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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.12.2007
Aktenzeichen: I-7 U 228/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 29
ZPO § 328 Abs. 1
ZPO § 328 Abs. 1 Zf. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Zf. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 27. Sept. 2005 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg aufgehoben und wird der Rechtsstreit wegen des Hilfsantrags auf Zahlung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Vollstreckung der jeweils anderen Partei wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der in der Berufungsinstanz entstandenen und vollstreckbaren Kosten abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

1.

Die Parteien streiten in erster Linie um die Vollstreckbarkeit eines Urteils des Argentinischen Nationalen Berufungsgerichts in Deutschland, durch das die Beklagte, eine KG mit Sitz in Deutschland, im September 2000 verurteilt worden ist, an den Kläger, einen in Argentinien lebenden Rentner mit argentinischer Staatsbürgerschaft, 264 000 USD Maklerhonorar nebst Zinsen zu zahlen. Gegenstand des Hauptvertrages zu dem behaupteten Maklervertrag war die Lieferung einer Galvanisierungsanlage durch die Beklagte nach Argentinien gewesen. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens des Parteien wird auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage sowohl zum Hauptantrag,

das Urteil des Argentinischen Nationalen Berufungsgerichts vom 15.09.2000 für vollstreckbar zu erklären,

als auch zum Hilfsantrag,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 264.000 US$ nebst Zinsen in Höhe des von der Bank Argentiniens festgelegten Zinssatzes für Diskontgeschäfte seit dem 07.07.1995 zu zahlen,

abgewiesen, den Hauptantrag aus Rechtsgründen - den argentinischen Gerichten habe die internationale Zuständigkeit iSd § 328 Abs. 1 Zf. 1 ZPO gefehlt - und den Hilfsantrag, weil der Kläger zur Ursächlichkeit seiner Bemühungen nicht hinreichend substantiiert und - trotz Hinweises - auch ohne Beweisantritt vorgetragen habe.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Duisburg vom 27.09.2005 das Urteil gleichen Rubrums des Argentinischen Nationalen Berufungsgerichts vom 15.09.2000 für vollstreckbar zu erklären,

hilfsweise,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 27.09.2005 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 264.000,00 US$ nebst Zinsen in Höhe des von der Bank Argentiniens festgelegten Zinssatzes für Diskontgeschäfte seit dem 07.07.1995 zu zahlen,

insoweit vorsorglich auch Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht wegen Verletzung von Hinweispflichten,

äußerst hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Kläger meint, die internationale Zuständigkeit der argentinischen Gerichte habe sich hier aus der spiegelbildlichen Anwendung von § 29 ZPO ergeben, da nach argentinischem Recht der Erfüllungsort der dem argentinischen Urteil zugrunde liegenden (Provisions-) Forderung in Argentinien gelegen habe. Zum Zahlungshilfsantrag bestreitet der Kläger, erstinstanzlich Anlaß gehabt zu haben, insoweit zur Sache ergänzend vorzutragen; der Hinweis des Landgerichts wegen zu ergänzenden Vortrags habe sich lediglich auf anerkennungsrelevante Tatsachen bezogen, nicht auf den Zahlungsantrag selbst.

Die Beklagte, die das angefochtene Urteil verteidigt, beantragt, die Berufung mit allen Anträgen zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer Rechtsauskunft des M für Ausländisches und Internationales Privatrecht sowie durch Anhörung des Verfassers (Referenten) im Termin; insoweit wird auf das Terminsprotokoll vom 26. Okt. 2007 verwiesen.

2.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

2.1.

Allerdings bleibt die Berufung, soweit der Hauptantrag auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des Argentinischen Nationalen Berufungsgerichts zurückgewiesen worden ist, ohne Erfolg, denn die Beurteilung des Landgerichts, daß die Voraussetzungen, unter denen ein ausländisches Urteil für vollstreckbar erklärt werden kann (§ 328 ZPO), vorliegend nicht erfüllt sind, ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend. Es liegt ein Fall des § 328 Abs. 1 Zf. 1 ZPO vor, d.h., das argentinische Berufungsurteil ist nicht für vollstreckbar zu erklären, weil die argentinischen Gerichte nach deutschem Recht international nicht zuständig waren (vgl. Zöller/Geimer, 25.A., § 328 ZPO Rzf. 96 ff).

2.1.1.

Die Komplikation des vorliegenden Falles rührt daher, daß, wie die umfangreiche Beweisaufnahme ergeben hat, nach argentinischem Kollisionsrecht das Bestehen irgendeines Erfüllungsorts in Argentinien genügt, damit, wie auch im vorliegenden Fall geschehen, die argentinischen Gerichte ihre internationale Zuständigkeit bejahen, daß dieser Erfüllungsort, der im Interesse des argentinischen Staatsbürgers, der seine Vertragspartner vor argentinischen Gerichten in Anspruch nehmen können soll, bejaht wird, aber nicht notwendig identisch ist mit dem Erfüllungsort der jeweils streitigen Forderung, der sich nach argentinischem Sachrecht bestimmt und auf den nach deutschem Recht allein abzustellen ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein Fall des § 328 Abs. 1 Zf. 1 ZPO gegeben ist.

Die Anknüpfungsnorm für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit der argentinischen Gerichte durch diese ist ausweislich des Gutachtens Art. 1215 CC, der in der nichtoffiziellen Übersetzung lautet:

"Bei allen Verträgen, deren Erfüllungsort in der Republik [Argentinien] liegt, kann der Schuldner vor den Gerichten der Republik verklagt werden, auch dann, wenn er nicht seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt darin hat."

Da dieser Artikel in einem Kapitel des CC zu internationalen Verträgen steht und da er einen Erfüllungsort nicht bestimmt, sondern dessen Bestehen voraussetzt, ist er ausweislich der Rechtsauskunft nach h.M. und Praxis in Argentinien keine materielle Vorschrift über den Erfüllungsort einer vertraglichen Verpflichtung, sondern eine Vorschrift lediglich zur Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit der argentinischen Gerichte. Nach der argentinischen Rechtsprechung, für die der Gutachter auch einige wenige Beispiele aufgeführt hat, reicht es aber, wie gesagt, aus, daß irgendein Erfüllungsort in Argentinien liegt, im vorliegenden Fall der des Tätigwerdens des Klägers von Argentinien aus, um die internationale Zuständigkeit der Gerichte dort zu bejahen.

Die internationale Zuständigkeit der argentinischen Gerichte i.S. des § 328 Abs. 1 ZPO ist dagegen nur dann gegeben, wenn die argentinischen Gerichte unter gedanklicher Anwendung der deutschen Vorschriften zuständig waren. Mangels Spezialnormen des deutschen Rechts für diesen Fall wird hier § 29 ZPO, eigentlich eine Norm zur örtlichen Zuständigkeit innerhalb Deutschlands, entsprechend und "spiegelbildlich" angewandt. Zu prüfen ist daher, ob die argentinischen Gerichte international zuständig wären, wenn dort die deutschen Regeln zur internationalen Zuständigkeit gälten. Die im schriftlichen Gutachten ausführlich diskutierte streitige Frage, nach welchem Sachrecht sich im Rahmen des § 29 ZPO und der Frage der Anerkennungszuständigkeit der (materielle) Erfüllungsort bestimmt, kann unentschieden bleiben, weil sowohl bei Anwendung argentinischen IPR als auch bei Anwendung deutschen IPR immer argentinisches Sachrecht dasjenige Recht ist, nach dem sich der Erfüllungsort des Provisionsanspruchs bestimmt und damit die Frage nach der internationalen (Anerkennungs-) Zuständigkeit beantwortet. Für die Verneinung des § 328 Abs. 1 Zf. 1 BGB ist also der gesetzliche Erfüllungsort der - hier relevanten - Provisionsverpflichtung zu bestimmen, und diese Bestimmung richtet sich nicht nach deutschem Recht, sondern nach der argentinischen lex causae (auch Zöller/Geimer aaO Rzf. 107).

2.1.2.

Es ist nach alledem zu prüfen, ob die von den Parteien, insbesondere dem Kläger, genannten Art. 1215, Art. 1212, Art. 618 oder Art. 747 CC für die hier eingeklagte Provisionsforderung einen (materiellen) Erfüllungsort in Argentinien begründen. Da das argentinische "HGB", der CCom, und der Codigo Civil (CC) ausweislich der Rechtsauskunft keine speziellen Regelungen zu Maklerverträgen enthalten, sind die allgemeinen Normen des CC anzuwenden, die sämtlich vorrangig auf einen vereinbarten Erfüllungsort abstellen. Von den von den Parteien genannten und dem Gutachter erörterten Normen können Art. 618 CC und Art. 747 CC für die vorliegende Entscheidung außer Betracht bleiben: durch sie werden materielle Erfüllungsorte am Sitz des Schuldners der Provisionsforderung, also in Deutschland, sei es unmittelbar, sei es als Auffangzuständigkeit, jedenfalls in Deutschland, begründet, daraus lässt sich die Anerkennungszuständigkeit der argentinischen Gerichte iSd § 328 Abs. 1 ZPO also nicht herleiten. Für die Bestimmung des materiellen Erfüllungsortes der Provisionsforderung im Rahmen des § 29 ZPO (und damit die Anerkennungszuständigkeit iSd § 328 Abs. 1 Zf. 1 ZPO) ist aus den vorstehend unter 2.1.1. dargelegten Gründen weiterhin auch Art. 1215 CC ohne Relevanz, eben weil es sich dabei um eine prozessuale Norm handelt und der "Erfüllungsort" des Art. 1215 CC nicht zugleich der Erfüllungsort des materiellen Rechts ist.

Aber auch aus Art. 1212 CC ergibt sich - entgegen der Ansicht des Klägers - kein Erfüllungsort für die vorliegende Provisionsforderung in Argentinien und damit keine Anerkennungszuständigkeit der argentinschen Gerichte. Davon ist der Senat aufgrund der Anhörung des Referenten des M für Ausländisches und Internationales Privatrecht überzeugt. Artikel 1212 CC lautet in seiner ebenfalls nichtoffiziellen Übersetzung:

"Soweit er nicht im Vertrag bestimmt wurde oder sich nicht aus der Natur der Verpflichtung [obligación] ergibt, ist der Erfüllungsort bei Verträgen derjenige Ort, an dem der Vertrag geschlossen wurde, wenn dies der Wohnsitz des Schuldners war, (......)."

Dieser Artikel regelt nach seinem Wortlaut also den materiellen Erfüllungsort der Vertragsverpflichtungen auch bei zweiseitigen Verträgen danach,

ob und wo er im Vertrag von den Parteien bestimmt ist,

hilfsweise, ob und wo die "Natur der Verpflichtung" oder des Vertrages ihn indiziert,

hilfshilfsweise, wo der Schuldner seinen Sitz hat.

Insoweit hat der Referent des M bei seiner Anhörung durch den Senat indes unter Berufung auf die Veröffentlichung eines erstinstanzlichen Urteils von 1976 in einem Lehrbuch des argentinischen IPR (von Antonio Boggiano) bekundet, daß es sich auch bei Art. 1212 CC - ähnlich wie bei Art. 1215 CC - vorrangig um eine Kollisionsnorm handele. Darüberhinaus führe - den materiell-rechtlichen Charakter der Norm einmal unterstellt - die Anwendung des Art. 1212 CC auch nicht zur Bejahung eines Erfüllungsorts in Argentinien und damit der Anerkennungszuständigkeit der argentinischen Gerichte, weil "obligación" dort im Singular stehe und sich die Norm daher schon sprachlich nicht auf den gesamten Maklervertrag (mit unterschiedlichen Verpflichtungen und unterschiedlichen Schuldnern) beziehen könne. Dieser Mangel an Eindeutigkeit gerade des Art. 1212 CC habe dazu geführt, daß die Lehre in Argentinien über den Wortlaut der Norm hinaus Kriterien entwickelt habe, um Art. 1212 CC überhaupt - aber eben nur als Kollisionsnorm - praktikabel anwenden zu können. Wenn er (Referent) sich die Frage stelle, die vorliegend entscheidend sei, nämlich wie sich nach argentinischem Recht die Frage des Erfüllungsorts der hier eingeklagten Provisionszahlung beantworte, um danach die Zuständigkeit der argentinischen Gerichte im Rahmen des § 328 Abs. 1 ZPO bestimmen zu können, dann müsse er Folgendes feststellen: bei Zahlungspflichten gebe es nach dem argentinischem Recht keine "Natur" der Verpflichtung, jedenfalls habe er trotz intensiver Suche keine einschlägigen Entscheidungen argentinischer Gerichte finden können, und dann sei nach argentinischem Recht eben doch wieder auf den Wohnsitz des Schuldners abzustellen oder aber auf den Ort des Schlusses des Maklervertrags - und damit in beiden Fällen vorliegend auf Orte außerhalb Argentiniens -, was die internationale Zuständigkeit der argentinischen Gerichte iS des § 328 Abs. 1 ZPO entfallen lasse. Dem ist nichts hinzuzufügen.

2.2.

Wegen des Hilfsantrags auf Zahlung hat die Berufung des Klägers dagegen Erfolg. Das landgerichtliche Urteil war aufzuheben, soweit auch der Zahlungsantrag abgewiesen worden ist, und der Rechtsstreit ist wegen des Hilfsantrags gemäß § 538 Abs. 2 Zf. 1 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Kläger hat diese Zurückverweisung beantragt und die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Zf. 1 ZPO sind erfüllt.

Entgegen den Feststellungen im landgerichtlichen Urteil hat der Kläger keineswegs zur Ursächlichkeit seiner Bemühungen (und damit zur Begründetheit seiner Zahlungsklage auf Maklerprovision) trotz Hinweises vom 30.11. 2004 nicht hinreichend substantiiert und ohne Beweisantritt vorgetragen. Der mehrseitige Hinweisbeschluß des Landgerichts vom 30.11. 2004 befaßte sich ausschließlich mit Fragen der Anwendbarkeit argentinischen Rechts und der Vollstreckbarkeit des argentinischen Urteils, also allein mit dem Hauptantrag; entsprechendes gilt für die nachfolgenden Schriftsätze bis hin zum Termin zur mündlichen Verhandlung, an deren Ende das Landgericht sein in vollem Umfang klageabweisendes Urteil verkündet hat. Es bestand für den Kläger nicht nur aus dessen Sicht, wie er dem Landgericht gegenüber am Ende seines Schriftsatzes vom 11. Jan. 2005 und damit acht Monate vor dem Termin, erläutert hat, sondern auch objektiv kein Anlaß, "für alle Fälle" zum Hilfsantrag auf Zahlung einen um viele Jahre zurückliegenden Sachverhalt aufzubereiten und im Detail vorzutragen, um die Abweisung sogleich auch des Hilfsantrags als unsubstantiiert zu vermeiden. Das Landgericht hätte, nachdem es zur Überzeugung gelangt war, daß der Hauptantrag auf Vollstreckbarerklärung unbegründet war, dem Kläger erst Gelegenheit geben müssen, zur Substantiierung seines Provisionsanspruchs näher vorzutragen und Beweis anzutreten. Das hat es unterlassen und das wird nachzuholen sein.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 92, § 708 Zf. 10, § 711 ZPO.

Ein Anlaß, die Revision zuzulassen, besteht nicht.

Streitwert: bis 230.000,00 € (§ 40 GKG)

Ende der Entscheidung

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