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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.05.2005
Aktenzeichen: III-2 Ss 32/05 - 18/05 III
Rechtsgebiete: GmbHG, StGB, HGB
Vorschriften:
GmbHG § 64 Abs. 1 | |
GmbHG § 71 Abs. 4 | |
GmbHG § 84 Abs. 1 Nr. 2 | |
StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b | |
HGB § 264 Abs. 1 S. 3 |
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Am 30. September 2004 verurteilte das Amtsgericht Mettmann den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts zu einer Gesamtgeldstrafe von fünfundsiebzig Tagessätzen zu je 25,- EUR. Die Berufung des Angeklagten ist durch das angefochtene Urteil der 16. kleinen Strafkammer des Landgerichts Wuppertal verworfen worden.
Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Im Zeitraum 12. Mai bis 12. Juni 1999 führte der Angeklagte als Geschäftsführer der "........... GmbH" (......) nach dramatischen Umsatzeinbrüchen der letzten Zeit in den Geschäftsräumen der Firma einen "Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe" durch, um im Anschluss hieran eine Entscheidung über die endgültige Einstellung des Betriebs oder über dessen Fortführung unter anderer Firmierung herbeizuführen. Wenige Tage nach der Verkaufsaktion - am 15. Juni 1999 - vernichtete ein Brand in den Geschäftsräumen den gesamten noch verbliebenen Warenbestand. Auf anwaltlichen Rat beschloss die Gesellschaft daraufhin ihre Liquidation und die Bestellung des Angeklagten zum Liquidator; die entsprechende Eintragung im Handelsregister erfolgte am 1. September 1999. Im Februar 2000 überwies die Versicherung zum Ausgleich des Brandschadens nur "knapp 100.000,- DM" auf das Konto der GmbH, wobei das kontoführende Bankinstitut hiervon einen "erheblichen Betrag" sogleich zwecks Ausgleichs ihrer Forderungen gegen die GmbH im Wege des Kontokorrents verrechnete.
Aufgrund der unerwartet geringen Versicherungsleistung war die Gesellschaft nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil "zahlungsunfähig, da sie ihren Zahlungsverpflichtungen weitgehend nicht mehr nachkommen und ihre auch kurzfristigen Verbindlichkeiten, so z.B. die noch ausstehenden Mietzahlungen oder Rechnungen aus Warenlieferungen, nicht mehr erfüllen konnte". Ein Rechtsstreit gegen die Versicherung zur Durchsetzung einer höheren Entschädigung erschien ebenfalls nicht finanzierbar. In Kenntnis dieser Situation sowie seiner daraus erwachsenden Pflichten als Liquidator der Gesellschaft stellte der Angeklagte in der Folgezeit weder einen Insolvenzantrag noch veranlasste er die Aufstellung der Jahresbilanz für 1999.
Am 6. März 2002 beantragte die Deutsche Angestellten-Krankenkasse als Gläubigerin der .... wegen ausstehender Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen und Kosten in Höhe von rund 3.000,- EUR die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieser Antrag wurde nach erfolgter Zahlung eines Teilbetrages von 1.500,- EUR am 21. Februar 2003 zurückgenommen. Erst nachdem ein weiterer Gläubiger der PWG im Verlauf des Jahres 2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte, entschloss sich auch der Angeklagte als Liquidator im Dezember 2003 zur Antragstellung. "Letztlich" hat die GmbH ihre Zahlungen eingestellt.
II.
Die Schuldsprüche wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts halten rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie durch die zum objektiven Tatbestand jeweils getroffenen Feststellungen nicht getragen werden.
1.
Gemäß §§ 84 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit 64 Abs. 1, 71 Abs. 4 GmbHG macht sich der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung schuldig, wer es als Liquidator einer GmbH unterlässt, bis spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Die Strafkammer hält den objektiven Tatbestand dieses Unterlassungsdelikts im vorliegenden Fall für verwirklicht aufgrund der Erwägung, die ..... GmbH sei seit Februar 2000 zahlungsunfähig gewesen. Dieser Annahme liegen keine ausreichenden Feststellungen zugrunde.
Für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 2 InsO) im strafrechtlichen Urteil bedarf es grundsätzlich einer stichtagsbezogenen Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten sowie der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder herbeizuschaffenden Mittel. Im Einzelfall kann auch die Mitteilung wirtschaftskriminalistischer Beweisanzeichen (z. B. Häufung von Wechsel- und Scheckprotesten, fruchtlose Pfändungen, Ableistung der eidesstattlichen Versicherung) genügen, sofern diese den sicheren Schluss auf den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erlauben (BGH NStZ 03, 546, 547; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage, Vor § 283 Rdn. 9 m.w.N.). Dem angefochtenen Urteil sind keinerlei Feststellungen der einen oder anderen Art zu entnehmen. Es begnügt sich insoweit vielmehr mit allgemein gehaltenen und formelhaften Erwägungen, ohne im einzelnen mitzuteilen, wie hoch der Erlös aus dem Räumungsverkauf gewesen und welcher Betrag der Gesellschaft aus der Versicherungsleistung letztendlich verblieben war, in welcher Höhe den verbliebenen Aktiva im Februar 2000 fällige Verbindlichkeiten gegenüber standen und inwieweit es bis zu diesem Zeitpunkt bereits zu Pfändungsmaßnahmen der Gläubiger gekommen war. Dass der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe im Februar 2000 offenbar selbst von der Zahlungsunfähigkeit der ... überzeugt war, vermochte konkrete Feststellungen des Tatgerichts zu diesem objektiven Tatbestandsmerkmal nicht zu ersetzen. Sie waren um so mehr erforderlich, als die Urteilsausführungen im übrigen einen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bereits im Februar 2000 nicht ohne weiteres nahe legen mussten: Immerhin wurde der erste Insolvenzantrag eines Gläubigers erst im Jahr 2002 gestellt und später - aufgrund einer noch erfolgten Zahlung - wieder zurückgenommen, und die endgültige Zahlungseinstellung ist im landgerichtlichen Urteil erst im Zusammenhang mit den weiteren Insolvenzeröffnungsanträgen im Jahr 2003 erwähnt.
2.
Soweit der Angeklagte als Liquidator der .... unterlassen hat, für die rechtzeitige Erstellung der Jahresbilanz 1999 Sorge zu tragen, ist eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB ebenfalls nicht durch ausreichende Feststellungen belegt.
Nach dieser Vorschrift ist die unterlassene oder verspätete Bilanzierung nur dann strafbar, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die Bilanz spätestens zu erstellen war, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder wenigstens drohende Zahlungsunfähigkeit bestand. Gemäß § 264 Abs. 1 S. 3 HGB hätte die Jahresbilanz 1999 im vorliegenden Fall spätestens zum 30. Juni 2000 vorgelegt werden müssen. Ob in diesem Zeitpunkt bereits Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit vorlag, ist aufgrund der insoweit unzureichenden Feststellungen im landgerichtlichen Urteil (s. II.1.) unklar.
III.
Die zu Ziffer II. aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Die Strafbarkeit wegen unterlassener Bilanzierung (§ 283 Abs. 1 Nr. 7b oder § 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB) setzt voraus, dass der Täter die Bilanz entweder selbst hätte aufstellen können oder zumindest finanziell in der Lage gewesen wäre, die hierfür erforderlichen Arbeiten in Auftrag zu geben (BGH NStZ 03, 546, 548; Tröndle/Fischer, aaO, § 283 Rdn. 29a). Hierzu sind - insbesondere bei Gesellschaften, die sich gegebenenfalls zum fraglichen Zeitpunkt in der Krise befanden - konkrete Feststellungen zu treffen, die das angefochtene Urteil gleichfalls vermissen lässt.
Ende der Entscheidung
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