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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.08.2008
Aktenzeichen: I-9 U 34/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 328 Abs. 1
BGB § 415
BGB § 415 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Kleve vom 08.01.2008 (3 O 325/07) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn H...-M... S.... Die Beklagte ist die Ehefrau des Schuldners.

Der Schuldner war Alleineigentümer zweier Wohnungen in R..., I... 65 a/b. Die Finanzierung erfolgte u.a. über die V... N... eG. Mit Kaufvertrag vom 30.08.2001 verkaufte der Schuldner die vorgenannten Wohnungen an die Beklagte. Diese sollte den Kaufpreis von 450.000 DM u.a. durch die Übernahme der Verbindlichkeiten des Schuldners bei der V... N... eG erbringen. Die V... N... eG genehmigte die Schuldübernahme nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Genehmigung ins Leere gegangen sei, weil sich der Freistellungsanspruch bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen Zahlungsanspruch umgewandelt habe. Dieser Zahlungsanspruch ist Gegenstand des Rechtsstreits.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff.1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 65.826,98 € nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte einen entsprechenden Anspruch aus dem notariellen Kaufvertrag vom 30.08.2001. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 14.07.2006 habe sich der ursprünglich bestehende Freistellungsanspruch in einen Anspruch auf Zahlung in voller Höhe der zu tilgenden Schuld umgewandelt. Die Folge, dass der Gläubiger des Anspruchs, von dem der Schuldner zu befreien sei, aufgrund der Insolvenz nur eine Forderung auf die Insolvenzquote habe, während der Befreiungsschuldner den vollen Betrag an die Insolvenzmasse zahlen müssen, sei hinzunehmen. Der Anspruch des Klägers sei auch nicht durch die Erklärungen der V... vom 14.08.2007 und 30.10.2007 erloschen. Die Genehmigungsfähigkeit der Schuldübernahme nach § 415 BGB setze u.a. voraus, dass die Übernahmevereinbarung als Genehmigungsgegenstand fortbestehe. Gerade dies sei jedoch vorliegend nicht mehr der Fall. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe sich der Befreiungsanspruch dauerhaft in einen Zahlungsanspruch umgewandelt und so eine Inhaltsänderung erfahren. Ließe man zu, dass die Drittgläubigerin durch Genehmigung der Schuldübernahme nach Insolvenzeröffnung den in einen Zahlungsanspruch umgewandelten Befreiungsanspruch einseitig durch nachträgliche Genehmigung entfallen lassen könnte, würde man ihr die Rechtsstellung einer Absonderungsberechtigten einräumen, welche ihr gesetzlich nicht zukomme.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, dass sich der durch die Schuldübernahmeerklärung begründete Freistellungsanspruch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt habe. Aufgrund der Genehmigung der Schuldübernahme durch die V... sei die ursprüngliche Verfügung über die Forderung der V... nachträglich wirksam geworden. Damit sei der Befreiungsanspruch erfüllt. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei zu entnehmen, dass eine Genehmigung noch nach Insolvenzeröffnung erteilt werden könne. Auch der vom Bundesgerichtshof dargelegte Sinn und Zweck der Umwandlung des Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch stehe der Fortdauer der Genehmigungsfähigkeit nicht entgegen. Aufgrund der Belastung mit der Forderung des Drittgläubigers solle dem Insolvenzverwalter ein direkter Zahlungsanspruch zustehen, um eine zügige und vereinfachte Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen. Durch die Rückwirkung der Genehmigung würden der Anspruch des Drittgläubigers und der Befreiungsanspruch des Insolvenzschuldners indes von Beginn an aus der Insolvenzmasse herausgelöst. Die Inanspruchnahme des Gemeinschuldners werde dadurch abgewendet.

Im Übrigen sei eine Inanspruchnahme des Übernahmeschuldners ausgeschlossen, wenn er zusätzlich auch gegenüber dem Drittgläubiger unmittelbar zur Leistung verpflichtet sei. Andernfalls wäre der Insolvenzmasse gegenüber zur Zahlung verpflichtet und gleichzeitig bliebe er gegenüber dem Drittgläubiger jedenfalls insoweit zur Leistung verpflichtet, als dieser mit seiner Forderung im Insolvenzverfahren ausfalle. Nach der Rechtsauffassung des Landgerichts hätte die Beklagte die Klagesumme an den Kläger zu entrichten und der Drittgläubiger könne sich hinsichtlich des über die Insolvenzquote hinausgehenden Betrages aus den Grundschulden, die nach wie vor in voller Höhe erstrangig zu Lasten ihres Eigentums bestünden, schadlos halten. Dies folge im Übrigen auch aus der im Kaufvertrag vom 30.08.2001 getroffenen Vereinbarung, wonach sie bis zur Genehmigung der Schuldübernahme seitens der V... N... eG einen zeitweiligen Schuldbeitritt erklärt habe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 08.01.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Kleve die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er ist der Auffassung, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass der Freistellungsanspruch durch Ereignisse nach Insolvenzeröffnung rückwirkend entfallen sei. Mit der Insolvenzeröffnung habe es keine genehmigungsfähige Rechtsbeziehung mehr gegeben. Der Freistellungsanspruch sei mit diesem Zeitpunkt in einen Zahlungsanspruch übergegangen. Da nunmehr der Grundsatz der Gläubigerbenachteiligung maßgeblich sei, dürfe die Drittgläubigerin nach Insolvenzeröffnung nicht mehr infolge einer Genehmigung vollständig befriedigt und damit besser gestellt werden als andere Gläubiger. Der Umwandlung des Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch stehe auch nicht die dingliche Haftung entgegen. Diese löse keine Zahlungsverpflichtung der Beklagten aus. Zudem sei die Beklagte der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme bereits bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags ausgesetzt gewesen. Dem Darlehensrückzahlungsanspruch der V... könne die Beklagte den dolo-agit-Einwand entgegenhalten, weil eine Zahlung an die V... wegen Zweckverfehlung der Schuldübernahme nach Bereicherungsrecht zurückgefordert werden könnte. Schließlich könne dem notariellen Vertrag vom 30.08.2001 ein Schuldbeitritt nicht entnommen werden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akte 31 IN 41/06 des Amtsgerichts Kleve Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus dem notariellen Kaufvertrag vom 30.08.2001 keinen Anspruch auf Zahlung von 65.826,98 €.

Der Schuldner und die Beklagte haben unter II. (2) des Vertrages vereinbart, dass der Käufer zur gänzlichen Entlastung des Verkäufers in Anrechnung auf den Kaufpreis mit sofortiger Wirkung u.a. die durch Grundpfandrechte gesicherten Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der V... N... eG übernimmt. Danach war die Beklagte verpflichtet, die Gläubigerin rechtzeitig zu befriedigen, solange diese die Genehmigung der Schuldübernahme nicht erteilt oder wenn sie diese verweigert hätte. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wandelt sich dieser Freihalteanspruch des Schuldners in der Regel in einen Zahlungsanspruch um, der in die Masse fällt (vgl. BGH NJW 1994, 49, 50; BGH NJW-RR 2001, 1490, 1491; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung/Lwowski/Peters, 2. Aufl., § 35 Rdnr. 399; Jaeger/Henckel, InsO, § 36 Rdnr. 39; Münchener Kommentar/Krüger, BGB, 5. Aufl., § 257 Rdnr. 10).

Der Befreiungsanspruch wandelt sich im Falle der Insolvenz des Freistellungsgläubigers allerdings dann nicht in einen auf Geld gerichteten Anspruch um, wenn Ersatzberechtigter und Ersatzverpflichteter Gesamtschuldner des Gläubigers sind (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 1995, 673, 674; ausdrücklich bestätigt durch den BGH, Beschluss vom 20.10.1994, IX ZR 56/94; Gerhardt, EWiR 1994, 371, 372; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung/Lwowski/Peters, a.a.O., Rdnr. 401). Die Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch in der Insolvenz rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass der Gläubiger bei einer Tilgung der Schuld durch den Befreiungsschuldner entgegen dem Gleichbehandlungsgrundsatz volle Befriedigung für seine Insolvenzforderung erhalten würde. Der Befreiungsschuldner seinerseits muss nach der Umwandlung nur das leisten, was er auch nach Zahlung des Befreiungsgläubigers an den Drittgläubiger leisten müsste. Beides ist jedoch anders bei der Möglichkeit einer unmittelbaren Inanspruchnahme des Befreiungsschuldners durch den Gläubiger. Dieser hat trotz der Insolvenzeröffnung das Recht auf volle Befriedigung, wenngleich nicht aus der Insolvenzmasse. Gerade weil der Drittgläubiger eine von der Insolvenz nicht betroffene Forderung hat, findet keine Besserstellung statt (vgl. BGH NJW 1994, 49, 51). Zudem wäre der Befreiungsschuldner bei konsequenter Einhaltung der Umwandlungsthese vor einer doppelten Inanspruchnahme nicht geschützt (vgl. Gerhardt a.a.O.).

Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits der Umstand, dass die Beklagte aufgrund der Grundschulden mit ihren Immobilien haftet, die Umwandlung des Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch ausschließt. Zwar besteht insoweit zwischen dem Ersatzberechtigten und dem Ersatzverpflichteten kein Gesamtschuldverhältnis. Wirtschaftlich gesehen käme es dennoch zu einer doppelten Inanspruchnahme des Verpflichteten, wenn man in derartigen Fällen die Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch zuließe. Ebenso wenig findet eine Besserstellung des Drittgläubigers, der sich aus den Eigentumswohnungen befriedigen könnte, statt.

Jedenfalls scheitert eine Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch aber daran, dass der Schuldner und die Beklagte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auch Gesamtschuldner der V... waren. Der Schuldner und die Beklagte haben unter II. (2) des notariellen Vertrages vereinbart, "dass der Käufer so in die Schuldverhältnisse eintritt, dass die Gläubiger gegen ihn unmittelbare Ansprüche erlangen, ohne Rücksicht darauf, ob sie den Verkäufer und etwa mithaftende Personen aus der Haftung entlassen oder nicht". Mit dieser Regelung haben die Partner des Kaufvertrags statt der bloßen Erfüllungsübernahme, wie sie § 415 Abs. 3 BGB vorsieht, den Schuldbeitritt der Beklagten vereinbart, und zwar durch berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 Abs. 1 BGB (vgl. BGH NJW 1979, 157, 158).

Entgegen der Auffassung des Klägers im nachgelassenen Schriftsatz vom 03.07.2008 (Seite 2, Bl. 236 GA), regelt diese Passage nicht lediglich den Vollzug der Schuldübernahme nach Genehmigung. Der Gläubigerin wurde vielmehr eine unmittelbare Berechtigung eingeräumt, wobei eine interessengerechte Auslegung ergibt, dass diese bis zur Genehmigung oder deren Verweigerung befristet ist. Für die Gläubigerin wurden nämlich unmittelbare Ansprüche begründet, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie den Verkäufer aus der Haftung entlässt oder nicht, mithin ob sie die Schuldübernahme genehmigt oder nicht.

Angesichts des eindeutigen Wortlauts dieser Vereinbarung kommt es auf die im nachgelassenen Schriftsatz aufgestellte und unter Beweis gestellte Behauptung des Klägers, dass die Parteien des Grundstückskaufvertrages den Schuldbeitritt vor Genehmigung der Schuldübernahme weder beabsichtigt noch vereinbart hätten, nicht an. Die entsprechende Vereinbarung folgt aus der notariellen Urkunde. Tragfähige Anhaltspunkte für ein übereinstimmendes abweichendes Verständnis der Vertragspartner hat der Kläger nicht aufgezeigt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte mit ihrem aufgrund eines gerichtlichen Hinweises erfolgten Vortrag zum Schuldbeitritt auch nicht präkludiert. Der Schuldbeitritt ergibt sich bereits aus dem notariellen Vertrag, der mit der Klageschrift vorgelegt wurde.

Da der Schuldbeitritt zu einer gesamtschuldnerischen Haftung führt (vgl. Palandt/ Grüneberg, BGB, 67. Aufl., vor § 414 Rdnr. 2), hat die Insolvenzeröffnung nicht zu einer Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch geführt. Die auf Zahlung gerichtete Klage ist damit unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Berufungsstreitwert: 65.826,98 €.

Ende der Entscheidung

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