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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.02.2008
Aktenzeichen: I-7 U 140/07
Rechtsgebiete: BGB, VVG


Vorschriften:

BGB § 2325
VVG § 166 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 29. Juni 2007 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.157,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18. Januar 2007 zu zahlen. Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% das zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, es sei denn der Kläger leistet zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe.

Gegen dieses Urteil wird die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger, einziger Sohn des am 25. Dezember 2003 verstorbenen J G, nimmt den Beklagten, Bruder und Alleinerbe des Erblassers, auf, soweit vorliegend noch von Interesse, Pflichtteilsergänzung wegen einer Lebensversicherung in Anspruch. Das Landgericht hat die auf Zahlung von 11.157,87 € zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er geltend macht, entgegen der Auffassung des Landgerichts seien für die Berechnung seines Anspruchs die ausgezahlte Versicherungssumme und nicht nur die vom Erblasser aufgebrachten Versicherungsprämien in Ansatz zu bringen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angegriffenen Urteils des Landgerichts Mönchengladbach vom 29. Juni 2007 entsprechend seiner Schlussanträge erster Instanz den Beklagten zu verurteilen, an ihn 11.157,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das landgerichtliche Urteil mit Rücksicht auf die herrschende Meinung zur einschlägigen Streitfrage für zutreffend.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat ganz überwiegend Erfolg. Anders als das Landgericht angenommen hat, bestimmt sich der Schenkungsgegenstand vorliegend nach der aufgrund des Todesfalls ausgekehrten Versicherungsleistung und nicht nur nach den zuvor aufgewendeten Versicherungsprämien. Der anders lautenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur vermag der Senat nicht zu folgen.

Mit dem Landgericht Göttingen (Urteil vom 23. März 2007, ZEV 2007, 386) hält der Senat nämlich die neuere Entscheidung des BGH vom 23 Oktober 2003 (NJW 2004, 214), mag sie auch zu einer insolvenzrechtlichen Fragestellung ergangen sein, auf die vorliegende erbrechtliche Problematik des § 2325 BGB für übertragbar. Wie das Landgericht Göttingen unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH zutreffend ausführt, hat der Berechtigte im Falle einer widerrufliche Bezugsberechtigung, von der hier mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nach § 166 Abs. 1 VVG auszugehen ist, zu Lebzeiten des Erblassers lediglich eine mehr oder weniger konkrete Aussicht auf den Erwerb der Versicherungssumme. Der Erblasser kann zu Lebzeiten die Bezugsberechtigung jederzeit anderweitig regeln. Dann aber hat der Erblasser nicht lediglich die Versicherungsprämien, sondern die gesamte Versicherungsleistung zugewendet, da sich erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers die Bezugsberechtigung in eine unwiderrufliche umwandelt und ein Direktanspruch des Berechtigten, mithin im vorliegenden Fall des Beklagten, gegen die Versicherung entsteht, sich also die Aussicht auf die Zuwendung zu einem Anspruch verfestigt (§ 166 Abs. 2 VVG). Hinzu kommt, dass sich der Erblasser auch erst zu diesem Zeitpunkt seines Vermögens zugunsten des Berechtigten endgültig entäußert. Denn da er zu Lebzeiten jederzeit eine andere Bezugsberechtigung hätte wählen können und des Weiteren zu Lebzeiten jederzeit die Möglichkeit bestanden hätte, sich die Versicherungsleistung - wenn auch regelmäßig mit erheblichem Verlust - selbst auszahlen zu lassen (§ 176 VVG), ist eine endgültige Entäußerung des Vermögens erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls eingetreten. Hinzu kommt außerdem, dass zum einen bei einer Kapital-Lebensversicherung, wie sie hier mangels entgegenstehender Angaben vorgelegen hat, regelmäßig Todesfallschutz und Bildung eines Kapitalstocks kombiniert werden. Inwieweit die geleisteten Versicherungsprämien mit den ausgezahlten Versicherungsleistungen korrespondieren, hängt folglich von vielen eher zufälligen Faktoren wie Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls, Zeitpunkt der Zahlung der Versicherungsprämien und Renditestärke des Versicherers ab. Die dadurch bedingte Zufälligkeit der Höhe des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten wird indes dadurch vermieden, dass ihm einen Anspruch auf Teile der ausgezahlten Versicherungsleistung zugebilligt wird. Des Weiteren ist im Rahmen anderer Zuwendungen in Form des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall, etwa in Form von zugewendeten Fondsanteilen oder Sparbüchern, regelmäßig der Wert der Zuwendung im Zeitpunkt des Todesfalls maßgeblich. Dabei werden auch erwirtschaftete Kurs- oder Zinsgewinne als Zuwendung des Erblassers gewertet. Die Zuwendung der Versicherungsleistung ist jedoch in der Sache nichts anderes; denn soweit diese die Prämienzahlungen übersteigen, folgt dies aus den am Markt erwirtschafteten (Kapital)Erträgen des Versicherungsunternehmens. Warum diese dem Zuwendungsempfänger im Gegensatz zu anderen kapitalbildenden Anlageformen ohne Ausgleich unter Umgehung der Schutzvorschrift des § 2325 BGB und damit unter Ausschluss des Pflichtteilsberechtigten in Gänze zukommen sollen, ist nicht schlüssig begründbar; maßgeblich ist bei alledem vielmehr, dass dem Begünstigten von vornherein tatsächlich mehr als nur die Summe der bis zum Versicherungsfall angefallenen Prämien zugewandt wird (LG Göttingen a.a.O.).

Aufgrund dieser Betrachtungsweise stehen dem Kläger nach dem zwischen den Parteien unstreitigen Rechenwerk weitere 11.157,87 € aus § 2325 BGB zu.

III.

Lediglich teilweise Erfolg hat die Berufung im Zinsausspruch. Da sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen lässt, dass und vor allen Dingen zu welchem Zeitpunkt der Beklagte bezüglich des - zunächst gegebenenfalls noch unbezifferten - Pflichtteilsanspruchs gemahnt worden ist, sind dem Kläger lediglich Rechtshängigkeitszinsen zuzubilligen (§§ 291, Satz 2, 288 Abs. 1, Satz 2 BGB), da ein vorheriger Verzugseintritt nicht festgestellt werden kann.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

V.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zugelassen. Die Frage nach dem Schenkungsgegenstand im Zusammenhang mit Lebensversicherungsverträgen spielt in einer Vielzahl von Fällen eine Rolle und bedingt daher ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung.

Ende der Entscheidung

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