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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.09.2005
Aktenzeichen: II-1 UF 22/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 1408 Abs. 2
BGB § 1587 b Abs. 2
BGB § 1587 b Abs. 6
FGG § 53 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Duisburg vom 22.12.2004 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der D T AG werden auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin unter der Versicherungs-Nr. .... bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz Rentenanwartschaften von monatlich 276,15 €, bezogen auf den 30.4.1998, begründet.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 2.000,-- €

Gründe:

Die Parteien streiten über die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Ihre Ehe, die sie am 23.12.1985 geschlossen hatten, ist durch das am 2.12.1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts Duisburg (Az.: 41 F 65/98) geschieden worden; der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 22.5.1998 zugestellt worden. In dem Scheidungsurteil heißt es im Tenor unter Ziff. III: "Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt." In den Entscheidungsgründen ist dazu unter Ziffer III ausgeführt:

"Deklaratorisch war festzuhalten, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Die Parteien haben ihn durch den erwähnten notariellen Vertrag vom 20.12.1985 ausgeschlossen." In dem dort genannten Ehevertrag vom 20.12.1985 vereinbarten die Parteien Gütertrennung und verzichteten sowohl auf den Versorgungsausgleich als auch auf Unterhalt. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Regelungen, wird auf eine Ablichtung des Vertrags (Bl. 45 GA) Bezug genommen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Antragsgegnerin schwanger. Sie besaß keine Berufsausbildung; ihren Lebensunterhalt hatte sie zeitweise als Prostituierte verdient. Während der Ehe versorgte sie die am 14.6.1986 und 18.9.1988 geborenen Töchter. In der Ehezeit haben die Antragsgegnerin Anwartschaften auf eine Vollrente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 48,49 € monatlich und der Antragsteller Anwartschaften auf ruhegehaltfähige Dienstbezüge nach beamtenrechtlichen Vorschriften in Höhe von 600,79 € monatlich erworben. Durch den angefochtenen Beschluss vom 22.12.2004 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Duisburg den Antrag der Antragsgegnerin auf Durchführung des Versorgungsausgleichs abgelehnt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt: Der von den Parteien geschlossene Vertrag vom 20.12.1985 sei zwar im Lichte der neueren Rechtsprechung des BGH gemäß § 138 BGB als nichtig zu bewerten. Der dort vereinbarte Auschluss des Versorgungsausgleichs begründe eine evident einseitige und durch die individuelle Ausgestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung, die der Antragsgegnerin auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers nicht zumutbar sei. Auch stünde dem Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht die Rechtskraft des in dem Scheidungsverfahren ergangenen Urteils entgegen, denn die Feststellung, dass der VA nicht stattfinde, sei nicht in Rechtskraft erwachsen. Da die Parteien den VA durch Ehevertrag ausgeschlossen hätten, sei gemäß § 53 d FGG eine Entscheidung über den VA nicht veranlasst gewesen. Gleichwohl könne sich die Antragsgegnerin 6 Jahre nach Abschluss des Scheidungsverfahrens nicht mehr auf die Sittenwidrigkeit des Vertrags berufen. Sie hätte ihre Einwände gegen den vertraglichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverfahren geltend machen müssen. Denn der Antragsteller habe nach den Erörterungen im Scheidungsverfahren auf die Bestandskraft der Vereinbarung vertraut und entsprechend disponiert, also z.Bsp. eine weitere Altersversorgung unterlassen. Die Antragsgegnerin rügt mit der Beschwerde eine Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör, weil das Amtsgericht die Frage der verspäteten und treuwidrigen Berufung auf die Unwirksamkeit der ehevertraglichen Regelung nicht in seiner Anhörung mit den Parteien erörtert habe. Erst nach der Anhörung habe sich der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 30.11.2004 darauf berufen, aufgrund des Vertrauens in den Ausschluss des VA weitere Maßnahmen zur Altersversorgung unterlassen zu haben. Zu diesem Aspekt habe sie sich vor Abfassung des Beschlusses nicht mehr äußern können. Die Behauptung des Antragstellers treffe nicht zu, denn der Antragsteller sei als Beamter der früheren D B vorzeitig wegen Krankheit aus dem Dienst ausgeschieden und beziehe seit vielen Jahren Ruhestandsbezüge. Er sei darüber hinaus hochverschuldet und deshalb nicht in der Lage, eigene Beträge für eine zusätzliche Altersversorgung aufzuwenden. Sie habe im Scheidungsverfahren keinen Antrag auf Durchführung des VA gestellt, weil sie aufgrund der damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Erfolgsaussichten gesehen habe. Da sie damals wie heute Sozialhilfe bezogen habe, wäre ein Prozesskostenhilfeantrag nicht erfolgreich gewesen. Auf eigene Kosten hätte sie ein Verfahren über mehrere Instanzen nicht finanzieren können. Der Antragsteller habe jedoch nicht darauf vertrauen können, dass sie ihre Rechtsauffassung, wonach der Versorgungsausgleich zu Unrecht ausgeschlossen worden sei, aufgegeben habe. Die Antragsgegnerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Verfahren zur Durchführung des Versorgungsausgleichs an das Amtsgericht - Familiengericht - Duisburg zurückzuverweisen; hilfsweise unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Duisburg vom 22.12.2004 den Versorgungsausgleich zwischen den Parteien durchzuführen. Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er ist der Ansicht, der Anspruch auf Durchführung des Versorgungsausgleichs sei verjährt. Im übrigen stehe die Rechtskraft des früheren Scheidungsurteils entgegen. Die Antragsgegnerin hätte bereits damals ihre Rechtsauffassung weiter verfolgen können. Der Antragsteller behauptet, seine Nebeneinkünfte als Musiker hätte er zum Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung nutzen können, wenn er gewusst hätte, dass seine bisherige Altersvorsorge durch einen späteren Versorgungsausgleich geschmälert werde. II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Auf den Antrag der Antragsgegnerin ist der Versorgungsausgleich durchzuführen. 1. Der in dem notariellen Vertrag vom 20.12.1985 vereinbarte Auschluss des Versorgungsausgleichs ist - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - gemäß § 138 BGB nichtig. Wie der BGH in seinem Urteil vom 11.2.2004 (FamRZ 2004, 601) dargelegt hat, darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das ist dann der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint (vgl. BGH FamRZ 2005, 26). In der genannten Entscheidung hat der BGH den Versorgungsausgleich dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zugeordnet: Er sei als vorweggenommener Altersunterhalt zu bewerten und stehe einer vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos offen; das Gesetz messe ihm als Ausdruck der ehelichen Solidarität besondere Bedeutung zu (BGH a.a.O. s. 27). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abstellt, insbesondere auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den geplanten und bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen für die Ehegatten und Kinder, ergibt sich, dass die durch den vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs bewirkte Versorgungssituation sich bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung als eine gravierende Verletzung des dem Versorgungsausgleich zugrundliegenden Gedankens ehelicher Solidarität darstellt. Da die Antragsgegnerin über keine berufliche Ausbildung verfügte und zum Zeitpunkt des Vertragschlusses auch nicht erwerbstätig war, war es zwischen den Parteien klar, dass sich die Antragsgegnerin um die Betreuung der gemeinsamen Kinder kümmern, den Haushalt führen soll und auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet. Das in diesem Verzicht liegende Risiko verdichtet sich zu einem Nachteil, den der Versorgungsausgleich auf beide Ehepartner gleichmäßig verteilen will. Daher kann ein solcher Verzicht auf eine eigenständige Versorgung nicht ohne Kompensation einem Ehegatten allein angelastet werden, wenn die Ehe scheitert (vgl. BGH a.a.O.). Einen Ausgleich für den Verzicht der Antragsgegnerin haben die Parteien aber nicht vereinbart. Aufgrund ihrer vorherigen langjährigen Tätigkeit als Prostituierte war den Parteien bei Vertragsschluss auch bewusst, dass die Antragsgegnerin über keine eigenständige Altersversorgung verfügte und in der Ehe auch keine durch eine versicherungspflichtige Tätigkeit wird aufbauen können. Angesichts ihrer unzureichende beruflichen Ausbildung und der zu betreuenden Kinder war auch abzusehen, dass sie im Scheidungsfall voraussichtlich die eigene Altersversorgung durch künftige versicherungspflichtige Tätigkeit nicht wird in nennenswertem Umfang ausbauen können. Die Vereinbarung verstößt somit gegen das Verbot einseitiger ehelicher Lastenverteilung. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von dem Antragsteller führte dazu, dass die Antragsgegnerin nach der Trennung von Sozialhilfe lebte. Es bestand darüber hinaus zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine ungleiche Verhandlungsposition, denn die Antragsgegnerin war schwanger, verfügte über keine Erwerbstätigkeit und wollte dem Kind das Schicksal eines unehelichen Kindes ersparen (Bl. 9 der Beiakte). Die Ehe mit dem Antragsteller sicherte die Versorgung für sie selbst und das Kind. Der Antragsteller hat seinerseits deutlich gemacht, dass für ihn der Abschluss eines Ehevertrags wichtig gewesen sei. Er habe die Antragsgegnerin nicht mit seinen Schuldverpflichtungen belasten wollen, sei aber auch nicht bereit gewesen - aufgrund seiner Erfahrungen aus erster Ehe - im Falle einer Scheidung "ein Leben lang" zu zahlen. Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller zur Rechtfertigung des Vertragsschlusses auf die Eheschließungsfreiheit. Die Eheschließungsfreiheit rechtfertigt nicht die Freiheit zu unbegrenzter Ehevertragsgestaltung und insbesondere nicht eine einseitige ehevertragliche Lastenverteilung (vgl. BVerfG FamRZ 2001, 343, 346). Im übrigen steht der Ausschluss des Versorgungsausgleichs in keinem erkennbaren Zusammenhang zu dem Vorleben der Antragsgegnerin und zu der Schuldensituation des Antragstellers. 2. Einer Durchführung des VA steht nicht die Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts vom 2.12.1998 entgegen. Zwar ist im Tenor unter Zif. III festgestellt worden, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. In den Urteilsgründen wurde jedoch ausgeführt, dass dieser Ausspruch lediglich deklaratorisch sei, da die Parteien den Versorgungsausgleich durch Vertrag ausgeschlossen hätten. Zu Recht hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss unter Berufung auf § 53 d FGG deutlich gemacht, dass eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht stattfinde, wenn der Versorgungsausgleich - wie hier - gemäß § 1408 Abs. 2 BGB durch notariellen Vertrag ausgeschlossen worden sei. Im übrigen wird die Folgesache Versorgungsausgleich auch nicht dadurch eingeleitet, dass der Familienrichter in der mündlichen Verhandlung den Ehevertrag erörtert, durch den der Versorgungsausgleich ausgeschlossen ist. Eingeleitet wird die Folgesache nur dann, wenn das Gericht die Ermittlungen aufnimmt, also Auskünfte einholt etc. (vgl. BGH NJW 1986, 662 ; NJW 2002, 3293 f; Zöller-Philippi § 623 ZPO Rdn. 23 a). Dazu ist es in dem vorliegenden Fall nicht gekommen. Die der Entscheidung zugrundeliegenden Auskünfte sind erst während des Beschwerdeverfahrens durch den Senat eingeholt worden. 3. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts hat die Antragsgegnerin ihren Antrag auf Durchführung des VA auch nicht illoyal verspätet geltend gemacht. Ein Recht ist nur dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht in Zukunft nicht geltend machen werde (BGH NJW 1982, 1999). Es sind zwar 6 Jahre seit dem Scheidungsverfahren vergangen, bis die Antragsgegnerin die Durchführung des Versorgungsausgleich begehrte; sie hatte jedoch bei dem Antragsteller keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich dieser einrichten konnte. In dem Scheidungsverfahren hat sie im Hinblick auf die damalige höchstrichterliche Rechtsprechung davon abgesehen, den Versorgungsausgleich zu beantragen, obwohl sie auch schon damals der Meinung war, dass der ehevertragliche Ausschluss des Versorgungsausgleich sittenwidrig war (Bl. 9 BA). Damit waren dem Antragsteller die Rechtsmeinung der Antragsgegnerin und ihre Gründe für die Nichtgeltendmachung des Versorgungsausgleich bekannt. Sie hat dadurch nicht den Eindruck erweckt, sie werde für die Zukunft generell auf den Versorgungsausgleich verzichten. Deshalb konnte sich der Antragsteller auch nicht darauf einrichten. Auf die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Februar 2004 hat die Antragsgegnerin bereits im März 2004 reagiert und einen entsprechenden Antrag gestellt. Im übrigen ist zweifelhaft, ob der Antragsteller überhaupt die Mittel hatte, eine Zusatzversorgung zu begründen. Sein Vorbringen, seine Einkünfte aus seiner Musikertätigkeit hätte er für eine zusätzliche Altersversorgung nutzen können, steht in Widerspruch zu seiner eigenen Einlassung in dem Scheidungsverfahren vor dem AG Duisburg - 41 F 65/98 - (Bl. 21 Beiakte), wonach er aufgrund seiner Erkrankung "künftig keinerlei gewinnträchtige Tätigkeiten als Musiker erzielen" werde. Aber selbst wenn er über Zusatzeinkünfte verfügen sollte (die er im PKH-Antrag bei seinen Einkommensverhältnissen nicht offenbart hat), so verbleibt ihm noch genügend Zeit, um sich um eine Zusatzversorgung zu bemühen. 4. Da der während der Ehezeit (01.12.1985 - 30.04.1998) von dem Antragsteller aus seiner Tätigkeit bei der T. AG erworbene Anspruch auf Ruhegeld nach dem Beamtenversorgungsgesetz in Höhe von 600,79 € monatlich einen höheren Wert hat als die von der Antragsgegnerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anwartschaften in Höhe von 48,49 € monatlich, ist der Versorgungsausgleich durch Quasisplitting gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB vorzunehmen. Danach sind auf dem Rentenkonto der Antragsgegnerin Rentenanwartschaften - in Höhe der Hälfte des Wertunterschiedes - von 276,15 € monatlich zu begründen. Die Entscheidung über die Umrechnung der Anwartschaften in Entgeltpunkte beruht auf § 1587 b Abs. 6 BGB. Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a Abs. 1 ZPO. Der Streitwert beträgt 2.000,-- €.

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