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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.11.2008
Aktenzeichen: III-4 Ws 590/08
Rechtsgebiete: StPO, ZPO, JBeitrO, StGB, BGB


Vorschriften:

StPO § 111 Abs. 5
StPO §§ 111b ff.
StPO § 111b Abs. 1
StPO § 111b Abs. 2
StPO § 111b Abs. 5
StPO § 111c
StPO § 111f Abs. 5
StPO § 111i
StPO § 111i Abs. 2
StPO § 111i Abs. 3
StPO § 300
StPO § 304
StPO § 310
StPO § 310 Abs. 1 Nr. 3
StPO § 310 Abs. 2
StPO § 346 Abs. 2
StPO § 459
StPO § 459g
StPO § 459g Abs. 1
StPO § 459g Abs. 1 Satz 2
ZPO § 294
ZPO § 769
ZPO § 771
JBeitrO § 6 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 74 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 935
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Krefeld hat mit Beschluss vom 17. Juli 2007 zur Sicherung der den Verletzten aus den Straftaten erwachsenden zivilrechtlichen Ansprüche den dinglichen Arrest in Höhe von 160.000 Euro in das Vermögen des Angeklagten angeordnet. Mit weiterem Beschluss vom gleichen Tage hat es sodann zur Sicherung von Ansprüchen von Geschädigten u.a. die Pfändung des folgenden Gegenstandes des "Schuldners" vorgenommen:

1 LG Farbfernseher Flachbildschirm in Originalverpackung.

Im anschließenden Hauptverfahren hat die Kammer den Angeklagten am 27. Februar 2008 wegen Diebstahls in sechzehn Fällen, versuchten Diebstahls in drei Fällen, Computerbetrugs sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Kammer hat in diesem Urteil zudem festgestellt, dass lediglich deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche der Verletzten gegen den Angeklagten in Höhe von 80.000 Euro bestehen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StPO). Dieses Urteil ist seit dem 13. August 2008 rechtskräftig.

Im unmittelbaren Anschluss an die Verkündung des Urteils hat das Landgericht einen Beschluss verkündet mit unter anderem folgendem Tenor:

"Die Beschlagnahme... des Großbildfernsehers (Beschlüsse des Amtsgerichts

Krefeld vom 17.7.2007) bleibt für die Dauer von drei Jahren aufrechterhalten."

Die Beschwerdeführerin, die durch Beschluss der Kammer vom 9. April 2008 über die Aufrechterhaltung der Pfändung informiert worden ist, macht nunmehr unter Verweis auf § 111f Abs. 5 StPO geltend, dass sie Eigentümerin des gepfändeten Fernsehgerätes sei.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 111f Abs. 5 StPO bezeichnete Eingabe ist vom Landgericht zu Recht als formgerecht angebrachte (§ 306 StPO) Beschwerde gemäß § 304 StPO gegen den Beschluss des Landgerichts vom 27. Februar 2008 gemäß § 111i Abs. 2, Abs. 3 StPO ausgelegt worden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 111i Rn. 22). Sie wäre weder als weitere Beschwerde gegen den Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 17. Juli 2007 noch als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 111f Abs 5 StPO zulässig. Ein Rechtsmittel ist gemäß § 300 StPO indes so zu deuten, dass der erstrebte Erfolg möglichst erreichbar ist.

1. Eine weitere Beschwerde gegen den Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts ist - da kein Fall des § 310 StPO gegeben ist - unzulässig. § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO eröffnet die weitere Beschwerde nur gegen die Anordnung des dinglichen Arrestes. Die weitere Beschwerde eines Drittbeteiligten, der sich gegen die ausgebrachten Pfändungen bzw. Beschlagnahmen wendet, ist nach § 310 Abs. 2 StPO nicht statthaft (vgl. OLG Hamburg, NJW 2008, 1830 f.; OLG Hamm, NStZ 2008, 586).

2. Mit Beschluss der Kammer vom 27. Februar 2008 erfolgte die Anordnung der Aufrechterhaltung der Beschlagnahme gemäß § 111i Abs. 2, 3 StPO. § 111f Abs. 5 StPO ist insoweit nicht einschlägig.

Zum einen kennt die Strafprozessordnung - vom Ausnahmefall des § 346 Abs. 2 StPO abgesehen - keinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen eine gerichtliche Entscheidung. Ein solcher Rechtsbehelf ist auch überflüssig, da grundsätzlich die Beschwerdemöglichkeit nach § 304 StPO besteht (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).

§ 111f Abs. 5 StPO kommt daher - von seiner klarstellenden Bedeutung zur Rechtswegfrage abgesehen - neben § 304 StPO eine selbständige Bedeutung nur dann zu, wenn die Pfändung vom Staatsanwalt angebracht wurde und nicht vom Amtsgericht. Im Übrigen bleibt es dabei, dass gegen gerichtliche Entscheidungen mit der Beschwerde vorzugehen ist. Der Gesetzgeber (vgl. BT-Drucksache 16/700, Seite 9) wollte mit Schaffung des § 111f Abs. 5 StPO nur die Rechtsunsicherheit beseitigen, ob gegen Beschlagnahme- und Arrestvollziehungsmaßnahmen Rechtsbehelfe zwangsvollstreckungsrechtlicher Art oder solche strafprozessualer Art statthaft sind und hat die Frage im letztgenannten Sinne entschieden (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Das gilt auch dann, wenn es sich der Sache nach um zwangsvollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe - etwa nach § 771 ZPO - handelt (vgl Meyer-Goßner, a.a.O., § 111f Rn. 15).

Zum anderen dürfte § 111f Abs. 5 StPO noch aus einem weiteren Grund keine Anwendung finden. Die Vorschrift erfasst nach ihrem Sinn und Zweck nur die Verfahrensabschnitte bis zur Rechtskraft des Strafurteils (vgl. Lampe, JurisPR-StrafR 18/2008, Anm. 5). Nur insoweit ist beispielsweise die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO nach der Rechtswegzuweisung in § 111f Abs. 5 StPO als obsolet anzusehen (vgl. Lampe, a.a.O. unter Hinweis OLG Hamburg, Beschluss vom 23. Juli 2008 - 1 Ws 47/08, BeckRS 2008, 17820). Nach Rechtskraft des Strafurteils ist über § 459g Abs. 1 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO zu den Zivilgerichten jedenfalls in den dort ausdrücklich genannten Fällen der Anordnung des Verfalls und der Einziehung wieder eröffnet. Da der Gesetzgeber die Vorschrift des § 459g StPO nicht geändert hat, ist davon auszugehen, dass er nur während des laufenden Strafverfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils eine einheitliche Rechtswegentscheidung treffen wollte. Vorliegend war das Urteil aber seit dem 13. August 2008 rechtskräftig (Bl. 256 ff. d.A.), die Norm des § 111f Abs. 5 StPO daher auch insoweit nicht (mehr) einschlägig.

III.

Die Beschwerde gemäß § 304 StPO ist im Ergebnis unbegründet.

1. Welche Maßstäbe bei einer Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2, 3 StPO und deren Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu beachten sind, ist - soweit ersichtlich - bislang weder durch den Gesetzgeber noch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung eindeutig geklärt.

Der Tatrichter hat jedenfalls das Fortbestehen der Voraussetzungen der Beschlagnahme gemäß §§ 111 b Abs. 1, 2, Abs. 5, 111c StPO festzustellen.

Für die Anordnung der Beschlagnahme zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe nach den vorgenannten Vorschriften muss - wie im Fall des § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 111b Rn. 9) - zwar nicht mit Sicherheit feststehen, aber doch mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass der Angeklagte Eigentümer des Beschlagnahmegegenstandes ist.

Diese Grundsätze müssen auch für die Entscheidung des Tatrichters gemäß § 111i StPO gelten, da verdecktes, ggf. auch dem Angeklagten unbekanntes Dritteigentum - z.B. aufgrund einer Sicherungsübereignung oder der Herkunft des beschlagnahmten Gegenstandes aus einer nicht bekannten Straftat, weshalb ein Eigentumserwerb gemäß § 935 BGB nicht möglich war - praktisch niemals mit 100%iger Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Für die Beurteilung der Frage, ob bessere Rechte Dritter der Annahme von Eigentum des Angeklagten entgegenstehen, gelten - da es sich um eine strafprozessuale Entscheidung handelt - nach zutreffender Ansicht nicht die zivilprozessualen Grundsätze des Beibringungsgrundsatzes und der Glaubhaftmachung, sondern der Amtsermittlungsgrundsatz und das Freibeweisverfahren (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 23. Juli 2008, a.a.O., mit zustimmender Anm. Lampe, a.a.O.). Es entspricht der Systematik der Strafprozessordnung, dass ein ausschließlich der StPO unterfallender Rechtsbehelf im Grundsatz den allgemeinen strafprozessualen Regeln unterliegt, auch wenn der "Streitgegenstand" eine Frage aus dem Zivilrecht betrifft.

Die Begründung des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 (vgl. BT-Drucksache 16/700, Seite 13) sieht keine Bindung an den Vortrag einer Partei wie in einer Drittwiderspruchsklage vor.

In der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 111 Abs. 5 StPO ist insoweit Folgendes ausgeführt:

"Für eine generelle Zuständigkeit der Strafgerichte spricht, dass der Ermittlungsrichter, aufgrund seiner Vorbefassung über die umfassenderen Kenntnisse von den Gesamtumständen des Falles verfügt und infolgedessen einem möglichen Missbrauch, etwa durch vorgeschobene Rechte von Personen aus dem Täterumfeld, wirksamer begegnen kann."

Seine "umfassenderen Kenntnisse von den Gesamtumständen des Falles" kann der Strafrichter aber nur dann nutzbar machen, wenn er nicht an den Vortrag der Parteien gebunden ist, sondern auf sämtliche Ermittlungsergebnisse Zugriff nehmen und somit im Wege der Amtsermittlung verfahren und entscheiden kann (so: OLG Hamburg, Beschluss vom 23. Juli 2008, a.a.O.; so auch Bosch, NStZ 2006,708,710).)

Nach alledem genügt eine bloße Glaubhaftmachung eines besseren Rechtes gemäß § 294 ZPO deshalb nicht, um eine Aufhebung der Beschlagnahmeanordnung bzw. hier der Aufrechterhaltung der Beschlagnahme gemäß § 111i Abs. 2, 3 StPO zu rechtfertigen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 23. Juli 2008, a.a.O.). Dies würde insbesondere der Sicherungsfunktion der §§ 111b ff. StPO zuwiderlaufen.

Fraglich ist aber, ob der Strafrichter nach seiner Wertung von dem bloßen Vorgeschobensein des "besseren Rechts" positiv überzeugt sein muss oder ob bereits erhebliche Zweifel an dem besseren Recht einer Aufhebung der zu Sicherungszwecken erfolgten Beschlagnahme entgegenstehen. Der Gesetzgeber hat insoweit keine eindeutige Regelung getroffen. Die Überlegung in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucksache 16/700, Seite 13), dass einem möglichen Missbrauch, etwa durch vorgeschobene Rechte von Personen aus dem Täterumfeld, wirksam begegnet werden müsse, und die generelle Zielrichtung, die Rückgewinnungshilfe zu stärken, dürften dafür sprechen, jedenfalls keine überstrengen Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der Eigentümerstellung des Angeklagten zu stellen.

Der Schutz des Eigentumsgrundrechts des Drittbetroffenen aus Art. 14 Abs. 1 GG wird auch bei Zugrundelegung dieser etwas geringere Anforderungen stellenden Ansicht hinreichend gewahrt, da der Gesetzgeber im Rahmen der Vollstreckung nach Rechtskraft des Urteils über die §§ 459g, 459 StPO i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrO ausdrücklich auch die Drittwiderspruchsklage zu den Zivilgerichten eröffnet hat.

Der Betroffene hat daher insoweit die Möglichkeit, einen Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 769 ZPO zu stellen und sein vermeintlich besseres Recht gemäß § 294 ZPO glaubhaft zu machen. Das Zivilgericht hat dann in einer Ermessensentscheidung darüber zu befinden, ob es - gegebenenfalls nach ablehnenden Entscheidungen der Strafgerichte - Anlass zu einer so begründeten einstweiligen Anordnung sieht. Im Hauptverfahren nach § 771 ZPO ist dann die endgültige Entscheidung nach den zivilprozessualen Beweismaßstäben zu treffen (vgl. Lampe, a.a.O.).

Zwar gilt § 459g Abs. 1 ausdrücklich nur in den Fällen des Verfalls und der Einziehung, jedoch ist die Vorschrift dahin auszulegen, dass sie auch den hier gegebenen Fall des Vorgehens eines Drittbetroffenen gegen eine Anordnung gemäß § 111i Abs. 2, 3 StPO erfasst, da die Interessenlage identisch ist und ja nur deshalb nicht auf Verfall erkannt wurde, weil Ansprüche eines Verletzten dem entgegenstanden.

Damit bestehen zwar trotz der Einführung des § 111f Abs. 5 StPO weiterhin eine Rechtswegspaltung und die Gefahr divergierender Entscheidungen (so: Lampe, a.a.O.), indes ist dies als gesetzgeberischer Wille hinzunehmen.

Es ist auch nicht sachwidrig, nach Rechtskraft des Strafurteils die abschließende Entscheidung in die Zuständigkeit der Zivilgerichte zurück zu übertragen, da hierfür der Gesichtspunkt der Sachnähe spricht. Die Beurteilung bürgerlich-rechtlichen Eigentums ist in erster Linie in die Hände der Zivilgerichte gelegt (vgl. BGHZ 164, 176 ff. = BGH, NJW 2006, 65 ff. zur früheren Rechtslage).

2. Sachlich ist die Beschwerde unter Zugrundelegung des vorgenannten Prüfungsmaßstabs aus den zutreffenden Gründen des Nichtabhilfebeschlusses vom 16. Oktober 2008 (Bl. 361 ff. SB Finanzermittlungen), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, nicht begründet.

Der Verurteilte hat zwar zwischenzeitlich in einer eidesstattlichen Versicherung erklärt, dass der Fernseher der Beschwerdeführerin gehöre. Die Beschwerdeführerin ihrerseits hat eine entsprechende Quittung vorgelegt. Nach dem Gesamtinhalt der Akten und des Verfahrensablaufs dürfte das Vorbringen indes als Schutzbehauptung zu bewerten sein. Der Veruteilte, in dessen (Mit-) Gewahrsam sich der Fernseher befand und der einen sehr ausschweifenden Lebensstil pflegte, hat das Eigentum der Beschwerdeführerin während der Hauptverhandlung nicht geltend gemacht. Er hat vielmehr den Fernseher - ebenso wie den ebenfalls gepfändeten BMW Z1 und das Motorrad, hinsichtlich derer ebenfalls nunmehr Fremdrechte geltend gemacht werden (5 RWs 310/08) - in die Erörterungen über eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung mit der Kammer einbezogen. Erstmals am 29. Januar 2008, d.h. mehr als ein halbes Jahr nach der Beschlagnahme, hat die Beschwerdeführerin die Herausgabe des Fernsehgerätes verlangt. Im Übrigen bestehen Zweifel daran, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin den Erwerb eines solchen Fernsehgerätes für immerhin 4.999,- € zuließen."

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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