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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: II-8 UF 199/08
Rechtsgebiete: SonderzahlungsG NRW, VAHRG, ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

SonderzahlungsG NRW § 11 Satz 2
VAHRG § 3b Abs. 1 Nr. 1
VAHRG § 3b Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 93 a
ZPO § 621e
BGB § 1587a Abs. 3
BGB § 1587a Abs. 4
GKG § 21
Die Sonderzahlung für Landesbeamte in Nordrhein - Westfalen, die durch § 11 Satz 2 des Sonderzahlungsgesetzes NRW nachträglich bis zum 31.12.2012 befristet wurde, ist bei der Ermittlung des Ehezeitanteils einer Beamtenversorgung im Versorgungsausgleich (§ 1587a Abs. 2 Nr. 1 BGB) mit dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Bemessungsfaktor zu berücksichtigen.
Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund wird das am 14.08.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr im Ausspruch zum Versorgungsausgleich abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Vom Versicherungskonto-Nr.: 53 ... des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden auf das Versicherungskonto-Nr.: 13 ... bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland für die Antragsgegnerin Rentenanwartschaften von monatlich 220,97 € + 49,00 € = 269,97 €, bezogen auf den 30.11.2007, übertragen.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Im Übrigen bleibt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.

2. Die Entscheidung im Beschwerdeverfahren ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet. Die erstinstanzlichen Kosten bleiben gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 2.000 €.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 27.05.1988 die Ehe miteinander geschlossen und wurden auf den am 05.12.2007 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers durch das am 14.08.2008 verkündete Verbundurteil des Amtsgerichts geschieden.

Der Antragsteller hat während der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung, ein Anrecht auf betriebliche Altersversorgung sowie Anrechte aus zwei privaten Lebensversicherungen erworben. Die Antragsgegnerin hat ein Anrecht auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bei der Stadt O. erlangt.

Das Amtsgericht hat im Ausspruch zum Versorgungsausgleich Anwartschaften in Höhe von 225,53 € im Wege des Rentensplittings sowie Anrechte in Höhe von 23,40 € + 49,00 € im Wege des erweiterten Ausgleichs nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG vom Rentenkonto des Antragstellers auf ein für die Antragsgegnerin zu errichtendes Konto bei der Deutschen Rentenversicherung übertragen.

Hiergegen wendet sich die Deutsche Rentenversicherung Bund mit ihrer Beschwerde und rügt, dass die vom Amtsgericht im Wege des erweiterten Ausgleichs übertragenen Anrechte über den nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG geltenden Höchstbetrag von 49,00 € hinausgehen.

II.

Die gemäß § 621e ZPO statthafte Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Korrektur der amtsgerichtlichen Entscheidung.

1)

Der Wert der betrieblichen Altersversorgung des Antragstellers bei der S. AG steigt nur im Leistungsstadium in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung und ist deshalb gemäß § 1587a Abs. 3 und 4 BGB umzubewerten.

Die betriebliche Altersversorgung wurde im Jahr 2003 neu geregelt und wird nun als Kapitalleistung mit zustimmungspflichtiger Verrentungsoption zugesagt. Nur für die vor der Umstellung erworbenen Anrechte bleibt die erteilte Rentenzusage aufrechterhalten, die bis zum Leistungsbeginn nicht mehr angepasst wird. Die Versorgung steigt deshalb nur im Leistungsstadium in einer mit der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung vergleichbaren Weise. Bis zum Leistungsbeginn erfolgt keine Anpassung.

Der dynamische Rentenwert des Anrechts errechnet sich wie folgt:

Die Jahresrente beträgt 10.200,00 EUR. Die Betriebszugehörigkeit des Antragsgegners begann am 01.07.1988 und hat noch nicht geendet. Die Altersgrenze wird am 04.06.2027 erreicht. Von der Gesamtbetriebszugehörigkeit (468 Monate) fallen 233 Monate in die Ehezeit. Der Ehezeitanteil der Versorgung beträgt somit 5.078,20 € (49,7863 % der Jahresrente).

Für die Bestimmung des Barwerts sind die Werte der Tabelle 1 der BarwertVO zu verwenden, weil die Versorgung für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist. Die Tabellenwerte sind um den Faktor 1,5 zu erhöhen, weil die Versorgung im Rententeil volldynamisch ist. Es errechnet sich ein Barwert in folgender Höhe:

Alter des Antragstellers bei Ehezeitende: 45

Barwertfaktor: 4,8 x 150% = 7,2

Barwert: 36.563,04 EUR

Aus dem Barwert wird eine dynamische Rente in der Weise berechnet, dass der Wert fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wird. Somit ist der Betrag mit dem für das Ehezeitende geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung in Entgeltpunkte (EP) und diese mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts (ARW) in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen.

Dies führt vorliegend zu einem dynamischen Rentenwert der Versorgung in Höhe von

36.563,04 EUR

x 0,0001704126 (Umrechnungsfaktor Beiträge in EP)

x 26,27 € (aktueller Rentenwert)

= 163,68 €

2)

Die dynamischen Rentenwerte der Lebensversicherungen des Antragstellers hat das Amtsgericht zutreffend mit 38,01 € und 8,79 € errechnet. Auf die Berechnung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird verwiesen.

3)

Bei der Berechnung des Ehezeitanteils der Beamtenversorgung der Antragsgegnerin ist die Sonderzahlung als Bestandteil der ruhegehaltsfähigen Bezüge in das Ruhegehalt der Antragsgegnerin einzurechnen. Nach der Auskunft der Stadt O. vom 13.01.2009 errechnet sich mit der anteiligen Sonderzahlung ein Ehezeitanteil von 528,31 €.

Die Sonderzahlung ist grundsätzlich mit dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Bemessungsfaktor zu berücksichtigen (BGH Beschluss vom 04.09.2002, Az. XII ZB 130/98; vom 14.03.2007, Az. XII ZB 85/03; vom 02.07.2008, Az. XII ZB 80/06). Der Umstand, dass das Sonderzahlungsgesetz NRW, das die Sonderzahlung dem Grunde und der Höhe nach regelt, am 31.12.2012 außer Kraft tritt, rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung.

Das Sonderzahlungsgesetz NRW vom 20.11.2003 wurde nachträglich (vgl. § 11 Satz 2) durch Artikel 31 des Befristungsgesetzes vom 05.04.2005 (GV NRW Seite 531) befristet. Grund der Befristung ist eine gesetzlich angeordnete Evaluierungsverpflichtung, die die Landesregierung verpflichtet, dem Landtag rechtzeitig vor Fristablauf das Ergebnis der Evaluierung vorzulegen. Die Befristung bringt damit nicht den Willen des Gesetzgebers zur Streichung dieses Einkommensbestandteils nach Ablauf einer Übergangszeit zum Ausdruck, sondern nur den Willen zur Überprüfung der Auswirkungen der gesetzlichen Regelung.

Die vorgenommene Befristung macht die Sonderzahlung deshalb nicht zu einem degressiven Versorgungsbestandteil, der nur noch für eine begrenzte Übergangsfrist gewährt wird und nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 14.03.2007, Az. XII ZB 85/03) nicht im öffentlich rechtlichen Versorgungsausgleich zu berücksichtigen wäre.

Nach der ergänzenden Auskunft der Stadt O. vom 13.01.2009 erhöht sich die ehezeitliche Anwartschaft der Antragsgegnerin auf 528,31 €, wenn die monatsanteilige Sonderzahlung dem Ruhegehalt hinzugerechnet wird.

3)

Damit errechnet sich folgende Ausgleichsbilanz:

Der Antragsteller hat die werthöheren Anrechte erworben und ist in Höhe der hälftigen Differenz, also eines Betrages von 326,21 € ausgleichspflichtig.

Der Ausgleich erfolgt in Höhe von (970,24 € - 528,31 €) / 2 = 220,97 € durch Rentensplitting.

Der durch erweitertes Splitting (§ 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG) zusätzlich ausgleichbare Betrag ist - wie die Beschwerde zu Recht rügt - auf 49,00 € begrenzt. Dieser Höchstbetrag darf auch bei mehreren auszugleichenden Anrechten nur einmal ausgeschöpft werden.

Durch Splitting und erweitertes Splitting kann somit ein Gesamtbetrag von

220,97 € + 49,00 € = 269,97 €

auf das bereits bestehende Rentenkonto der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen werden.

Danach verbleibt noch ein auszugleichender Betrag von

326,21 € - 220,97 € - 49,00 € = 56,24 €.

In Höhe dieses Betrages bleibt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten (§ 2 VAHRG), da die Anordnung der Beitragseinzahlung nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG für den Antragsteller nicht zumutbar wäre und die Antragsgegnerin gegen den schuldrechtlichen Ausgleich des verbleibenden Restbetrages keine Einwände erhoben hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 GKG, § 93 a ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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