Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: II-10 WF 5/08
Rechtsgebiete: RVG VV, BGB


Vorschriften:

RVG VV Nr. 1000
BGB § 1587 c Nr. 1
Bei einem Verzicht der Parteien auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs fällt eine Einigungsgebühr auch dann nicht an, wenn nach den eingeholten Auskünften die Person und die Höhe des Ausgleichs an sich feststehen, aber ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs nach § 1587 c Nr. 1 BGB in Betracht kommt.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuss - Familiengericht - vom 20.12.2007 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Erinnerung des Antragstellers vom 17.12.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuss - Rechtspflegerin - vom 06.12.2007 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beschwerde der Landeskasse vom 10.03.2008 (Bl. 31 PKH-Heft) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuss - Familiengericht - vom 20.12.2007 (Bl. 14 PKH-Heft) ist gemäß § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG kraft Zulassung zulässig und begründet.

Mit Erfolg beanstandet die Landeskasse, dass auf die Erinnerung des Antragstellers vom 17.12.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuss - Rechtspflegerin - vom 06.12.2007 über die bereits festgesetzte Vergütung hinaus eine Einigungsgebühr nach RVG VV-Nr. 1000 in Höhe von EUR 85,- nebst Mehrwertsteuer festgesetzt wurde. Die Einigungsgebühr ist im vorliegenden Fall nicht angefallen.

Im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht Neuss am 15.11.2007 (Bl. 31 GA) stand aufgrund der eingeholten Auskünfte der Rentenversicherungsträger fest, dass die Ehefrau ehezeitliche Anwartschaften in Höhe von EUR 173,22 und der Ehemann ehezeitliche Anwartschaften in Höhe von EUR 139,99 erworben hatten (Bl. 16 u. 30 VA-Heft). In der mündlichen Verhandlung haben die Partein sodann einen "Vergleich" geschlossen, in dem es heißt "Der Versorgungsausgleich wird ausgeschlossen. Wir vereinbaren den Ausschluss im Hinblick auf die geringfügigen Anwartschaften, die auszugleichen wären und die Tatsache, dass die Antragstellerin die gemeinsamen Kinder betreut."

Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 08.01.2008 (II-10 WF 28/07) ausgeführt, dass eine Einigungsgebühr dann nicht anfällt, wenn im Zeitpunkt der beiderseitigen Verzichtserklärungen aufgrund der eingeholten Auskünfte fest steht, wem und in welcher Höhe ein Ausgleichsanspruch zusteht. Obwohl im hier vorliegenden Fall die ehezeitlichen Anwartschaften feststanden und demgemäß sowohl die Person als auch die Höhe der auszugleichenden Anwartschaften zu ermitteln waren, geht der angefochtene Beschluss davon aus, dass durch den Vergleich eine rechtliche Ungewissheit beseitigt worden sei, weil sich ansonsten die Frage gestellt hätte, ob der grundsätzlich zu Gunsten des Antragsgegners durchzuführende Versorgungsausgleich gemäß § 1587c Nr. 1 BGB auszuschließen gewesen wäre. Ob dies ausreicht, eine "Ungewissheit" über die Ausgleichsberechtigung bzw. -höhe zu begründen, mag letztlich dahinstehen, weil dies im Ergebnis nicht ausreichen würde, eine Einigungsgebühr auszulösen.

Der Senat hat in seiner weiteren Entscheidung vom 08.01.2008 (II-10 WF 35/07) noch ausdrücklich offen gelassen, wie die Fälle zu beurteilen sind, in denen die Person des Ausgleichsberechtigten feststeht, nicht dagegen die Höhe des Ausgleichs - etwa weil die Höhe einzelner in die Ermittlung einzustellender Anrechte unklar ist oder weil ein Ausschluss des Ausgleichs wegen grober Unbilligkeit in Betracht kommt. Diese Frage beantwortet der Senat für die hier fragliche letztgenannte Fallgruppe dahingehend, dass eine Einigungsgebühr nach der amtlichen Anmerkung zu RVG VV-Nr. 1000 I Satz 1 2. Halbsatz ausgeschlossen ist, weil sich der Vertrag "ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht" beschränkt (vgl. auch OLG Stuttgart, JurBüro 2006, 639). Unter Verzicht im Sinne des negativen Gebührentatbestandes ist der Fall zu verstehen, dass der von den Beteiligten geschlossene Vertrag ausschließlich den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch zum Inhalt hat (vgl. BGH BB 2006, 2779f). Entsprechend liegt der Fall, wenn im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses allein fraglich ist, ob der Versorgungsausgleich aufgrund des § 1587 c Nr. 1 BGB als unbillig auszuschließen oder zu beschränken ist. Letztlich erschöpft sich der Inhalt des "Vergleichs" dann in einem einseitigen Verzicht des Ausgleichsberechtigten auf den sich aus den eingeholten Auskünften rechnerisch ergebenden Versorgungsausgleich. Es fehlt an jeglichem Entgegenkommen des "Vergleichsgegners", der "Vertrag" beschränkt sich eben auf einen Verzicht des Ausgleichsberechtigten.

Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der RVG VV-Nr. 1000 herleiten (so aber OLG Nürnberg, JurBüro 2007, 24). Dass der Gesetzgeber jegliche vertragliche Beilegung eines Streits honorieren wollte, mit der alleinigen Einschränkung, nur bei Anerkenntnis oder Verzicht wegen der Mißbrauchsmöglichkeit eine Einigungsgebühr nicht entstehen zu lassen und bei dieser Einschränkung offensichtlich lediglich kontradiktorische Verfahren vor Augen gehabt habe, so dass eine Anwendung auf einen im Rahmen des Versorgungsausgleichs erklärten Verzicht nicht in Betracht komme (so OLG Nürnberg aaO), ist im gesetzlichen Gebührentatbestand nicht zum Ausdruck gekommen. Hiernach kommt es ausdrücklich allein darauf an, ob sich der Vertrag "ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht" beschränkt. Dieses Merkmal ist - wie dargelegt - erfüllt in Fällen, in denen nach den eingeholten Auskünften die Person und die Höhe des Ausgleichs an sich feststeht, aber ein Ausschluss bzw. eine Beschränkung nach § 1587 c Nr. 1 BGB in Betracht kommt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2, 3 RVG.

Ende der Entscheidung

Zurück