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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.01.2007
Aktenzeichen: I-9 U 82/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 254
ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 287 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf vom 22. März 2006 (5 O 4/05) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren Schadensersatz wegen angeblicher Schlechterfüllung der zwischen den Parteien abgeschlossenen Anwaltsverträge.

Die Kläger verkauften mit notariellem Vertrag vom 04.01.1996 das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück A... ... in K... an die Eheleute P... und T... F.... Nachdem im Objekt Feuchtigkeitsschäden aufgetreten waren, machten die Erwerber mit Schreiben vom 7. November 2000 Schadensersatzansprüche gegen die Kläger geltend, insbesondere wurden die Kläger aufgefordert mitzuteilen, ob sie zum Abschluss eines Rückabwicklungsvertrages bereit seien. Die Kläger wandten sich an den Beklagten zu 2) mit dem Auftrag, ihre Interessen im Hinblick auf das Anspruchsschreiben umfassend zu vertreten. Da der Beklagte zu 2) die Erwerber schon einmal in einem Rechtsstreit vertreten hatte, wollte er nicht nach außen hin auftreten; hierzu erklärte sich der Beklagte zu 1) bereit. Intern bearbeiteten die Beklagten das Mandat jedoch unter der Federführung des Beklagten zu 2) gemeinsam. Die Beklagten wiesen mit Schreiben vom 8. Dezember 2000 die Ansprüche der Erwerber zurück.

Die Erwerber erhoben sodann Klage. Nach einem Hinweisbeschluss des Landgerichts zur Unschlüssigkeit von Nutzungsentgeltansprüchen bzw. von den damaligen Klägern zur Aufrechnung gestellten Zinsansprüchen, erfolgte von beiden Parteien eine Berechnung der Ansprüche. Noch vor dem nächsten Verhandlungstermin bestellte sich mit Schriftsatz vom 04.11.2002 für die damaligen Beklagten Rechtsanwalt H... und teilte mit, dass das Mandat der Rechtsanwälte S... pp. Beendet sei. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht gaben der Klage im Wesentlichen statt, weil die Kläger den Feuchtigkeitsmangel arglistig verschwiegen hätten.

Die Kläger sind der Ansicht, den Beklagten sei ein Beratungsfehler unterlaufen. Sie seien über das Prozessrisiko nicht ausreichend aufgeklärt worden. Der richtige Rat wäre die schadensmindernde zügige Rückabwicklung des Kaufvertrages gewesen. Hätten die Beklagten betont, dass die Rechtsverteidigung keine ausreichende Aussicht auf Erfolg habe, hätten sie sich zur Rückabwicklung entschlossen; insoweit gelte auch der Anscheinsbeweis.

Die Kläger behaupten, bei richtiger Beratung hätten sie Prozesskosten in Höhe von 16.661,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 119,50 € erspart. Darüber hinaus wäre ihnen kein weiterer Zinsschaden in Höhe von 9.203,28 € entstanden. Schließlich hätten sie die Immobilie früher vermieten können, so dass ihnen ein weiterer Schaden von 2.331,49 € entstanden sei.

Hilfsweise berufen sich die Kläger darauf, dass das Oberlandesgericht in seinem Urteil den Eheleuten F... Zinsen in Höhe von 6.229,01 € doppelt zugesprochen habe. Hätten die Beklagten auf die doppelte Verzinsung hingewiesen, so wäre unter Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs auch das Gericht davon ausgegangen, dass ein entsprechender Zinsschaden von den Eheleuten F... ab dem 11.10.2001 doppelt berechnet worden sei.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 9. Mai 2006 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 28.315,67 € aus positiver Vertragsverletzung der Anwaltsverträge verurteilt, da den Klägern in dieser Höhe ein Schaden entstanden sei. Die Beklagten hätten ihre Pflichten dadurch verletzt, dass sie bei der Vertretung der Kläger nicht den sichersten und kostengünstigsten Weg zur Interessenwahrung gewählt hätten, insbesondere sei die Einschätzung der Beklagten hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung fehlerhaft gewesen. Die Beklagten hätten nach den ihnen vorliegenden Informationen erkennen müssen, dass das Verhalten der Kläger hinsichtlich der Nichtbekanntgabe des Feuchtigkeitsschadens an der streitgegenständlichen Immobilie zumindest mit einer ganz überwiegenden Wahrscheinlichkeit als arglistiges Verschweigen eines Mangels gewertet werden würde. Vor diesem Hintergrund hätten die Beklagten den Klägern nicht zur Durchführung des Rechtsstreits sondern zur unverzüglichen Rückabwicklung des Kaufvertrages mit den Erwerbern raten müssen. Für die anwaltliche Beratung habe es nicht ausgereicht, dass der Beklagte zu 2) dem Kläger gesagt haben will, dass man die Frage der Arglist auch anders sehen könne. Dieser Beratungsfehler sei ursächlich für das weitere Vorgehen der Kläger gewesen. Insoweit spreche der Anscheinsbeweis für ein beratungsrichtiges Verhalten. Den Beklagten sei es nicht gelungen, das Gegenteil zu beweisen, nämlich dass die Kläger aus wirtschaftlichen Gründen auch bei der kleinsten Erfolgsaussicht den Prozess um jeden Preis hätten führen wollen. Ein Mitverschulden sei den Klägern nicht vorzuwerfen. Durch das Führen des unnötigen Rechtsstreits seien den Klägern in erster Instanz Kosten in Höhe von 16.661,50 € entstanden. Dass die Kläger von ihrer Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage erhalten hätten, sei irrelevant, da die Rechtsschutzversicherung die Rückforderung angekündigt habe. Aufgrund der verspäteten Durchführung der Rückabwicklung sei den Klägern ein Zinsschaden in Höhe von 9.203,28 € entstanden. Ferner hätten sie einen Mietausfallschaden in Höhe von 2.331,49 € erlitten.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung der Beklagten.

Der Beklagte zu 2) ist der Auffassung, die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Düsseldorf seien nicht vorhersehbar gewesen. Es habe beachtliche Gründe für die Verneinung des subjektiven Anforderungen der Arglist gegeben. Selbst wenn eine Fehlberatung bejaht werden müsse, gehe das Urteil von unzutreffenden Beträgen aus. Zum einen hätten die Kläger nicht dargelegt, welche Leistungen sie bzw. die Rechtsschutzversicherung erbracht hätten; zum anderen bestünde die Gefahr einer Rückforderung seitens der Rechtsschutzversicherung nicht.

Der Beklagte zu 1) ist der Auffassung, dass die Kläger den Prozess auf jeden Fall geführt hätten, auch wenn er ihnen von der Prozessführung abgeraten hätte. Die tatsächliche Vermutung sei dadurch erschüttert, dass die Kläger den Vorprozess durch drei Instanzen betrieben hätten. Eine etwaige Fehlberatung durch den noch in erster Instanz des Vorprozesses eingeschalteten Rechtsanwalts H... müssten sie sich im Rahmen des § 254 BGB zurechnen lassen, da dieser aufgrund der Unzufriedenheit mit der bisherigen Prozessführung beauftragt worden sei. Ein Schaden sei nicht schlüssig vorgetragen. Die Prozesskosten seien von der Rechtsschutzversicherung übernommen worden. Die von der Rechtsschutzversicherung gezahlten Beträge lägen über denen, die die Kläger mit der Klage geltend machen. Einer Rückforderung seitens der Rechtsschutzversicherung seien sie nicht ausgesetzt. Die vermeintlichen Zins- und Mietausfallschäden seien bereits deshalb nicht zu ersetzen, da nicht ausreichend dargetan sei, dass tatsächlich eine Rückabwicklung des Grundstückskaufs bis zum 30.04.2001 hätte erfolgen können. Für eine Doppelberechnung eines Zinsschadens seien sie nicht verantwortlich, da sie die Kläger in der Berufungsinstanz nicht vertreten hätten.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 22.03.2006 die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Insbesondere verwahren sie sich dagegen, beratungsresistent gewesen zu sein. Hätten die Beklagten pflichtgemäß die tatsächliche Erfolgsaussicht der Verteidigung aufgezeigt und ihnen von der Verteidigung gegen die Ansprüche abgeraten, wären sie dem gefolgt. Sie hätten Berufung bzw. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, weil die sie Rechtsanwälte stets aufgezeigt hätten, dass es ohne weiteres Sinn mache sich gegen die geltend gemachten Ansprüche zur Wehr zu setzen. Ein Mitverschulden sei ihnen nicht anzurechnen, da der später eingeschaltete Anwalt lediglich denselben Fehler gemacht habe, wie die Beklagten. Rechtsanwalt H... sei nicht beauftragt worden, um den streitgegenständlichen Pflichtverstoß, nämlich das Führen eines aussichtslosen Prozesses, zu beseitigen. Ein Schaden sei ihnen entstanden. Die Zahlungen der Rechtsschutzversicherung seien eindeutig nachgewiesen und in der Klageforderung berücksichtigt. Zwischenzeitlich habe die Rechtschutzversicherung auch Klage auf Rückzahlung der vorgeleisteten Beträge erhoben. Es könne auch kein Zweifel daran bestehen, dass im Falle des Anerkenntnisses der Grundstückskauf bis zum 28.04.2001 hätte rückabgewickelt werden können; dies zeige bereits die tatsächlich durchgeführte spätere Rückabwicklung nach Abschluss des Vorprozesses. Jedenfalls müsse die Klage wegen der Doppelberechnung des Zinsschadens durch das Oberlandesgericht im Vorverfahren teilweise Erfolg haben.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu Informationszwecken beigezogene Akte des Landgerichts Düsseldorf (10 O 235/01) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass eine positive Vertragsverletzung der Anwaltsverträge vorliegt, da die Kläger über das Ausmaß des Risikos eines zu erwartenden Rechtsstreits nicht ausreichend belehrt worden sind. Der Senat kann jedoch nicht feststellen, dass die Pflichtverletzung zu einem Schaden der Kläger geführt hat. Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass sich die Kläger bei vertragsgerechter Beratung für die Rückabwicklung des notariellen Kaufvertrages entschieden hätten (§ 287 Abs. 1 ZPO). Ein Anscheinsbeweis zugunsten der Kläger greift insoweit nicht ein, da es für die Kläger bei vertragsgerechter Information nicht lediglich eine wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung gegeben hätte. Soweit die Kläger hilfsweise ihren Anspruch in Höhe von 6.229,91 € darauf stützen, dass das Oberlandesgericht in dem Vorverfahren fehlerhaft einen Zinsanspruch doppelt berücksichtigt habe, fehlt es bereits an einem pflichtwidrigen Verhalten der Beklagten.

Im Einzelnen:

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten gemeinsam beauftragt waren, die Kläger im Hinblick auf das Schreiben der Erwerber vom 7. November 2000, in dem sog. großer Schadensersatz geltend gemacht worden war, umfassend zu vertreten. Die Beklagten mussten die Kläger sorgfältig darüber belehren, ob es im Hinblick auf die Risikolage angezeigt zwar, sich notfalls in einem Prozess zu verteidigen oder sofort der Rückabwicklung mit einer entsprechenden Schadensersatzverpflichtung zuzustimmen. Der Auftraggeber muss aufgrund der Beratung in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich über die Art und Weise der Rechtsverteidigung entscheiden zu können (vgl. Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rdnr. 631). Hierzu gehört, dass der Rechtsanwalt den Auftraggeber über die Notwendigkeit, Erfolgsaussicht und Gefahren eines Rechtsstreits ins Bild setzt. Er hat vor allem den ihm vorgetragenen Sachverhalt darauf zu überprüfen, ob er geeignet ist, den von dem Auftraggeber erstrebten Erfolg zu begründen. Auf rechtliche Bedenken gegen die Erfolgsaussichten einer Rechtsverteidigung muss der Rechtsanwalt den Auftraggeber hinweisen. Der Rechtsanwalt muss nicht nur das Vorhandensein, sondern auch das ungefähre, in etwa abschätzbare Ausmaß des Risikos eines zu erwartenden Rechtsstreits darlegen und erörtern (vgl. Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee a.a.O., Rdnr. 631 f.).

Diesen Anforderungen sind die Beklagten nicht gerecht geworden. Dies gilt vor allem dann, wenn man nach dem Vortrag der Kläger davon ausgeht, dass die Beklagten von einer sehr guten oder jedenfalls guten Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung gegen eine zu erwartende Klage gesprochen haben. Aber auch wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass die Kläger entsprechend dem Vermerk des Beklagten zu 2) vom 19.11.2000 (Bl. 171 GA) beraten worden sind, reicht die im Aktenvermerk dargelegte Vorgehensweise nicht aus, um von einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung sprechen zu können. Allein der Hinweis darauf, dass die Klage nur dann Erfolg hat, wenn die Gegenseite auch die subjektiven Voraussetzungen der Arglist nachweisen könne und bestimmte Umstände zugunsten des Mandanten im Sinne einer fehlenden Arglist vorlägen, wurde der Sachlage nicht gerecht. Es gab einen massiven Feuchtigkeitsschaden und trotz der Sanierungsbemühungen hatten die Kläger keinerlei Gewähr dafür, dass der Schaden endgültig behoben sein würde. Es bestand das erhebliche Risiko, dass man den Klägern nicht glauben würde, dass sie etwa ein Jahr nach Durchführung der Arbeiten von einer endgültigen und dauerhaften Mangelbeseitigung ausgegangen seien, obwohl ein Gutachten vorlag, in dem das Gegenteil stand.

Dass über diese konkreten Risiken gesprochen worden ist, wird seitens der Beklagten nicht behauptet. Auch die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme hat Entsprechendes nicht ergeben. Im Gegenteil haben die Zeugen S... und O... übereinstimmend und glaubhaft ausgesagt, dass über konkrete Prozessrisiken nicht gesprochen worden ist.

Damit hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Beklagten vor dem Hintergrund einer unzureichenden Risikoaufklärung ihre anwaltlichen Pflichten verletzt haben.

Der Senat kann aber nicht feststellen, dass die Pflichtverletzung der Anwälte für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden ist. Die Frage des Ursachenzusammenhangs zwischen einer anwaltlichen Pflichtverletzung und dem Schaden des Mandanten beantwortet sich danach, wie sich der Mandant verhalten hätte, wenn er richtig beraten worden wäre (vgl. Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rdnr. 991). Für die Feststellung dieses hypothetischen Geschehensablaufs ist die Vorschrift des § 287 Abs. 1 ZPO heranzuziehen; insofern reicht für die richterliche Überzeugung eine überwiegende, auf gesetzlicher Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus (vgl. BGH WM 2000, 197 f.; vgl. Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rdnr. 994).

Der den Klägern obliegende Beweis (vgl. Borkmann/Jungk, Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 45 Rdnr. 24) kann durch die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens erleichtert werden (vgl. BGH NJW 2005, 3275 ff.). Diese Vermutung gilt jedoch nur dann, wenn für den Mandanten bei vernünftiger Betrachtungsweise aus damaliger Sicht nur eine Entscheidung nahe gelegen hätte (vgl. Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rdnr. 1005; BGH NJW 2005, 3275 ff.; NJW-RR 2005, 784). Um dies beurteilen zu können, müssen die Handlungsalternativen miteinander verglichen werden, die für den Mandanten nach pflichtgemäßer Beratung zur Verfügung gestanden haben (vgl. BGH a.a.O.).

Die Handlungsalternativen bestanden für die Klägern auf der einen Seite darin, dem Rückabwicklungsbegehren der Erwerber zu entsprechen und Schadensersatzansprüche, die bereits damals erkennbar über 100.000 DM hinausgingen, ohne jegliche gerichtliche Prüfung anzuerkennen; auf der anderen Seite konnten die Kläger es auf einen Prozess ankommen lassen. Das Risiko, das sie dann im Wesentlichen zusätzlich eingingen, bestand darin, den Prozess zu verlieren und mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden.

Letzteres wäre nur dann keine echte Handlungsalternative gewesen, wenn die Rechtsverteidigung von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Dann hätte der Anspruch anerkannt werden müssen. Eine derartige Feststellung lässt sich jedoch nicht treffen.

Die Kläger konnten den Vorprozess nur dann verlieren, wenn es den Käufern gelungen wäre, ihnen, den Verkäufern, Arglist beim Verkauf des Hauses nachzuweisen. Dabei ist der Verkäufer gegenüber dem Käufer grundsätzlich in einer wesentlich besseren Prozesssituation, da die Käufer für sämtliche Voraussetzungen der Arglist die Darlegungs- und Beweislast tragen.

Ein arglistiges Verschweigen eines Mangels setzt grundsätzlich voraus, dass der Verkäufer den Mangel zumindest für möglich hält und dass ihn eine Offenbarungspflicht trifft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte (vgl. BGH NJW 1979, 2243 m.w.N.). Für den Kauf eines Hausgrundstücks ist eine Pflicht zur Offenbarung regelmäßig aber nur wegen verborgener, nicht unerheblicher Mängel oder solcher nicht erkennbarer Umstände zu bejahen, die nach der Erfahrung auf das Entstehen bestimmter Mängel schließen lassen.

Im Streitfall war der Feuchtigkeitsschaden unstreitig beseitigt. Während der Besitzzeit der Kläger ist es nach Durchführung der Sanierungsarbeiten zu keinerlei weiteren Feuchtigkeitseintritten gekommen. Ob der Verkäufer über eine Gefahr des Eintritts eines Mangels aufklären muss, hängt insbesondere von der Schwere des Mangels und der Wahrscheinlichkeit des Gefahreintritts ab (BGH NJW-RR 2003, 772). Allerdings hat der Sachverständige G... in seinem Gutachten vom 20.06.1994 zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den vorgeschlagenen Sanierungsarbeiten um ein "Nachflicken" handele, also stets mit erneut auftretenden Undichtigkeiten und damit erforderlichen Nachbesserungen an der Beschichtung zu rechnen sei, so dass ein Minderwert von 5.500 DM verbleibe (Bl. 13, 14 des Gutachtens, Bl. 33 f. GA). Im Streitfall lag mithin eine unmittelbare Gefahr vor, die den Sachverständigen veranlasst hatte, sogar von einem aktuellen Mangel, der sich in einem Minderwert niederschlägt, zu sprechen.

An dem Bestehen einer Aufklärungspflicht durfte mithin kein Zweifel bestanden haben.

Auf diese Situation haben die Käufer mit anwaltlichem Schriftsatz vom 07.11.2000 hingewiesen (Bl. 13 ff. GA).

Damit stand jedoch noch nicht fest, dass die Kläger von den Käufern erfolgreich in die Haftung genommen werden konnten. Arglistiges Verhalten setzt Vorsatz voraus. Dafür ist erforderlich, dass der Verkäufer den Mangel zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragspartner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgeschlossen hätte (vgl. BGH NJW 1978, 2240). Damit erfasst das Tatbestandsmerkmal der Arglist nicht nur ein Handeln des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz - im Sinne eines bloßen "Fürmöglichhaltens und Inkaufnehmens" - reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (vgl. BGH NJW 1989, 42). Auf der anderen Seite reicht es aber nicht aus, dass sich der Verkäufer der Kenntnis offenbarungspflichtiger Umstände "bewusst verschlossen" hat (vgl. BGH NJW-RR 2003, 889).

Auch für diese subjektive Seite der Voraussetzungen der Arglist tragen die Käufer die volle Darlegungs- und Beweislast. Etwaige Zweifel gehen zu ihren Lasten. Der Beklagte zu 2) hat in seinem Schreiben vom 08.12.2000 (Bl. 43 f. GA) eine Reihe von Gründen aufgeführt, warum zumindest in subjektiver Hinsicht arglistiges Verhalten nicht vorgelegen haben könnte. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass Sanierungsarbeiten durchgeführt worden seien und bis zum Abschluss des Kaufvertrages keine neuen Feuchtigkeitsschäden aufgetreten seien. Die Verkäufer hätten darauf vertraut, dass der Mangel endgültig behoben worden sei. Dass im Gutachten G... wegen der Gefahr eines erneuten Wassereintritts ein - geringer - Minderwert angesetzt worden sei, sei ihnen bei Abschluss des Vertrages nicht mehr gegenwärtig gewesen. Sie hätten im Gegenteil aufgrund der Zusicherung des die Sanierung durchführenden Unternehmens darauf vertraut, dass der Mangel endgültig behoben worden sei. Da nach der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 1992, 333 f.) eine Vermutung für das Weiterbestehen eines einmal eingetretenen tatsächlichen Zustandes, d.h. des Vorsatzes des Verkäufers hinsichtlich des Mangels, nicht anerkannt ist, waren die Kläger im Vorverfahren gezwungen, diese Argumente durch Beweis des Gegenteils zu widerlegen. Dies stellte eine erhebliche Hürde dar.

Dass sowohl das Landgericht als auch der Senat im Vorprozess die Arglist für erwiesen erachtet haben, beruhte auf Wertungsfragen, die von vornherein nicht eindeutig vorhersehbar waren. Immerhin hat der Senat in seinem Urteil über 4 1/2 Seiten ausgeführt, warum die Kläger arglistig gehandelt haben. Soweit der Senat den Klägern im Kern vorgeworfen hat, sie hätten nicht ernstlich darauf vertrauen dürfen, dass der Mangel endgültig und vollständig beseitigt worden war, war dies das Ergebnis einer schwierigen Abgrenzung zwischen bloßer Fahrlässigkeit und Vorsatz im Sinne von Arglist. Letztlich ist zu Lasten der Kläger im Rahmen einer Gesamtwürdigung entschieden worden. Eine andere Gewichtung mit dem Ergebnis bloßer Fahrlässigkeit war jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen.

Bestand mithin nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit, sondern standen mehrere Handlungsweisen als naheliegend offen und bargen sämtliche von ihnen gewisse Risiken oder Nachteile in sich, die zu gewichten und gegenüber den Vorteilen abzuwägen waren, so können sich die Kläger auf einen Anscheinsbeweis nicht berufen.

Dass die Kläger bei ordnungsgemäßer Beratung den Anspruch der Erwerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dennoch anerkannt hätten, kann hingegen nicht festgestellt werden.

Es ist nicht minder wahrscheinlich, dass die Kläger vor dem Hintergrund der immensen Schadensersatzforderungen wenigstens eine erstinstanzliche Entscheidung herbeigeführt hätten. Dafür spricht bereits die eigene Erklärung des Klägers im Rahmen seiner Parteianhörung, wenn er ausführt, er hätte den Prozess nicht um jeden Preis durchführen wollen (Protokoll vom 04.01.2006, S. 2 f., Bl. 298 f. GA). Das heißt aber auch, dass die Kläger den Vorprozess bei einer gewissen Erfolgsaussicht geführt hätten. Hätten die Beklagten den Klägern gesagt, dass sie aus den oben genannten Gründen mit einer Verurteilung ernsthaft rechnen müssen, es andererseits aber auch nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Gericht den Zeitablauf, die Garantie etc. derart bewertet, dass die subjektiven Voraussetzungen für eine Haftung nicht festgestellt werden können, zumal grobe Fahrlässigkeit nicht ausreicht, kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass sich die Kläger für die Rückabwicklung entschieden hätten.

Berücksichtigt man weiter, dass angesichts der beschriebenen Situation von den Beklagten nur eine Risikoaufklärung und kein konkreter Rat erwartet werden durfte, liegt es nahe, dass es die Kläger jedenfalls auf einen Versuch hätten ankommen lassen. Letztendlich kann in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kläger - wenn auch anwaltlich beraten - gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt haben und sich ebenfalls nicht mit der Entscheidung des Senats zufrieden gegeben haben.

Angesichts dieser Umstände hat der Senat davon abgesehen, die Kläger als Partei gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO zu vernehmen.

Soweit die Kläger hilfsweise ihren Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 6.229,01 € darauf stützen, dass der Senat in seinem Urteil vom 11.08.2003 Zinsen teilweise doppelt berechnet hat und bei einem entsprechenden Hinweis der Beklagten der Fehler vermieden worden wäre, lässt sich eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht feststellen.

Es gehört zu den vertraglichen Pflichten des Anwalts durch vollständigen Sachvortrag und geeignete Rechtsausführungen auch darauf hinzuwirken, gerichtliche Fehler möglichst zu vermeiden (vgl. Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rdnr. 1024 ff.).

Die damaligen Kläger hatten mit einem Anlagezinsschaden gegen mögliche Nutzungsersatzansprüche der jetzigen Kläger vorsorglich die Aufrechnung erklärt. Es ging ihnen erkennbar um die Kompensation von möglichen Gegenansprüchen der jetzigen Kläger, damit sich die Klageforderung nicht verringert. Diese Ansprüche waren zunächst unschlüssig, worauf das Landgericht mit Beschluss vom 26.04.2002 (Bl. 108 ff. BeiA) hingewiesen hat. Beide Parteien des Vorprozesses reagierten auf den Hinweis des Gerichts und berechneten ihren jeweiligen Anspruch. Bevor die Beklagten auf den Schriftsatz der Gegenseite reagiert haben, hat sich Rechtsanwalt H... für die damaligen Beklagten bestellt (SS. V. 04.11.02, Bl. 127 BeiA) und den nächsten Verhandlungstermin am 20.11.02 (Bl. 145 BeiA) für die jetzigen Kläger wahrgenommen.

Bei dieser Sachlage kann eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht festgestellt werden. Aufgrund der pointierten Gegenüberstellung von höchst streitigem Nutzungsersatz und einem Zinsschaden im Sinne einer Aufrechnung war der Zusammenhang mit etwaigen Rechtshängigkeitszinsen zum Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom 23.05.02 des damaligen Klägervertreters (Bl. 113 ff. BeiA) nicht ohne Weiteres erkennbar. Die Beklagten mussten aufgrund des Hinweisbeschlusses des Gerichts zunächst ihre Forderung schlüssig machen. Dies erfolgte mit Schriftsatz vom 11.06.2002 (Bl. 126 ff. BeiA). Zu diesem Zeitpunkt mussten sie noch nicht auf den gegnerischen Schriftsatz eingehen. Unmittelbar vor dem nächsten Verhandlungstermin waren sie mit der Sache nicht mehr befasst, schon gar nicht mit einer Fehlerkontrolle des landgerichtlichen Urteils noch mit dem Berufungsverfahren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Berufungsstreitwert: 34.544,68 € (28.315,67 € + 6.229,01 €).

Ende der Entscheidung

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