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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.06.2008
Aktenzeichen: I-9 U 14/08
Rechtsgebiete: BGB, AktG


Vorschriften:

BGB § 288 Abs. 1 Satz 2
BGB § 291
BGB § 826
BGB § 830
BGB § 852 a. F.
AktG § 111 Abs. 1
AktG § 184
AktG § 202 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das Teilversäumnisurteil und Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 06.11.2007 (10 O 3/07) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 2) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte zu 2) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender (Beklagter zu 1) bzw. Aufsichtsratsvorsitzender (Beklagter zu 2) der mittlerweile insolventen A... AG (vormals R... AG, nachfolgend R... genannt) Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien des genannten Unternehmens geltend.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 38.819,27 € nebst Zinsen zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Beklagte zu 2) hafte als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Schadensersatz. Das Verhalten des Beklagten zu 2) sei sittenwidrig, da die von den Anlegern für die Kapitalerhöhungen der R... eingezahlten Gelder nicht entsprechend dem Unternehmenszweck, sondern fast ausschließlich für "weiche" Kosten und für eigene Zwecke verwendet worden seien. Insbesondere seien entgegen den ausdrücklichen Angaben nicht die Voraussetzungen für einen baldigen Börsengang und den Erwerb werthaltiger Immobilien vorangetrieben worden. Ein Börsengang sei lediglich vorgetäuscht worden, um weitere Gelder durch Aktienemissionen vereinnahmen zu können. Dies folge aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, ersichtlich aus der u. a. gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Anklageschrift vom 27.04.2006, denen der Beklagte zu 2) jedenfalls nicht spezifiziert entgegengetreten sei. So habe der Beklagte zu 1) im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eingestanden, dass die Anlegergelder spätestens nach dem Geschäft mit der A... AG Ende 1999 nicht mehr zum Betrieb eines operativen Geschäftes verwendet worden seien. Die Außendarstellung der R... sei nicht zutreffend gewesen. Anträge auf Zulassung im Freiverkehr seien nur noch gestellt worden, um den Aktionären eine Aktivität vorzutäuschen. Dies habe allen Beteiligten klar sein müssen.

Das Verhalten des Beklagten zu 2) lasse nur den Schluss auf zumindest bedingten Schädigungsvorsatz zu. Er habe so leichtfertig gehandelt, dass er eine Schädigung der Anleger in Kauf genommen haben müsse. Als Aufsichtsratsvorsitzendem habe es dem Beklagten zu 2) oblegen, die Geschäfte der R... zu überwachen. Diese Selbstverständlichkeit habe der Beklagte zu 2) außer Acht gelassen. Er habe an dem Geldverteilungssystem nicht nur durch Entgegennahme seiner Aufsichtsratsbezüge partizipiert, sondern auch bewusst die Augen in Bezug auf die Bereicherung Dritter verschlossen. Dies belege auch seine Einlassung im Rahmen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens, wonach ihm die Illiquidität der R... erst aufgefallen sei, als seine Vergütungen nicht mehr gezahlt worden seien. Der Beklagte zu 2) habe keinerlei Umstände dargetan, aufgrund derer er vernünftigerweise davon habe ausgehen können, dass die gegenüber den Anlegern gemachten Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der R... mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmten und ein baldiger Börsengang erreichbar sei. Insgesamt lasse das Verhalten des Beklagten zu 2) nur den Schluss zu, dass er sich bewusst den auch für ihn offenbaren Tatsachen verschlossen und bewusst genauere Untersuchungen unterlassen habe.

Die Forderung des Klägers sei nicht verjährt. Es gelte das zum 01.01.2002 in Kraft getretene Verjährungsrecht, weil der Anspruch des Klägers bis zu diesem Tag nicht verjährt gewesen sei. § 852 BGB a. F. bestimme eine dreijährige Verjährungsfrist, beginnend mit der Kenntnis von Schädiger und Schaden. Diese Kenntnis habe der Kläger frühestens im Jahre 2005 mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt. Die Verjährungsfrist habe daher frühestens mit Ablauf des 31.12.2005 begonnen und ende am 31.12.2008.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung des Beklagten zu 2).

Er rügt, das Landgericht begründe eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Wesentlichen mit dem Inhalt der gegen den Beklagten zu 1) und Herrn B... gerichteten Anklageschrift. An keiner Stelle der Anklageschrift sei die Staatsanwaltschaft jedoch von einer verantwortlichen Beteiligung des Aufsichtsrates ausgegangen. Inwieweit er seine Verpflichtungen zur Überwachung der Geschäfte der R... verletzt haben soll, werde nicht begründet. Auf die streitgegenständlichen Prospekte und deren Inhalt habe er weder Einfluss gehabt noch habe er dafür verantwortlich gezeichnet. Der Jahresabschluss für das Jahr 2001 habe keine Anhaltspunkte für ein Einschreiten gegeben. Die W... habe daher unter dem 19.12.2002 bestätigt, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft ergebe. Er habe den die Gesellschaft beratenden Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern vertraut. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Beklagten zu 1) sowie des Herrn B... sei ihm nicht bekannt gewesen. Das Landgericht habe die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zum Gegenstand des Urteils gemacht, ohne dass diese beigezogen worden sei. Zudem habe die Anklageschrift lediglich bis Seite 112 vorgelegen. Da ein Ermittlungsverfahren gegen ihn weder zu einem Abschluss gekommen sei noch ein strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben habe, müsse das Ruhen des Verfahrens angeordnet werden.

Vor dem Hintergrund der in der Berufungsinstanz vollständig eingesehenen Anklageschrift führt der Beklagte zu 2) weiter aus, dass die seitens des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat erteilten Informationen in seiner Amtszeit von Oktober 1999 bis Februar 2002 nicht umfangreicher und detaillierter gewesen seien als die Informationen gegenüber den Aktionären selbst, die ohne vorherige Absprachen mit dem Aufsichtsrat durch den Vorstand in von diesem veröffentlichten Aktionärsbriefen bekannt gegeben worden seien. Er selbst wie auch die weiteren Aufsichtsratsmitglieder seien durch den Vorstand getäuscht worden. Insbesondere sei er hinsichtlich der tatsächlichen Werthaltigkeit der verschiedenen operativen Geschäftsvorfälle getäuscht worden. Hinsichtlich der einzelnen Immobilienkäufe sei auf Nachfrage stets die Information gegeben worden, dass alle Objekte aus Eigenmitteln finanziert worden seien. Das Geschäft bezüglich der Aktien der P... W... AG sei seitens des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat als lukrativ bezeichnet worden. Gleiches sei hinsichtlich der Wohneinheiten in G... geschehen. Wahrheitswidrig sei der Aufsichtsrat dahingehend informiert worden, dass das Objekt G... mit einem Gewinn von 300.000 DM verkauft worden sei. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der A... AG. Über weitere Geschäftsbeziehungen, beispielsweise zur A... AG oder zum Erwerb des Firmenmantels N... AG, sei der Aufsichtsrat nicht informiert worden. Aus der Anklageschrift ergebe sich, dass sich die konkreten Manipulationen zwischen einzelnen Gesellschaften auf einen kleinen und miteinander verschworenen Personenkreis beschränkt hätten. Soweit Geschäfte mit anderen Gesellschaften oder beispielsweise der K...-Gruppe getätigt worden seien, seien die Geschäftspartner jeweils als solvent und seriös vorgestellt worden. Der zunächst beabsichtigte Börsengang sei verschoben worden, weil nach Angaben des Vorstandes negative Ereignisse im Börsenumfeld vorgelegen hätten.

Während seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Aufsichtsrates habe er den Prüfberichten, aber auch weiteren, die Gesellschaft beratenden Personen vertraut. Insoweit habe es keinerlei Hinweise gegeben, die den Aufsichtsrat zu einem Einschreiten hätten veranlassen können. Im guten Glauben an die Seriosität der Gesellschaft habe er sogar seiner geschiedenen Ehefrau im Jahre 2000 vorgeschlagen, Aktien der Gesellschaft zu erwerben. Letztlich laufe die Auffassung des Landgerichts darauf hinaus, eine Haftung eines Aufsichtsratsmitgliedes aus der Verletzung von Aufsichtspflichten abzuleiten. Insoweit müsse auch berücksichtigt werden, dass er für seine Tätigkeit lediglich eine Aufwandsentschädigung für einen Zeitraum von sechs Monaten in Höhe von 2.646,55 € netto im Jahre 2002 erhalten habe.

Aus dem Vernehmungsprotokoll vom 03.03.2005 ergebe sich zudem, dass die Staatsanwaltschaft erst ab 2001 eine Bestandsgefährdung der A... AG angenommen habe. Der Erwerb von Aktien vor dem Jahre 2001 und daraus resultierende Schäden könnten ihm daher nicht angelastet werden. Im Übrigen habe der Kläger auch für die sonstigen Kaufentscheidungen nicht dargelegt, inwieweit ein etwaiges Fehlverhalten für seine Kaufentscheidung kausal gewesen sein soll. Er habe nicht einmal dargelegt, worauf seine Kaufentscheidungen beruhten.

Die Verjährungseinrede bleibe aufrechterhalten. Strafanzeigen seitens der Prozessbevollmächtigten des Klägers seien bereits unter dem 15.09.2003 erfolgt. Etwaige Ansprüche seien somit spätestens seit Ende des Jahres 2006 verjährt.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

teilweise abändernd die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zu 2) zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil. Er verweist zudem auf § 111 Abs. 1 AktG, der die Pflichten des Aufsichtsrates hinsichtlich der Überwachung der Geschäftsführung klar umschreibe. Insbesondere seien bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsführung das laufende operative Geschäft, mithin der Tätigkeitsschwerpunkt des Unternehmens, aber auch Informationen des Vorstandes über das Unternehmen auf Richtigkeit zu überprüfen. Im Emissionsprospekt sei mit der Werthaltigkeit und Stabilität der Anlage und mit einer Gesamtleistungsbilanz der Unternehmensgruppe von 32,10 Mrd. DM bzw. einem Gesamtumsatzziel für das Jahr 2000 von 2,7 Mrd. DM geworben worden. In Wirklichkeit habe das operative Geschäft gegen null tendiert. Die Werbung mit einer Leistungsbilanz von über 32 Mrd. DM stelle eine freie Erfindung dar. Das Unternehmen habe seit Gründung im Jahre 1998 nur einen Bruchteil dieses Wertes umgesetzt. Im Jahre 2000 habe der Umsatz lediglich bei 200.000 DM gelegen. Bei einer derart offenkundigen Diskrepanz habe ein Aufsichtsratsmitglied ohne Weiteres die betrügerischen Absichten des Vorstandes und die fehlenden Erfolgsaussichten der Investitionen durch die Kleinaktionäre erkennen können. Sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB handele auch derjenige, welcher sich einer Kenntnis der haftungsbegründenden Umstände bewusst verschließe. Hierzu gehöre auch der Umstand, dass die laufenden Kosten teilweise bei 700.000 DM pro Monat gelegen hätten und weitere Kosten für den Betrieb des Call-Centers von bis zu knapp 230.000 DM pro Monat angefallen seien. Der Beklagte zu 1) habe im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eingeräumt, dass ab Ende des Jahres 1999 für jeden, der sich intern mit der Geschäftsführung der Gesellschaft beschäftigt habe, das fehlende operative Geschäft augenfällig gewesen sei. Anträge auf Zulassung im Freiverkehr seien nur gestellt worden, um die Aktionäre zu beruhigen. Der Beklagte zu 2) habe seine Kontrolltätigkeiten nicht darauf beschränken dürfen, beim zu kontrollierenden Organ nachzufragen und dessen Antworten ungeprüft zu akzeptieren. Gerade die regelmäßigen Kapitalerhöhungen des Unternehmens hätten Anlass für einen erhöhten Kontrollbedarf ergeben. Im Übrigen fehle jeder Vortrag des Beklagten zu 2) dazu, warum er auf die Richtigkeit der Angaben des Vorstandes vertraut habe. Verjährung sei nicht eingetreten, da eine Kenntnis der haftungsbegründenden Tatsachen erst nach den klaren Worten des Insolvenzverwalters vom 06.09.2005 angenommen werden könne.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 2) hat keinen Erfolg.

Die Klage ist in Höhe des vom Landgericht zugesprochenen Betrages begründet.

Der Beklagte zu 2) haftet dem Kläger auf Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß §§ 826, 830 BGB.

Dem Beklagten zu 2) ist allerdings zuzugeben, dass eine bloße Verletzung von Aufsichtspflichten nicht unmittelbar zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Aufsichtsratsmitglieder führt (vgl. Münchener Kommentar/Semler, AktG, 2. Aufl., § 116 Rdnr. 711).

Der Aufsichtsrat ist nur gegenüber der Aktiengesellschaft vermögensbetreuungspflichtig. Er hat gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen. Dabei stützt er sich in erster Linie auf die vom Vorstand in seinen schriftlichen und mündlichen Berichten mitgeteilten Tatsachen. Nur in Ausnahmefällen übernimmt es der Aufsichtrat selbst, Tatsachenfeststellungen herbeizuführen. Grundsätzlich darf er den Informationen des Vorstands vertrauen; er ist nicht zu eigenen Nachforschungen verpflichtet (vgl. Münchener Kommentar/Dierlamm, StGB, § 266 Rdnr. 67). Die Verantwortung des Aufsichtsrats unterscheidet sich grundlegend von der eines Vorstandes. Der Aufsichtsrat führt keinen eigenen unternehmerischen Entscheidungsprozess durch. Er prüft nicht alle unternehmerischen Details einer Entscheidung. Er berät nicht und führt kein Risikomanagement durch. Insbesondere ist der Aufsichtsrat auch kein Garant für die Ordnungsmäßigkeit der Unternehmensführung durch den Vorstand (vgl. Münchener Kommentar/Dierlamm, a. a. O.). Insofern hat der Bundesgerichtshof verallgemeinernd festgestellt, dass ein Mitglied des Aufsichtsrates allenfalls gegenüber der Gesellschaft ersatzpflichtig ist, wenn er die ihm in dieser Funktion obliegenden Pflichten verletzt (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1158, 1159).

Eine Haftung eines Aufsichtsratsmitglieds ist jedoch zu bejahen, wenn er ein strafbares oder sittenwidriges Verhalten des Vorstandes vorsätzlich veranlasst oder aktiv unterstützt (vgl. Münchener Kommentar/Semler, AktG, § 116 Rdnr. 745). Eine derartige Unterstützungshandlung kommt insbesondere in Betracht, wenn dem Vorstand ein sittenwidriges oder strafbares Verhalten im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen - wie im Streitfall - zur Last gelegt wird. Der Aufsichtsrat wirkt nämlich gemäß § 202 Abs. 3 Satz 2 AktG bei den Kapitalerhöhungen im Rahmen des genehmigten Kapitals mit, der Vorsitzende des Aufsichtsrates darüber hinaus gemäß § 184 AktG auch durch die Anmeldung der Erhöhung des Grundkapitals zur Eintragung in das Handelsregister. Da es sich bei der Kapitalerhöhung um eine Maßnahme der Geschäftsführung handelt (vgl. Münchener Kommentar/Bayer, AktG, 2. Aufl., § 202 Rdnr. 86), die damit der Kontrolle des Aufsichtsrates unterliegt, kann die Mitwirkung bei der Kapitalerhöhung nicht losgelöst von einem in diesem Zusammenhang begangenen betrügerischen oder sittenwidrigen Verhalten des Vorstands gesehen werden. Diese Mitwirkung stellt eine ausreichende objektive Beihilfeleistung dar, weil hierdurch das betrügerische und sittenwidrige Verhalten des Vorstandes gefördert worden ist (vgl. zur Beihilfeleistung auch BGH NStZ 2000, 34).

Aus der Rückschau ergibt sich, dass es sich bei der R... bereits bei Amtsantritt des Beklagten zu 2) um eine betrügerische Aktiengesellschaft gehandelt hat. Insoweit hat das Landgericht zu Recht entsprechend den Angaben des Beklagten zu 1) im gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren festgestellt, dass die Anlegergelder spätestens nach den Geschäften mit der A.G.I.B. AG Ende 1999 nicht mehr zum Betrieb eines operativen Geschäftes verwendet worden seien, dementsprechend die Außendarstellung der R... nicht mehr zutreffend gewesen sei und dies allen Beteiligten hätte klar sein müssen. Dies ist auch seitens des Beklagten zu 2) anlässlich der Erörterung im Senatstermin nicht ernsthaft in Frage gestellt worden. Er beruft sich lediglich darauf, von allem nichts gewusst zu haben und selbst getäuscht worden zu sein. Dieser Einlassung vermag der Senat indes nicht zu folgen. Vielmehr entspricht es dem Bild einer auf Betrug angelegten Aktiengesellschaft, dass die maßgeblichen Positionen mit Personen besetzt werden, von denen erwartet wird, dass sie die mit ihrem Amt verbundene Kontrollfunktion nicht ausüben. Wer dieser Erwartung gerecht wird und das Amt in dem Bewusstsein übernimmt, keine echte Kontrolle durchführen zu wollen, leistet objektiv Beihilfe zu betrügerischen und sittenwidrigen Kapitalerhöhungen.

Für den Beihilfevorsatz sind dabei folgende - allgemein für berufstypische "neutrale" Handlungen geltende - Grundsätze zu beachten (vgl. BGH, a. a. O.):

Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, strafbare Handlungen zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfeleistung zu werten. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfeleistung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung "die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein" ließ. Dabei kann bei einer bewusst unterlassenen Aufklärung trotz Verdachtsmomenten für kriminelle Handlungen auf den Vorsatz geschlossen werden (vgl. BGH NJW 1994, 2289, 2291; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2. Aufl., § 826 Rdnr. 12; Staudinger/Oechsler, BGB, Neubearbeitung 2003, § 826 Rdnr. 96 ff.). Für den Vorsatz reicht bewusstes Sichverschließen aus. Ein solches kann schon dann vorliegen, wenn starke Verdachtsmomente für ein kriminelles Handeln sprechen und Aufklärung insoweit verlangen und derjenige, auf dessen Wissen es ankommt, eine sich ihm bietende Möglichkeit, sich Klarheit zu verschaffen, bewusst nicht wahrnimmt, weil er gerade vermeiden will, dass aus einem begründeten Verdacht Gewissheit wird (vgl. BGH, a. a. O.).

Diese Voraussetzungen hat das Landgericht zu Recht angenommen. Der Beklagte zu 2) hat hinsichtlich der unredlichen Geschäftspraktiken des Vorstandes zur Überzeugung des Senats jedenfalls einen dringenden Verdacht gehabt und die sich ihm als Aufsichtsratsvorsitzendem bzw. Aufsichtsratsmitglied bietende Möglichkeit, sich Klarheit zu verschaffen, bewusst nicht wahrgenommen; dadurch hat er die Schädigung der Aktionäre im Rahmen seiner Mitwirkung bei den Kapitalerhöhungen billigend in Kauf genommen. Zur Feststellung dieses Vorsatzes genügt das unstreitige Parteivorbringen, so dass weder die Strafakten gegen den Beklagten zu 1) beizuziehen waren noch das Ende der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen den Beklagten zu 2) abzuwarten ist.

Der Beklagte zu 2) wusste, dass es ständig Kapitalerhöhungen in Millionenhöhe gab. Er wusste, dass eine eigene Abteilung der R... die aus diesen Kapitalerhöhungen stammenden Aktien über Telefonverkäufer vermarktete. Allein dies ist für eine Immobiliengesellschaft höchst ungewöhnlich und kann dem Aufsichtsrat schlechterdings nicht entgehen. Er hat ferner als Professor für Pädagogische Psychologie nach eigenen Angaben Schulungen von Mitarbeitern der R... zu "speziellen betriebswirtschaftlichen Themen" durchgeführt und muss auch dabei Einblick in deren Tätigkeitsfeld genommen haben. Der Beklagte zu 2) wusste zudem aus den Geschäftszahlen, dass den Kapitalerhöhungen keine entsprechenden Umsätze und operativen Tätigkeiten gegenüberstanden, sondern vielmehr Bilanzverluste in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe im Raum standen (vgl. Bilanz zum 31.12.2001). Auch wenn ihm die Bilanz erst Mitte 2002 bekannt geworden ist, stellte sie letztlich nur das Ergebnis vorangegangener Berichte und Geschäftsauswertungen dar, so dass sich für jeden, der die Augen nicht verschlossen hätte, bereits lange zuvor aufgedrängt hätte, dass trotz der ständigen Kapitalerhöhungen kein operatives Geschäft durchgeführt wurde. So ergeben sich aus dem Jahresabschluss zum 31.12.2001 kein dem Geschäftszweck und der Kapitalausstattung korrespondierendes Immobilienvermögen, sondern als Aktivvermögen im Wesentlichen nur Beteiligungen an verbundenen Unternehmen, in die der Beklagte zu 2) keinen Einblick gehabt haben will, und Forderungen gegenüber solchen Unternehmen. Es hätte sich deshalb die Frage aufgedrängt, wo die Millionenbeträge aus den Kapitalerhöhungen blieben. Weiter hätte sich aufgedrängt, nachzufragen, warum die Anleger trotz der Verluste bereit waren, laufend neue Aktien zu zeichnen. Nachdem im Prospekt mit einer "grundwertgesicherten" Anlage geworben und der Aufsichtsrat als Garant für die Sicherheit des Unternehmens hingestellt wurde, hätte dem Beklagten zu 2) auch auffallen müssen, dass sich das Unternehmen völlig anders entwickelte. All dies deckt sich mit den Angaben des Beklagten zu 1), der im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung ausgeführt hat, dass spätestens ab Ende 1999 für jedermann erkennbar gewesen sei, dass die Außendarstellung der R... mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr übereinstimmte.

Soweit der Beklagte zu 2) sich im Kern damit verteidigt, er habe den Angaben des Vorstandes und anderer Personen vertraut, stellt dies angesichts der objektiven Gegebenheiten ein bewusstes Sichverschließen dar. Die Angaben des Vorstands deckten sich nicht mit den laufenden Geschäftszahlen. Bezeichnend ist insoweit auch die Einlassung des Beklagen zu 2) im Rahmen seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung (Protokoll vom 03.03.2005), in der er die Bewertungen der Wirtschaftsprüfer im Jahresabschluss als subjektiv abgetan und sich darauf zurückgezogen hat, dass der Vorstand ihm andere Bewertungen vorgetragen habe.

Damit haftet der Beklagte zu 2) wegen Beteiligung an den seitens des Vorstandes initiierten sittenwidrigen und betrügerischen Kapitalerhöhungen gemäß §§ 826, 830 BGB.

Dem Kläger ist auch ein Schaden in der zuerkannten Höhe entstanden.

Da den Anlegern aufgrund von Prospekten, Mitteilungen und Aussagen der Telefonverkäufer ein völlig falsches Bild von der wirtschaftlichen Situation der AG, die insbesondere auch einen Börsengang ausschloss, vermittelt wurde, besteht an der konkreten Kausalität dieser Angaben für den Willensentschluss der Anleger kein Zweifel.

Ebenso wenig kann bezweifelt werden, dass die Mitwirkungshandlungen des Beklagten zu 2) für den Schaden kausal geworden sind. Insoweit reicht es aus, dass die den Tatbestand verwirklichende Handlung durch die Hilfeleistung gefördert wird (vgl. Staudinger/Belling/Eber-Borges, BGB, Neubearbeitung 2002, § 830 Rdnr. 40). Das ist durch die Mitwirkung an den sittenwidrigen und betrügerischen Kapitalerhöhungen geschehen. Da dem Beklagten keine Beihilfe durch bloßes Unterlassen vorgeworfen wird, kommt es entgegen der im Senatstermin geäußerten Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2) auch nicht darauf an, durch welche konkrete Handlung die Tat hätte verhindert werden können (vgl. Schönke/Schröder/Cramer/Heine, StGB, 27. Aufl., § 27 Rdnr. 15).

Soweit im Einzelfall Kapitalanlagen bereits kurz nach Beginn der Aufsichtsratstätigkeit des Beklagten zu 2) erfolgt sind, geht der Senat ebenfalls von einem Schädigungsvorsatz des Beklagten zu 2) aus, weil dessen späteres Verhalten den Schluss zulässt, dass er sein Amt entgegen der Werbung im Prospekt, dass eine Kontrolle durch einen Aufsichtsrat stattfinde, von vornherein in der Absicht übernommen hat, die von ihm zu gewährleistende Kontrolle nicht auszuüben. Im Streitfall wurden zudem die ersten Aktien erst im März 2000 gezeichnet.

Schließlich hat das Landgericht auch eine Verjährung des Schadensersatzanspruchs mit zutreffender Begründung verneint. Selbst wenn die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 15.09.2003 Strafanzeigen erstattet haben, rechtfertigt dies nicht den Schluss, dass sie auch Kenntnis von den Umständen hatten, aus denen sich eine Haftung des Beklagten zu 2) wegen einer Teilnahme an den sittenwidrigen bzw. betrügerischen Kapitalerhöhungen ergibt. Seitens des Beklagten zu 2) werden die Indizien sogar bis heute nicht als ausreichend angesehen, um eine Haftung begründen zu können.

Der Zinsanspruch ergibt sich im vom Landgericht zuerkannten Umfang aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz: 38.819,27 €.

Ende der Entscheidung

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