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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.05.2009
Aktenzeichen: I-9 U 175/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 05. August 2008 verkündete Schlussurteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (6 O 93/08) teilweise abgeändert.

Die Beklagten zu 1 und 2 werden verurteilt, als Gesamtschuldner neben dem anderweitig verurteilten Beklagten zu 3 an den Kläger Zug um Zug gegen

Übereignung von 11.226 Aktien der D... 20.697,20 EUR nebst 4 % Zinsen

aus 1.800,00 EUR vom 08.04.2003 bis zum 22.04.2003,

aus 3.600,00 EUR vom 23.04.2003 bis zum 05.05.2003,

aus 5.400,00 EUR vom 06.05.2003 bis zum 27.07.2003,

aus 10.800,00 EUR vom 28.07.2003 bis zum 24.03.2004,

aus 18.000,00 EUR vom 25.03.2004 bis zum 26.07.2004,

aus 20.697,20 EUR vom 27.07.2004 bis zum 01.05.2007

sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 20.697,20 EUR seit dem 02.05.2007

zu zahlen.

Der Beklagte zu 2 wird darüber hinaus verurteilt, als Gesamtschuldner neben dem anderweitig verurteilten Beklagten zu 3 an den Kläger Zug um Zug gegen Übereignung der vorbezeichneten Aktien weitere Zinsen in Höhe von 1 Prozentpunkt über dem Basiszinssatz aus 20.697,20 EUR für die Zeit vom 12.04.2007 bis zum 01.05.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die durch die Anrufung des Landgerichts Zwickau entstandenen Mehrkosten. Die übrigen Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Beklagten als Gesamtschuldner, die Kosten des Berufungsverfahrens die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten zu 1 und 2 können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des von ihm zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt in der Berufungsinstanz von den Beklagten zu 1 und 2 Schadensersatz wegen fehlgeschlagener Geldanlagen in nicht börsennotierte Aktien der in England registrierten D..., deren Geschäftsgegenstand im Wesentlichen die Suche und Bergung auf dem Meeresgrund liegender Schiffswracks und die Vermarktung dabei gehobener Schätze ist.

Die Beklagten waren Direktoren der D... (nachfolgend: D...) mit Sitz in England. Die Gesellschaft betrieb in R... eine Zweigniederlassung (G... B...), als deren Direktoren u.a. der Beklagte zu 1 und zeitweise der Beklagte zu 3 im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf eingetragen waren. Der Beklagte zu 2 war als Prokurist im Handelsregister eingetragen (Anlage B 3). Er war in der R... Niederlassung tätig, wobei er angibt, lediglich die Aufgaben eines Büroleiters innegehabt zu haben.

Der Kläger erwarb, nachdem er von Mitarbeitern der deutschen Niederlassung der D... telefonisch kontaktiert worden war, am 08.04.2003, 23.04.2003, 06.05.2003, 28.07.2003, 25.03.2004 und 23.07.2004 insgesamt 11.226 O... S... der D... zu einem Betrag von insgesamt 20.697,20 EUR. Zu diesem Zeitpunkt waren die Aktien der D... nicht an der Börse notiert, ein Börsengang war ausweislich der von der D... herausgegebenen Prospekte jedoch beabsichtigt. Inzwischen hat die D..., ohne dass es zu einem Börsengang gekommen wäre, in England einen Insolvenzantrag gestellt.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten hafteten für die ihm aufgrund der Aktienkäufe entstandenen Verluste. Sie hätten es als Direktoren der D... zumindest billigend in Kauf genommen, dass Anleger ohne die erforderliche Aufklärung eine ungewöhnliche und hochriskante Geldanlage tätigten, die zu einem Totalverlust führen konnte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Das Landgericht Zwickau hat am 26.06.2007 gegen den Beklagten zu 3 antragsgemäß ein Teilversämnisurteil erlassen. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Düsseldorf hat dieses die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 mit der Begründung abgewiesen, dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Aufklärung zu. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Klägers sei die Kammer davon überzeugt, dass er vor seiner Anlageentscheidung einen Prospekt der D... erhalten habe. Durch diesen sei er ausreichend über die mit dem Erwerb der Aktien verbundenen Risiken aufgeklärt worden. Die Risikohinweise der D... genügten den bei derartigen Geschäften bestehenden gesteigerten Aufklärungspflichten. Es sei sowohl über die besonderen Risiken bei nicht börsennotierten Aktien als auch über das unternehmerische Risiko aufgeklärt worden. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung. Insoweit habe der Kläger keine geeigneten Beweise für seine Behauptung, dass der Prospekt falsche Angaben enthalte, angeboten.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger trägt vor, er sei über die Risiken der Kapitalanlage nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Prospekt erhalten. Die vom Landgericht insoweit gezogenen Schlüsse seien unzutreffend. Ohnehin seien aber die in den Prospekten enthaltenen Angaben nicht ausreichend. Es werde nicht in der gebotenen Weise auf das Risiko des Totalverlustes der Anlage hingewiesen. Ferner sei die Preisgestaltung der Aktie nur unzureichend dargestellt. Über die Pläne eines Börsengangs werde unzutreffend informiert. Die Risikohinweise seien für einen flüchtigen Leser nicht deutlich erkennbar. Sie würden zudem durch vorangestellte werbende Aussagen verharmlost. Ferner trägt der Kläger vor, er sei durch Telefonverkäufer mit falschen Angaben über den bevorstehenden Börsengang und bereits erfolgreich abgeschlossene Projekte dazu veranlasst worden, die Kapitalanlage zu tätigen. Zum Beweis dieser Tatsache könne er sich nur auf den Inhalt der zur Akte gereichten Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf und auf den Haftbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf beziehen. Dies sei angesichts der Umstände als Beweis ausreichend.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 05.08.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf den Beklagten zu 1 und den Beklagten zu 2 zu verurteilen, gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 3 Zug um Zug gegen Rückübereignung der erworbenen 11.226 Aktien der D... an ihn 20.697,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.800,00 EUR seit dem 08.04.2003 bis 22.04.2003,

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.600,00 EUR seit dem 23.04.2003 bis 05.05.2003,

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.400,00 EUR seit dem 06.05.2003 bis 27.07.2003,

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.800,00 EUR seit dem 28.07.2003 bis 24.03.2004,

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.000,00 EUR seit dem 25.03.2004 bis 26.07.2004 und

5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 20.697,20 EUR seit dem 27.07.2004

zu zahlen.

Die Beklagten zu 1 und 2 beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Beklagte zu 1 macht geltend, die in den zur Akte gereichten Prospekten enthaltene Risikoaufklärung sei ausreichend. Auch habe das Landgericht aus den wechselnden Angaben des Klägers zutreffend den Schluss gezogen, dass er einen Prospekt erhalten habe.

Der Beklagte zu 2 trägt vor, ihn treffe für eine möglicherweise unzureichende Aufklärung keine Verantwortung. Er sei weder für die Erstellung des Prospekts noch für den Verkauf der Aktien zuständig gewesen. Vielmehr sei es seine Aufgabe gewesen, die R... Niederlassung "organisatorisch am Laufen zu halten". Er sei für die Mieträume, die Infrastruktur, die Personalbesetzung, die ordnungsgemäße Bearbeitung des Schriftverkehrs, die Kontrolle eingehender Gelder sowie für die Aushändigung der gezeichneten Aktien zuständig gewesen. Von irreführenden Angaben im Verkaufsprospekt oder in den Verkaufsgesprächen, die er bestreite, habe er keine Kenntnis gehabt. Eine Verantwortung für die Aufklärung der Anleger ergebe sich auch nicht aus seiner Stellung als Direktor in England. Diese sei nach englischem Recht zu beurteilen. Danach gelte bezüglich eines Direktors nicht das Prinzip der Gesamtverantwortung, sondern das "Board-System". Hiernach sei jeder Direktor nur für seinen Verantwortungsbereich in Verbindung mit seinen konkreten Handlungen verantwortlich und haftbar. Im Übrigen seien die in den Prospekten enthaltenen Angaben zutreffend und zur ordnungsgemäßen Aufklärung der Anleger ausreichend. Dass es sich um eine spekulative Anlage handele, sei für jeden Anleger aufgrund des Gesellschaftszwecks erkennbar. Auch habe die D... tatsächlich Such- und Bergungsarbeiten durchgeführt und erfolgreich Schätze geborgen. Die Finanzen der D... seien von Wirtschaftsprüfern geprüft und für ordnungsgemäß befunden worden. Der Börsengang sei tatsächlich betrieben worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Akten 15 O 234/06 und 15 O 369/07 des Landgerichts Düsseldorf lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner neben dem anderweitig verurteilten Beklagten zu 3 ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Anlagesumme von 20.697,20 EUR Zug um Zug gegen Übertragung der 11.226 von ihm erworbenen Aktien an die Beklagten zu 1 und 2 aus §§ 826, 840 Abs. 1 BGB zu. Die Beklagten zu 1 und 2 haben den Kläger im Sinne von § 826 BGB sittenwidrig geschädigt, indem sie es als für die R... Niederlassung verantwortliche Direktoren der D... bewusst zugelassen haben, dass der Kläger als Anleger nicht börsennotierte Aktien der D... erwarb, ohne zuvor ausreichend über die Risiken der außergewöhnlichen und hochriskanten Anlageform aufgeklärt worden zu sein.

1. Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist deutsches Recht anwendbar (Art. 40 Abs. 1 EGBGB). Sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort liegen in Deutschland. Zwar hat der Kläger Aktien einer in England registrierten Gesellschaft erworben. Der telefonische Kontakt und der Verkauf erfolgten jedoch von der in Deutschland ansässigen Niederlassung der D... aus, so dass die bestehenden Aufklärungspflichten von dort aus zu erfüllen waren. Auch der Erfolg ist in Deutschland eingetreten, da der Kläger hier Geldbeträge auf deutsche Konten der D... überwiesen hat (vgl. Anlage K 7).

Der Anwendbarkeit deutschen Rechts steht auch Art. 41 EGBGB nicht entgegen. Es besteht keine engere Verbindung zum englischen Recht, da die Verletzung von in Deutschland zu erfüllenden Aufklärungspflichten und nicht das Statut der emittierenden Gesellschaft im Vordergrund steht.

2. a) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung missbraucht ein Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft, die hochriskante Anlagegeschäfte vermittelt, seine geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet daher aus § 826 BGB, wenn er veranlasst oder bewusst nicht verhindert, dass Anleger ohne die erforderliche Aufklärung Anlagegeschäfte tätigen (vgl. BGH WM 1994, 453; BGH WM 2002, 1445, 1446; BGH WM 2003, 975, 977; BGH WM 2006, 84, 87). Bei ungewöhnlichen Anlagegeschäften, die mit besonderen, über das übliche Maß hinausgehenden Risiken behaftet sind, muss sich die Aufklärung auf die wesentlichen wirtschaftlichen Zusammenhänge und Risiken des Geschäfts erstrecken. Das gilt sowohl für Börsentermingeschäfte als auch für die Vermittlung von hochspekulativen Aktien (vgl. BGH NJW 1991, 1108; BGH WM 1991, 127, 128; BGH WM 1991, 1410 f.; BGH NJW 1992, 1879, 1880; BGH NJW 1994, 512). Hiernach hat der Vermittler solcher Geschäfte dem potentiellen Kunden ein zutreffendes Bild von den Gefahren und Chancen in der Weise zu verschaffen, dass der Kunde seine Investitionsentscheidung sachgerecht treffen kann. An die Aufklärung sind hohe Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss sie schriftlich erfolgen, um ihren Zweck, dem Anleger ein zutreffendes Bild von den schwierigen wirtschaftlichen Zusammenhängen zu vermitteln, erfüllen zu können. Die Darstellung muss dabei zutreffend, vollständig, gedanklich geordnet und auch von der Gestaltung her geeignet sein, einem unbefangenen Leser einen realistischen Eindruck von den Eigenarten und Risiken solcher Geschäfte zu verschaffen (vgl. BGH NJW 1992, 1879, 1880). Gleiches gilt für den Verkäufer einer Anlage, da auch in diesem Fall der Anleger gleichermaßen schutzbedürftig ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2006, I-6 U 121/04, zitiert nach juris, Rdnr. 23).

Diese Grundsätze sind auch auf die Aktien der D... anzuwenden. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der Anlageart und des Anlegerrisikos erheblich von Aktien börsennotierter Unternehmen. Es handelte sich um eine Art Privatplatzierung einer ausländischen Aktiengesellschaft. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge solcher Geschäfte sind schwierig. Privatplatzierungen, mit denen Fremdkapital im Wege der Ansprache eines begrenzten Personenkreises beschafft wird, um so den Gang des Unternehmens an die Börse zu ermöglichen, sind den Anlegern im Regelfall nicht bekannt. Die mit der Anlage verbundenen Risiken sind für sie nicht überschaubar. Das gilt insbesondere für die Risiken, die sich daraus ergeben, dass etwa nicht genügend Kapital aufgebracht werden kann, so dass der Börsengang scheitert, oder dass die Aktiengesellschaft aus anderen Gründen unfähig wird, das Kapital zurückzuerstatten. Zudem besteht noch kein geregelter Handel mit den Aktien, so dass kein Marktwert existiert und die Anleger erheblichen Manipulationsmöglichkeiten ausgesetzt sind. Schließlich ist auch der Gegenstand des Unternehmens höchst spekulativ und mit hohen Verlustrisiken verbunden. Es gibt keine Erfolgsgarantie für die Bergungsarbeiten. Selbst wenn Schätze gefunden werden, bedeutet dies nicht, dass mit ihnen im Ergebnis ein Gewinn erzielt wird. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass die Schätze sich als unverwertbar erweisen oder dass die Verkaufserlöse nicht einmal die erheblichen Kosten der Bergung decken. Dies rechtfertigt es, die dargestellten Grundsätze zur Aufklärungspflicht bei hochriskanten Anlagegeschäften auch vorliegend anzuwenden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.05.2006, I-6 U 121/04, zitiert nach juris, Rdnr. 22).

b) Die Beklagten zu 1 und 2 waren für eine ordnungsgemäße Aufklärung der in Deutschland akquirierten Anleger, so auch des Klägers, verantwortlich.

Der Beklagte zu 1 war im Zeitpunkt der Aktienkäufe Managing Direktor der in England registrierten D.... Er war zudem als Direktor der in R... ansässigen Niederlassung ins Handelsregister eingetragen und somit aufgrund seiner organschaftlichen Stellung für die ordnungsgemäße Aufklärung der in Deutschland geworbenen Anleger verantwortlich.

Der Beklagte zu 2 war ebenfalls für die ordnungsgemäße Aufklärung der Anleger verantwortlich. Auch er war im Zeitraum der Aktienkäufe Direktor und jedenfalls bis zum 01.06.2004 Vorstandsmitglied der in England ansässigen D.... Auf die Struktur und die rechtliche Ausgestaltung des englischen "Board-Systems" kommt es dabei vorliegend ebenso wenig an wie auf den Umstand, dass der Beklagte zu 2 im deutschen Handelsregister lediglich als Prokurist eingetragen war, denn tatsächlich hatte er in Bezug auf das Geschäft der D... in Deutschland eine nach dem maßgeblichen deutschen Deliktsrecht einem Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied vergleichbare Stellung inne:

Er selbst räumt ein, organisatorisch für den Betrieb der Niederlassung in R..., insbesondere für die Mieträume, die Infrastruktur, die Personalbesetzung, die ordnungsgemäße Bearbeitung des Schriftverkehrs, die Kontrolle eingehender Gelder und die Aushändigung der gezeichneten Aktien zuständig gewesen zu sein. Hierin erschöpfte sich seine Funktion indes nicht. So wurde er bereits auf Seite 11 des deutschen Emissionsprospektes in der Fassung vom 10.12.2000 (Anlage 2 zu seiner Berufungserwiderung vom 16.12.2008) unter der Rubrik "Vorstand, Direktoren" gleichrangig mit den Beklagten zu 1 und 3 als für den Bereich der Verwaltung zuständiger Direktor aufgeführt. Im Emissionsprospekt Nr. 2 vom 04.09.2002 (Anlage K 20 zum Schriftsatz des Klägers vom 26.07.2007) wurde er an gleicher Stelle unter Angabe von Geburtsdatum und früherer Funktion ebenfalls als Direktor und seit August 2001 zudem Vorstandsmitglied vorgestellt. Auf Seite 13 desselben Prospektes findet sich ein "Vorwort zur Schatzsuche auf dem Meeresboden", das mit "Der Vorstand" unterzeichnet ist und unter dem Fotos aller drei Beklagten abgedruckt sind. Schon hieraus ergibt sich, dass der Beklagte zu 2 als Vorstandsmitglied auch Verantwortung für die Geschäfte der D... in Deutschland, insbesondere die ordnungsgemäße Aufklärung der dort geworbenen Anleger trug, auch wenn er nicht ausdrücklich als Prospektverantwortlicher zeichnete (Seite 6 des Prospektes). Mit der Stellung eines mit der bloßen Büroleitung betrauten Prokuristen wäre eine solche Hervorhebung gegenüber den Anlageinteressenten, die ihr Vertrauen typischerweise den für das operative Geschäft und den Verkauf verantwortlichen Organmitgliedern und dem verantwortlichen Management entgegenbringen, schlechterdings nicht vereinbar. Demgemäß hat der Beklagte zu 2 im Schriftverkehr mit Kunden (z.B. Anlagen K 21 und K 22 zum Schriftsatz des Klägers vom 26.07.2007), u.a. gegenüber dem Kläger (Anlage K 7 zur Klageschrift), auch als "Direktor" und nicht etwa "ppa." gezeichnet. Auch dies steht der Annahme, seine Vorstandstätigkeit habe sich im Rahmen des "Board-Systems" auf andere Bereiche erstreckt und er habe in Deutschland nur interne Büroleiterfunktionen ausgeübt, entgegen.

Dass ein vom Beklagten zu 1 vorgelegter Emissionsprospekt in der Fassung vom 03.06.2003 (Anlage 4 zum Schriftsatz vom 10.07.2007, Bl. 84 ff. GA) den Beklagten zu 2 im Abschnitt "IV Firmenstruktur der D..." nicht als Direktor und Vorstandsmitglied ausweist, rechtfertigt keine abweichende Würdigung. Zum einen gilt dies auch für die vom Beklagten zu 2 mit der Klageerwiderung vom 02.07.2007 vorgelegten Prospektfassungen vom 10.12.2000 und 04.09.2002 (Anlagen B 5 und B 6), die insoweit wesentlich von den vom Kläger, vom Beklagten zu 1 als Anlage 3 zum Schriftsatz vom 10.07.2007 (Bl. 84 ff. GA) und zweitinstanzlich auch vom Beklagten zu 2 selbst vorgelegten Fassungen abweichen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass gegenüber den Anlegern zumindest auch Prospekte verwendet wurden, die den Beklagten zu 2 - zutreffend - als Direktor und Vorstandsmitglied darstellten. Zum anderen wird der Beklagte zu 2 selbst in den "Financial Statements" zum 31.12.2003 (vom Beklagten zu 1 als Anlage 4 zum Schriftsatz vom 10.07.2007, Bl. 84 ff. GA, mit dem Emissionsprospekt in der Fassung vom 03.06.2003 vorgelegt) im Abschnitt über die Aktienbeteiligungen der Direktoren noch als solcher aufgeführt. Da der Beklagte zu 2 letztlich auch weder bestreitet, weiterhin Direktor der englischen Gesellschaft und deren Vorstandsmitglied gewesen zu sein, noch vorträgt, dass sich seine Rechtsstellung in Bezug auf die deutsche Niederlassung im maßgeblichen Zeitraum geändert habe, ist er nach alledem deliktsrechtlich einem für die Aufklärung der Anleger verantwortlichen Organmitglied jedenfalls gleichzustellen. Einer weiteren Aufklärung etwa durch Vernehmung des Zeugen C... bedarf es insoweit nicht. Sollte sich der Beklagte zu 2 abweichend von seiner Stellung innerhalb der D... tatsächlich auf Büroleitertätigkeiten beschränkt und die anderen Bereiche den - offenbar ebenfalls in der deutschen Niederlassung anwesenden - Beklagten zu 1 und 3 überlassen haben, könnte ihn dies weder von seiner Verantwortung noch von der Haftung gegenüber den Anlegern entlasten. Demgemäß kommt es auch nicht mehr auf das vom Beklagten zu 1 als Anlage 4 zum Schriftsatz vom 10.07.2007 (Bl. 52 ff. GA) vorgelegte Organigramm der D... an, das den Beklagten zu 2 als für den Verkauf in Deutschland zuständigen Direktor mit nachgeordneter Niederlassung in R... ausweist und dessen Kenntnis und inhaltliche Richtigkeit der Beklagte zu 2 (erstmals) nach Erörterung im Verhandlungstermin vom 16.02.2009 in Abrede gestellt hat.

c) Die ihnen obliegende Aufklärungspflicht haben die Beklagten zu 1 und 2 verletzt.

Unabhängig von den Fragen, ob durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt war, dass jeder Anleger vor der Erstanlage einen Emissionsprospekt erhielt, und ob auch der Kläger einen solchen Prospekt erhalten hat, geben die in den zur Akte gereichten Emissionsprospekten aufgeführten Risikohinweise kein zutreffendes Bild von den mit der Anlage verbundenen Risiken.

Im Prospekt vom 10.12.2000 (Anlage 2 zur Berufungserwiderung des Beklagten zu 2) werden die mit einer vorbörslichen Aktie verbundenen Risiken nicht vollständig dargestellt. Es fehlt vor allem der Hinweis darauf, dass die Anleger bezüglich des Aktienkurses erheblichen Manipulationsrisiken ausgesetzt sind und die Wertigkeit ihrer Aktie nicht kontrollieren können. Des Weiteren fehlt eine Aufklärung darüber, welche Folgen ein Scheitern des Börsengangs hat und welche Folgen sich daraus ergeben, dass die Kapitalaufbringung scheitert. Auf den Umstand, dass es sich um vorbörsliche Aktien handelt, wird nur unter den Ziffern 6. und 9. eingegangen, wobei lediglich auf mögliche Schwierigkeiten bei der Veräußerung der Aktien insbesondere bei einem Überhang an Verkaufsaufträgen hingewiesen wird. Hinzu kommt, dass sich die Risikohinweise erst im hinteren Teil des Prospekts unter Ziffer XII finden und eine deutliche Hervorhebung der wesentlichen Risiken nicht erfolgt. Zudem werden die Hinweise durch die vorangehenden werbenden Angaben relativiert. So heißt es bereits im "Vorwort zur Schatzsuche auf dem Meeresboden" des fotografisch abgebildeten Chairman, dass die D... einerseits den Anleger, der das hohe Risiko eines Investments eingeht, mit großen Gewinnerwartungen überzeugen, andererseits aber auch der Wissenschaft Genüge tun will. Anschließend werden die Meeresarchäologie als solche sowie einzelne Projekte dargestellt und durch Bilder von Bergungsgeräten, Meeresschätzen, Schiffen und Tauchern illustriert. Dies erweckt beim Anleger die Erwartung, dass hohe Gewinne möglich und auch zu erwarten sind. Er wird daher den im hinteren Bereich abgedruckten Risikohinweisen, die bei dieser Gestaltung eher als Formalie erscheinen, nicht mehr die erforderliche Aufmerksamkeit schenken. Insgesamt entsteht durch diese Darstellungsweise der Eindruck eines erfolgreichen Unternehmens, dessen Börsengang keine besonderen Probleme erwarten lässt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Prospekt vom 04.09.2002, der - soweit ersichtlich - auch Grundlage der Fassung vom 03.06.2003 war (Anlage K 20 zum Schriftsatz des Klägers vom 26.07.2007). Auch in diesem Prospekt wird auf die oben aufgeführten Gefahren, die mit dem Erwerb vorbörslicher Aktien verbunden sind, nicht eingegangen. Die Risikohinweise finden sich wie im Prospekt vom 10.12.2000 erst im hinteren Bereich unter Ziffer XIII, ohne dass besondere Hervorhebungen erfolgen. Zwar wird in diesem Prospekt im Vorwort (Seite 13) nicht mehr auf hohe, sondern nur noch auf "realistische" Gewinnerwartungen hingewiesen. Auch dies erweckt jedoch beim Anleger die Erwartung einer erfolgreichen Kapitalanlage, zumal in unmittelbarem Zusammenhang auf die Zusammenarbeit mit einem "führenden" Meeresarchäologen sowie auf die mögliche überdurchschnittliche Ausschüttung an die Aktionäre im Falle einer erfolgreichen Schatzsuche verwiesen wird. Die Einführung endet sodann mit der Feststellung, dass mit der heutigen Technik alles möglich und nur eine Kostenfrage sei. Auch hierdurch und durch die folgenden Darstellungen von laufenden Projekten wird dem Anleger das Bild eines erfolgreichen Unternehmens vermittelt. Demgegenüber treten die späteren Risikohinweise in den Hintergrund. Dies gilt auch, soweit unter Ziffer 6. der Risikohinweise ausgeführt wird, dass der Zeitpunkt der Börsenzulassung nicht absehbar sei, denn durch die vorherige positive Darstellung des Unternehmens entsteht beim Anleger der Eindruck, dass einer Börsenzulassung jedenfalls keine wesentlichen Hindernisse entgegenstehen.

d) Die Beklagten zu 1 und 2 haben in Bezug auf die unterbliebene Aufklärung auch vorsätzlich gehandelt. Dass die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken nicht zutreffend und erschöpfend dargestellt waren, musste sich den Beklagten zu 1 und 2 aufdrängen. Es liegt auf der Hand, dass die mit einer Kapitalanlage verbundenen Risiken zutreffend und nicht geschönt dargestellt werden müssen. Als Verantwortliche eines hochspekulative Anlagen vertreibenden Unternehmens mussten die Beklagten zu 1 und 2 erkennen, dass dies vorliegend nicht geschehen war, sofern sie sich dieser Erkenntnis nicht verschlossen. Ein Irrtum über den Umfang der Aufklärungspflicht entlastet die Beklagten zu 1 und 2 deshalb nicht (vgl. BGHZ 124, 151, 163; BGH WM 2001, 2313, 2315; BGH WM 2002, 1445, 1447).

3. Dem Kläger ist durch den Erwerb der Aktien aufgrund der unzureichenden Risikoaufklärung ein Schaden in unstreitiger Höhe von 20.697,20 EUR entstanden.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1994, 512, 513; BGH NJW 1997, 2171, 2173) ist derjenige, der bei hochspekulativen Anlagegeschäften eine vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei gehöriger Aufklärung eingetreten wäre. Umstände, die dafür sprechen, dass der Kläger die Anlage auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung getätigt hätte, haben die Beklagten zu 1 und 2 indes nicht schlüssig vorgetragen.

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 849, 246, 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für die Zeit bis zur jeweiligen Rechtshängigkeit kann der Kläger dabei lediglich den gesetzlichen Zinssatz von 4 % (§ 246 BGB) verlangen. Einen früheren Verzugseintritt hat er nicht vorgetragen.

5. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 4, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 20.697,20 EUR.



Ende der Entscheidung

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