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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: III-5 Ss 160/07-82/07 I
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 275 Abs. 1 Satz 2
StPO § 275 Abs. 1 Satz 4
StPO § 338 Nr. 7
Die Fristen des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zur Absetzung des Urteils sind Höchstfristen, deren Lauf durch ein Hindernis im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO nicht gehemmt oder unterbrochen wird.
Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der XXIIa. kleinen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u. a. zu einer Freiheitsstrafe unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Das Landgericht hat die Strafe wegen der Dauer des Verfahrens herabgesetzt, unter Einbeziehung einer Geldstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet und die weitergehende Berufung des Angeklagten verworfen. Die Revision des Angeklagten hat mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge vorläufig Erfolg. Nach § 338 Nr. 7 StPO ist das angefochtene Urteil als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, weil die Entscheidungsgründe nicht innerhalb des Zeitraums zu den Akten gelangt sind, den § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 StPO vorschreibt.

1. Nach 4-tägiger Hauptverhandlung war das vollständige Urteil gemäß § 275 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Fall 1 StPO spätestens sieben Wochen nach dem 2. Februar 2007 (Verkündung) zu den Akten zu bringen. Die Frist endete am 23. März 2007 (s. u. 2b). Nach dem Eingangsvermerk der Geschäftsstelle ist das vollständige schriftliche Urteil aber erst am 16. Mai 2007 zu den Akten gelangt.

2. Gemäß § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO darf die Frist nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht vorhersehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. In einem solchen Fall ist das Urteil nach dem Wegfall des Hindernisses mit größtmöglicher Beschleunigung zu den Akten zu bringen (BGH StV 1995, 514; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. [2007], § 275 Rdnr. 16). Das ist nicht geschehen:

a) Die Vorsitzende des erkennenden Gerichts (kleine Strafkammer) war vom 12. Februar bis einschließlich 9. April 2007 (Ostermontag) dienstunfähig erkrankt. Das war ein nicht vorhersehbarer unabwendbarer Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO, der sie an der Absetzung des Urteils hinderte (vgl. BGH aaO). Das schriftliche Urteil ist aber erst rund fünf Wochen später - am 26. Arbeitstag ab dem 10. April - zu den Akten gelangt.

b) Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft hatte die Erkrankung der Richterin den Fristenlauf nicht gehemmt oder unterbrochen. Das folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, nach dem die Urteilsabsetzungsfrist durch ein Hindernis im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO "überschritten" wird, aber auch dem Gesetzeszweck. Die Fristen des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO sind Höchstfristen (BVerfG NJW 2006, 677, 679 [re. Sp.]; BGH NStZ 1992, 398 = wistra 1992, 195; NStZ 2006, 463), die auf der "Erfahrung nachlassender Erinnerung" beruhen (BGH NJW 2007, 2419 [58]; BGH NStZ 1992, 398; StV 1998, 477; OLG Celle Nds.Rpfl. 1993, 133 [1.]; Gollwitzer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl. [2001], § 275 Rdnr. 2; Engelhardt, in: KK, 5. Aufl. [2003], § 275 StPO Rdnr. 38; Schlüchter/Frister, SK-StPO, § 275 [2005], Rdnr. 1). Der Gesetzeszweck, dass die Erinnerung des Richters an das Ergebnis der Hauptverhandlung und der Beratung bei der Abfassung des Urteils möglichst frisch sein soll, würde unterlaufen, wenn die Urteilsabsetzungsfrist um Zeiten verlängert würde, die unter § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO fallen.

c) Die Belastung (Überlastung) der Strafkammervorsitzenden ab dem 10. April durch andere Dienstgeschäfte war kein Grund, der die Verspätung bei der Absetzung des Urteils rechtfertigen konnte (vgl. BGH wistra 2003, 311, 312 mwN; OLG Celle Nds.Rpfl. 1993, 133 [2.]).

3. Wegen dieses Mangels ist das angefochtene Urteil nach §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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