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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 26.07.2007
Aktenzeichen: III-4 Ws 401/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 268 a
Der bei Urteilsverkündung unterlassene Bewährungsbeschluss gemäß § 268 a StPO kann nicht später nachgeholt werden.
Oberlandesgericht Düsseldorf

4. Senat für Straf- und Bußgeldsachen

Beschluss vom 26. Juli 2007 - III-4 Ws 401/07

Tenor:

1. Der mit dem Urteil des Amtsgerichts Erkelenz vom 22. Februar 2006 (4 Ds 703 Js 637/05 - 901/05) verbundene Bewährungsbeschluss ist entfallen.

2. Der Erlass eines nachträglichen Bewährungsbeschlusses ist unzulässig.

3. Der Verurteilte ist hinsichtlich des Eintritts der gesetzlichen Mindestbewährungszeit von zwei Jahren und des Erfordernisses straffreier Führung zu belehren.

4. Für diese Belehrung ist gemäß § 268a Abs. 3 StPO das Amtsgericht Erkelenz zuständig.

Gründe:

Das Amtsgericht Erkelenz hat den früheren Angeklagten am 24. November 2006 unter Einbeziehung einer Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Erkelenz vom 22. Februar 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Auf seine Berufung hat die 10. kleine Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Einen Bewährungsbeschluss gemäss § 268a StPO hat es im Anschluss an die Verkündung des Urteils nicht erlassen. Seitdem sind der Strafrichter des Amtsgerichts Erkelenz und die 10. kleine Strafkammer uneinig darüber, wer für dessen Erlass zuständig ist, so dass die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt worden ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie folgt Stellung genommen:

"Gemäß § 14 StPO entscheidet das gemeinsame obere Gericht dann, wenn zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit besteht. Voraussetzung für eine solche obergerichtliche Zuständigkeitsbestimmung ist aber, dass überhaupt eine gerichtliche Entscheidung ansteht, die zu fällen das eine oder das andere Gericht berufen wäre. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Vielmehr ist der nachträgliche Erlass eines bei der Urteilsverkündung vergessenen Bewährungsbeschlusses unzulässig.

In der älteren Rechtsprechung und Literatur wurde zwar - zumeist unter Bezugnahme auf die hinsichtlich der in Rede stehenden Streitfrage nicht näher begründeten gerichtlichen Entscheidungen des Kammergerichts (NJW 1957, 275) und des Oberlandesgerichts Celle (MDR 1970, 68) - die Auffassung vertreten, der Bewährungsbeschluss gemäß § 268a StPO könne, falls er in der Hauptverhandlung versehentlich nicht verkündet worden ist, in entsprechender Anwendung des § 453 StPO nachträglich erlassen werden (OLG Koblenz MDR 1981, 423; OLG Düsseldorf MDR 1982, 1042; LG Osnabrück NStZ 1985, 378, 379; offengelassen von OLG Köln NStZ 1991, 453, 454; NStZ-RR 2000, 338). Dies wurde, wenn überhaupt, damit begründet, dass anderenfalls eine Bewährungsaufsicht hinsichtlich der bereits durch das Urteil angeordneten Bewährung nicht möglich sei (so LG Osnabrück a.a.O.). In der Literatur wird diese Ansicht - freilich ohne nähere Begründung oder Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung - zum Teil bis heute vertreten (Fischer in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. Auflage, § 453, Rn. 3; Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 268a, Rn. 8; § 453, Rn. 2; Wendisch in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 453, Rn. 49; Stöckel in: Kleinknecht/Müller/ Reitberger, Kommentar zur StPO, 8. Auflage, § 453, Rn. 6f.).

Dem gegenüber wird der Erlass eines nachträglichen Bewährungsbeschlusses von anderen nur mit der Einschränkung für zulässig erachtet, dass die Entscheidung über die Modalitäten der Bewährung aufgrund entsprechender näherer Ausführungen in den Urteilsgründen zur Dauer der Bewährungszeit sowie zu Art und Umfang von Weisungen und Auflagen nachvollzogen werden kann (OLG Frankfurt StV 1983, 24; OLG Dresden NJ 2001, 323, 324; Engelhardt in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Auflage, § 268a, Rn. 9; Horn in: Systematischer Kommentar zum StGB, 8. Auflage, § 56, Rn. 34; Voll in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, Kommentar zur StPO, 8. Auflage, § 268a, Rn. 8). Begründet wird diese Einschränkung damit, dass nur in diesem Fall der innere sachliche Zusammenhang zwischen Bewährungsbeschluss und Urteil in einer der Regelung des § 268a StPO und seiner Zielsetzung entsprechenden Weise gewahrt werde. Dieser innere Zusammenhang ergebe sich vor allem daraus, dass die Frage, ob die Verurteilung als solche im Zusammenwirken mit Weisungen und Auflagen eine günstige Prognose rechtfertigt, oftmals entscheidend dafür ist, ob die Strafaussetzung zur Bewährung überhaupt angeordnet werden kann. Zudem müsste ein nachträglicher Beschluss gegebenenfalls ohne Mitwirkung der durch § 268a StPO gesetzlich zur Entscheidung auch über die Bewährungsfrage berufenen Schöffen ergehen.

Soweit ersichtlich, wurde die Möglichkeit des nachträglichen Erlasses eines zuvor vergessenen Bewährungsbeschlusses erstmals durch das Landgericht Kempten (NJW 1978, 839) grundsätzlich und ausnahmslos verneint, da die Vorschrift des § 268a StPO, nach der der Bewährungsbeschluss mit dem Urteil zu verkünden ist, zwingender Natur sei und eine Nachholung nicht zulasse. Der Bewährungsbeschluss stehe schon deshalb in einem unlösbaren inneren Zusammenhang mit dem Urteil selbst, weil die Art der Bewährungsauflagen häufig erst die Möglichkeit einer Strafaussetzung eröffne. Dieser Ansicht haben sich inzwischen - soweit ersichtlich - der überwiegende Teil der Rechtsprechung und auch Teile der Literatur angeschlossen (LG Freiburg MDR 1992, 798; StV 1994, 534; OLG Düsseldorf StraFO 1999, 238; NStZ-RR 2000, 146; StV 2001, 225; OLG Hamm NStZ-RR 2000, 126; Fischer in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Auflage, § 453, Rn. 3). Dabei wird über die vorgenannten Gründe hinaus angeführt, dass dem Verurteilten im Fall einer nachträglichen Beschlussfassung das Recht genommen werde, sich zunächst zur Frage der Strafaussetzung und dann zur Ausgestaltung der Bewährung zu äußern und auf diese Weise die Entscheidung mit zu beeinflussen; überdies dürfe der Verurteilte auch darauf vertrauen, dass die ausgesprochene Bewährung nicht ohne weiteren Anlass nachträglich mit Auflagen und Weisungen versehen wird (LG Freiburg a.a.O.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000, 146, 147). Auch die Möglichkeit nachträglicher Entscheidungen nach § 56e StGB lasse sich nicht für die Gegenmeinung anführen, da diese Vorschrift das Bestehen eines Bewährungsbeschlusses voraussetze und nachträgliche Entscheidungen nur dann erlaube, wenn sich entweder die objektive Situation geändert hat oder das Gericht von vorher schon bestehenden Umständen erst nachträglich erfahren hat (LG Freiburg, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Hamm NStZ-RR 2000, 126; Horn a.a.O.).

Der letztgenannten Auffassung ist schon deshalb der Vorzug zu geben, weil für die (veraltete) gegenteilige Ansicht Sachargumente nicht vorgetragen werden und auch sonst nicht ersichtlich sind. Ist aus den vorgenannten Gründen eine Entscheidung über den Erlass eines nachträglichen Bewährungsbeschlusses somit unzulässig, so bedarf es aber auch keiner Entscheidung darüber, welches Gericht für eine solche Entscheidung zuständig wäre.

II.

Soweit vorliegend die Frage der Fortwirkung der Bestellung eines Bewährungshelfers offen ist, ist festzustellen, dass durch das die erstinstanzlichen Entscheidungen des Amtsgerichts Erkelenz vom 22. Februar 2006 (4 Ds 703 Js 637/05 - 901/05) (Bl. 43ff. d.A.) und 24. November 2006 (4 Ds 703 Js 144/06 - 454/06) (Bl. 71ff. d.A.) abändernde Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 27. März 2007 (30 Ns 23/07) (Bl. 103ff. d.A.) auch der mit dem Urteil des Amtsgerichts Erkelenz vom 22. Februar 2006 verbundene Bewährungsbeschluss und die darin angeordnete Bewährungshelferunterstellung entfallen ist (zu vgl. insoweit LG Osnabrück, a.a.O.; OLG Dresden a.a.O.; OLG Hamm StV 1993, 121). In Ermangelung eines neuen Bewährungsbeschlusses ist auch eine neue Bewährungshelferbestellung nicht erfolgt. Eine neue Bestellung ist aus den vorstehend zu Ziffer I genannten Gründen aber nicht angängig.

III.

Die Aussetzung der Vollstreckung der einen der beiden erkannten Freiheitsstrafen zur Bewährung ist aber insoweit nicht ohne Wirkung, als die Bedingung einer straffreien Führung auch ohne Bewährungsbeschluss selbstverständlich ist und eine Mindestbewährungszeit von zwei Jahren aus dem Gesetz folgt; diese beiden Rechtswirkungen haben eine Beschlussfassung i.S.d. § 268a StPO nicht zur Voraussetzung (LG Kempten a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; LG Freiburg a.a.O.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000, 146, 148; OLG Hamm StV 1993, 121; NStZ-RR 2000, 126f.; Horn a.a.O.).

Insoweit ist es entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung nicht erforderlich, einen den entsprechenden Gesetzeswortlaut wiedergebenden Beschluss zu erlassen (so OLG Hamm NStZ-RR 2000, 126, 127), da diesem ohnehin nur eine rein deklaratorisch-klarstellende Bedeutung zukäme. Für eine Klarstellung ist aber insofern kein Bedarf, als der Verurteilte ohnehin noch nach § 268a Abs. 3 StPO über die (gesetzlichen) Rechtswirkungen der mit Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 27. März 2007 gewährten Bewährung zu belehren ist (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000, 146, 148), da auch dies bislang unterlassen worden ist, insoweit aber ein Nachholen nicht nur möglich, sondern sogar durch § 453a StPO gesetzlich geregelt ist. Diese Belehrung hat aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlautes des § 453a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO mündlich im Rahmen eines dafür anzuberaumenden Termins durch das für die Entscheidung nach § 453 StPO zuständige Gericht, vorliegend also in Ermangelung der aktuellen Inhaftierung des Verurteilten gemäß § 462a Abs. 2 Satz 1 StPO durch das Amtsgericht Erkelenz, zu erfolgen."

Diesen Ausführungen stimmt der Senat unter Aufrechterhaltung seiner von der Generalstaatsanwaltschaft zitierten Rechtsprechung (vgl. StV 2001, 225 = NStZ-RR 2000, 146) zu.



Ende der Entscheidung

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