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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.06.2007
Aktenzeichen: III-3 Ws 206/07
Rechtsgebiete: GVG, StPO
Vorschriften:
GVG § 145 Abs. 1 | |
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2 | |
StPO § 125 | |
StPO § 125 Abs. 1 | |
StPO § 162 Abs. 1 Satz 1 | |
StPO § 162 Abs. 1 Satz 2 | |
StPO § 310 Abs. 1 |
III-3 Ws 206/07 III-3 Ws 207/07
Tenor:
1. Die Beschlüsse des Landgerichts Wuppertal werden aufgehoben.
2. Die Beschwerden der Staatsanwaltschaft Wuppertal gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Wuppertal vom 4. Mai 2007 (9 Gs 366/07 u. 367/07) werden als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Wuppertal hat die Anträge der nach § 145 Abs. 1 GVG mit der Wahrnehmung der Amtsverrichtungen beauftragten Staatsanwaltschaft Wuppertal auf Erlass eines Haftbefehls gegen die beiden Beschuldigten mangels Fluchtgefahr abgelehnt. Das Landgericht Wuppertal hat die hiergegen eingelegten Beschwerden der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen und die Beschlüsse des Amtsgerichts aufgehoben. Hiergegen richten sich die weiteren Beschwerden der Staatsanwaltschaft, denen die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.
II.
Die nach § 310 Abs. 1 StPO zulässigen weiteren Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Beschlüsse des Landgerichts Wuppertal vom 16. Mai 2007 führen zu deren Aufhebung, da die Strafkammer zu Unrecht vom Fehlen der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts Wuppertal ausgegangen ist.
Der Senat hat jedoch von einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht abgesehen und von der Befugnis Gebrauch gemacht, anstelle des Landgerichts eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 309 Abs. 2 StPO).
1.
Die angefochtenen Beschlüsse des Landgerichts sind aufzuheben, weil es zu Unrecht die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Wuppertal verneint hat.
Das Amtsgericht Wuppertal ist vorliegend für die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Erlass jeweils eines Haftbefehls gegen die Beschuldigten nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO örtlich zuständig.
Hat das Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft auf deren Antrag die Vornahme richterlicher Untersuchungshandlungen in mehr als einem Amtsgerichtsbezirk angeordnet, bleibt dieses Amtsgericht auch für die Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Haftbefehls zuständig. Die besondere Zuständigkeitsregelung des § 125 StPO für den Erlass eines Haftbefehls bildet lediglich eine Ausnahme von der allgemeinen Vorschrift des § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO und wird von der Konzentrationsregelung des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO durchbrochen (vgl. OLG Stuttgart NStZ 1991, 291, 292; OLG Hamm MDR 1983, 688; Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 125 Rn. 1).
So liegt der Fall auch hier. Das Amtsgericht Wuppertal hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wuppertal in diesem Ermittlungsverfahren in mehr als einem Amtsgerichtsbezirk richterliche Untersuchungshandlungen angeordnet. Hierdurch ist bei diesem Amtsgericht eine Konzentrationszuständigkeit nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO eingetreten, welche die örtliche Zuständigkeit auch für die Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls begründet.
An der Konzentrationszuständigkeit des Amtsgerichts Wuppertal nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO ändert auch der Umstand nichts, dass die Staatsanwaltschaft Wuppertal durch Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf vom 15. Januar 2004 nach § 145 Abs. 1 GVG mit der Wahrnehmung der Amtsverrichtungen beauftragt worden ist.
Zwar wird vereinzelt die auch vom Landgericht geteilte Auffassung vertreten, dass eine Ersetzung der ursprünglich zuständigen Staatsanwaltschaft durch eine andere nach § 145 Abs. 1 GVG nicht zugleich zu einer Änderung der Zuständigkeit des Ermittlungsrichters nach § 125 Abs. 1 StPO in Haftsachen führen dürfe. Vielmehr müsse sich die nach § 145 Abs. 1 GVG beauftragte Staatsanwaltschaft bei Anwendung des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO so behandeln lassen, als ob sie für das ihr übertragene Verfahren ihren Sitz "bei der ursprünglich zuständigen Staatsanwaltschaft" habe. Diese einschränkende Auslegung der Vorschrift des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO sei verfassungsrechtlich geboten, weil dem Beschuldigten ansonsten der gesetzliche Richter entzogen werde (vgl. LG Zweibrücken NStZ-RR 2004, 304).
Diese Ansicht vermag der Senat nicht zu teilen, da sie dem Sinn und Zweck der Regelung des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht gerecht wird. Diese Vorschrift soll nach dem gesetzgeberischen Willen insbesondere einer Zersplitterung der Beurteilungsmaßstäbe vorbeugen. Des Weiteren ist die Regelung darauf ausgerichtet, den organisatorischen Aufwand durch Verkürzung der Wege so gering wie möglich zu halten. Für den Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist eine zentrale Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Wuppertal für die Korruptionsbekämpfung eingerichtet. Ihre Beauftragung mit der Wahrnehmung der Amtsverrichtungen nach § 145 Abs. 1 GVG durch die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf ist insbesondere in dem Bestreben erfolgt, zu einheitlichen Maßstäben im Ermittlungsverfahren zu gelangen. Da in Korruptionsfällen - wie hier - sehr häufig bezirksübergreifend zu ermitteln ist, liefe eine Streuung der Zuständigkeiten auf Seiten der in Betracht kommenden Ermittlungsrichter dem Sinn des § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO, in Fällen bezirksübergreifender Kriminalität eine Konzentrationszuständigkeit zu begründen, erkennbar zuwider (vgl. Steinmetz SchlHA 2005, 147, 148).
Schließlich liegt im Falle der Ersetzung der ursprünglich zuständigen Staatsanwaltschaft durch eine andere nach § 145 Abs. 1 GVG in der Zuständigkeitskonzentration nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO auch in Haftsachen keine verfassungswidrige mittelbare Entziehung des gesetzlichen Richters.
Dem steht der Umstand, dass in diesen Fällen die örtliche Zuständigkeit des Ermittlungsrichters einer internen Entscheidung der Staatsanwaltschaft folgt, nicht entgegen. Die Begründung der Zuständigkeit einer Staatsanwaltschaft durch einen internen staatsanwaltschaftlichen Organisationsakt ist im Gerichtsverfassungsgesetz nicht nur in § 145 Abs. 1 GVG, sondern darüber hinaus u.a. auch für landesübergreifende und landesinterne Kompetenzstreitigkeiten vorgesehen (vgl. §§ 143 Abs. 3, 147 GVG). In Kenntnis hiervon hat der Gesetzgeber die gerichtliche Zuständigkeitskonzentration nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO an den Sitz der - gegebenenfalls erst infolge einer internen staatsanwaltschaftlichen Entscheidung - zuständigen Staatsanwaltschaft geknüpft. Die Übertragung der Befugnis zu solchen die örtliche gerichtliche Zuständigkeit berührenden Organisationsakten auf die Exekutive ist verfassungsrechtlich zulässig, sofern sich der gesetzliche Richter im Einzelfall möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergibt und bei der Anwendung der zugrunde liegenden allgemeinen Norm keine sachfremden Einflüsse maßgebend werden (vgl. BVerfG NJW 1969, 1619, 1622 f.).
So liegt der Fall auch hier. Die Möglichkeit, die ursprünglich zuständige Staatsanwaltschaft nach § 145 Abs. 1 GVG durch eine andere zu ersetzen, ist nach Inhalt und Zweck klar umrissen. Es ist überdies sichergestellt, dass bei der Anwendung der Zuständigkeitskonzentration nach § 162 Abs. 1 Satz 2 StPO keine sachfremden Einflüsse maßgebend werden. Denn nach dem aufgezeigten Sinn und Zweck der Regelung des § 162 Abs. 1 Satz 2 StGB ist eine Zuständigkeitskonzentration bei der Erteilung eines Auftrages nach § 145 Abs. 1 GVG seitens der Generalstaatsanwaltschaft bei allen Untersuchungshandlungen und somit auch für den Erlass eines Haftbefehls zum Zwecke effizienter Kriminalitätsbekämpfung erforderlich.
2.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Wuppertal über die Ablehnung der Anträge auf Erlass je eines Haftbefehls gegen die Beschuldigten ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat in seinen Entscheidungen vom 4. Mai 2007, auf deren Gründe der Senat Bezug nimmt, hinsichtlich beider Beschuldigten den Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO mit zutreffenden Erwägungen verneint.
Der Staatsanwaltschaft ist zwar zuzugeben, dass die Beschuldigten aufgrund des erheblichen Ausmaßes der Korruption im Ausgangsfall (Bestechung von hochrangigen EU-Bediensteten, Vergabe eines Auftrages in Höhe von rund 50 Mio. EUR, Zuwendungen in Höhe von etwa 1,4 Mio. EUR) mit der Verhängung empfindlich hoher Freiheitsstrafen zu rechnen haben.
Bei beiden Beschuldigten bestehen demgegenüber gefestigte familiäre und soziale Bindungen, die geeignet sind, dem aus der Straferwartung herzuleitenden Fluchtanreiz entgegenzuwirken.
Überdies haben beide Beschuldigte bereits seit September 2004 Kenntnis von dem gegen sie in dieser Sache geführten Ermittlungsverfahren und dennoch keine Anstalten zur Flucht gemacht.
Bei einer Gesamtabwägung dieser und der weiteren vom Amtsgericht aufgeführten Umstände besteht jedenfalls nach derzeitiger Sachlage keine konkrete Gefahr, dass sich die Beschuldigten ohne die sichernde Maßnahme der Untersuchungshaft dem weiteren Verfahren durch Flucht oder Untertauchen entziehen werden.
Ende der Entscheidung
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