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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.10.2006
Aktenzeichen: II-10 WF 17/06
Rechtsgebiete: InsO, RVG, ZPO


Vorschriften:

InsO § 175
InsO § 180 Abs. 2
RVG § 15 Abs. 5
ZPO § 91 Abs. 2
ZPO § 104
1. In der Regel stellt die Beauftragung eines am Sitz des Insolvenzverwalters ansässigen Prozessbevollmächtigten zur Führung eines Rechtsstreits vor einem auswärtigen Gericht keine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar, so dass weder die Kosten eines Unterbevollmächtigten noch fiktive Reisekosten des Insolvenzverwalters zu erstatten sind.

2. Ein als Rechtsanwalt zugelassener Insolvenzverwalter ist ohne weiteres imstande, einen am Prozessgericht tätigen Rechtsanwalt schriftlich oder mit Mitteln moderner Telekommunikation sachgerecht über den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens zu unterrichten und die weitere Vorgehensweise zu beraten und abzustimmen.

3. Beauftragt der Insolvenzverwalter den vor Insolvenzeröffnung für den späteren Insolvenzschuldner tätigen Rechtsanwalt, so begründet dieser Auftrag gebührenrechtlich keine neue Angelegenheit. Auch entsteht kein Mehrvertretungszuschlag, weil eine Mehrheit von Auftraggebern nicht vorliegt.

4. Zur Frage, wann der Insolvenzverwalter unter Beachtung des Gebots der kostensparenden Prozessführung gehalten ist, den vormaligen Prozessbevollmächtigten des späteren Insolvenzschulnders mit der weiteren Führung des Rechtsstreits zu beauftragen.

5. Eine Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses ist nur im Umfang der Anfechtung zulässig.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf - Rechtspfleger - vom 08.05.2006 (Bl. 470 ff GA) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte zu 2).

Gründe:

I.

Die am 29.05.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2) (Bl. 482f GA) gegen den ihm am 15.05.2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 08.05.2006 (Bl. 470 ff, 478 GA) ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, jedoch nicht begründet.

Im Rahmen der Kostenfestsetzung hatte der Beklagte zu 2) mit Kostenrechnung vom 01.07.2005 (Bl. 423ff GA) außergerichtliche Kosten in Höhe von EUR 1.383,42 für die Vertretung durch die Rechtsanwälte der Kanzlei B. und Kollegen in Landshut sowie weitere EUR 1.958,89 für die Vertretung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Düsseldorf am 11.10.2004 (Bl. 281 GA) durch die unterbevollmächtigte Rechtsanwältin S. aus Langenfeld gemäß deren Kostenrechnung vom 29.06.2005 (Bl. 425 GA) zur Festsetzung beantragt. Diese Kosten sind im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht nicht berücksichtigt worden.

1.

Einer Festsetzung stünde zwar nicht entgegen, dass der Beklagte zu 2) Mitglied der Kanzlei B. und Kollegen ist und sich offensichtlich selbst in dem von den Klägerinnen mit Schriftsatz vom 26.05.2004 (Bl. 243ff GA) wieder aufgenommenen Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Düsseldorf vertreten hat.

Der Insolvenzverwalter, der Partei kraft Amtes und nicht lediglich Vertreter des Insolvenzschuldners ist, wird in einem solchem Fall nicht von einem von seiner Person verschiedenen "Auftraggeber" mit der Führung des Prozesses beauftragt, sondern hat sich in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter das Mandat als Rechtsanwalt selbst erteilt. Gebührenrechtlich ist er jedoch so zu behandeln, als wäre der Insolvenzschuldner sein Auftraggeber (vgl. BGH Beschluss vom 19.09.2005, II ZB 18/04). Der im Rahmen eines Rechtsstreits als Rechtsanwalt tätige Insolvenzverwalter ist nicht daran gehindert, anwaltliche Gebühren und Auslagen nach dem RVG im Kostenfestsetzungsverfahren anzumelden (vgl. BGH Beschluss vom 13.06.2006, IX ZB 44/04; Beschluss vom 19.09.2005, II ZB 18/04).

2.

Der Beklagte zu 2) kann jedoch über die bereits im Kostenfestsetzungsbeschluss berücksichtigten Anwaltskosten der Beklagten hinaus keine weitere Anwaltsvergütung festgesetzt verlangen. Der angefochtene Beschluss berücksichtigt bereits außergerichtliche Kosten der Beklagten von insgesamt EUR 3.330,23.

a.

Grundsätzlich sind im Falle anwaltlicher Vertretung eines Insolvenzverwalters nur diejenigen Kosten erstattungsfähig, die durch die Beauftragung eines am Prozessgericht residierenden Rechtsanwaltes anfallen, mithin weder fiktive Reisekosten noch Kosten für einen Unterbevollmächtigten.

In der Regel stellt die Beauftragung eines am Sitz des Insolvenzverwalters ansässigen Prozessbevollmächtigten zur Führung eines Rechtsstreits vor einem auswärtigen Gericht keine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar, so dass weder die Kosten eines Unterbevollmächtigten noch fiktive Reisekosten des Insolvenzverwalters zu erstatten sind.

Der in der Rechtssprechung anerkannte Grundsatz der Erstattungsfähigkeit der durch die Beauftragung eines in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsortes der Partei ansässigen Rechtsanwaltes bedingten Mehrkosten erfährt eine Ausnahme, wenn schon im Zeit der Beauftragung des Rechtsanwaltes feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies gilt etwa, wenn die Partei über eine Rechtsabteilung verfügt und daher in der Lage ist, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren. Ebenso verhält es sich bei der Klage eines als Rechtsanwalt zugelassenen Insolvenzverwalters. Er ist ohne weiteres imstande, einen am Prozessgericht tätigen Rechtsanwalt schriftlich oder mit Mitteln moderner Telekommunikation sachgerecht über den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens zu unterrichten und die weitere Vorgehensweise zu beraten und abzustimmen (vgl. BGH Beschluss vom 13.06.2006, IX ZB 44/04; Beschluss vom 04.07.2005, II ZB 14/04; Beschluss vom 13.07.2004, X ZB 40/03). Dass im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine andere Beurteilung geboten erscheint, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

b.

Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1) bereits zuvor einen Rechtsanwalt mit der Führung des Prozesses beauftragt hatte, der bis zur Unterbrechung des Prozesses auch für diesen tätig war und seine Tätigkeit - wie aus der Kostenrechnung vom 03.11.2005 (Bl. 438 GA) ersichtlich - vergütet verlangt. Vor diesem Hintergrund kann der Beklagte zu 2) die durch die Beauftragung durch den Beklagten zu 1) bereits angefallenen Gebühren nicht nochmals geltend machen.

aa.

Hätte der Beklagte zu 2) den vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) mandatiert, wäre es nicht zum erneuten Anfall der Prozessgebühr/Verfahrensgebühr und der Verhandlungsgebühr/Terminsgebühr gekommen. Beauftragt der Insolvenzverwalter den vor Insolvenzeröffnung für den späteren Insolvenzschuldner tätigen Rechtsanwalt, so begründet dieser Auftrag gebührenrechtlich keine neue Angelegenheit. Auch entsteht kein Mehrvertretungszuschlag, weil eine Mehrheit von Auftraggebern nicht vorliegt.

Der Beklagte zu 2) ist nach Wiederaufnahme des Prozesses durch die Klägerin in Bezug auf die Klageanträge 1) und 2) (bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 1) am 14.10.2003, vgl. Bl. 223 f GA, fälliger Unterhalt) als Partei kraft Amtes an die Stelle des Beklagten zu 1) getreten. Hierdurch ändert sich der Gegenstand des Rechtsstreits kraft Gesetzes, § 180 Abs. 2 InsO. Der Gläubiger hat seinen Klageantrag auf Feststellung der Forderung zur Tabelle (§ 175 InsO) umzustellen. Hierauf sind weder die Vorschriften für die Klageänderung noch die Regeln des Parteiwechsels anzuwenden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., § 240 Rn. 14). Gebührenrechtlich bildet das Verfahren nach der Aufnahme des unterbrochenen Rechtstreits mit dem unterbrochenen Verfahren zusammen eine einheitliche Instanz. Der Rechtsanwalt, der Anspruch auf Gebühren in dem unterbrochenen Rechtsstreit erlangt hat, kann deshalb die gleichen Gebühren nicht nochmals für seine Tätigkeit im Verfahren nach der Aufnahme verlangen (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 17. Aufl., § 15 Rn. 34; BRAGO, 15. Aufl., § 13 Rn. 28).

Dem steht nach § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG bzw. § 13 Abs. 5 Satz 1 BRAGO nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) das Mandat mit Schriftsatz vom 30.06.2004 (Bl. 265 GA) bereits niedergelegt hatte.

bb.

Der Beklagte zu 2) war unter Beachtung des Gebots der kostensparenden Prozessführung gehalten, den vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) mit der weiteren Führung des Rechtsstreits zu beauftragen. Diese Maßnahme stellt hier gegenüber der eigenen anwaltlichen Vertretung eine gleichwertige, aber weitaus kostengünstigere Maßnahme der Rechtsverteidigung dar.

Es sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die den Wechsel des Prozessbevollmächtigten als notwendig erscheinen lassen. Die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Beklagten zu 1), die zur Aufnahme des Rechtsstreits gegen den Insolvenzverwalter geführt hat, machte einen Anwaltswechsel nicht erforderlich. Aus welchem Grund vorliegend nicht an das Mandatsverhältnis zu den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) angeknüpft wurde, kann dahinstehen. In jedem Fall kann der vorgenommene Anwaltswechsel sich nicht zu Lasten der kostenausgleichspflichtigen Klägerin auswirken (vgl. auch OLG Frankfurt, JurBüro 1979, 694f).

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der vormals Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) am Wohnort des Beklagten zu 2) in Landshut residierte und ein Insolvenzverwalter nach den obigen Ausführungen grundsätzlich gehalten ist, einen Anwalt am Ort des Prozessgerichts zu mandatieren. Dem Beklagten zu 1) war nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs seit dem grundlegenden Beschluss vom 16.10.2002, VIII ZB 30/02, JurBüro 2003, 152 ff (vgl. etwa Beschlüsse vom 17.02.2004, XI ZB 37/03 mwN und vom 21.09.2005, IV ZB 11/04 mwN) zuzugestehen, einen an seinem Wohnort in Landshut ansässigen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte zu beauftragen. Entsprechend kam hier für den Beklagten zu 2) zur Vermeidung weiterer Kosten auch nur die Beauftragung der bereits mandatierten, in Landshut residierenden Rechtsanwälte des Beklagten zu 1) in Betracht. Eine Mandatierung dieser Anwälte war nach der maßgeblichen ex-ante Sicht selbst unter dem Aspekt, dass Reisekosten für die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Düsseldorf anfallen würden, weitaus kostengünstiger als die Erteilung eines Mandats an andere Rechtsanwälte. Dies gilt um so mehr, als der Beklagte zu 2) mit der Mandatierung der Kanzlei B. und Kollegen, die ebenfalls in Landshut ansässig ist, den Anfall von erheblichen Kosten für die Wahrnehmung der Termine vor dem Amtsgericht Düsseldorf nicht vermieden hat.

c.

Unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen ergeben sich keine höheren als die im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss berücksichtigten außergerichtlichen Kosten der Beklagten.

Hätte der Beklagte zu 2) den vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) mit der anwaltlichen Vertretung beauftragt, wären eine Prozess- und eine Verhandlungsgebühr nach der BRAGO nebst Reisekosten und sonstige Auslagen sowie Mehrwertsteuer angefallen. Der angefochtene Beschluss berücksichtigt anstelle der Reisekosten die Kosten für einen Verkehrsanwalt in Höhe von EUR 1.117,98. Diese liegen über den anzunehmenden Reisekosten für die Wahrnehmung der Termine zur mündlichen Verhandlung: Für den Termin am 28.07.2003 macht der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) ausweislich der Rechnung vom 03.11.2005 EUR 200,- geltend (vgl. Bl. 438 GA). Für den Termin am 11.10.2004 ist in Ermangelung anderer Anhaltspunkte der gleiche Betrag anzusetzen.

Eine Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses ist nur im Umfang der Anfechtung zulässig (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 104 Rn. 21 "Abänderung"). Angefochten ist der Kostenfestsetzungsbeschluss nur im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Kostenrechnung der Kanzlei B. und Kollegen vom 01.07.2005 (Bl. 423 ff GA). Der zu Gunsten der Beklagten berücksichtige Betrag ihrer außergerichtlichen Kosten unterliegt daher keiner Überprüfung.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1ZPO.

Beschwerdewert: EUR 3.342,31

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