Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: II-8 UF 55/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 288
BGB § 1381
BGB § 1381 Abs. 1
1) Schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten, dass sich nicht wirtschaftlich ausgewirkt hat (hier: massive körperliche Misshandlungen und ehebrecherisches Verhalten) kann den Ausschluss des Zugewinnausgleichs nach § 1381 BGB rechtfertigen.

Ein Ausschluss scheidet jedoch aus, wenn das Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten von dem ausgleichsberechtigten Ehegatten erwirtschaftet wurde und dieser einseitig Vermögensbildung zugunsten des ausgleichspflichtigen Ehegatten betrieben hat, um eine Alterssicherung für beiden Parteien zu schaffen, die bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Unternehmens gegen den Zugriff der Gläubiger abgesichert ist.

2) Wird von einem Unternehmen (GmbH & Co. KG) eine auf eine Kapitalleistung gerichtete Lebensversicherung zur Absicherung der auf Zahlung einer Rente gerichteten Pensionszusage an den Geschäftsführer abgeschlossen und an diesen verpfändet, fällt weder die Pensionszusage noch die Lebensversicherung in das Endvermögen des Geschäftsführers.


Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter teilweiser Abänderung des am 07.01.2005 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Dinslaken (Az. 16 F 376/03 ) und unter teilweiser Aufhebung des am 08.06.2005 verkündeten Versäumnisurteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf verurteilt, an den Kläger 336.884,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2003 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt das Versäumnisurteil im Ausspruch zur Hauptsache aufrechterhalten.

2. Die Kosten der Säumnis und die erstinstanzlichen Kosten werden dem Kläger auferlegt. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte 86 % und der Kläger 14 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 350.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zugewinnausgleich in Anspruch.

Die Parteien haben am 22.10.1987 die Ehe miteinander geschlossen. Durch das am 13. April 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dinslaken wurde die Ehe auf den am 24.11.2002 zugestellten Scheidungsantrag des Klägers rechtskräftig geschieden.

Nach der Scheidung hat zunächst die Beklagte im Verfahren 16 F 264/02 vor dem Amtsgericht Dinslaken Zugewinnausgleich geltend gemacht. Die Klage ist durch das am 30. Mai 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dinslaken abgewiesen worden. Ihre Berufung gegen das Urteil hat die Beklagte zurückgenommen.

Mit der Behauptung, er habe während der Ehe keinen Zugewinn erwirtschaftet, begehrt nunmehr der Kläger Zugewinnausgleich von der Beklagten. Er beziffert deren Zugewinn in Anlehnung an ihren Vortrag im Vorverfahren auf mindestens 1.526.153,20 DM und macht die Hälfte des Betrages - also 763.076,60 DM = 390.154,87 € - als Zugewinnausgleich geltend. Diesen Anspruch hat der Kläger zunächst als Teilklage verfolgt, weil er der Auffassung ist, dass der Beklagten weitere Vermögenswerte zuzurechnen seien. Einen weitergehenden Anspruch hat der Kläger unter dem Aktenzeichen 05-4679549-0-9 im Mahnverfahren geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 5.10.2007 hat der Kläger erklärt, dass die Klage lediglich in Höhe der vorliegend verfahrensgegenständlichen Forderung weiterverfolgt werde. Der Antrag auf Erlass des Mahnbescheides ist zurückgenommen worden.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger seinen Vortrag nicht hinreichend substantiiert habe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. Der Senat hat die Berufung mit Versäumnisurteil vom 08.06.2005 zurückgewiesen. Dieses Urteil hat der Kläger fristgerecht mit dem Einspruch angefochten und beantragt nunmehr, unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08.06.2005 und unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Dinslaken vom 07.01.2005 zu Az.: 16 F 376/03 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 390.154,87€ nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.10.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

den Einspruch zurückzuweisen.

Sie ist der Meinung, dass sie jedenfalls keinen höheren Zugewinn erzielt habe als der Kläger. Im Übrigen hält sie einen möglichen Zugewinnausgleichsanspruch des Klägers für verwirkt. Sie trägt hierzu vor, dass der Kläger über einen lang andauernden Zeitraum während des ehelichen Zusammenlebens u. a. durch schwere körperliche Misshandlungen der Beklagten sowie Todesdrohungen gegen diese, Alkoholmissbrauch und ehebrecherisches Verhalten mit russischen Prostituierten ein ehezerstörerisches Verhalten an den Tag gelegt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 16.05.2006 (Bl. 420 ff. d.A.) verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen Dr. T.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 12.02.2007 sowie des Ergänzungsgutachtens vom 04.02.2008 verwiesen.

II.

Das Versäumnisurteil des Senats ist auf den Einspruch des Klägers abzuändern, da dieser Zugewinnausgleich in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe von der Beklagten beanspruchen kann.

Wie sich aus der nachfolgenden Berechnung ergibt, hat der Kläger nach Überzeugung des Senats während der Ehe keinen Zugewinn erwirtschaftet:

Anfangsvermögen ... Endvermögen ... ... ... ... indexiert 2.353.941,61 € Summe Endvermögen 6.773.271,31 € Zurechnung Schenkung 1989 ... ... indexiert 523.862,86 € Summe Anfangsvermögen zzgl. Zurechnungspositionen 7.347.213,78 € Zurechnung Erbschaft 1991 ... ... ... indexiert 4.469.409,31 €

1)

Bei der Bewertung der Geschäftsanteile des Klägers an der S. Gruppe im Anfangsvermögen, dem durch Schenkung 1989 erworbenen Geschäftsanteil, den durch Erbschaft 1991 erworbenen Geschäftsanteil sowie den Geschäftsanteilen im Endvermögen des Klägers folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. T. Die Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten geben dem Senat keinen Anlass, von abweichenden Beträgen auszugehen oder die Ausführungen des Sachverständigen durch einen Obergutachter überprüfen zu lassen.

a)

Die Klägerin rügt die Bemessung des Risikozuschlages von 5,5 %, den der Sachverständige dem Kalkulationszins zugeschlagen hat und moniert überdies, dass der Sachverständige für die Unternehmensbewertung im Endvermögen diesen Risikozuschlag nochmals wegen der Veränderung der Kapitalstruktur um 1 % erhöht habe. Des Weiteren hält sie für unangemessen, dass das nach ihrer Auffassung nicht repräsentative Geschäftsjahr 2001 in die Ertragswertberechnung miteingeflossen sei.

Der Sachverständige führt dagegen in seinem Ergänzungsgutachten überzeugend aus, dass er den allgemeinen Risikozuschlag auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse bemessen habe. Die Erhöhung des Risikozuschlages bei der Bewertung des Unternehmenswertes im Endvermögen sei deshalb vorzunehmen, weil sich die Eigenkapitalquote signifikant verringert habe. Dies führe dazu, dass sich der Gewinn der Anteilseigner in wirtschaftlich schlechten Zeiten stärker verringere; deshalb werde die Investition riskanter und potentielle Investoren seien zu einem Engagement nur bereit, wenn das erhöhte Kapitalstrukturrisiko durch eine höhere Risikoverzinsung abgegolten werde. Diesen Überlegungen schließt sich der Senat an.

b)

Der Sachverständige hält auf den Einwand des Klägers unter Berufung auf eine in der heutigen Finanzierungslehre entwickelten und in der Praxis der Unternehmensbewertung häufig verwendeten Evaluierung des Marktrisikos in Abhängigkeit vom Verschuldungsgrad eines Unternehmens sogar eine Erhöhung des Risikozuschlages auf 3 % für angemessen. Ob dieser Annahme gefolgt werden kann, braucht nicht entschieden zu werden. Selbst bei Zugrundelegung der im Gutachten vom 12.2.2007 (3.281 T€ anstatt nur 2.816 T€ im Ergänzungsgutachten vom 4.2.2008) berechneten Unternehmenswerte hat der Kläger keinen Zugewinn erzielt.

c)

Auch der Einwand der Beklagten, dass das Geschäftsjahr 2001 zu Unrecht in die Ertragswertbemessung des Unternehmenswertes im Endvermögen eingeflossen ist, geht ins Leere. Nach Überzeugung des Senats, der auch in diesem Punkt die Berechnung des Sachverständigen für zutreffend hält, hat das schlechte Unternehmensergebnis im Jahre 2001 den Wert des Unternehmens zum Stichtag mitgeprägt, auch wenn die Ursachen für die Krise bereits beseitigt waren. Der Sachverständige hat nach Überzeugung des Senats zutreffend gewürdigt, dass der Unternehmenswert durch Umsatzrückgang und Verringerung der Eigenkapitalquote in doppelter Hinsicht negativ beeinflusst wurde.

2)

Die Position "Pensionszusage" ist im Zugewinnausgleich nicht zu berücksichtigen, weil diese ausweislich des vorliegenden Pensionszusagevertrages (Bl. 87 ff. der Akte) auf Zahlung einer Rente gerichtet ist und damit in den Versorgungsausgleich fällt. Der Umstand, dass die Rückdeckungsversicherungen, die der Absicherung der Pensionszusage dienen, auf eine Kapitalleistung gerichtet sind, ist für die Zuordnung der Pensionszusage nicht erheblich. Auch die Rückdeckungsversicherungen sind im Endvermögen des Klägers nicht zu berücksichtigen, denn Versicherungsnehmer ist nicht der Kläger, sondern die S. GmbH & OHG; die Versicherungen sind lediglich zur Sicherung der Pensionszusage an den Kläger verpfändet und stellen damit keinen eigenständigen, über die Pensionszusage hinausgehenden Vermögenswert dar.

3)

Alle weiteren Positionen des Anfangs- und Endvermögens des Klägers hat der Senat - wie aus der obigen Berechnung ersichtlich ist - auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten in den Schriftsätzen vom 19.4.2007 und vom 1.4.2008 bemessen. Gleichwohl übersteigt das Anfangsvermögen nebst Zurechnungspositionen das Endvermögen des Klägers; ein Zugewinn ergibt sich somit nicht.

4)

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte kein Anfangsvermögen hat.

5)

Das Endvermögen der Beklagten berechnet sich wie folgt:

.... .... .... Summe 1.507.578,70 DM Verbindlichkeiten 189.800,00 DM Endvermögen 1.317.778,70 DM in EUR 673.769,55 €

Zugewinn EF 673.769,55 € Ausgleichsanspruch 336.884,78 €

Im Endvermögen sind lediglich zwei Positionen streitig.

a) Die Position "Segelyacht Etw M." ist nur mit einem Wert von 85.000 DM in das Endvermögen der Beklagten einzustellen.

Obwohl die Beklagte im Vorverfahren den Wert mit "allenfalls 150.000 €" beziffert hat und erst im vorliegenden Verfahren behauptet, dass der Wert der Yacht, die zwischenzeitlich gegen ein Grundstück eingetauscht worden sei, allenfalls 85.000 DM betragen habe, ändert sich die Darlegungs- und Beweislast nicht. Diese trägt weiter der Kläger in Höhe der von ihm erhobenen Ausgleichsforderung (BGH FamRZ 1986, 1197).

Da der Kläger seinen höheren Wertansatz nicht unter Beweis gestellt hat, obwohl aufgrund des vorliegenden internationalen Bootsscheins (Bl. 94 d.A.) alle wertbildenden Faktoren bekannt sind und einer Begutachtung zugänglich gewesen wären, ist vorliegend von einem Wert von 85.000 DM auszugehen.

b) Vom Endvermögen der Beklagten sind Verbindlichkeiten in Höhe von 189.800 DM in Abzug zu bringen.

Die Höhe der Verbindlichkeiten ist (teilweise) zwischen den Parteien streitig. Ausgehend vom Vortrag der Beklagten im Vorprozess, wo die Verbindlichkeiten mit 180.000 DM + 9.800 € beziffert wurden, hat der Kläger in seiner Berechnung Verbindlichkeiten von 189.800 DM berücksichtigt.

Im vorliegenden Verfahren präzisiert die Klägerin ihre Angaben und berechnet ihre Schuldverpflichtungen wie folgt:

Darlehen bei ihrer Mutter: 73.000 € = 142.775,59 DM

Sollsaldo auf Girokonten: 9.800 € = 19.167,13 DM

Darlehen bei Commerzbank 20.000 € = 39.116,60 DM

Summe 102.800 € = 201.059,32 DM

Der Kläger bestreitet das Bestehen der Verbindlichkeit gegenüber der Mutter der Beklagten.

Zwar trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Endvermögen beider Parteien und damit auch für das Nichtbestehen von Verbindlichkeiten, soweit diese bestritten werden. Nach den allgemeinen Grundsätzen betr. das Nichtbestehen negativer Tatsachen (Staudinger/Thiele, BGB (2007), Rz. 44 zu § 1375) beschränkt sich jedoch die Darlegungslast des Klägers auf das Zumutbare. Die Subantiierungslast der Beklagten beim Bestreiten des klägerischen Vortrags ist erhöht.

Der Vortrag der Beklagten zur Höhe ihrer Verbindlichkeiten gegenüber ihrer Mutter genügt den Subantiierungsanforderungen jedoch nicht. Zu einem substantiierten Vortrag würde mindestens die Darlegung gehören, wann und wie die Beklagte welche Beträge erhalten hat und wie sie diese Beträge verwendet hat (OLG Stuttgart FamRZ 1993, 192).

Der Abzug der Verbindlichkeiten ist deshalb auf den vom Kläger in seiner Klageschrift genannten Betrag von 189.800 DM zu beschränken.

6) Der Ausgleich des Zugewinns ist nicht grob unbillig i.S.d. § 1381 Abs. 1 BGB.

Zwar kann auch schwerwiegendes Fehlverhalten im persönlichen Bereich, das sich nicht wirtschaftlich ausgewirkt hat, in Ausnahmefällen den Ausschluss des Zugewinnausgleichs rechtfertigen. Hierbei ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen.

Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung kommt jedoch aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles die Annahme einer Verwirkung nicht in Betracht, selbst wenn man den Vortrag der Beklagten, die dem Kläger zahlreiche, massive Verfehlungen über einen langen Zeitraum hinweg zur Last legt, als wahr unterstellt.

Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung glaubhaft und unwidersprochen erklärt, dass er während der Ehe Vermögensbildung einseitig zugunsten der Beklagten betrieben habe, um bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Unternehmens eine Alterssicherung für beide Parteien zu schaffen.

Da das Vermögen der Beklagten aus rein rechtlichen Erwägungen zwar einseitig auf deren Namen gebildet wurde, aber gleichwohl zur gemeinsamen Verwendung im Alter bestimmt war, könnte dem Kläger ein Rückgriff auf die Hälfte des so gebildeten Vermögens selbst dann nicht verwehrt werden, wenn er sich den von der Beklagten behaupteten schweren persönlichen Verfehlungen schuldig gemacht hätte.

7)

Der Forderung des Klägers ist gemäß § 288 BGB mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

8)

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 344 ZPO. Eine gesonderte Verteilung der erstinzanzlichen Kosten war angezeigt, weil die Klage unzulässig war, solange der Kläger seinen Anspruch im Wege der Teilklage verfolgte. Zur näheren Begründung wird auf den Senatsbeschluss vom 2.5.2007 verwiesen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Hinsichtlich der Frage, ob der ausgeurteilte Anspruch auf Zugewinnausgleich verwirkt ist, wird die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück