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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.07.2007
Aktenzeichen: I-9 U 3/07
Rechtsgebiete: BGB, GenG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 2 S. 1
GenG § 34 Abs. 1
GenG § 34 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 23. März 2006 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine fristlose Kündigung seines Dienstvertrages als hauptamtliches Vorstandsmitglied der Beklagten am 13.02.2004 aufgrund eines Beschlusses ihrer Generalversammlung vom selben Tag.

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (Bl. 335 ff. GA).

Der Kläger hat zunächst den Antrag angekündigt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.02.2004, zugestellt am gleichen Tage, nicht beendet worden ist.

Er hat sodann eine Klageerweiterung dahin angekündigt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis (auch) durch eine weitere im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 13.05.2004 bestätigte außerordentliche Kündigung nicht beendet worden ist.

Insoweit hat der Kläger den Rechtsstreit dann allerdings in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Einberufung zur Generalversammlung der Beklagten am 13.02.2004 sei durch ein unzuständiges Organ erfolgt. Die Kündigung sei zudem gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristet und nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden. Auch seien die Kündigungsgründe auf der Generalversammlung nicht konkret behandelt und ihm auch nicht im Kündigungsschreiben mitgeteilt worden. Er sei auch nicht vorher abgemahnt und gehört worden. Schließlich sei die Kündigung auch in der Sache nicht gerechtfertigt.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen mit der Begründung, die von der Beklagten am 13.02.2004 erklärte fristlose Kündigung sei formell und materiell in Ordnung.

Dagegen wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung.

Darüber hinaus macht er geltend, bei der Entscheidung des Landgerichts handele es sich um eine unzulässige Überraschungsentscheidung. Auch sei das Gericht nach Durchführung mehrerer Beweisaufnahmen bei der Prüfung der Formalien der Kündigung nicht mehr "frei" gewesen. Zudem rügt der Kläger die Beweiswürdigung des Landgerichts.

Der Kläger beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Berufung des Klägers sei unzulässig und könne auch aus formalen Gründen der Rechtskraft keinen Erfolg haben. Im Übrigen verteidigt sie das angefochtene Urteil.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Die Berufung ist zulässig und auch nicht schon aus formalen Gründen der Rechtskraft unbegründet.

Aus der Berufungsbegründung wird hinreichend deutlich, was der Kläger mit seinem Antrag, der Klage stattzugeben, erreichen will, nämlich einmal die Feststellung, dass die Kündigung vom 13.02.2004 das Angestelltenverhältnis nicht beendet hat, und darüber hinaus die Feststellung, dass der für erledigt erklärte Antrag begründet war.

Richtig ist allerdings, dass der Kläger in der Berufungsbegründung nicht mehr auf die Abweisung der Klage insoweit eingeht. Damit steht aber doch nur das fest, was das Landgericht zur Begründung dazu ausgeführt hat, nämlich dass eine Kündigung seitens der Beklagten vom 13.05.2004 nicht existiert (S. 9 der Gründe, Bl. 351 GA). Soweit es dort am Ende heißt, im Übrigen sei die Kündigung vom 13.02.2004 wirksam, greift der Kläger das ja an.

Die Berufung des Klägers ist aber in der Sache nicht begründet.

Das Landgericht hat die Klage mit zutreffenden Erwägungen, auf die Bezug genommen wird, abgewiesen.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

I.

Die Entscheidung des Landgerichts ist in prozessualer Hinsicht nicht zu beanstanden.

Sie stellt keine "Überraschungsentscheidung" dar.

Es mag sein, dass der Kläger manche Verfügung und Hinweise des Landgerichts missverstanden hat. Das ist dann aber eine sehr subjektive Sicht, die objektiv nicht gerechtfertigt ist. Insbesondere ist dem Kläger kein Hinweis erteilt worden, aufgrund dessen er davon hätte ausgehen können, dass gegebenenfalls die Kammer seine Rechtsauffassung zum Erfolg der Klage teilen würde. Wie die Beklagte im Übrigen zu Recht in der Berufungserwiderung ausführt, ist weder der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) zum Nachteil des Klägers verletzt worden, noch hat das Landgericht seine Entscheidung auf nicht vorgetragene oder von einer Partei ersichtlich zu Unrecht als unbedeutend angesehene Umstände gestützt. Auch trägt der Kläger nicht vor, was er denn ansonsten noch vorgebracht hätte, wenn das Landgericht ihn nicht in "falscher Sicherheit" gewogen hätte.

Der Senat vermag auch der - im Übrigen nicht konkret belegten - Mutmaßung des Klägers nicht zu folgen, die Kammer sei im Hinblick auf die vorweg durchgeführte Beweisaufnahme zu den materiellen Gründen der Kündigung bei der Prüfung der Formalien nicht mehr "frei" gewesen. Dass eine später sich gegebenenfalls als überflüssig herausstellende Beweisaufnahme die Entscheidungsfreiheit des Spruchkörpers in Frage stellt, liegt fern.

II.

Die Entscheidung des Landgerichts ist aber auch in der Sache zutreffend.

Die fristlose Kündigung des Klägers ist weder formell noch materiell fehlerhaft.

Die Generalversammlung der Beklagten am 13.02.2004, die die Kündigung des Klägers beschlossen hat, ist ordnungsgemäß einberufen worden.

Einladungsbefugt ist nach § 28 I 1 der Satzung der Beklagten der Aufsichtsrat. Er wird dabei durch den Vorsitzenden vertreten.

Die Einladung vom 03.02.2004 ist vom Zeugen K... unterschrieben. Dieser war zu jenem Zeitpunkt Vorsitzender des Aufsichtsrats der Beklagten.

Er ist am 29.01.2004 von den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Beklagten zum Vorsitzenden gewählt worden. Zuvor hatte die Generalversammlung der Beklagten den Aufsichtsrat neu gewählt. Dass der Aufsichtsrat zu seiner Sitzung nicht schriftlich einberufen worden ist, ist unerheblich. Denn sie hat unmittelbar im Anschluss an die Sitzung der Generalversammlung stattgefunden. Alle Mitglieder des Aufsichtsrats waren anwesend und haben an der Wahl des Vorsitzenden teilgenommen.

Auch die Generalversammlung am 29.01.2004 war ordnungsgemäß durch den Zeugen K... einberufen worden. Er ist ausweislich des zu den Akten gereichten Protokolls der Generalversammlung vom 21.08.2000 als Vorsitzender des Aufsichtsrats gewählt worden. Gemäß § 24 Abs. 3 der Satzung der Beklagten beträgt die Amtsdauer der Aufsichtsratsmitglieder in der Regel drei Jahre. Sie endet am Schluss der Generalversammlung, die für das dritte Geschäftsjahr nach der Wahl stattfindet. Die Generalversammlung für das Geschäftsjahr 2002 hat hier erst am 29.01.2004 stattgefunden. Die Einladung zu dieser Versammlung unter dem 19.01.2004 ist somit ordnungsgemäß durch den Zeugen K... in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender, und damit wirksam, erfolgt.

Es ist unerheblich, dass der Kläger vor der Kündigung nicht abgemahnt und angehört worden ist.

Einer Abmahnung des Klägers bedurfte es aufgrund seiner Stellung als Organ der Beklagten nicht.

Das Institut der Abmahnung ist im Arbeitsrecht im Hinblick auf die soziale Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter entwickelt worden. Dieser Schutzgesichtspunkt ist bei Leitungsorganen und Organmitgliedern von Gesellschaften, Genossenschaften und öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder vergleichbaren juristischen Personen nicht ausschlaggebend. Dieser Personenkreis ist nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft, sondern hat eine organschaftliche Aufgabe wahrzunehmen. Zu seinen Leistungsaufgaben gehört es, dass er für die Ordnungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Gesellschaft und der für sie handelnden Personen nach außen die Verantwortung trägt und im Innenverhältnis die Arbeitgeberfunktion erfüllt. Dementsprechend bedarf er erst recht keiner Hinweise der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrates, dass er sich an die Gesetze, an die Satzung und an die in seinem Dienstvertrag niedergelegten Pflichten, an die hier gemäß § 34 Abs. 1, Satz 1 GenG bekanntlich strenge Anforderungen gestellt werden, zu halten hat; vielmehr hat er sich ohne Abmahnung und von sich aus im Rahmen seines Pflichtenkreises dem Standard eines ordentlichen Geschäftsmanns entsprechend zu verhalten. Das ist in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, anerkannt (vgl. BGH NJW-RR 2002, 173, 174; DB 2000, 964, 965; DStR 2000, 564, 565/566 m.w.Anm. Goette). Im Übrigen ist eine Abmahnung ohnehin nicht erforderlich, wenn Pflichtenverstöße so gravierend sind, dass sie - wie hier - zur Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu den Gesellschaftern oder anderen Organen der Gesellschaft geführt haben (dazu weiter unten) (vgl. BGH NZG 2000, 546 = NJW 2000, 1638; vgl. auch BGH NJW-RR 1998, 1409 = LM H. 3/1999 § 138 ZPO Nr. 41 = WM 1998, 1779 [1780]).

Auch eine Anhörung des Klägers vor Ausspruch der Kündigung war nicht erforderlich.

Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass ein Arbeitnehmer - sofern man den Kläger aufgrund seiner Organstellung überhaupt in diesem Zusammenhang als solchen ansieht - vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu hören ist, gibt es nicht. Die Anhörung ist deshalb auch - mit Ausnahme des Falls der Verdachtskündigung - nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ausübung des Kündigungsrechts. Es genügt, dass objektiv ein wichtiger Grund tatsächlich vorgelegen hat. (vgl. dazu nur Mü-Ko § 626 BGB, Rnr. 69, 70).

Es ist auch nicht zutreffend, dass die Generalversammlung am 13.02.2004 sich nicht mit den einzelnen Kündigungsgründen befasst hat.

Ausweislich des Protokolls haben die erschienen Mitglieder der Beklagten sämtliche in erster Instanz vorgetragenen Kündigungsgründe miteinander debattiert mit Ausnahme des Vorwurfs der Veruntreuung von Bargeldeinnahmen. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass über jeden einzelnen Kündigungsgrund ein formeller Beschluss herbeigeführt wird (vgl. nur BGH in BGHZ 60, 333, 337).

Der Wirksamkeit der Kündigung steht auch nicht entgegen, dass der in der Generalversammlung gefasste Kündigungsbeschluss nicht mit schriftlich niedergelegten Kündigungsgründen versehen worden ist. Die Entscheidung der Generalversammlung erstreckt sich zwar nicht nur darauf, ob überhaupt gekündigt werden soll, sondern auch darauf, welche Gründe hierfür heranzuziehen sind (BGHZ 30, 333 (336) = NJW 1973, 1122). Bei der Nachprüfung, ob die Kündigung gerechtfertigt war, können nur diejenigen Gründe berücksichtigt werden, die für den Kündigungsbeschluss der Generalversammlung maßgebend waren. Eine Formvorschrift, dass diese Gründe schriftlich niedergelegt werden müssen, besteht jedoch nicht (vgl. § 47 GenG). Auch muss das Kündigungsschreiben die Kündigungsgründe nicht aufführen. Der Gekündigte kann lediglich verlangen, dass ihm der Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitgeteilt wird (§ 626 Abs. 2 S. 2 BGB). Selbst eine Verletzung dieser Pflicht würde jedoch die Kündigung nicht unwirksam machen, sondern könnte allenfalls Schadensersatzansprüche auslösen (BGH NJW 1984, 2689; vgl. zu allem auch Fleck, WM 1981, Sonderbeil. 3 S. 12).

Die Kündigung ist dem Kläger gegenüber schließlich auch fristgemäß erklärt worden. Nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB gilt insoweit eine Ausschlussfrist von zwei Wochen. Sie beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat. Auch grob fahrlässige Unkenntnis ist ohne Bedeutung (BAG 28. 10. 1971 EzA § 626 BGB nF Nr 8; 6. 7. 1972 EzA § 626 BGB nF Nr 15; 10. 6. 1988 EzA § 626 BGB Ausschlussfrist Nr 2; 31. 3. 1993 EzA § 626 BGB Ausschlussfrist Nr 5; 15. 11. 1995 EzA § 102 BetrVG 1972 Nr 89). Dabei kann der Kündigende, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur fristlosen Kündigung berechtigen könnte, bis zur Grenze, die ein verständig handelnder Arbeitgeber oder Arbeitnehmer beachten würde, Ermittlungen anstellen und den Betroffenen oder Zeugen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Es können auch Urkunden eingesehen und geprüft oder erst beigezogen werden. Erst wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind und der Kündigende die zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts hat, beginnt die Ausschlussfrist zu laufen.

Andererseits dürfen die Ermittlungen nicht hinausgezögert werden (BGH NJW 1981, 166). Dabei kann jedoch nicht von dem Zeitpunkt ausgegangen werden, in dem die Generalversammlung Kenntnis erlangt hätte, wenn der Aufsichtsrat mit größtmöglicher Beschleunigung tätig geworden wäre (vgl. dazu Densch-Kahlo, BB 1983, 811; Hachenburg-Mertens, GmbHG, 7. Aufl., § 38 Rdnr. 60; Wiesner, BB 1981, 1540). Der Aufsichtsrat muss jedoch mit der ihm billigerweise zuzumutenden Beschleunigung vorgehen und die Generalversammlung in angemessen kurzer Zeit einberufen. Eine Regelfrist gilt insoweit nicht. Bei unangemessenen Verzögerungen muss sich die Genossenschaft allerdings nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre die Generalversammlung zeitgerecht geladen und informiert worden.

Ist - wie hier - die Generalversammlung für die Kündigungserklärung zuständig, so beginnt die Frist erst zu laufen, wenn alle Mitglieder Kenntnis haben. Dabei löst nicht schon deren außerhalb der Versammlung gewonnene, sondern erst die nach dem Zusammentritt erlangte Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen den Lauf der Ausschlussfrist aus (BGH BB 1998, 1808).

Danach ist die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 S. 1 BGB hier nicht versäumt worden.

Die Generalversammlung der Beklagten hat erst am 13.02.2004 von den Kündigungsgründen zuverlässig Kenntnis erlangt und noch am selben Tag die Kündigung beschlossen.

Die Beklagte muss sich auch nicht ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als ob die Generalversammlung schon vor dem 13.02.2004 Kenntnis von den Kündigungsgründen hatte. Denn der Aufsichtsrat hat die Versammlung in angemessen kurzer Zeit einberufen, nachdem er selbst Kenntnis von den Kündigungsgründen erlangt hatte.

Es ist davon auszugehen, dass Vorstand und Aufsichtsrat am 15.01.2004 (so der Kläger oder am 16.01.04 (so die Beklagte) Kenntnis von der Kündigung des Mitarbeiters M... durch den Kläger erhalten haben. Dies war das "I-Tüpfelchen" und der Auslöser für die Beurlaubung. Zwar ist die Generalversammlung der Beklagten sodann schon am 29.01.2004 von der Beurlaubung des Klägers in Kenntnis gesetzt worden. Der Beklagten ist aber zuzugestehen, sich zunächst Gewissheit darüber zu verschaffen, ob die Gründe auch für eine fristlose Kündigung ausreichen würden und einen Einigungsversuch zu unternehmen. So hat sie ja auch zunächst dem Kläger am 29.01.2004 einen Auflösungsvertrag übersandt. Auf dieses Angebot ist er aber nicht eingegangen. Wenn der Aufsichtsrat dann am 03.02.2004 die Generalversammlung einberuft, so liegt darin nicht eine unangemessene Verzögerung. Dabei ist auch zu bedenken, dass der Kläger schon vorläufig seines Amtes enthoben war und daher mit einer endgültigen Abberufung und einer - gegebenenfalls auch fristlosen - Kündigung seines Anstellungsvertrags rechnen musste (vgl. dazu BGH NZG 2007, 396 sowie schon ZIP 1984, 947).

Die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers war auch in der Sache gerechtfertigt.

Die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines Vorstandsmitglieds ist nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund i.S. des § 626 Abs. 1 BGB vorliegt (vgl. BGH, WM 1968, 1325; Müller, GenG, § 24 Rdnr. 69; Beuthien, a.a.O., § 24 Rdnr. 22; Gräser in: Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich, a.a.O., § 24 Rdnr. 18). Ein solcher ist gegeben, wenn dem Kündigenden eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu einem ordentlichen Ablauf unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutet werden kann (vgl. Müller, a.a.O., § 24 Rdnr. 69; Beuthien, a.a.O., § 24 Rdnr. 22; zum Geschäftsführeranstellungsvertrag mit der GmbH vgl.: BGHZ 157, 151 = NJW 2004, 1528; BGH, NJW 1993, 463, 464; NJW-RR 1996, 156; DStR 1997, 1338; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 18. Aufl., § 35 Rdnr. 218; Goette, Die GmbH, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 162; ders., DStR 1998, 1137, 1140). Dabei ist nicht nur zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden, vielmehr müssen bei der zusätzlich erforderlichen Interessenabwägung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles daraufhin abgewogen werden, ob es dem Kündigenden unzumutbar ist, das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung fortzusetzen (vgl. BGH, DStR 1997, 1338; Goette, DStR 1998, 1137, 1140 für GmbH). Bei der Prüfung einer fristlosen Kündigung sind damit die Interessen der Genossenschaft an der fristlosen Entlassung gegenüber dem Interesse des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds an der Fortsetzung und vertragsgemäßen Beendigung des Anstellungsverhältnisses sorgsam abzuwägen (vgl. OLG Oldenburg, v. 28.01.2001 - 1 U 132/00; OLG Frankfurt, NZG 1999, 356). Bei langjährigen Dienstverhältnissen sind dabei strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BGHZ 20, 239, 248 f.; OLG Oldenburg, v. 28.01.2001 - 1 U 132/00; vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, 16. ZS vom 24.11.2006 - 16 U 218/05 BeckRS 2007, 02628; Staudinger/Preis zu § 626 BGB Rn. 49 ff.).

Die Beklagte stützt die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers u.a. darauf, dass er die fristlose Kündigung des Buchhalters M... in der Vorstandssitzung vom 09.01.2004 verschwiegen und OP-Listen manipuliert habe.

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist auch der Senat davon überzeugt, dass beide Vorwürfe zu Recht erhoben wurden.

Dabei ist zu beachten, dass die Beweiswürdigung erster Instanz nur noch beschränkt nachprüfbar ist. Denn gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F. hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und/oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Ein Angriff auf die Beweiswürdigung des Landgerichts muss danach schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen begründen, die also solche Zweifel an den erhobenen Beweisen aufdrängen, dass ein Neueinstieg in die Beweisaufnahme sich aufdrängt.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist hier in sich geschlossen, widerspruchsfrei, plausibel und nicht mit Verstößen gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze behaftet. Mithin ist der Senat gem. § 529 Abs.1 Nr. 1 ZPO an die erstinstanzlichen Feststellungen gebunden.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Der Senat teilt die Rüge mangelhafter Beweiswürdigung durch das Landgericht nicht.

Es ist zwar richtig, dass das Landgericht nicht darauf eingegangen ist, dass die Beklagte nach eigenen Unterlagen schon im Oktober 2003 misstrauisch geworden ist und so lange recherchiert hat, bis sie am 16.01.2004 sicher war, dass es für eine Beurlaubung des Klägers reichen würde. Darauf kam es aber nicht an, weil die Beklagte - wie bereits ausgeführt - sich zunächst Gewissheit darüber verschaffen durfte, ob die Gründe auch für eine fristlose Kündigung ausreichen würden und einen Einigungsversuch unternehmen durfte

Dass der Zeuge K... zu der Sitzung am 09.01.2004 verspätet erschienen ist hat das Landgericht sehr wohl in den Gründen des Urteils berücksichtigt.

Auch der vom Kläger in seiner Berufungsbegründung weiter vorgebrachte angebliche Verfahrensfehler, die Zeugin B... sei ohne Beweisbeschluss zu der streitigen Frage der Manipulation der Offene Posten-Listen (im Folgenden: OP-Listen) durch Selektierung der Ausdrucke als Zeugin vernommen worden, ist nicht begründet. Die Vernehmung der Zeugin B... ist durch den Beweisbeschluss des Landgerichts vom 24.08.2005 angeordnet worden. Die Ausdehnung der Beweisaufnahme durch Befragung eines Zeugen über das ursprüngliche Beweisthema hinaus ist dem Prozessgericht auch ohne förmlichen Beweisbeschluss gestattet (vgl. Greger/Zöller, § 360 ZPO, Rnr. 5), wenn dies - wie hier - zur Aufklärung des Sachverhalts sachlich geboten war. Die Rechte des Klägers sind insoweit auch nicht beschnitten worden, weil er die Möglichkeit hatte, die Zeugin selbst zu befragen und davon auch ausweislich des Beweisaufnahmeprotokolls Gebrauch gemacht hat. Zu Recht weist die Beklagte im Übrigen darauf hin, dass die Ausdehnung der Zeugenvernehmung auf die Frage der OP-Listen ohne förmlichen Beweisbeschluss schon deshalb nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen kann, weil das Urteil auch bei einer im Beschlusswege angeordneten Beweiserweiterung nicht anders ausgefallen wäre, das Urteil somit nicht auf einem etwaigen Verfahrensfehler beruht.

Schließlich hat das Landgericht auch nicht Beweisantritte des Klägers betreffend die OP-Listen übergangen.

Im Schriftsatz des Klägers vom 17.09.2004 fehlt insoweit jeder Beweisantritt. Soweit der Kläger sich sodann im Schriftsatz vom 06.12.2005 zum Beweis, dass er die OP-Listen nicht manipuliert habe und dass eine Manipulation der OP-Listen angesichts der Konfiguration der Software nicht möglich sei, auf das Zeugnis des Softwareinhabers F... berufen hat, ist der Beweisantritt untauglich. Es ist unstreitig, dass die Software des Finanzbuchhaltungsprogramms als solche nicht manipulierbar ist. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass der Kläger die Software des Buchhaltungsprogramms gefälscht oder manipuliert habe, sondern den Ausdruck einzelner OP-Listen. Dazu kann aber der Zeuge F... ersichtlich nichts beitragen. Er ist damit als Zeuge für die von der Beklagten behauptete Pflichtverletzung des Klägers ungeeignet.

Soweit der Kläger im Übrigen geltend macht, irgendein Grund dafür, die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Buchhalters M... zu verschweigen, sei nicht ersichtlich, ist es grundsätzlich mangels Kenntnis der Interna nicht Sache des Gerichts, einen solchen aufzuzeigen. Denkbar ist aber zum Beispiel jedenfalls, dass der Kläger, wie von der Beklagten vorgetragen, bei Offenbarung der fristlosen Kündigung eine Kürzung des Personalbudgets befürchten musste.

Was die Vorlage unvollständiger OP-Listen angeht, hat das Landgericht zu Recht seine Überzeugung im Wesentlichen auf die Aussage der Zeugin B... gestützt.

Es ist zwar richtig, dass die Zeugin nicht konkret eine Liste nennen konnte, deren Ausdruck manipuliert worden ist. Das war angesichts von deren Häufigkeit und Komplexität aber auch nicht zu erwarten. Die Zeugin wusste aber nachvollziehbar und glaubhaft zu erklären - insoweit unterstützt durch die Aussage des Zeugen W...- , dass und wie solche Ausdrucke unter Ausblendung einzelner Kunden technisch machbar sind.. Auch hat sie erklärt, dass der Kläger sich diese Fähigkeit auf einem Seminar des Softwarehauses in Karlsruhe angeeignet und teilweise selbst in die Praxis zwecks Vorlage an den Vorstand umgesetzt hat.

In der Aussage der Zeugin sind auch keine Belastungstendenzen zu Lasten des Klägers zu erkennen. Vielmehr hat sie sich in ihren Angaben zu den Vorwürfen, die sie aus eigener Anschauung nicht erlebt hat, ausdrücklich zurückgenommen, indem sie etwa eingeräumt hat, dass sie keine einzelne konkrete Manipulation benennen könne.

Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, er habe sich angesichts der wenig konkreten Aussage der Zeugin B... zu einzelnen OP-Listen nicht sachgerecht gegen die Manipulationsvorwurf verteidigen können. Es ist - wie bereits dargelegt - nachvollziehbar, dass die Zeugin keine konkreteren Angaben machen konnte. Aus denselben Gründen kann auch von der Beklagten konkreter Vortag dazu nicht verlangt werden. Das ändert aber nichts daran, dass die Aussage der Zeugin glaubhaft ist.

Bereits die beiden vom Landgericht festgestellten Verfehlungen des Klägers - Verschweigen der fristlosen Kündigung des Buchhalters M..., Manipulation der dem Vorstand präsentierten OP-Listen - rechtfertigen die fristlose Kündigung seines Dienstverhältnisses durch die Beklagte. Die Manipulation von Zahlen und das Verschweigen der fristlosen Kündigung eines Mitarbeiters, obwohl die Kündigung ausdrücklich Gesprächsthema unter den Vorstandsmitgliedern war, sind so gravierende Pflichtverstöße, dass die Beklagte zu Recht das Vertrauensverhältnis zum Kläger als zerrüttet ansah. Angesichts der leitenden Stellung des Klägers als einziges hauptamtliches Vorstandsmitglied der Beklagten war es dieser danach auch nicht mehr zuzumuten, das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung fortzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 212.000,- €.

Ende der Entscheidung

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