war als die Klageforderung, ist unschädlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 189.306,38 €.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück