Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.01.2009
Aktenzeichen: II-5 UF 266/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BSG, VAHRG


Vorschriften:

ZPO § 574
ZPO § 628
BGB § 1587 Abs. 1
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 1
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2
BGB § 1587 a Abs. 2 Ziff. 2
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 5
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 5 a
BGB § 1587 a Abs. 3 Ziff. 1
BGB § 1587 a Abs. 3 Ziff. 2
BGB § 1587 b Abs. 1 Satz 1
BGB § 1587 b Abs. 5
BGB § 1587 b Abs. 6
BSG § 2
VAHRG § 1 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der ... wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Erkelenz vom 12. Oktober 2003, AZ: 12 F 71/02 VA, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1.

Von dem Versicherungskonto der Antragstellerin, geführt bei der ..., werden auf das Versicherungskonto des Antragsgegners, geführt bei der ..., monatliche Rentenanwartschaften von 118,19 €, bezogen auf den 28.02.2002, übertragen.

Der Monatsbetrag der übertragenen Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2.

Weiterhin werden zu Lasten der bei der ... bestehenden Anwartschaft der Antragstellerin auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners, geführt bei der ..., Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 91,50 €, bezogen auf den 28.02.2002, begründet.

Der Monatsbetrag der zu begründenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben und die Kostenentscheidung des Amtsgerichts bestätigt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 914,76 €.

Die Parteien waren miteinander verheiratet. Ihre Ehe, die sie am 16.05.1980 geschlossen hatten , ist durch Urteil des Amtsgerichts Erkelenz vom 28.11.2002 rechtskräftig geschieden worden. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner am 27.03.2002 zugestellt worden. Das Verfahren betreffend die Folgesache Versorgungsausgleich hatte das Amtsgericht gemäß § 628 ZPO abgetrennt.

Innerhalb der nach § 1587 Abs. 2 BGB berechneten Ehezeit vom 01.05.1980 bis 28.02.2002 haben beide Parteien Anwartschaften auf Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Ziffer 2 BGB erworben, die Antragstellerin darüber hinaus solche aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes, der Antragsgegner solche aufgrund eines Versicherungsvertrages im Sinne des § 1587 a Abs. 2 Nr. 5 BGB.

Mit Beschluss vom 12.10.2003 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es von dem Versicherungskonto der Antragstellerin auf das Versicherungskonto des Antragsgegners, jeweils geführt bei der ... - im Folgenden: ..., Rentenanwartschaften von monatlich 116,90 €, bezogen auf den 28.02.2002, übertragen und zu Lasten der Anwartschaften der Antragstellerin bei der ...Rentenanwartschaften von monatlich 16,56 € auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners, geführt bei der ..., begründet.

Gegen diesen Teil der Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Trägers der Zusatzversorgung, die beanstandet, Anwartschaften des Antragsgegners auf Altersversorgung aufgrund des Versicherungsvertrages von dynamisiert 2,59 € seien mit den Anwartschaften der Antragstellerin aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes und nicht mit denen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu saldieren.

Das Rechtsmittel ist zulässig und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Nach den Auskünften der ... vom 08.05.2002 - Bl. 12 - 22 Sonderheft VA - und 29.08.2002 - Bl. 27 - 35 Sonderheft BA - haben beide Parteien Anwartschaften auf Altersversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Ehezeit vom 01.05.1980 bis 28.02.2002 erworben, und zwar die Antragstellerin in Höhe von monatlicht 559,52 € und der Antragsgegner von monatlich 323,14 €.

Der Antragsgegner hat des weiteren in der Ehezeit vom 01.05.1980 bis 28.02.2002 laut Auskunft der H. vom 01.07.2002 - Bl. 24 Sonderheft VA - Anwartschaften aufgrund eines Versicherungsvertrages, Lebensversicherung auf Rentenbasis, erworben. Gemäß § 1587 a Abs. 2 Nr. 5 a BGB ist bei fortbestehender Prämienzahlungspflicht von dem fiktiven Rentenbetrag auszugehen, der sich ergäbe, wenn die Versicherung zum Ehezeitende in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt würde und zu diesem Zeitpunkt wegen des eingetretenen Versicherungsfalles aus dem bis dahin angesammelten Deckungskapitals Versicherungsleistungen zu erbringen wären. Nach Auskunft des Versicherungsträgers beläuft sich das danach maßgebliche Deckungskapital auf 557,99 €. Dieses Anrecht ist gemäß § 1587 a Abs. 3 Ziffer 1 BGB in eine Anwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der Beamtenversorgung umzurechnen. Nach der Regelung in § 1587 a Abs. 3 Ziffer 1 BGB ist dem Versorgungsausgleich das Altersruhegeld zugrunde zu legen, welches sich ergäbe, wenn das auf die Ehezeit bezogene Deckungskapital als Beitrag in die gesetzliche Rente entrichtet würde. Das Deckungskapital ist danach mit Hilfe der Umrechnungsfaktoren nach § 2 BSG in Entgeltpunkte und diese in Rentenanwartschaften umzurechnen. Nach den zum Ende der Ehezeit maßgeblichen Faktoren ergibt sich folgende Berechnung:

557,99 € x 0,0001835894 x 25,31406 = 2,59 €. Dies entspricht der Berechnung durch das Amtsgericht.

Die von der Antragstellerin in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes belaufen sich nach Auskunft des Versorgungsträgers vom 19.03.2003 - Bl. 37 - 40 Sonderheft VA - auf monatlich 185,58 €.

Entgegen der Auffassung des Versorgungsträgers sind diese Anwartschaften sowohl im Anwartschafts- wie im Leistungsstadium dynamisch, d. h. sie steigen in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie der Wert der in § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB bezeichneten Versorgungen und Anwartschaften. Einer Umrechnung mittels der Barwertverordnung gemäß § 1587 a Abs. 3 Ziffer 2 BGB bedarf es nicht.

Die Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes hat eine grundlegende Änderung erfahren. Das bisherige Gesamtversorgungssystem unter Anrechnung gesetzlicher Renten ist durch ein sog. Punktemodell abgelöst worden, vgl. im einzelnen: Glockner, FamRZ 2002, Seite 287; Johannsen, Henrich, Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587 a Rdziff. 204 - 214 g; Palandt/Brudermüller, 62. Aufl., § 1587 a Rdziff. 81. Der künftigen fiktiven Kapitaldeckung liegt ein Rechnungszins von 3,25 % zugrunde, im Leistungsstadium erfolgt eine Anpassung von 1 % pro Jahr. Diese Steigerungszahlen rechtfertigen die Annahme einer Volldynamik. Eine Anwartschaft ist als volldynamisch zu bewerten, wenn nach der prognostizierten Entwicklung die durchschnittliche Abweichung von der Dynamik gesetzlicher Renten / beamtenrechtlicher Anrechte nicht mehr als 1 % beträgt, BGH, FamRZ 2003, Seite 40. Seit dem Jahre 1995 bis einschließlich 2004 beträgt die Anpassung der gesetzlichen Renten durchschnittlich 1,059 %, vgl. Gutdeutsch, FamRZ 2003, Seite 737 und Glockner, FamRZ 2003, Seite 1235. Auch bei der gebotenen Prognose der weiteren Entwicklung, jedenfalls bis zum 31.05.2006, dem Zeitpunkt des Außerkrafttretens der Barwertverordnung, ist nicht von höheren Steigerungszahlen auszugehen. Vergleicht man die durchschnittliche Anpassung der gesetzlichen Renten von 1,059 % mit dem der künftigen fiktiven Kapitaldeckung zugrundeliegenden Rechnungszins von 3,25 % und der Anpassung im Leistungsstadium von 1 % pro Jahr, kann eine Volldynamik angenommen werden (für Dynamik im Anwartschaftsstadium auch Johannsen, Hennrich, Hahne, a.a.O., § 1587 a Rdziff. 214 g; Borth, FamRZ 2003, Seite 893; Glockner, FamRZ 2002, Seite 287; OLG Thüringen, FamRZ 2003, Seite 1929, 1930; für Volldynamik der Leistungen aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes auch AG Tempelhof-Kreuzberg, FamRZ 2003, Seite 1932; dagegen OLG Nürnberg, FamRZ 2003, Seite 314 und OLG Thüringen FamRZ 203, Seite 1929, 1930).

Insgesamt hat die Antragstellerin in der Ehezeit Versorgungsanrechte im Sinne des § 1587 Abs. 1 BGB von 745,10 € (559,52 € + 185,58 €) erworben, die ehezeitbezogenen Versorgungsanrechte des Antragsgegners betragen insgesamt 325,73 € (323,14 € + 2,59 €). Die Differenz der Anwartschaften beträgt 419,37 €. In Höhe der Hälfte dieses Wertunterschiedes, also 209,69 €, ist der Antragsgegner ausgleichsberechtigt, § 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB.

Zunächst sind die jeweiligen gesetzlichen Rentenanwartschaften der Parteien gegenüber zu stellen und im Wege des Splittings auszugleichen, § 1587 b Abs. 1 Satz 1 BGB . Es ergibt sich folgende Berechnung:

559,52 € - 323,14 € = 236,38 € : 2 = 118,19 €.

In dieser Höhe sind Rentenanwartschaften von dem Versicherungskonto der Antragstellerin, geführt bei der B., auf das Versicherungskonto des Antragsgegners, gleichfalls geführt bei der B., zu übertragen.

Der Ausgleich der Anwartschaften der Antragstellerin aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes erfolgt unter Anrechnung der dynamisierten Anwartschaften des Antragsgegners aus dem Versicherungsvertrag durch analoges Quasi-Splitting, § 1 Abs. 3 VAHRG. Es ergibt sich nachstehende Berechnung:

185,58 € - 2,59 €= 182,99 € : 2 = 91,50 €.

In dieser Höhe sind monatliche Rentenanwartschaften zu Lasten der Anwartschaften der Antragstellerin aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners, geführt bei der B., zu begründen.

Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB, der laut Mitteilung der B. 782,24 € beträgt, wird hierdurch nicht überschritten.

Die Entscheidung über die Umrechnung der Anwartschaften in Entgeltpunkte beruht auf § 1587 b Abs. 6 BGB.

Da die Bewertung von Versorgungsanrechten aus der öffentlichen Zusatzversorgung grundsätzliche Bedeutung hat, die Entscheidung insoweit von dem Beschluss des OLG Nürnberg vom 15.10.2002, FamRZ 2003, Seite 314 und des OLG Thüringen vom 20.08.2003, FamRZ 2003, Seite 1929, 1930 abweicht, ist gemäß § 574 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 93 a Abs. 1 ZPO, 8 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück