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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: I-8 U 82/06
Rechtsgebiete: LBG, BGB, ZPO, EStG
Vorschriften:
LBG § 47 | |
LBG § 48 Abs. 1 | |
LBG § 48 Abs. 3 | |
LBG § 98 Satz 3 | |
BGB § 823 Abs. 1 | |
BGB § 847 a.F. | |
ZPO § 287 | |
EStG § 9a S. 1 Nr. 1b | |
EStG § 19 Abs. 2 | |
EStG § 24 Nr. 1a |
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 2. Mai 2006 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Teilschmerzensgeld in Höhe von 7.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. April 2004 zu zahlen.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger von Juni 2002 bis Mai 2004 eine rückständige Verdienstausfallrente in Höhe von 22.109,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus 2.763,69 € seit dem 01.06.2002,
aus weiteren 2.763,69 € seit dem 01.09.2002,
aus weiteren 2.763,69 € seit dem 01.12.2002,
aus weiteren 2.763,69 € seit dem 01.03.2003,
aus weiteren 2.763,69 € seit dem 01.06.2003,
aus weiteren 2.763,69 € seit dem 01.09.2003,
aus weiteren 2.763,69 € seit dem 01.12.2003,
und aus weiteren 2.763,69 € seit dem 01.03.2004 zu zahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, für die Zeit vom 1. Juni 2004 bis zum 31.12.2007 an den Kläger jeweils drei Monate im voraus eine Verdienstausfallrente in Höhe von 2.763,69 € und für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 27. April 2011 an den Kläger jeweils drei Monate im voraus eine Verdienstausfallrente in Höhe von 2.488,68 € zu zahlen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständigen Verdienstausfallschaden (Sonderzahlung) in Höhe von 568,62 € für das Jahr 2002 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2003 sowie in Höhe von 574,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2004 zu zahlen.
5. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zum Ersatz aller künftigen materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet ist, die dem Kläger aus der ärztlichen Behandlung vom 06.03.2001 entstehen.
6. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
7. Die in erster Instanz entstandenen Kosten des Rechtsstreits haben der Beklagte zu 92 % und der Kläger zu 8 % zu tragen.
Die kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten zu 97 % und dem Kläger zu 3 % auferlegt.
8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Der Kläger darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe:
A.
Der am 27. April 1946 geborene Kläger war als Beamter im Justizdienst - zuletzt in der Position eines Ersten Justizhauptwachtmeisters - bei dem Amtsgericht Solingen beschäftigt. Er war seit Jahren vor allem wegen Rückenbeschwerden bei dem Beklagten, der eine Facharztpraxis für Orthopädie betreibt, in Behandlung. Dabei soll der Beklagte nach der Darstellung des Klägers bereits im Jahre 1994 nach dem Anlegen eines Unterschenkelgipsverbandes Gefäßkomplikationen festgestellt haben. Am 6. März 2001 legte der Beklagte dem Kläger zur Behandlung von Beschwerden im Bereich des rechten Fußes für zwei Wochen einen Gipsverband an. Eine Thromboseprophylaxe erfolgte nicht. Nachfolgend entwickelte sich auf dem Boden einer Venenthrombose in zwei Etagen des rechten Beins eine am 21. März 2001 nachgewiesene Lungenembolie, die stationär behandelt werden musste. Im Juli 2001 und im Juli des Jahres 2004 kam es zu weiteren tiefen Beinvenenthrombosen, zuletzt mit multiplen Lungenembolien.
Der bereits seit dem 6. März 2001 dienstunfähig geschriebene Kläger wurde nach einer Begutachtung durch den Amtsarzt gemäß § 47 LBG ab dem 1. Juni 2002 mit der Begründung der dauernden Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.
Der Kläger lastet diesen Verlauf dem Beklagten an, dem er vorwirft, auf die gebotene medikamentöse Thromboseprophylaxe verzichtet und ihn vor dem Anlegen des Gipsverbandes auch nicht über das Risiko einer Thrombosierung aufgeklärt zu haben.
Den von dem Haftpflichtversicherer des Beklagten vorprozessual zur beliebenden Verrechnung gezahlten Betrag von 8.000 € hat der Kläger auf das in Höhe von insgesamt 20.000 € erstrebte Schmerzensgeld angerechnet. Mit der Klage hat er den Differenzbetrag in Höhe von 12.000 € als Teilschmerzensgeld verlangt. Ferner hat er folgende Ansprüche geltend gemacht:
- Verdienstausfall für den Zeitraum von Juni 2002 bis Mai 2004 in Höhe von insgesamt 22.109,52 €;
- Zahlung einer Verdienstausfallrente in Höhe von 2.763,99 € für jeweils drei Monate;
- Erstattung ausgefallener Sonderzahlungen in Höhe von 568,62 € und 574,90 €.
Ferner hat der Kläger die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Schäden aufgrund der ärztlichen Behandlung begehrt.
Der Beklagte ist den Vorwürfen entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, die Behandlung durch ihn sei in jeder Hinsicht regelgerecht gewesen. Der Verzicht auf die Thromboseprophylaxe habe jedenfalls keinen groben Behandlungsfehler dargestellt. Im Übrigen hat der Kläger die Ursächlichkeit der Thrombose bzw. der Embolie für die Versetzung des Klägers in den Ruhestand und die geltend gemachten Erwerbsschäden bestritten.
Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und nach Anhörung des Gutachtenverfassers den Beklagten unter Abweisung der das Schmerzensgeld betreffenden weitergehenden Klage zur Zahlung eines Teilschmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € verurteilt und der Klage im Übrigen stattgegeben.
Gegen die Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er die vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und vertritt den Standpunkt, das Landgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Es hätte insbesondere zur Frage der Indikation der Thromboseprophylaxe den Widersprüchen zwischen den Ausführungen des Sachverständigen und den hierzu ergangenen Leitlinien nachgehen müssen. Die Beweiswürdigung im Rahmen der Feststellung zur Kausalität des Verzichts auf die Prophylaxe sei fehlerhaft. Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehle es auch an der Ursächlichkeit der Thrombose bzw. der Embolie für die Versetzung des Klägers in den Ruhestand. Schließlich beanstandet der Beklagte das zuerkannte Schmerzensgeld als unangemessen hoch und meint, der Kläger müsse sich bei der Berechnung eines Verdienstausfallschadens steuerliche Freibeträge anrechnen lassen.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrages. Er ist der Auffassung, die Haftung des Beklagten gründe sich nicht nur auf ein pflichtwidriges Unterlassen der Thromboseprophylaxe, sondern auch auf ein aktives Tun, nämlich das Anlegen des Gipsverbandes.
B.
Die zulässige Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Beklagten für die Entwicklung der Beinvenenthrombosen und der Lungenembolien und deren Folgen bejaht und den Beklagten zum Ersatz der hierdurch eingetretenen materiellen und immateriellen Schäden verurteilt. Eine Anspruchsminderung ergibt sich alleine im Hinblick auf die Berechnung des ab Januar 2008 zuzuerkennenden Anspruchs auf Ersatz des Verdienstausfallschadens.
I.
Die von dem Landgericht begonnene und von dem Senat ergänzte Beweisaufnahme lässt keinen Zweifel daran, dass dem Beklagten aufgrund des Unterlassens einer Thromboseprophylaxe bei der Immobilisierung des rechten Beines durch einen Unterschenkelgipsverband eine Fehler unterlaufen war, bei dem davon auszugehen ist, dass er für die entstandenen Beinvenenthrombosen (im März und Juli 2001 sowie im Juli 2004) sowie die Lungenembolien (im März 2001 und im Juli 2004) verantwortlich war.
1.
Der Senat hat den streitgegenständlichen medizinischen Sachverhalt mit dem Sachverständigen Prof. Dr. R..., der als Erster Oberarzt einer Orthopädischen Universitätsklinik über umfassende wissenschaftliche und praktische Erfahrungen zur Beantwortung der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Fragen verfügt und der dem Senat aus zahlreichen Verfahren als besonders kompetenter Gutachter bekannt ist, eingehend erörtert. Prof. Dr. R... hat dabei deutlich gemacht, dass bei dem Kläger aufgrund der damaligen Befundlage - gerade auch unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit aufgetretenen und in der Behandlungskartei des Beklagten dokumentierten Venenprobleme - von einem mittleren Thromboserisiko auszugehen war und dass es durch die erfolgte Ruhigstellung des Unterschenkels zu einem Ausschluss der Muskelpumpe gekommen war. Unter diesen Umständen - so der Sachverständige - bedurfte es in jedem Fall einer medikamentösen Thromboseprophylaxe, um die Entwicklung von Thrombosen bzw. von Embolien zu verhindern. In Übereinstimmung mit der von dem Kläger vorprozessual eingeschalteten Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler und den von dem Landgericht mit der Begutachtung beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. M... und Dr. V... hat Prof. Dr. R... deshalb deutlich gemacht, dass das Unterbleiben der Thromboseprophylaxe durch den Beklagten unzweifelhaft als Behandlungsfehler zu bewerten ist.
2.
Haftungsrechtlich ist davon auszugehen, dass bei Vornahme der erforderlichen Thromboseprophylaxe die Entwicklung der Beinvenenthrombosen und der Lungenembolien in den Jahren 2001 und 2004 verhindert worden wäre. Dieser Kausalitätsverlauf lässt sich zwar nicht mit letzter Gewissheit feststellen. Dem Kläger kommen in Bezug auf den Kausalitätsnachweis allerdings Beweiserleichterungen zugute. Das Unterbleiben der Thromboseprophylaxe ist nämlich als grobes ärztliches Versäumnis zu bewerten, das eine Umkehr der den Kausalitätsverlauf betreffenden Beweislast rechtfertigt (BGH, Urteil v. 27.04.2004, VI ZR 34/03). Der Senat hat die Beurteilung der Schwere des dem Beklagten vorzuwerfenden Fehlverhaltens eingehend mit dem Sachverständigen erörtert. Prof. Dr. R... hat dabei deutlich gemacht, dass die Ruhigstellung des Unterschenkels durch den Gips bei dem Kläger konkret das Risiko der Entwicklung einer Thrombose begründete, was auch dem Beklagten als niedergelassenem Orthopäden hätte bewusst sein müssen. Der Gipsverband führte nämlich - anders als es zum Beispiel bei einem Zinkleimverband der Fall ist - auch unter Berücksichtigung der von dem Beklagten beschriebenen Polsterung unwillkürlich zu einer Ausschaltung der Muskelpumpe. Hinzu kam, dass es bei dem Kläger bereits in der Vergangenheit nach der Anlage eines Gipsverbandes zu Venenproblenen gekommen war. Deshalb war, so der Sachverständige, auch nach dem für einen niedergelassenen Orthopäden im Jahre 2001 geltenden medizinischen Standard hier zwingend eine Thromboseprophylaxe zu fordern. Deren Unterbleiben ist, so der Sachverständige, als völlig unverständliches ärztliches Verhalten und damit als grober Fehler anzusehen. Der Senat schließt sich dieser überzeugenden Bewertung des Fehlverhaltes des Beklagten an. Trotz einer eindeutigen Indikationsstellung unterließ es der Beklagte, eine einfache Behandlungsmaßnahme vorzunehmen, was zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben des Klägers führte. Eine abweichende Beurteilung ist auch unter Berücksichtigung der erstinstanzlichen Begutachtung nicht gerechtfertigt. Prof. Dr. M... und Dr. V... haben zwar im Ergebnis die Annahme eines groben ärztlichen Fehlers verneint, dies allerdings unter der Prämisse, dass bei dem Kläger nur ein geringes Thromboserisikos bestand, was allerdings nicht der Fall war. Prof. Dr. M... weist in seinem Erstgutachten (Seite 27 des Gutachtens = GA 300) selbst darauf hin, dass der - wie hier - immobilisierende Verband an der unteren Extremität ein erhöhtes Risiko der Entstehung einer tiefen Beinvenenthrombose darstellt. Seine Schlussfolgerung, dass ein grober Fehler deshalb nicht vorliege, weil bei dem Kläger ein niedriges bzw. ein insgesamt niedriges Risiko vorgelegen habe, überzeugt unter diesen Umständen nicht, zumal Prof. Dr. R... eingehend erläutert hat, dass bei dem Kläger von einem mittleren Thromboserisiko auszugehen war.
II.
Infolge der von dem Beklagten zu vertretenden gesundheitlichen Schädigung hat der Kläger gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB (a.F.) Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzengeldes. Dessen Bemessung - als Teilschmerzensgeld - durch das Landgericht auf insgesamt 7.000 € (15.000 € abzüglich gezahlter 8.000 €) ist nicht zu beanstanden.
1.
Der Kläger hat die Schmerzensgeldforderung in zulässiger Weise im Wege der Teilklage geltend gemacht und die Anspruchsbemessung auf die bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung feststellbaren Beeinträchtigungen begrenzt (BGH, Urteil v. 20.01.2004, VI ZR 70/03 m. w. N.). Da die Schmerzensgeldforderung auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet ist, ist sie unabhängig davon, dass es sich um einen einheitlichen Anspruch handelt, grundsätzlich teilbar und kann deshalb als individualisierbarer Teil Gegenstand der Teilklage sein, sofern erkennbar ist, um welchen Teil des Gesamtanspruchs es sich handelt. Das ist - wie hier - der Fall, wenn der Kläger nur einen Teilbetrag eines Schmerzendgeldes geltend macht und bei der Bemessung der Anspruchshöhe nur die Berücksichtigung der Schadenfolgen, die bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind, verlangt (BGH a. a. O.).
2.
Der zuerkannte Schmerzensgeldbetrag von (noch) 7.000 € (15.000 € abzüglich gezahlter 8.000 €) ist zum Ausgleich der als Folge des Behandlungsfehlers des Beklagten eingetretenen und bis zur letzten mündlichen Verhandlung feststellbaren Schäden angemessen, aber auch ausreichend. Das Schmerzensgeld soll dem Berechtigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet. Dabei steht - von Ausnahmen abgesehen - die Ausgleichsfunktion im Vordergrund mit der Folge, dass die Höhe des Schmerzensgeldes in erster Linie vom Umfang und den Auswirkungen der körperlichen Schädigung abhängt. Von Bedeutung sind daher die Schmerzen, die der Verletzte zu ertragen hat, die Dauer des Schadens und verletzungsbedingte Beeinträchtigungen solcher Funktionen, die sich, wenn sie negativ betroffen sind, ungünstig auf die Lebensführung, die Lebensqualität und damit auf das persönliche Schicksal des Geschädigten auswirken.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass der Kläger aufgrund der Thrombosen erhebliche Schmerzen hat erleiden müssen, dass er durch die eingetretenen Lungenembolien in Lebensgefahr geraten war und dass er seither vorbeugend Marcumar einnehmen und Stützstrümpfe tragen muss. Wenn auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die infolge der Erkrankung des Klägers erfolgte vorzeitige Versetzung in den Ruhestand besonders belastend für ihn ausgewirkt hat, so rechtfertigen die von dem Landgericht beschriebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die sich daraus für den Kläger ergebenden Einschränkungen das zuerkannte Schmerzensgeld.
III.
Der dem Kläger von dem Landgericht zuerkannte Verdienstausfall ist dem Grunde nach berechtigt; lediglich hinsichtlich der Anspruchsberechnung war für den Zeitraum ab Januar 2008 eine Korrektur vorzunehmen.
1.
Der Senat sieht es unter Beachtung des Beweismaßstabes nach § 287 ZPO als bewiesen an, dass die vorzeitige Versetzung des Klägers in den Ruhestand mitursächlich auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge der von dem Beklagten zu verantwortenden Beinvenenthrombosen und der Lungenembolien zurückzuführen ist. Der Behandlungsfehler des Beklagten war damit - was für die haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Beklagten genügt - mitursächlich für den dem Kläger durch den vorzeitigen Ruhestand entstandenen Verdienstausfall.
Es trifft zwar zu, dass der Kläger bereits in den Jahren zuvor wegen orthopädischer Leiden, die sich auch auf seine berufliche Tätigkeit auswirkten und zu seiner Versetzung in die Gerichtsvollzieherverteilungsstelle führten, in ärztlicher Behandlung war. Die amtsärztliche Begutachtung selbst weist in diesem Zusammenhang auf einen früheren Bandscheibenvorfall hin. Allerdings besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass erst die durch die Entwicklung der Beinvenenthrombosen und der Embolien bedingten weiteren Einschränkungen zu der Versetzung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand geführt haben: Aus den von dem Kläger vorgelegten Unterlagen und dem daraus ersichtlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Thrombosen und der Lungenembolien und der Verfügung des Zuruhesetzungsbescheides geht hervor, dass das die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand betreffende Verfahren (erst) aufgrund der Beeinträchtigungen des Klägers in Folge der Entwicklung mehrer Thrombosen und der ersten Lungenembolie eingeleitet worden war. So weist der einleitende Vermerk des Amtsgerichtsdirektors vom 5. September 2001 auf die krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit des Klägers ab März 2001 - also dem Zeitpunkt seit der Feststellung der Beinvenenthrombose und der Lungenembolie am 21. März 2001 - hin. Erst daraufhin wurde die amtsärztliche Begutachtung eingeleitet. Das für den Zuruhesetzungsbescheid durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 2002 maßgebenden Gutachten des Amtsarztes Dr. St... vom 11. Dezember 2001 macht zudem deutlich, dass seine Einschätzung der nur sehr eingeschränkten Belastbarkeit des Klägers neben anderen Leiden (auch) auf den Zustand nach Beinvenenthrombosen und Lungenembolien zurückzuführen war, was einleuchtet, wenn man bedenkt, dass der Kläger ausweislich der Behandlungsdokumentation seines Hausarztes bis Dezember 2001 fortlaufend ärztlich behandelt wurde. So hat auch der in erster Instanz mit der Begutachtung befasste Sachverständige Prof. M... ausgeführt, die Folgen der Lungenembolie und der tiefen Beinvenenthrombose seien angesichts der degenerativen Erkrankung der Wirbelsäule nicht die einzige Ursache für die Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit des Klägers und seine Versetzung in den Ruhestand gewesen, vielmehr habe es sich insoweit um eine Teilursache ("der Tropfen, der den Eimer hat überlaufen lassen") gehandelt, was für die haftungsmäßige Inanspruchnahme des Beklagten genügt (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Auflage, B 217 m. w. N.).
Prof. Dr. R... hat bei seiner Anhörung demgegenüber die Auffassung vertreten, dass das Thrombosegeschehen aus seiner Sicht keine messbare Einschränkung für die von dem Kläger damals ausgeübte Erwerbstätigkeit als Wachtmeister der Gerichtsvollzieherverteilungsstelle hatte und dass der Kläger seine Tätigkeit durchaus hätte weiter ausüben können. Auch wenn man dieser Darstellung folgt und annimmt, dass die Voraussetzungen für eine vorzeitige Pensionierung sachlich nicht vorlagen, ergibt sich keine andere Beurteilung zu den Voraussetzungen des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz seines Erwerbsschadens:
An die Feststellung der Dienstunfähigkeit des Klägers aufgrund des Bescheides der Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 2002 ist der Senat gebunden. Diese Entscheidung, die von der Dienstherrin des Klägers als der hierfür zuständigen Behörde im Verwaltungsweg zu treffen war, ist von den ordentlichen Gerichten nicht nachzuprüfen. Dies gilt auch dann, wenn die Beurteilung der Dienstfähigkeit objektiv gesehen unrichtig sein sollte (BGH VersR 69, 538; NJW 84, 354; OLG Celle 14 U 277/01, Urteil vom 30.05.2007), was für die Annahme eines wegen Willkür nichtigen Verwaltungsaktes nicht ausreicht (a.a.O.).
2.
Der Kläger muss sich auch keine anspruchsmindernde Verletzung einer Erwerbsobliegenheit zurechnen lassen: Prof. Dr. R... hat zwar erläutert, dass der Kläger aufgrund seines gegenwärtigen Gesundheitszustandes durchaus in der Lage wäre, einer mit seiner früheren Arbeit vergleichbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ob der Kläger deshalb - auch in der Vergangenheit - gehalten war bzw. gehalten ist, sich um eine entsprechende Verdienstmöglichkeit zu bemühen und ob ihm ein entsprechendes Unterlassen als anspruchsmindernde Obliegenheitsverletzung zuzurechnen wäre (§ 254 GB), kann im Ergebnis dahinstehen. Selbst wenn der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum in zurechenbarer Weise einen Zusatzerwerb unterlassen hätte, wirkt sich dies wegen des Vorrechtes des Beamten angesichts der in Höhe der Ruhestandsbezüge auf den Dienstherren übergegangenen Ersatzansprüche auf seine dem Beklagten gegenüber bestehenden Forderungen nicht aus: Das sich aus § 98 Satz 3 LBG ergebende Vorrecht des Beamten bedeutet, dass er aus dem Anspruch gegen den Schädiger zunächst seinen nach Zahlung der Pension verbleibenden Schaden decken darf; er soll lediglich nicht auf Kosten des Dienstherren mehr erhalten, als er vor dem Schadensereignis gehabt hat. Der Schaden des Beamten besteht im Entgang seiner aktiven Dienstbezüge. Er würde nur gemindert, wenn der Pensionär tatsächlich einem Ersatzerwerb nachginge. Die erhaltene Restarbeitskraft, die eingesetzt werden könnte, stellt als solche ebenso wenig eine Schadenminderung dar, wie der Ausfall der Arbeitskraft als solche einen Schaden bildet. Sie bewirkt nur eine Anspruchsminderung gegenüber dem Schädiger, die sich nach dem Sinn des § 98 Satz 3 LBG im Zweifel zu Lasten des Dienstherren auswirken muss (vgl. BGH NJW 1984, 354 f.). Danach müsste ein wegen einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit anzurechnender Verdienst des Klägers in erster Linie in Bezug auf den auf den Dienstherren übergegangenen Anspruch berücksichtigt werden. Nur wenn der Kläger mehr als die Differenz zu seinen Ruhestandsbezügen verdienen könnte, müsste er eine anspruchsmindernde Anrechnung in Kauf nehmen. Von einer entsprechenden Verdienstmöglichkeit ist indes nicht auszugehen, weil der Kläger angesichts seines Alters und seiner sonstigen gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage sein dürfte, mehr als einen Nebenverdienst zu erzielen. Dass der Kläger - wie der Beklagte behauptet - tatsächlich einer Erwerbstätigkeit nachgeht, lässt sich nicht feststellen.
3.
Eine Haftungseinschränkung ergibt sich auch nicht aus der Überlegung, der Kläger hätte - ausgehend von den Ausführungen von Prof. Dr. R..., wonach er aus gesundheitlichen Gründen nicht gehindert wäre, seine Ursprungstätigkeit fortzusetzen - den die Zurruhesetzung begründenden Verwaltungsakt anfechten oder sich zumindest um eine Wiederaufnahme in den aktiven Beamtendienst bemühen müssen. Der Kläger hatte nämlich keinen Anlass zu der Annahme, der Bescheid der Oberlandesgerichtspräsidentin sei rechtswidrig und könnte im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens aufgehoben werden. Außer den von ihm seinerzeit geäußerten Beschwerden, die zu lange andauernden Krankschreibungen geführt hatten, wurde durch den Amtsarzt bestätigt, dass er wegen seiner körperlichen Einschränkungen auf Dauer unfähig war, die Dienstpflichten seiner bisher ausgeübten Tätigkeit auszufüllen. In Anbetracht dieser ärztlichen Bestätigung musste der Kläger nicht annehmen, er sei - dennoch - dienstfähig. Dem Kläger ist auch nicht vorzuwerfen, sich im weiteren Verlauf nicht um eine Wiederaufnahme in den aktiven Dienst bemüht zu haben: Zwar sieht § 48 Abs. 3 LBG - § 48 Abs. 1 LGB betrifft das auf Initiative des Dienstherren zurückzuführende Verfahren zur erneuten Berufung des Ruheständlers in das Beamtenverhältnis - die Möglichkeit des Antrags des Beamten auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis vor. Voraussetzung hierfür wäre indes die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit. Davon musste der Kläger bislang angesichts der von ihm empfundenen Beschwerden und der amtsärztlichen Bescheinigung jedenfalls subjektiv nicht ausgehen. Erst aufgrund der Begutachtung durch Prof. Dr. R... ist dem Kläger deutlich gemacht worden, dass sein körperlicher Zustand die Wiedereingliederung in seine bisherige Tätigkeit als Erster Justizhauptwachtmeister durchaus erlauben würde. Der Kläger hätte sich, um den Einwand der Verletzung einer Erwerbsobliegenheit zu entgehen, damit erst ab dem Zeitpunkt der Anhörung des Sachverständigen am 21. Mai 2007 um eine Wiedereingliederung bemühen müssen. Zu diesem Zeitpunkt hätten solche Bemühungen indes keine Erfolgsaussicht gehabt. Nach § 48 Abs. 3 LBG muss der Antrag nämlich vor Ablauf von fünf Jahren seit Beginn des Ruhestandes und zwei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze erfolgen. Dieser Zeitraum war seit der Versetzung in den Ruhestand am 13. Mai 2002 abgelaufen, als der Kläger von der Einschätzung seiner Erwerbsfähigkeit durch den Sachverständigen Prof. Dr. R... am 21. Mai 2007 Kenntnis erlangte.
4.
Die Berechung des Verdienstausfallschadens durch das Landgericht, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ist im Grunde nicht zu beanstanden. Zu Recht ist das Landgericht bei der Berechnung des Mindereinkommens von den Bruttobezügen des Klägers ausgegangen, weil die von ihm zu vereinnahmende Ersatzleistung gemäß § 24 Nr. 1a ESTG der Steuerpflicht unterliegt (sog. modifizierte Bruttolohnmethode, vgl. BGH, Urteil v. 28.09.1999, VI ZR 165/98).
Eine teilweise Abänderung der Berechnung des Verdienstausfallschadens für die Zeit ab 1. Januar 2008 hat allerdings deshalb zu erfolgen, weil - worauf der Beklagte ausdrücklich hinweist - sich der Kläger eine aufgrund des schädigungsbedingten Bezugs von Ruhegehalt ergebende Steuerersparnis anrechnen lassen muss. Bei der Versteuerung seiner Einnahmen aus Ruhestandsbezügen ist ein nach § 19 Abs. 2 EStG anrechenbarer Freibetrag, dessen Höhe sich aus der zu der Vorschrift gehörenden Tabelle ergibt, zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil v. 28.04.2992, VI ZR 360/91). Den sich für die Zeit ab 1. Januar 2008 für den Kläger danach ergebenden Steuervorteil schätzt der Senat auf jährlich 1.100 € (= monatlich 91,67 €). Dabei ist von folgender Berechnung auszugehen:
a)
Steuerlast ohne Berücksichtigung des Freibetrages (Steuerklasse 1; Kinderfreibetrag 0,5):
Jährliche Gesamteinkünfte (1.056,47 € + 921,23 €) x 12 = | 23.732,40 € |
./. Arbeitnehmer-Pauschbetrag | 920.- € |
22.812,40 € | |
./. Vorsorgepauschale | 2.162.- € |
./. Sonderausgaben-Pauschbetrag | 36.- € |
zu versteuerndes Einkommen | 20.614,40 € |
Einkommensteuer rd. | 3.018.- € |
Solidaritätszuschlag rd. | 166.- € |
Steuerliche Gesamtbelastung rd. | 3.184.- € |
b)
Steuerlast unter Berücksichtigung des Freibetrages (Steuerklasse 1; Kinderfreibetrag 0,5):
Jährliche Einkünfte aus Einkommensersatz (921,23 x 12) | 11.054,76 € |
./. Arbeitnehmer-Pauschbetrag | 920.- € |
10.134,76 € | |
Begünstigte Versorgungsbezüge | 12.677,64 € |
./. Versorgungsfreibetrag 40,0 % von 12.677,64 € höchstens 3.000 € | 3.000.- € |
./. Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag | 900.- € |
./. Pauschbetrag nach § 9a S. 1 Nr. 1b ESTG | 102.- € |
8.675,64 € | |
Gesamteinkünfte | 18.810,40 € |
./. Vorsorgepauschale | 2.078.- € |
./. Sonderausgaben-Pauschbetrag | 36.- € |
zu versteuerndes Einkommen | 16.696,40 € |
Einkommensteuer rd. | 1.973.- € |
Solidaritätszuschlag rd. | 109.- € |
Steuerliche Gesamtbelastung rd. | 2.082.- € |
Der jährliche Steuervorteil bei Inanspruchnahme des Freibetrages nach § 19 Abs. 2 EStG beträgt demnach: 3.184 € ./. 2.082 € = rd. 1.100 €.
Für die Zeit vor Januar 2008 muss sich der Kläger anspruchsmindernde Steuervorteile durch Inanspruchnahme des Freibetrages nach § 19 Abs. 2 EStG nicht zurechnen lassen. Bei dem bisherigen Bezug der Ruhestandsbezüge konnte der Freibetrag nicht in Anspruch genommen werden, weil die Einnahmen aufgrund ihrer geringen Höhe nicht der Steuerpflicht unterlagen. Aufgrund der zuzuerkennenden Entschädigung für in der Vergangenheit entgangenen Einnahmen (§ 24 EStG) ergibt sich nichts anderes. Diese sind im Zweifel als Kapitalbetrag im Jahre ihrer Zahlung zu versteuern und werden damit für die Steuerveranlagung nicht mit dem seit 2002 bezogenen Ruhegehalt zusammengerechnet.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst.
Die Beschwer des Beklagten liegt über 20.000 €.
Die Beschwer des Klägers liegt unter 20.000 €.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird abschließend auf 90.526,84 € festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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