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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: II-4 UF 180/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 92 I | |
ZPO § 93 a | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 |
Tenor:
Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Krefeld vom 15.7.2005 zu Ziffer 3. des Tenors ( nachehelicher Unterhalt ) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels dahin abgeändert, dass der Antragsteller verurteilt wird, an die Antragsgegnerin ab 25.11.2005 eine monatlich im voraus zu entrichtende Geldrente von 534 € zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Bezüglich der erstinstanzlichen Kosten verbleibt es bei der Entscheidung des Amtsgerichts. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsteller zu 96 % und der Antragsgegnerin zu 4 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die Parteien sind Eheleute, die im Verbund mit der Scheidung um nachehelichen Unterhalt streiten.
Die Parteien haben am 16.7.1999 geheiratet. Der Ehe entstammen die Kinder
L. ( * 27.8.1999 ), 6 Jahre,
L. ( * 30.1.2001 ), 4 Jahre, und
L. ( * 5.10.2002 ), 3 Jahre.
Die Parteien leben getrennt, seitdem die Antragsgegnerin in 5/02 zusammen mit den Kindern aus der Ehewohnung ausgezogen ist.
Die Antragsgegnerin ( 37 Jahre ) ist von Beruf Gesangslehrerin. Sie ist ausweislich des Versicherungsverlaufs während der Ehe nicht erwerbstätig gewesen ( VA-Heft Bl. 26 R ) und bestreitet ihren Lebensunterhalt durch Unterhaltsleistungen des Antragstellers und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ( SGB II ) von der Stadt Krefeld.
Der Antragsteller ( 41 Jahre ) ist als Lehrer für Pflegeberufe bei der beschäftigt. Er ist der Vater des am 19.10.1994 nichtehelich geborenen Kindes J. F. S.. Für dieses Kind ist für die Zeit ab 7/05 durch Jugendamtsurkunde ein Unterhalt von monatlich 234 € tituliert ( Bl 41 ).
Der Antragsteller bezieht eine Unfallrente, die nach einer Vereinbarung der Parteien zur Hälfte als Einkommen zu berücksichtigen ist. Die derzeitige Höhe der Unfallrente beträgt monatlich 118 € ( Bl. 117 ).
Das Versorgungsamt hat die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers für die Zeit ab 9/04 auf 30 v.H. festgesetzt ( Bl. 117 ).
Der Antragsteller ist nach der Trennung von K. zu seiner Lebensgefährtin gezogen, die in M. ein Haus besitzt. Er beteiligt sich an den Wohnkosten mit monatlich 280 € ( Bl. 90 ).
Zwischen den Parteien hat bereits ein Rechtsstreit über Kindes- und Trennungsunterhalt stattgefunden. In diesem Rechtsstreit ist der Antragsteller durch Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 13.3.2003 verurteilt worden, an die Antragsgegnerin ab 7/03 für jedes Kind monatlich 121,52 € und für die Antragsgegnerin selbst einen Trennungsunterhalt von 245,44 € monatlich zu zahlen ( BA 64 F 356/02 AG Krefeld Bl. 60 - 67 ).
Im vorliegenden Verbundverfahren hat die Antragsgegnerin einen nachehelichen Unterhalt von 584,38 € geltend gemacht.
Das Amtsgericht hat die Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin einen monatlichen Unterhalt von 555 € ( § 1570 BGB ) zu zahlen.
Das Amtsgericht hat den nachehelichen Unterhalt dadurch errechnet, dass es von dem bereinigten Einkommen des Antragstellers den titulierten Kindesunterhalt abgezogen und der Antragsgegnerin die Differenz zum Selbstbehalt als Unterhalt zugesprochen hat. Hierbei ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass für Geronimo ab 7/05 monatlich 229 € ( statt richtig: 234 €, Bl. 41 ) tituliert sind ( Bl. 52 ).
Bereinigtes Einkommen ( vgl. Bl. 53 ) | 2.038,95 € |
Titulierter Unterhalt der ehelichen Kinder ( 3 x 121,52 € ) | - 364,56 € |
Titulierter Unterhalt G. | - 229,00 € |
1.445,39 € | |
Selbstbehalt | - 890,00 € |
555,39 € |
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Antragstellers, der der Antragsgegnerin keinen höheren Unterhalt als monatlich 349 € zahlen will.
Die Ehescheidung ist seit dem 25.11.2005 rechtskräftig ( Bl. 110 ).
Die Berufung ( §§ 629 a II, 621 e ZPO ) hat nur einen geringen Erfolg. Der Antragsteller schuldet der Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung ( 25.11.2005 ) einen Unterhalt wegen Kinderbetreuung ( § 1570 BGB ) in Höhe von monatlich 534 €.
Im Einzelnen:
1. Einkommen des Antragstellers
a) Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Antragsteller verpflichtet ist, den Vorteil des begrenzten Realsplittings von ( 12 x 472,51 € = ) 5.670,12 € geltend zu machen ( Bl. 52 ). Danach ergebe sich ein monatliches Erwerbseinkommen von 2.304,95 € netto.
Wird - wie hier - über die Höhe des Unterhalts gestritten, kann nur der unstreitige Sockelbetrag, nicht aber der streitige Spitzenbetrag als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden ( vgl. Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 1 Rdr. 593; Hoppenz, Familiensachen, 8. Aufl., § 1577 BGB Rdr. 37; Palandt, BGB, 65. Aufl., § 1353 Rdr. 12, Stichwort: Freibetrag ). Die Steuerlast ist also so zu berechnen, als ob der Antragsteller den nach seiner Auffassung geschuldeten Unterhalt von monatlich 349 € vorab als Freibetrag geltend gemacht hätte. Geht man im übrigen von dem monatlichen Bruttoeinkommen des Jahres 2004 von ( Sonderakte UE Bl. 36: 42.718,31 € : 12 = ) 3.559,86 € aus, ergibt sich nach Steuerklasse 1, 2 Kinderfreibeträge ein monatliches Nettoeinkommen von 2.137,39 €.
b) Pkw-Kosten
Der Antragsteller hat in erster Instanz vorgetragen, dass er täglich mit dem Pkw von M. zu seinem Arbeitsplatz nach E. fahre, und "berufsbedingte Aufwendungen für das Auto in Höhe von 221 € geltend gemacht ( Sonderakte UE Bl. 68 ). Das Amtsgericht ist dem gefolgt und hat von dem Einkommen des Antragstellers vorab die ( fiktiven ) Pkw-Kosten für die Fahrten von der früheren Ehewohnung in K. nach E. in Höhe von monatlich 325 € abgezogen ( Bl. 53 ).
Das erstinstanzliche Vorbringen des Antragstellers, er fahre täglich mit dem Pkw zur Arbeit, war wahrheitswidrig. Der Antragsteller hat auf die Auflage des Senats vom 23.11.2005 ( Bl. 103 ) im Senatstermin eingeräumt, dass er bislang mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit gefahren ist und das Firmenticket erst 7/05 gekündigt habe. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass "aus gesundheitlichen Gründen die Fahrt zum Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr möglich sei" ( Bl. 112 ).
Der Senat hält das Vorbringen des Antragstellers, dass "die Belastung, die in öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Kniegelenken ruhe, immens sei" ( Bl. 113 ), für einen unzulässigen Versuch, sein Einkommen durch Fahrtkosten zu drücken, die er in Wirklichkeit nicht hat. Das Versorgungsamt ist davon ausgegangen, dass die Gesundheitsstörung des Antragstellers ( nur ) in einer
"leichten Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes mit Schwellneigung und Instabilität des künstlichen vorderen Kreuzbandes"
besteht ( Bl. 117 ).
Der Antragsteller hat von 1/05-7/05 ein Firmenticket gehabt und ist also mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit gefahren ( Bl. 94, 118 ). Wenn sein Knie in den vergangenen 7 Monaten die "immensen Belastungen" in öffentlichen Verkehrsmitteln ausgehalten hat, dann hätte der Antragsteller schon im Einzelnen vortragen und unter Beweis stellen müssen, dass und aus welchen Gründen zwischenzeitlich eine Verschlimmerung der Gesundheitsstörung eingetreten ist. Derartiges hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Die ( angeblichen ) Pkw-Kosten sind daher nicht vorab von dem Einkommen abzusetzen.
b) Darlehen
Der Antragsteller hat kurz nach der Trennung am 24.2.2002 ein Darlehen über 8.000 € aufgenommen, das er in monatlichen Raten von 146 € ab 6/02 zu tilgen hat ( Sonderakte UE Bl. 43 ).
Das Amtsgericht hat in dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ausgeführt:
"Ehebedingte Kredite bestehen nicht mehr" ( Bl. 50 ).
Weshalb diese Kredite nicht mehr bestehen, wird in den Entscheidungsgründen allerdings nicht erläutert.
Mit seiner Berufung verfolgt der Antragsteller den Vorwegabzug der Darlehensrate weiter und macht geltend, dass er das Darlehen von 8.000 € aufgenommen habe, um das gemeinsame Girokonto auszugleichen, das im Zeitpunkt der Trennung mit 5.593,34 € im Soll gestanden habe ( Bl. 78; Kontoauszug Sonderakte UE Bl. 71 ). Weitere 3.000 € seien für den Kauf einer Kücheneinrichtung verwendet worden ( Bl. 79 ).
Die Antragsgegnerin wendet bezüglich der Kücheneinrichtung ein, dass diese am Tag ihres Auszugs aus der Ehewohnung ( 28.5.2002 ) geliefert worden und zu diesem Zeitpunkt bis auf einen Restbetrag von 177 € auch bezahlt worden sei. Im übrigen macht die Antragsgegnerin geltend, dass die Küchenmöbel jetzt in dem gemeinsamen Haushalt des Antragstellers und seiner Lebensgefährtin genutzt werden. Die Überziehung des Girokontos falle allein in den Verantwortungsbereich des Antragstellers ( Bl. 107 ).
Die Küche war unstreitig bei dem Auszug der Antragsgegnerin aus der Ehewohnung bis auf einen Restbetrag von 177 € bezahlt ( Bl. 114 ) und ist in der Folgezeit von dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin genutzt worden. Die Kosten für die von der Fa. Schaffrath erworbene Küche sind daher allein von dem Antragsteller zu tragen.
Dies bedeutet zugleich, dass die Zahlung von 1.361 € an die Fa. Schaffrath vom 8.4.2002 aus dem Girosaldo von 5.594,34 € vom 11.4.2002 herauszurechnen ist ( vgl. Sonderakte UE Bl. 71 ). Zum 11.4.2002 war das Girokonto daher nur mit 4.233,34 € im Soll.
Für den nachehelichen Unterhalt kommt es dagegen nicht auf den Zeitpunkt der Trennung, sondern den der Rechtskraft der Scheidung ( 25.11.2005 ) an. Nur wenn zu diesem Zeitpunkt noch ehebedingte Schulden bestehen, hätte deren Tilgung einkommensmindernd berücksichtigt werden können. Derartige bei Rechtskraft der Scheidung noch bestehende ehebedingten Verbindlichkeiten hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
2. Unterhaltsberechnung
a) Die Berechnung des nachehelichen Unterhalts durch Vorwegabzug des titulierten Kindesunterhalts begegnet Bedenken, weil es sich vorliegend um einen Mangelfall handelt. Der BGH vertritt im Mangelfall die Ansicht, "dass es im Rahmen eines andere Unterhaltsansprüche betreffenden Rechtsstreits im Regelfall ohne Bedeutung ist, in welcher Höhe der Unterhalt eines Kindes tituliert ist, weil davon ausgegangen werden kann, dass bei Abweichungen von der materiellen Rechtslage die Abänderung des Titels möglich ist" ( BGH FamRZ 2003, 363, 367 li Sp; vgl. auch Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 4 Rdr. 192, 195; Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Untrhalts, 9. Aufl., Rdr. 113 ).
Der Einsatzbetrag für den Kindesunterhalt ist daher nicht der titulierte Unterhalt, sondern entspricht dem Existenzminimum ( Tabellenbetrag der 6. Einkommensgruppe ). Der Einsatzbetrag für die Antragsgegnerin beträgt im Mangelfall 770 € ( vgl. Anm. C. der Düsseldorfer Tabelle, FamRZ 2003, 1302 ).
b) Der notwendige Eigenbedarf des Antragstellers beträgt für die Zeit ab 7/05 im Regelfall 890 €. Insoweit macht die Antragsgegnerin aber geltend, dass der Selbstbehalt des Antragstellers angemessen herabzusetzen sei, weil er durch das Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin einen wirtschaftlichen Vorteil habe ( Bl. 108 ). Dies entspricht den Leitlinien, die in Ziffer 21.5 bestimmen, dass Vorteile durch das Zusammenleben mit einem Lebenspartner eine Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts rechtfertigen können.
Der Antragsteller hat die Rechtsansicht der Antragsgegnerin, dass bei ihm wegen des Zusammenlebens mit seiner Lebensgefährtin ein geringerer Selbstbehalt in Ansatz zu bringen sei, "nicht beanstandet" ( Bl. 115 ).
Die Frage ist, auf welchen Betrag der Selbstbehalt des Antragstellers herabgesetzt werden sollte. Im Selbstbehalt von 890 € sind bis zu 360 € für Unterkunft enthalten ( Anmerkung 5 der Düsseldorfer Tabelle ). Der Antragsteller beteiligt sich an den Wohnkosten seiner Lebensgefährtin mit monatlich 280 € ( Bl. 89 ). Er hat daher zumindest eine Ersparnis von ( 360 € - 280 € = ) 80 €.
Durch das Zusammenleben werden aber auch die übrigen Lebenshaltungskosten verringert. Der Senat schätzt die Haushaltsersparnis durch das Zusammenleben mit einem anderen Partner auf 25 % der Lebenshaltungskosten. Der Selbstbehalt des Antragstellers ist daher um 25 % auf 668 € abzusenken ( vgl. OLG Hamm, FamRZ 2003, 1210; OLG München, FamRZ 2004, 485; Palandt, aaO, vor § 1601 Rdr. 20; Wendl/Staudigl, aaO, § 2 Rdr. 270; Kalthoener/Büttner, aaO, Rdr. 493 ).
Der Antragsteller hat gegen die Herabsetzung des Selbstbehalts lediglich geltend gemacht, dass eine Ersparnis deshalb entfalle, weil er zu seiner Lebensgefährtin nach M. gezogen sei und deshalb eine 40 Kilometer weitere Anfahrt zu seinem Arbeitplatz habe ( Bl. 115 ). Dieser Einwand hat keinen Erfolg, weil der Antragsteller gerade im Mangelfall gehalten ist, für die Fahrten zum Arbeitsplatz die preisgünstigeren öffentlichen Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen.
Danach ergibt sich folgende Mangelberechnung:
Erwerbseinkommen | 2.137,39 € |
5 % | - 106,87 € |
2.030,52 € | |
Halbe Unfallrente ( 118 € : 2 ) | 59,00 € |
2.089,52 € | |
Reduzierter Selbstbehalt | - 668,00 € |
1.421,52 € | |
Einsatzbeträge: | |
G. ( 11 Jahre ) | 393,00 € |
L. ( 6 Jahre ) | 334,00 € |
L. ( 4 Jahre ) | 276,00 € |
L. ( 3 Jahre ) | 276,00 € |
Antragsgegnerin | 770,00 € |
Gesamtbedarf | 2.049,00 € |
Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin:
1.422 € x 770:2.049 = | 534,38 € |
gerundet | 534,00 € |
3.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 93 a, 92 I, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Streitwert: 12 x ( 555 € - 349 € ) = 2.472 €.
Ende der Entscheidung
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