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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: II-8 UF 11/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 606 a Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 629 b Abs. 1
BGB § 1564 f.
BGB § 1566 Abs. 1
Aufgrund einer Rückverweisung im internationalen Privatrecht der Republik Togo richtet unterliegt das Scheidungsverfahren dem gemeinsamen Wohnsitzrecht der Parteien, wenn diese bei Eheschließung togolesische Staatsangehörig waren, aber bei Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit haben.
Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 18.12.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Mülheim an der Ruhr aufgehoben.

Die Sache wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels an das Amtsgericht - Familiengericht - Mülheim an der Ruhr zur erneuten Entscheidung über den Scheidungsantrag des Antragstellers und über die Kosten des Berufungsverfahrens zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind miteinander verheiratet. Sie stammen beide aus dem Togo. Dort schlossen sie am 26.12.1988 miteinander die Ehe, die sie am ...1988 vor dem Standesbeamten der Stadt Sokodé registrieren ließen. Der Ehemann reiste im Jahre 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein, die Ehefrau folgte ihm zwei Jahre später nach. Hier brachte sie am 28.10.1997 und am 20.01.1999 zwei Kinder zur Welt, mit denen die Eheleute bis Mitte 2007 zusammenlebten. Der Antragsteller war in der Vergangenheit in Deutschland berufstätig und hat nach seinen Angaben Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Im Juli 2007 verließ die Antragsgegnerin mit den gemeinsamen Kindern die in B. gelegene Ehewohnung und lebt mit ihnen inzwischen in M. . Beide Parteien sehen ihre Ehe mittlerweile als gescheitert an.

Der Ehemann, der Ende 2005 eingebürgert worden ist (vgl. dazu die Urkunde vom 17.11.2005, Gerichtsakte Bl. 88), hat mit Schriftsatz vom 23.04.2008 die Scheidung

der Ehe beantragt und zur Begründung vorgebracht, die Antragsgegnerin sei im Zuge der Trennung sogleich mit einem neuen Partner zusammengezogen; deshalb seien die Voraussetzungen für eine Scheidung nach dem togolesischen Recht erfüllt.

Die Ehefrau ist dieser Darstellung entgegengetreten und hat sich gegen das Scheidungsbegehren verteidigt (Protokoll vom 27.11.2008, Gerichtsakte Bl. 40 f.).

Durch das angefochtene Urteil hat das Familiengericht den Scheidungsantrag zurückgewiesen, weil der Ehemann die nach dem hier maßgeblichen Recht der Republik Togo erforderlichen Tatsachen - die Untreue seiner Ehefrau - nicht unter Beweis gestellt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Antragstellers, der sein Verfahrensziel weiter verfolgt und zuletzt im Senatstermin beantragt hat,

das Urteil des AG Mülheim an der Ruhr vom 18.12.2008, Az.: 21 F 489/08 aufzuheben und die am 26.12.1988 vor dem Standesamt in Sokodé, Republik Togo geschlossene und dort unter Heiratsbuchnummer ... eingetragene Ehe der Parteien zu scheiden,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Entscheidung im Verbund an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Die Antragsgegnerin stimmt dem Scheidungsantrag nunmehr zu.

Der Senat hat die Parteien in der Sitzung vom 13.05.2009 angehört; wegen der Einzelheiten wird auf das Verhandlungsprotokoll verwiesen (GA Bl. 97 f.).

II.

Die Berufung ist zulässig und führt mit dem Hilfsantrag zum Erfolg.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Scheidungsantrag und - soweit erforderlich - über Folgesachen an das Familiengericht zurückzuverweisen, § 629 b Abs. 1 ZPO.

1. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen inländischen Gerichts folgt aus Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 und wäre im Übrigen auch nach § 606 a Abs.1 Nr. 1 ZPO begründet.

2. Der Sachverhalt beurteilt sich im vorliegenden Fall nach deutschem Sachrecht. Zwar wäre - wie das Amtsgericht im Ausgangspunkt zu Recht angenommen hat - grundsätzlich das Heimatrecht der Parteien als Scheidungsstatut berufen, denn die Scheidung unterliegt dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist, Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, und das wäre hier das Recht der Republik Togo, weil zunächst beide Ehegatten diesem Staat angehört hatten und die Antragsgegnerin noch immer Bürgerin dieses Staates ist, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. Die Verweisung in das Recht eines anderen Staates schließt indessen bei Sachverhalten mit Auslandsberührung die Anwendung des ausländischen Internationalen Privatrechts ein, Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB. Deshalb ist weiter zu prüfen, ob das ausländische Recht die Verweisung durch das deutsche Internationale Privatrecht annimmt oder auf das deutsche Recht zurückverweist. Ist Letzteres der Fall, sind die inländischen Sachvorschriften anzuwenden, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, während das inländische Internationale Privatrecht nicht mehr zum Zuge kommt.

Das Internationale Privatrecht der Republik Togo ist für den Bereich des Ehe- und Kindschaftsrecht in Titel XI des Personen- und Familiengesetzbuchs (Code des personnes et de la famille vom 31.01.1980, abgekürzt CPF) kodifiziert (vgl. dazu die Einleitung und Übersetzung in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Togo, bearbeitet von Henrich und Schönberger, Bearbeitungsstand Juli 2007). Gemäß Art. 709 Satz 1 - erster Halbsatz - CPF richtet sich die Scheidung oder die Trennung von Tisch und Bett nach dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten und, im Falle unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, nach dem Recht des Landes, in dem sie zur Zeit der Antragstellung ihren Wohnsitz haben. Da der Antragsteller im November 2005 die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat und beide Ehegatten deshalb eine unterschiedliche Staatsbürgerschaft besitzen, verweist das togolesische Recht auf das deutsche Recht zurück, weil die Familie hier seit Jahren lebt und beide Ehegatten auch im Zeitpunkt der Antragstellung ihren Wohnsitz hatten.

3. Damit unterliegt die begehrte Auflösung der Ehe deutschem Scheidungsstatut. Einschlägig sind §§ 1564 f. BGB. Die Voraussetzungen dieser Sachvorschriften sind erfüllt. Die Ehe der Parteien ist gescheitert. Das wird nach § 1566 Abs. 1 BGB unwiderlegbar vermutet, nachdem die Parteien seit Juli 2007, also seit mehr als einem Jahr, getrennt leben und die Ehefrau der Scheidung inzwischen zustimmt. Das steht nach dem Inhalt der Akten und dem Ergebnis der Anhörung fest. Die Ehegatten leben zumindest seit Beginn des Verfahrens in verschiedenen Städten und haben übereinstimmend erklärt, dass sie nicht mehr zusammenziehen wollen.

4. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Dem Hauptantrag des Antragstellers kann er folglich nicht stattgeben. Denn nach Aktenlage ist anzunehmen, dass bei dem Familiengericht eine Folgesache - nämlich der Versorgungsausgleich - "zur Entscheidung ansteht". Der Antragsteller hat auf Befragen mitgeteilt, er habe im Inland gearbeitet und Beiträge zur Rentenversicherung geleistet. Folglich ist der nach deutschem Scheidungsstatut durchzuführende Versorgungsausgleich zu regeln, Art. 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB i. V. m. Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung. Das Amtsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zum Versorgungsausgleich keine Ermittlungen angestellt. Die von Amts wegen aufzunehmende Aufklärung ist deshalb nach der gebotenen Aufhebung und Zurückverweisung (vgl. zu dieser Frage Finger in Münchener Kommentar ZPO 3. Aufl. § 629 b Rdn. 5; Philippi in Zöller ZPO 27. Aufl. § 629 b Rdn. 3) nachzuholen.

5. Bei dieser Sachlage ist eine Entscheidung zu Kosten und vorläufiger Vollstreckbarkeit nicht veranlasst; bei der abschließenden Entscheidung wird auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden sein.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.

Wert für das Berufungsverfahren: 2.000 €.

Ende der Entscheidung

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