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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 25.01.2006
Aktenzeichen: III-1 Ws 430/05
Rechtsgebiete: JVEG, ZPO


Vorschriften:

JVEG § 4 Abs. 5 Satz 1
JVEG § 4 Abs. 7 Satz 1
JVEG § 4 Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz
JVEG § 4 Abs. 7 Satz 2
JVEG § 4 Abs. 8
JVEG § 9 Abs. 1
JVEG § 9 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 348 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors werden die Beschlüsse der 1. Kammer für Bußgeldsachen des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Oktober 2005 und des Amtsgerichts L vom 26. August 2005 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die dem Sachverständigen H zustehende Vergütung wird auf 1.249,32 EUR festgesetzt.

Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Dem Betroffenen ist zur Last gelegt worden, am 31. August 2004 als Fahrzeugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben.

Mit Beschluss vom 15. April 2005 beauftragte das Amtsgericht den Sachverständigen, ein Gutachten dazu zu erstatten, ob eine ordnungsgemäße Messung der Geschwindigkeit am Tattag durchgeführt worden ist. Unter dem 2. Mai 2005 fertigte der Sachverständige das erbetene Gutachten und begehrte eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.388,52 EUR. Er ist von einem Zeitaufwand von 12 Stunden ausgegangen und hat unter Zugrundelegung der Honorargruppe 8 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG einen Stundensatz von 85 EUR berechnet.

Mit Beschluss vom 26. August 2005 hat das Amtsgericht die Vergütung antragsgemäß auf 1.388,52 EUR festgesetzt. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors, mit der die Einordnung der Tätigkeit des Sachverständigen in die Honorargruppe 5 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG (Stundensatz von 70 EUR, woraus sich ein Gesamtbetrag von 1.179,72 EUR ergibt) angestrebt worden ist, hat das Landgericht mit Beschluss vom 11. Oktober 2005 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner weiteren Beschwerde, der der Sachverständige entgegengetreten ist.

II.

1.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 JVEG statthaft, weil das Landgericht, das als Beschwerdegericht entschieden hat, sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat.

Über die Beschwerde hat der Senat mit drei Richterin und nicht eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden.

Der Senat weist darauf hin, dass über die Beschwerde nicht - wie geschehen - die vollständige Kammer für Bußgeldsachen des Landgerichts, sondern ein Einzelrichter zu befinden hatte. Nach § 4 Abs. 7 Satz 1 2. Halbsatz JVEG entscheidet der Einzelrichter über eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Sachverständigen, wenn der angefochtene Beschluss von einem Einzelrichter erlassen wurde. Dies ist hier der Fall, weil der Festsetzungsbeschluss vom 26. August 2005, der mit der Beschwerde angegriffen worden ist, von einem Amtsrichter und damit von einem Einzelrichter stammt. Die vom Landgericht angeführte Erwägung, eine mit § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO vergleichbare Regelung existiere für das Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht, überzeugt nicht. Das JVEG regelt abschließend die Zuständigkeit und die Besetzung der zur Entscheidung berufenen Gerichte, ohne dass es eines Rückgriffs auf andere Gesetze bedarf.

Die Kammer des Landgerichts ist nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG nur dann zuständig, wenn der Einzelrichter das Verfahren der Kammer überträgt, weil die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine solche Übertragung durch den Einzelrichter ist hier indes nicht erfolgt.

Da die angefochtene Entscheidung von der vollständig besetzten Kammer des Landgerichts erlassen worden ist, muss über die weitere Beschwerde der Senat mit drei Richtern befinden. Nach dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG soll vermieden werden, dass an einer Rechtsmittelentscheidung weniger Richter mitwirken als an dem angefochtenen Beschluss.

2.

In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg. Unter Abänderung der Beschlüsse des Landgerichts vom 11. Oktober 2005 und des Amtsgerichts vom 26. August 2005 ist die Vergütung des Sachverständigen auf insgesamt 1.249,32 EUR festzusetzen.

Der Berechnung des Stundensatzes für die Vergütung des Sachverständigen ist die Honorargruppe 6 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG und damit ein Stundensatz von 75 EUR zugrundezulegen. Weder die vom Bezirksrevisor angewandte Honorargruppe 5 noch die von dem Sachverständigen gewünschte Honorargruppe 8 sind angemessen.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG bestimmt sich die Zuordnung der Leistung des Sachverständigen zu einer Honorargruppe nach der Anlage 1. Satz 3 der genannten Vorschrift ordnet an, dass dann, wenn die Leistung auf einem Sachgebiet erbracht wird, das in keiner Honorargruppe genannt ist, die Tätigkeit des Sachverständigen unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen ist.

Die Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung, die der Sachverständigen hier vorgenommen hat, entspricht keiner Honorargruppe der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG. Entgegen der Auffassung des Bezirksrevisor handelt es sich insoweit nicht um eine Tätigkeit im Bereich "Elektronische Anlagen und Geräte", die der Honorargruppe 5 zugewiesen ist. Der Sachverständige weist zu Recht darauf hin, dass er nicht ein Geschwindigkeitsmessgerät überprüft hat. Vielmehr hat er aufgrund der in der Akte enthaltenen Informationen - insbesondere auf der Grundlage des anlässlich der Messung erstellten Fotos - den Ablauf der Messung rekonstruiert und untersucht, ob diese ordnungsgemäß erfolgt ist. Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts vom 15. April 2005 sollte er gerade dazu Stellung nehmen, ob eine ordnungsgemäße Messung am Tattage durchgeführt wurde. Hierfür genügt es nicht, das Messgerät zu überprüfen. Vielmehr musste die Messung am Tattag rekonstruiert werden.

Allerdings kann die Arbeit des Sachverständigen auch nicht, wie von diesem gewünscht, unter die Bezeichnung "Datenverarbeitung" (Honorargruppe 8) eingeordnet werden. Die Datenverarbeitung befasst sich mit dem Aufbau von Rechnern sowie der Organisation und der Funktionsweise von Software. Die Datenverarbeitung als solche muss der Gegenstand der Tätigeit des Sachverständigen sein; sie darf nicht lediglich als reines Hilfsmittel benutzt werden. Hier hat der Sachverständige mit Hilfe der von ihm selbst entwickelten Software Berechnungen und Untersuchungen vorgenommen, um die vom Gericht gestellte Beweisfrage zu beantworten. Der Senat verkennt nicht, dass der Sachverständige sich in erheblichem Umfang des Computers und seiner Software bedient und zahlreiche Berechnungen vorgenommen hat. Dennoch hat er die Mittel der Datenverarbeitung nur als Hilfsmittel eingesetzt. Die Datenverarbeitung war gerade nicht der Gegenstand seiner Arbeit, sondern er hat mit ihrer Hilfe Untersuchungen durchgeführt.

Die Nachprüfung einer technischen Verkehrsüberwachungsmaßnahme, insbesondere einer Geschwindigkeitsmessung, lässt sich unmittelbar keiner der in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG genannten Tätigkeiten zuordnen (so auch AG Heilbronn, 220 OWi 21 Js 20081/04 vom 8. November 2004 (juris) mit zustimmender Anmerkung Dröfke in SVR 2004, 465). Daraus folgt aber (entgegen AG Heilbronn a. a. O.) nicht, dass unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich vereinbarten Stundensätze eine Einordnung in die Honorargruppe 10 (zu einem Stundensatz von 95 EUR) zu erfolgen hat.

Vielmehr ist zu ermitteln, mit welchen der in Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG genannten Tätigkeiten die Arbeit des Sachverständigen verglichen werden kann und mit welcher Honorargruppe am besten eine angemessene Vergütung erreicht werden kann. Diese unter Umstände schwierige und aufwendige Zuordnung entspricht zwar nicht dem Ziel des Gesetzgebers, dass die Vergütung leicht und schnell ermittelt werden soll (vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 142 und 182). Eine solche Verfahrensweise ist aber unumgänglich, um eine Vergütung für nicht in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG genannte Tätigkeiten zu berechnen. Der Gesetzgeber hat die Zuordnung der "weniger häufig nachgefragten Sachgebiete" der Praxis überlassen (BT-Drs. 15/1971, S. 142).

Nach Auffassung des Senats ist die Tätigkeit des Sachverständigen zunächst vergleichbar mit der Untersuchung von Kraftfahrzeugunfallursachen. Diese ist in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG in die Honorargruppe 6 (zu einem Stundensatz von 75 EUR) eingeordnet worden (so im Ergebnis auch LG Schwerin, 33 Qs 51/04 vom 19. Januar 2005 (juris)). Derjenige, der den Ablauf einer Geschwindigkeitsmessung untersucht, muss von vorhandenen Informationen ausgehend ein in der Vergangenheit stattgefundendes Ereignis darstellen. Dies gilt auch für den Sachverständigen, der die Ursache für einen Kraftfahrzeugverkehrsunfall ermittelt.

Die Tätigkeit des Sachverständigen H ist auch vergleichbar mit der Arbeit eines Anthropologen, der aufgrund eines Messfotos der Frage nachgeht, ob eine bestimmte Person - der Betroffene im Bußgeldverfahren - fotografiert worden ist. In der Rechtsprechung ist mehrfach entschieden worden, dass die Tätigeit des Anthropologen unter Zugrundlegung der Honorargruppe 6 zu vergüten ist (OLG Bamberg, Ws 255/05 vom 27. April 2005; OLG Frankfurt am Main, 2 Ws 85/05 vom 21. September 2005; OLG Dresden, 3 Ws 49/05 vom 13. Oktober 2005, sämtlich in (juris)). Der Anthropologe muss ebenso wie derjenige, der eine Messung überprüft, aufgrund der Untersuchung eines Fotos Rückschlüsse auf in der Vergangenheit liegende Umstände ziehen. Beide bedienen sich hierfür des Computers und einer passenden Software.

Unter Heranziehung der Honorargruppe 6 und eines Stundensatzes von 75 EUR ergibt sich folgende Berechnung der Vergütung

 Zeitaufwand 12 Stunden zu je 75 EUR900,00 EUR
Weitere Beträge wie beantragt und festgesetzt177,00 EUR
Zwischensumme1.077,00 EUR
16 % MWSt172,32 EUR
Gesamtsumme1.249,32 EUR

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Ende der Entscheidung

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