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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: I-8 U 153/04
Rechtsgebiete: GOZ, AGBG, ZPO, BGB
Vorschriften:
GOZ § 2 | |
GOZ § 10 Abs. 3 | |
AGBG § 1 Abs. 2 a.F. | |
ZPO § 531 Abs. 2 | |
BGB § 813 Abs. 1 Satz 1 |
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 20.10.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau (künftig: Zedentin) die Rückzahlung eines Teils der an den Beklagten gezahlten Honorare für die zahnärztliche Behandlung der Zedentin im Zeitraum vom 19.10.2001 bis 27.03.2002. Er hat zunächst in einem Vorprozess (LG Hamburg 302 O 270/02; Hans. OLG 9 U 65/03) seinen Krankenversicherer (.....) erfolglos auf vollständige Erstattung dreier Rechnungen des Beklagten (Anl. K 2 - K 4) in Anspruch genommen; in jenem Verfahren hatte er dem Beklagten den Streit verkündet, dieser war jedoch dem Rechtsstreit nicht beigetreten. Der Kläger meint, der Beklagte sei um den von seinem Krankenversicherer nicht erstatteten Teil der abgerechneten Honorare ungerechtfertigt bereichert.
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er macht geltend, das Landgericht habe die Anforderungen an die Wirksamkeit der Streitverkündung überspannt; der Beklagte sei aufgrund von vorangegangenen Telefonaten über die Lage des Rechtsstreits vollumfänglich im Bilde gewesen. Deshalb könne er die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung nicht mehr geltend machen. Das Vorbringen zum Zustandekommen der Honorarvereinbarung sei darüber hinaus nicht in prozessordnungsgemäßer Weise erfolgt, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten ersichtlich lediglich dessen Angaben in seinen Schriftsatz hineinkopiert habe, ohne eine eigene gedankliche Schriftsatzleistung zu präsentieren. Jedenfalls habe das Landgericht diesen Vortrag nicht ohne Beweisaufnahme der Entscheidung zugrunde legen dürfen. Fehlerhaft sei die Annahme des Landgerichts, der Beklagte habe die Überschreitung des 2,3fachen Satzes in der Rechnung wegen der Honorarvereinbarung nicht begründen müssen; die fehlende Begründung könne auch nicht außerhalb der Rechnung nachgeholt werden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 20.10.2004 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 12.103,81 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 31.12.2003 zu zahlen.
Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger ein übergegangener bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der geleisteten Honorare (§§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., 398 BGB) nicht zusteht. Auch Schadensersatzansprüche kommen nicht in Betracht.
1.)
a) Der Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen liegt in dem Behandlungsvertrag zwischen der Zedentin und dem Beklagten in Verbindung mit den Vorschriften der GOZ und der getroffenen Honorarvereinbarung vom 19.10.2001. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts lässt entgegen der Auffassung des Klägers Rechtsfehler nicht erkennen:
Das Landgericht war an der Feststellung der Wirksamkeit der Honorarvereinbarung durch die Streitverkündung im Vorprozess schon deshalb nicht gehindert, weil diese Frage in jenem Verfahren nicht entscheidungserheblich war. Tragende Feststellungen hierzu haben weder das Landgericht Hamburg noch das Hanseatische Oberlandesgericht getroffen. Entscheidend war vielmehr allein die unterbliebene Begründung für die Überschreitung des 2,3fachen Steigerungssatzes und die daraus vermeintlich resultierende fehlende Fälligkeit der Zahnarztrechnungen.
Rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Honorarvereinbarung vom 19.10.2001 - die unstreitig vor Behandlungsbeginn getroffen wurde und auch inhaltlich den Anforderungen des § 2 GOZ genügt - wirksam ist, wenn es sich um eine Individualvereinbarung handelt. Dies wird vom Senat u.a. dann bejaht, wenn die Frage der vertragsgemäßen Gebührenregelung zwischen dem Zahnarzt und dem Patienten im Einzelnen persönlich besprochen worden ist. Eine solche Erörterung ist geeignet, den von dem Arzt für eine Vielzahl von Behandlungsfällen vorgesehenen Vertragsbestimmungen ihre Allgemeinheit zu nehmen und die für ihre Rechtswirksamkeit erforderliche Individualität zu verleihen. Auf ein "Aushandeln" im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG (a.F.), d.h. ein Zur-Disposition-Stellen der Honorarvereinbarung, kommt es dann nicht an. Das Landgericht konnte hier von einer solchen Individualvereinbarung ausgehen, denn der für den fehlenden Rechtsgrund darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat für seine Behauptung, die Honorarvereinbarung sei ohne nähere Erläuterung der Steigerungssätze durch den Beklagten abgeschlossen worden, keinen Beweis angetreten. Insbesondere hat er - entgegen der Darstellung in der Berufungsbegründung - nicht seine Ehefrau als Zeugin für die nunmehr von ihm behaupteten Umstände des Zustandekommens der Honorarvereinbarung benannt.
Das Landgericht war auch nicht gehindert, bei der Frage des Zustandekommens der Honorarvereinbarung der Darstellung des Beklagten zu folgen. Die Frage, ob die bloße Bezugnahme in der Klageerwiderung auf ein von dem Beklagten persönlich verfasstes Schreiben vom 12.06.2004 ein prozessordnungsgemäßes Vorbringen darstellt, stellt sich nicht, weil nicht der Beklagte die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung darlegen (und beweisen) muss, sondern der Kläger, der einen Bereicherungsanspruch geltend macht, deren Unwirksamkeit. Dabei muss er zumindest die vom Beklagten geltend gemachten Gründe für eine Wirksamkeit widerlegen, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Gründe im Prozess ordnungsgemäß vorgetragen sind oder sich nur aus - zur Akte gereichten - Schriftstücken ergeben. Den ihm obliegenden Beweis hat der Kläger in erster Instanz nicht angetreten; in zweiter Instanz ist er hiermit schon gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, denn er hat nicht dargelegt, dass der Beweisantritt ohne Nachlässigkeit unterblieben ist. Ohnehin bezieht sich der Beweisantritt nach seinem Wortlaut nur auf die - rechtlich unerhebliche - fehlende Möglichkeit des Aushandelns; darüber hinaus steht der nunmehrige Sachvortrag auch im Widerspruch zu den Behauptungen des Klägers im Vorprozess. Dort hat er seine Ehefrau als Zeugin für die Behauptung benannt, die Gebührenregelung sei im Einzelnen persönlich zwischen ihr und dem Beklagten besprochen worden (BA Bl. 49/50); es liegt auf der Hand, dass nur eine der beiden widersprechenden Darstellungen zutreffen kann.
Den in erster Instanz erhobenen Einwand der Sittenwidrigkeit hat der Kläger in zweiter Instanz nicht mehr aufgegriffen. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist die von dem Beklagten getroffene Vereinbarung eines Entgelts, welches ausnahmslos erheblich über den Höchstsätzen der amtlichen Gebührenordnung liegt, im Hinblick auf das von ihm verfolgte Behandlungskonzept weder ohne weiteres willkürlich, noch verstößt sie per se gegen die berufsrechtliche Verpflichtung zu einer angemessenen Gestaltung der Vergütung. Nähere Darlegungen des Klägers hierzu fehlen auch in erster Instanz.
b) Auf die Frage der Fälligkeit der Honorarrechnungen und eines eventuellen Begründungserfordernisses nach § 10 Abs. 3 GOZ kommt es im Rahmen des geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Anspruchs nicht an. Selbst wenn die Rechnungen des Beklagten nicht fällig gewesen wären, würde dies ein Rückforderungsrecht der Zedentin nicht begründet haben, weil es sich bei der fehlenden Fälligkeit nicht um eine dauerhafte Einrede i.S. des § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Auch insoweit kommt es also auf eine etwaige Interventionswirkung der Streitverkündung im Vorprozess nicht an.
Im Übrigen ist das Landgericht mit Recht davon ausgegangen, dass bei einer auf einer wirksamen Honorarvereinbarung beruhenden Rechnung eine Begründung nach § 10 Abs. 3 GOZ nicht erforderlich ist, wie der Senat mehrfach, zuletzt im Urteil v. 14.04.2005 (- I-8 U 33/04 -) entschieden hat. Die abweichende Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts findet in den Vorschriften der GOZ keine Stütze (vgl. ausführlich Liebold/Raff/Wissing, Kommentar zur GOZ, § 10 Rdnrn. 24 - 28). Selbst wenn der Beklagte - was aufgrund der im landgerichtlichen Urteil aufgeführten, gegen eine Wirksamkeit der Streitverkündung sprechenden Umstände zweifelhaft ist - die rechtliche Beurteilung durch das Hanseatische Oberlandesgericht gegen sich gelten lassen müsste, würde ihn dies nicht hindern, die Fälligkeit durch Nachholen der Begründung nachträglich herbeizuführen, wie mit Schreiben vom 11.01.2004 geschehen, das auch der Kläger ersichtlich für ausreichend erachtet.
c) Weitere Einwendungen - insbesondere die im Vorprozess beanstandete Berechnung verschiedener Gebühren - hat der Kläger in zweiter Instanz nicht geltend gemacht. Im Hinblick auf die Erläuterungen des Beklagten im Schreiben vom 11.01.2004 wäre hierfür auch eine nähere Begründung erforderlich gewesen.
2.)
Die vom Kläger behauptete mangelnde Unterstützung des Beklagten bei der Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber seinem Versicherer ist im Rahmen des geltend gemachten Bereicherungsanspruchs unerheblich. Der vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt aber auch keinen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer nebenvertraglichen Pflicht zur Begründung der abgerechneten Leistungen.
Nach Treu und Glauben ist der Zahnarzt verpflichtet, dem Zahlungspflichtigen solche Angaben zu machen, die dieser zur Wahrnehmung seiner vertraglichen Rechte aus Versicherungsverträgen usw. benötigt (vgl. dazu Liebold/Raff/Wissing, GOZ, § 10 Rdnrn. 9, 28 f.). Der Kläger bedurfte jedoch gegenüber seinem Versicherer nicht der von ihm geforderten näheren Begründung der Gebührenhöhe. Zwar wurde bis zur Entscheidung des BGH vom 12.03.2003 (NJW 2003, 1596 ff.) teilweise die Auffassung vertreten, dem Versicherer, der seine Leistungen für eine Heilbehandlung, die das medizinisch notwendige Maß übersteigt, auf einen "angemessenen Betrag" herabsetzen darf (§ 5 Abs. 2 AVB bzw. § 5 Abs. 2 MB/KK), müsse im Ergebnis die gleiche Befugnis zugebilligt werden, wenn für eine medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahme ein unangemessen hohes Entgelt berechnet worden sei (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, 4. Zivilsenat, NJW-RR 1997, 1522 ff.). Wie der BGH in seiner Entscheidung klargestellt hat, erstreckt sich das Kürzungsrecht des Versicherers bei sogen. Übermaßbehandlung jedoch nicht auf "Übermaßvergütungen". Zwar musste diese Entscheidung des BGH dem Landgericht Hamburg im Vorprozess nicht bekannt sein; es hat jedoch die Darlegungs- und Beweislast nicht zutreffend gesehen: steht nämlich fest, dass eine Behandlung medizinisch notwendig ist, dann liegt jedenfalls die Darlegungs- und Beweislast für einen überhöhten Honorarsatz beim Versicherer, weil es sich insoweit um einen Leistungsausschluss (§ 5 Abs. 2 AVB bzw. gleichlautend § 5 Abs. 2 MB/KK) handelt (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 1244, 1245 sowie Schoenfeldt/Kalis, in: Bach/Moser, Private Krankenversicherung, MBKK 1994 § 5 Rdnr. 64, 65). Dass die einzelnen Behandlungsmaßnahmen - bis auf die im Schreiben des Versicherers vom 03.05.2002 aufgeführten Mehrfachberechnungen (BA Bl. 27/28) - medizinisch notwendig waren, hat der Versicherer nicht bestritten und durch die grundsätzliche Erstattung des 2,3fachen Satzes auch anerkannt. Danach oblag es ihm, die Voraussetzungen für die Übermaßregelung in Bezug auf die Honorarhöhe im Einzelnen darzulegen und zu beweisen.
Da der Kläger bei zutreffender rechtlicher Würdigung einer Begründung der Gebührenhöhe nicht bedurfte, hat sich der Beklagte danach durch das Unterlassen entsprechender Angaben nicht schadensersatzpflichtig gemacht. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn ihm bewusst gewesen wäre, dass das Gericht im Vorprozess die Darlegungs- und Beweislast unzutreffend sieht und er gleichwohl die verlangten Angaben unterlässt. Insoweit wirkt es sich jedoch aus, dass ihm bei der Streitverkündung die Lage des Prozesses - insbesondere der gerichtliche Hinweis auf die Schlüssigkeitsbedenken des Klägervortrags - nicht mitgeteilt worden ist. Die lediglich pauschale Behauptung, der Beklagte sei aufgrund von Telefonaten über die Lage des Rechtsstreits vollumfänglich im Bilde gewesen, ist nicht erheblich, weil dem Vorbringen nicht zu entnehmen ist, dass der Beklagte gerade über die Rechtsauffassung des Gerichts informiert worden ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § Abs. ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, ZPO.
Die Beschwer liegt € 20.000.
Streitwert: € 13.000.
Ende der Entscheidung
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