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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.10.2008
Aktenzeichen: II-10 WF 13/08
Rechtsgebiete: BerHG, GVG, RVG, RVG VV


Vorschriften:

BerHG
GVG § 23b Abs. 1 Satz 2
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1a
RVG § 16 Nr. 4
RVG § 44
RVG VV Nr. 2503
1. Über eine Erinnerung gegen die Festsetzung von Beratungshilfegebühren hat das allgemein zuständige Amtsgericht nach § 4 Abs. 1 BerHG zu entscheiden und über eine gegen die Erinnerungsentscheidung eingelegte Beschwerde gemäß § 72 GVG das Landgericht als nächsthöheres Gericht.

2. Nach dem Prinzip der formellen Anknüpfung bestimmt sich die Rechtsmittelzuständigkeit ausschließlich danach, welcher Spruchkörper (allgemeines Prozessgericht oder Familiengericht) entschieden hat.

3. Der Grundsatz der Meistbegünstigung gilt nur bei Zweifeln darüber, ob das Amtsgericht als Familiengericht oder allgemeines Prozessgericht entschieden hat; er führt dazu, dass das Rechtsmittel sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht eingelegt werden kann, eröffnet aber nicht die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts.

4. Im Rahmen der Beratungshilfe für die Trennung und deren Folgen ist gebührenrechtlich von verschiedenen Angelegenheiten auszugehen.


Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Duisburg - Familiengericht - vom 11.04.2008 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Duisburg - Rechtspfleger - vom 31.01.2008 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die der Antragstellerin im Rahmen der Beratungshilfe aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung gemäß Antrag vom 19.11.2007 für die Bereiche Unterhalt und Hausrat wird auf EUR 190,40 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Festsetzung von Gebühren für Beratungshilfe in den Bereichen "Trennungsfolgen Unterhalt und Hausrat". Mit Beschluss des Amtsgerichts Duisburg - Rechtspflegerin - vom 31.01.2008 wurden einmalig EUR 99,96 festgesetzt (Bl. 9 GA). Die hiergegen eingelegte Erinnerung der Antragstellerin vom 11.02.2008 (Bl. 14 GA), mit welcher diese die Festsetzung von zwei Gebühren nach RVG VV-Nr. 2503 begehrt, hat das Amtsgericht Duisburg - Familiengericht - mit Beschluss vom 11.04.2008 zurückgewiesen (Bl. 28 GA). Der hiergegen eingelegten Beschwerde der Antragstellerin vom 24.04.2008 (Bl. 32 ff GA) hat das Amtsgericht Duisburg - Familiengericht - nicht abgeholfen (Beschluss vom 16.06.2008, Bl. 66f GA).

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 24.04.2008 (Bl. 32 GA) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 11.04.2008 ist gemäß §§ 55 Abs. 4, 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG statthaft.

Zuständig für die Entscheidung ist an sich gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG das Landgericht als nächsthöheres Gericht. Das Verfahren der Vergütungsfestsetzung im Rahmen der Beratungshilfe gehört nicht zu den Familiensachen im Sinne des § 23 b Abs. 1 Satz 2 GVG, fällt daher nicht in die Zuständigkeit des Familiengerichts. Über eine Erinnerung gegen die Festsetzung hat das allgemein zuständige Amtsgericht nach § 4 Abs. 1 BerHG zu entscheiden und über eine gegen die Erinnerungsentscheidung eingelegte Beschwerde gemäß § 72 GVG das Landgericht als nächsthöheres Gericht (vgl. BGH NJW 1985, 2537).

Hier ist jedoch eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG, § 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG eröffnet. Sowohl die Erinnerungsentscheidung als auch die Nichtabhilfeentscheidung wurden durch den entscheidenden Richter mit dem Zusatz "Amtsgericht - Familiengericht" unterzeichnet. Dies hat vorliegend zur Folge, dass das Prinzip der formellen Anknüpfung eingreift, wonach sich die Rechtsmittelzuständigkeit ausschließlich danach bestimmt, welcher Spruchkörper (allgemeines Prozessgericht oder Familiengericht) entschieden hat (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 119 GVG, Rn. 8 iVm Rn. 5; OLG Nürnberg, MDR 2004, 1186).

Der Grundsatz der Meistbegünstigung, wonach bei Zweifeln darüber, ob das Amtsgericht als Familiengericht oder allgemeines Prozessgericht entschieden hat, das Rechtsmittel sowohl beim Landgericht als auch beim Oberlandesgericht eingelegt werden kann, letzteres aber nicht für die sachliche Entscheidung zuständig wird (vgl. BGH FamRZ 1995, 219), greift vorliegend nicht ein. Anders als im vom BGH entschiedenen Fall bestehen hier letztlich keine Zweifel daran, dass eine Entscheidung des Familiengerichts angefochten wird.

Zwar wurde die Vergütungsfestsetzung beim Amtsgericht Duisburg einschließlich des Erinnerungs- und Beschwerdeabhilfeverfahrens als Beratungshilfesache mit dem Aktenzeichen "II" geführt und nicht als Familiensache mit dem Aktenzeichen "F"; auch ist das Amtsgericht im Kopf der Erinnerungs- und Nichtabhilfeentscheidungen lediglich als Amtsgericht bezeichnet, nicht als Familiengericht. Anders als in dem vom BGH aaO entschiedenen Fall, in dem der entscheidende Richter nach dem Geschäftsverteilungsplan für Familiensachen und zugleich für allgemeine Zivilsachen zuständig war, ist vorliegend eine derartige Doppelzuständigkeit nicht gegeben. Aus dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Duisburg ergibt sich, dass der mit dem Zusatz "Familiengericht" unterzeichnende Richter am Amtsgericht N. für Familiensachen zuständig ist. Eine Zuständigkeit auch für die richterlichen Geschäfte nach dem Beratungshilfegesetz - als allgemeines Prozessgericht - ist nicht ersichtlich; hierfür ist vielmehr die Zuständigkeit eines anderen Richters der Abteilung 4 gegeben. Damit hat der hier unterzeichnende Richter zweifellos als Familienrichter entschieden.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin erweist sich als begründet. Der Antragstellerin stehen zwei Gebühren nach § 2 Abs. 2 RVG in Verbindung mit RVG VV-Nr. 2503 nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, mithin insgesamt EUR 199,92 zu.

Das Beratungshilfegesetz sieht Beratungshilfe in "Angelegenheiten" vor, vgl. §§ 2 Abs. 2, 6 BerHG. Nach § 44 RVG wird eine Vergütung für die Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe nach dem RVG gewährt. Da sich die Tätigkeit der Beratungshilfe auf die "Angelegenheit" bezieht, spricht vieles dafür, auch die Vergütung auf die "Angelegenheit" auszurichten.

Der Begriff der Angelegenheit ist im Beratungshilfegesetz nicht näher geregelt, so dass auf die Vorschriften des RVG zurückzugreifen ist, insbesondere §§ 15 ff RVG. Dort ist bestimmt, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann, § 15 Abs. 2 RVG. Eine Angelegenheit kann insoweit auch mehrere Gegenstände umfassen. Entscheidend für das Vorliegen einer Angelegenheit ist, ob ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben ist (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 18. Aufl., § 15 Rn. 7ff).

Dies ist im Hinblick auf die hier fraglichen Trennungsregelungen zu verneinen. Der Senat hält insoweit an seiner zu § 7 Abs. 3 BRAGO ergangenen Rechtsprechung (Beschluss vom 07.10.1985, 10 WF 192/85, MDR 1986, 157) fest. Danach genügt es nicht, dass die verschiedenen Trennungsfolgesachen ihren gemeinsamen Grund in der Trennung der Eheleute haben, weil die Gegenstände der Folgesachen nicht nur in unterschiedlichen Verfahren geltend gemacht werden, sondern sich auch völlig auseinanderentwickeln können. Bereits die Existenz des § 7 Abs. 3 BRAGO zeigte, dass es einer Norm bedurfte, um beim Scheidungsverbund das Gesamtverfahren kostenrechtlich als Einheit zu behandeln. Dies wiederum indiziert, dass es sich der Sache nach bei allen Verfahren trotz der gemeinsamen Ursache der Scheidung um selbständige Angelegenheiten handelte. An dieser Betrachtungsweise hat die nunmehr maßgebliche Norm des § 16 Nr. 4 RVG nichts geändert. Auch hier wird für die Scheidungssache und die Folgesachen bestimmt, dass diese gebührenrechtlich als dieselbe Angelegenheit im Sinne des RVG gelten. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber bei Schaffung des § 16 Nr. 4 RVG von der bis dato streitigen Ansicht ausgegangen wäre, das Vorliegen einer einzigen Angelegenheit ergebe sich bereits daraus, dass die verschiedenen Gegenstände ihren Ursprung in dem einheitlichen Lebenssachverhalt des Scheiterns der Ehe hätten.

Für die Trennung und deren Folgen fehlt es an einer dem § 16 Nr. 4 RVG entsprechenden Regelung. Eine Anwendung des § 16 Nr. 4 RVG kommt weder direkt noch analog in Betracht. Der Zeitraum der Trennung liegt vor der Ehescheidung; sie gehört damit nicht zu der Scheidung und deren Folgen, insbesondere werden die Folgen der Trennung nicht für den Fall der Scheidung getroffen. Eine unbewusste Regelungslücke liegt nicht vor. Dem Gesetzgeber war bei Schaffung des § 16 Nr. 4 RVG die bereits zu § 7 Abs. 3 BRAGO geführte kontroverse Diskussion um den Begriff der "Angelegenheit" bekannt (vgl. Überblick bei Gerold/Schmidt-Mayer, VV 2500-2508 Rn. 27 Fußnote 65). Dennoch hat er dies nicht zum Anlass genommen, eine abweichende Norm zu schaffen. Entsprechend ist bei einer Beratungshilfetätigkeit für die Trennung und deren Folgen gebührenrechtlich von verschiedenen Angelegenheiten auszugehen (ebenso: OLG Stuttgart JurBüro 2007, 21).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.

Ende der Entscheidung

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