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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.08.2007
Aktenzeichen: IV-2 Ss (OWi) 28/07 - (OWi) 16/07 III
Rechtsgebiete: SchwarzArbG, OWiG, StGB, AO


Vorschriften:

SchwarzArbG § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e
OWiG § 21 Abs. 1 Satz 1
OWiG § 66 Abs. 1 Nr. 3
StGB § 52 Abs. 1
StGB § 266a
AO § 370 Abs. 1
1. Die Subsidiaritätsregelung des § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG greift mangels Tateinheit nicht ein, wenn die Dauerordnungswidrigkeit der unerlaubten Handwerksausübung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG) zeitlich mit Straftaten der Steuerhinterziehung und des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt zusammentrifft.

2. Bei der Prüfung, ob der Bußgeldbescheid die erforderliche Abgrenzungsfunktion erfüllt und nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG als Verfahrensgrundlage ausreicht, kann über dessen Inhalt hinaus der Akteninhalt herangezogen werden.


Tenor:

Der mitunterzeichnende Einzelrichter überträgt die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern.

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Wuppertal hat den Betroffenen wegen "vorsätzlicher unerlaubter Handwerksausübung" (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG) zu einer Geldbuße von 5.000 Euro verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er rügt, dass die Tat gemäß § 21 OWiG nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden könne, weil er in diesem Zusammenhang bereits wegen Steuerhinterziehung in 54 Fällen und Vorenthalten von Arbeitsentgelt in 42 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden sei.

II.

Der mitunterzeichnende Einzelrichter überträgt die Sache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern, da es geboten ist, das angefochtene Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen. Es bedarf im Hinblick auf die Subsidiaritätsregelung des § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG der Klärung, in welchem Konkurrenzverhältnis die illegale Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks zu in der gleichen Zeit begangenen Straftaten nach § 370 Abs. 1 AO und § 266a StGB steht.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, auch wenn der Betroffene weder eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Verfahrensrüge noch ausdrücklich die allgemeine Sachrüge erhoben hat. Denn mit seinen Einwand, dass ein aus § 21 OWiG resultierendes Verfahrenshindernis bestehe, rügt der Betroffene zugleich die rechtsfehlerhafte Anwendung materiellen Rechts; hierdurch ist inhaltlich die allgemeine Sachrüge erhoben. Diese Bewertung ist deshalb geboten, weil die Frage, ob die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG vorliegen, ohne Prüfung des angefochtenen Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht nicht beantwortet werden kann (vgl. zur auf das Fehlen eines wirksamen Bußgeldbescheides beschränkten Rüge: OLG Düsseldorf VRS 61, 278, 279; NStZ 1992, 39; OLG Köln VRS 70, 458, 459; BayObLG NStZ 2000, 43; zur alleinigen Rüge der Verfolgungsverjährung: BGHSt 2, 385, 386; BGH NJW 1984, 988; OLG Celle MDR 1966, 865). Ob die Straftaten, wegen derer der Betroffene - inzwischen rechtskräftig - verurteilt worden ist, mit der in dem angefochtenen Urteil festgestellten Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 21 OWiG rechtlich zusammentreffen, ist eine materiell-rechtliche Frage.

IV.

Die - auf die allgemeine Sachrüge vorzunehmende - Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen führt nicht zu einer Einstellung des Verfahrens, da § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG im vorliegenden Fall nicht durchgreift (1.) und der Bußgeldbescheid eine (noch) ausreichende Verfahrensgrundlage darstellt (2.).

Die Rechtsbeschwerde hat jedoch (vorläufig) Erfolg, weil die tatrichterlichen Feststellungen den Schuldspruch wegen unerlaubter Handwerksausübung nicht tragen (3.).

1.

Aus der Subsidiaritätsklausel des § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG ergibt sich im vorliegenden Fall kein Hindernis, die dem Betroffenen zur Last gelegte unerlaubte Handwerksausübung als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG wird nur das Strafgesetz angewendet, wenn eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit ist. Gleichzeitigkeit im Sinne dieser Vorschrift bedeutet Tateinheit (vgl. OLG Köln NJW 1982, 296, 297; LG München II NZV 2001, 359; OLG Schleswig SchlHA 2005, 331; KK-Bohnert, OWiG, 3. Aufl., § 21 Rdn. 3). Nach gesicherter Rechtsprechung kommt Tateinheit nur dann in Betracht, wenn die tatbestandlichen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Dagegen vermögen ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks oder eine Mittel-Zweck-Verknüpfung Tateinheit nicht zu begründen (vgl. BGHSt 33, 163, 165 = NJW 1985, 1967, 1968; BGHSt 43, 317, 319 = NJW 1998, 1001; BGHSt 46, 146, 153 = NJW 2001, 163, 165).

In dem Strafverfahren wurde der Betroffene im einzelnen wegen folgender Straftaten (Tatzeitraum jeweils Januar 2000 bis November 2004), die er im Zusammenhang mit seiner trotz Gewerbeuntersagung weiterhin ausgeübten Tätigkeit als Dachdecker und Gerüstbauer begangen hatte, rechtskräftig verurteilt:

- Hinterziehung von Umsatzsteuer in 12 Fällen

- Hinterziehung von Lohnsteuer in 42 Fällen

- Vorenthalten von Arbeitsentgelt in 42 Fällen.

Die unerlaubte Handwerksausübung, die dem Betroffenen im vorliegenden Verfahren als Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt wird, erfolgte in der Zeit von Mai 2003 bis November 2004. Weder die zeitliche Überschneidung noch der innere Zusammenhang mit den Straftaten reicht indes zur Begründung von Tateinheit aus.

Zwar geht Schwarzarbeit regelmäßig mit Steuerhinterziehung und häufig auch mit Vorenthalten von Arbeitsentgelt einher. Nach der gesetzlichen Definition leistet Schwarzarbeit u.a. derjenige, der als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG) oder als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG). Die Bußgeldvorschrift, welche die unerlaubte Handwerksausübung sanktioniert (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG), knüpft indes nicht an die beiden vorgenannten Fallgestaltungen, sondern unabhängig davon an § 1 Abs. 2 Nr. 5 SchwarzArbG an.

Die tatbestandlichen Ausführungshandlungen bei Steuerhinterziehung und Vorenthalten von Arbeitsentgelt einerseits und unerlaubter Handwerksausübung andererseits sind nicht - auch nicht teilweise - identisch. Die Tathandlung bei der Ordnungswidrigkeit besteht in der illegalen Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks. Wer ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibt, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 HandwO), handelt auch dann ordnungswidrig nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG, wenn er keine sozialversicherungsrechtlichen oder steuerlichen Pflichten verletzt.

So scheidet bei einem Schwarzhandwerker, der keine Arbeitnehmer beschäftigt, eine Tathandlung nach § 266a StGB von vornherein aus. Im übrigen ist das Vorenthalten von Arbeitsentgelt ein Unterlassungsdelikt. Die Nichterfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Handlungspflichten ist nicht deckungsgleich mit der Ausführungshandlung bei unerlaubter Handwerksausübung, nämlich dem Betreiben eines zulassungspflichtigen Handwerks durch Erbringen von Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Ob Steuerdelikte mit der illegalen Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks einhergehen und hinsichtlich welcher Steuerarten (Umsatzsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer) zu welchen Deklarationszeitpunkten dies ggf. geschieht, beruht jeweils auf gesondert gefassten Tatentschlüssen und selbständigen Willensbetätigungsakten des Schwarzhandwerkers. Die Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO ist ein Erklärungsdelikt (vgl. BGH StV 2006, 419, 420). Die tatbestandliche Ausführungshandlung liegt darin, gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Erklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen zu machen oder die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen. Die Verletzung der Erklärungspflichten überschneidet sich bei dem zur Tatbestandsverwirklichung erforderlichen Tun oder Unterlassen nicht - auch nicht teilweise - mit der durch § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG sanktionierten Tathandlung. Das der Steuerhinterziehung vorgelagerte Erzielen der steuerpflichtigen Einkünfte oder Umsätze durch Dienst- oder Werkleistungen - nur diese Handlungen sind auch Teil der unerlaubten Handwerksausübung - stellt keine tatbestandliche Ausführungshandlung des Erklärungsdeliktes dar.

Aus dem Umstand, dass es sich bei der illegalen Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks um eine Dauerordnungswidrigkeit handelt (vgl. OLG Hamm NStZ 1991, 346; OLG Köln GewArch 1997, 376; OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1999, 740) und erst die Gesamtheit der Aktivitäten im Rahmen des illegal ausgeübten Handwerkbetriebes bußgeldbewehrt ist, ergibt sich keine andere Beurteilung der Konkurrenzfrage. Zur Abgrenzung gegenüber "nur gleichzeitig" und "nur gelegentlich" der Dauerordnungswidrigkeit begangenen Straftaten erfordert Tateinheit, dass das Dauerdelikt selbst einen tatbestandserheblichen Tatbeitrag zu den anderen Verstößen abgibt und Identität in einem für beide Tatbestandsverwirklichungen in der konkreten Form notwendigen Teil vorliegt (vgl. BGHSt 27, 66 = NJW 1977, 442, 443; OLG Rostock VRS 107, 461, 463). Hier beinhaltet die Dauerordnungswidrigkeit selbst keinen tatbestandserheblichen Tatbeitrag zu dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt oder der Steuerhinterziehung und ist kein notwendiger Teil dieser Straftaten. Umgekehrt sind diese Straftaten weder allgemein noch in der konkreten Form notwendiger Teil der Dauerordnungswidrigkeit, sondern hiermit nur durch das zeitliche Moment, das einheitliche Motiv und den Endzweck verknüpft. Diese Kriterien vermögen jedoch - wie dargelegt - Tateinheit nicht zu begründen.

Es liegt auch keine im Ergebnis der Tateinheit gleichzusetzende natürliche Handlungseinheit zwischen der Dauerordnungswidrigkeit und den Straftaten vor. Von einer natürlichen Handlungseinheit ist auszugehen, wenn mehrere im wesentlichen gleichartige strafrechtlich (bzw. hier auch als Ordnungswidrigkeit) relevante Verhaltensweisen von einem einheitlichen Willen getragen sind und zwischen ihnen ein derart enger zeitlicher, räumlicher und situativer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamte Handeln objektiv auch für einen Dritten als einheitliches, zusammengehöriges Tun darstellt (vgl. BGH NJW 1990, 2896; NStZ 1993, 234; NJW 1995, 1766). Vorliegend erscheint es nicht als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs, die Dauerordnungswidrigkeit der illegalen Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks getrennt von der Steuerhinterziehung in 54 Fällen und dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt in 42 Fällen zu würdigen und zu sanktionieren. Denn die Straftaten stehen trotz ihrer Gleichartigkeit untereinander in Tatmehrheit, da sie jeweils auf gesondert gefassten Tatentschlüssen und selbständigen Willensbetätigungsakten beruhten. Dann besteht erst recht kein Anlass, die nicht gleichartige und geringeres Unrecht darstellende Dauerordnungswidrigkeit durch die Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit ihrerseits mit den Straftaten zu verbinden, zumal durch die unerlaubte Handwerksausübung als solche noch nicht die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten verletzt wurden, deren Einhaltung die verwirklichten Straftatbestände dienen. Dass im Rahmen des illegal ausgeübten Handwerkbetriebes die Einkünfte, Umsätze und Arbeitnehmerlöhne erwirtschaftet wurden, aus denen die nach § 370 Abs. 1 AO und § 266a StGB begangenen Straftaten resultieren, rechtfertigt nicht die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit.

Gegen eine natürliche Handlungseinheit sprechen auch die verschiedenen Schutzzwecke des § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG einerseits und der Straftatbestände andererseits. Dass der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerk nur den in der Handwerksrolle eingetragenen Personen mit entsprechendem Befähigungsnachweis gestattet ist (§§ 1, 7 HandwO), soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere der Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks sowie der Sicherung des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft dienen (vgl. BVerfG 13, 97 (107) = NJW 1961, 2011, 2013; BVerwG NJW 1999, 2292, 2293; NVwZ-RR 1999, 498, 499; VGH Mannheim GewArch 1998, 195, 196). Durch die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen soll vermieden werden, dass sowohl der Kundschaft (durch mangelhafte Leistungen) wie dem Handwerksstand selbst (durch Verdrängung und Behinderung wirklich leistungsfähiger Betriebe und durch Minderung des Ansehens der handwerklichen Arbeit im Ganzen) schwere Schäden zugefügt werden. Hinzu kommt der Aspekt der Gefahrenabwehr bei gefahrgeneigten Handwerksberufen (vgl. Honig, HandwO, 3. Aufl., § 1 Rdn. 8), zu denen die von dem Betroffenen ausgeübten Tätigkeiten als Dachdecker und Gerüstbauer zweifelsohne zählen. Die Straftatbestände (§ 370 Abs. 1 AO, § 266a StGB), die der Betroffene verwirklicht hat, bezwecken demgegenüber die Einhaltung der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten.

2.

Der Bußgeldbescheid weist zwar Mängel auf, weil darin die handwerklichen Arbeiten, die der Betroffene ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, unter Bezugnahme auf die zugehörigen Rechnungen und Angabe des Netto-Arbeitslohns nur äußerst knapp in tabellarischer Form beschrieben werden (z.B.: "Rechnungsdatum 16.07.2003, Dachdeckerhandwerk, 1.628,00 EUR"), wobei konkrete Angaben zum Bauvorhaben oder sonst zu den einzelnen Gewerken nach Zeit, Ort, konkreter Tätigkeit und Leistungsumfang fehlen. Gleichwohl stellt der Bußgeldbescheid eine (noch) ausreichende Verfahrensgrundlage dar.

Für den Bußgeldbescheid als Prozessvoraussetzung wesentlich ist nämlich nur seine Aufgabe, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen. Diese Aufgabe erfüllt der Bußgeldbescheid in sachlicher Hinsicht, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll, er somit die Gefahr einer Verwechslung mit einer möglichen gleichartigen Ordnungswidrigkeit desselben Betroffenen ausschließt (vgl. OLG Köln VRS 49, 128, 129; VRS 64, 286; OLG Hamm NStZ 1987, 515; OLG Düsseldorf NJW 2006, 2647).

Vorliegend kann die erforderliche Konkretisierung (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG) indes unter Heranziehung der in den Akten befindlichen und in dem Bußgeldbescheid zitierten Rechnungen, denen die Werkleistungen im einzelnen nach Art, Umfang, Zeit und Ort zu entnehmen sind, vorgenommen werden. Der Senat teilt die Auffassung anderer Obergerichte, dass zur Klärung der Abgrenzungsfunktion des Bußgeldbescheides über dessen Inhalt hinaus der Akteninhalt herangezogen werden kann (vgl. OLG Hamm VRS 49, 128, 130; NStZ 1987, 515; BayObLG NZV 1998, 515; in diesem Sinne auch: Göhler-Seitz, OWiG, 14. Aufl., § 66 Rdn. 39a).

Soweit der BGH in einer Entscheidung (vgl. BGHSt 23, 336, 340 = NJW 1970, 2222) die dort nicht tragende Rechtsansicht vertreten hat, dass Mängel bei der Abgrenzungsfunktion des Bußgeldbescheides nicht durch Rückgriff auf den Akteninhalt geheilt werden können (so auch Puppe NStZ 1982, 230, 233), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dass der Bußgeldbescheid, wenn er nicht angefochten wird, in Rechtskraft erwächst, ist kein durchgreifendes Argument gegen die Auffassung des Senats, dass bei der Prüfung der Abgrenzungsfunktion eine Sachverhaltsdarstellung, welche die dem Betroffenen zur Last gelegten Taten in dem Bußgeldbescheid nicht genügend konkretisiert, durch Rückgriff auf den Akteninhalt ergänzt werden kann. Bleibt nämlich ein Bußgeldbescheid, der mit - noch nicht zur Nichtigkeit führenden - Mängeln bei der Tatkonkretisierung behaftet ist, unangefochten, wird der Eintritt der Rechtskraft trotz dieser Mängel nicht verhindert. Wird aber gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt, erwächst nicht mehr der Bußgeldbescheid in Rechtskraft, sondern die auf den Einspruch ergehende gerichtliche Entscheidung. Im Verfahren nach dem Einspruch kommt es entscheidend darauf an, ob der in dem Bußgeldbescheid erhobene Tatvorwurf trotz unzureichender Sachdarstellung für den Betroffenen ausreichend konkretisiert und abgegrenzt ist, ob er also bei seiner Verteidigung erkennen kann, welche Lebensvorgänge von dem Tatvorwurf erfasst werden. Insoweit besteht aber kein Anlass, das Gericht bei der Prüfung dieser Frage auf den Inhalt des Bußgeldbescheides selbst zu beschränken (vgl. OLG Hamm VRS 49, 128, 130).

Die an den Anklagesatz zu stellenden Anforderungen - zu dessen Verdeutlichung und Ergänzung darf zwar auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen, nicht aber auf den sonstigen Akteninhalt zurückgegriffen werden (vgl. BGHSt 46, 130, 134 = NJW 2000, 3293) - sind auf den Bußgeldbescheid nicht in dieser Strenge übertragbar. Das Bußgeldverfahren hat massenhaft vorkommende Verstöße zum Gegenstand, ist bis zum Erlass des Bußgeldbescheides durch Schriftlichkeit geprägt und für den Betroffenen von geringerer Eingriffsqualität und -intensität als ein Strafverfahren.

Die hier zur Konkretisierung des Tatvorwurfs heranziehbaren Rechnungen stammen von dem Betroffenen selbst, so dass bei ihm keine Unklarheiten darüber bestehen konnten, auf welche konkreten Werkleistungen sich der in dem Bußgeldbescheid erhobene Vorwurf der Schwarzarbeit bezieht. Vorliegend sind die einzelnen Werkleistungen, die der Dauerordnungswidrigkeit als Einzelakte zugrunde liegen, nach Art, Umfang, Zeit und Ort durch die von dem Betroffenen erstellten und bei den Akten befindlichen Rechnungen, die ihrerseits in dem Bußgeldbescheid jeweils mit Datum, Nettolohnbetrag und Art des zulassungspflichtigen Handwerks bezeichnet werden, eindeutig bestimmt. Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von dem Sachverhalt, der dem zu § 16 Abs. 1 Nr. 1a AÜG ergangenen Senatsbeschluss (NJW 2006, 2647 = NStZ 2007, 291) zugrunde lag. In jenem Verfahren, das der Senat mangels wirksamen Bußgeldbescheides eingestellt hat, war das Tätigwerdenlassen von ohne Erlaubnis überlassenen Leiharbeitnehmern in dem Bußgeldbescheid ohne jegliche Aufschlüsselung von Einzelakten lediglich nach Gesamttatzeitraum und Gesamtvolumen beschrieben worden, wobei sich die zugehörigen Einzelrechnungen nur fragmentarisch bei den Gerichtsakten befanden.

3.

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch wegen unerlaubter Handwerksausübung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG) nicht. Sie sind unvollständig und weithin lückenhaft und ermöglichen dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die Prüfung, ob das Amtsgericht das sachliche Recht fehlerfrei angewendet hat.

Zur Feststellung des äußeren Tatbestandes wäre es erforderlich gewesen, die handwerklichen Arbeiten, die der Betroffene ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt hat, im Einzelnen für jeden Auftrag nach Art, Umfang, Zeit und Ort darzulegen (vgl. statt vieler: OLG Düsseldorf GewArch 2000, 289; OLG Hamm wistra 2005, 238, 239). Dieser Darlegungen bedarf es zur Überprüfung, ob die Leistungen dem Kernbereich des jeweiligen Handwerks (hier: Dachdecker-, Klempner-, Gerüstbauer-, Stukkateur- oder Maler- und Lackiererhandwerk) zuzuordnen sind und in erheblichem Umfang vorgenommen wurden und ob deshalb hierfür die Eintragung in der Handwerksrolle notwendig war.

Diesen Anforderungen genügen die Feststellungen in keiner Weise. Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass der Betroffene in der Zeit von Mai 2003 bis November 2004 handwerkliche Dienstleistungen, und zwar überwiegend solche des Dachdeckerhandwerks erbracht hat. Wegen der Einzelheiten hat das Amtsgericht auf die dem Urteil als Anlage beigefügte Aufstellung verwiesen. Hierbei handelt es sich um dieselbe - inhaltlich unzureichende - Aufstellung, die bereits dem Bußgeldbescheid beigefügt war. Abgesehen davon, dass dort zu den jeweiligen Rechnungsdaten ohne nähere Beschreibung lediglich die betreffende Handwerksart als solche und der Nettoarbeitslohn angegeben werden, enthält die tabellarische Aufstellung überflüssigerweise zudem eine Reihe von Positionen, die gerade nicht den Tatvorwurf betreffen ("Arbeiten in Spanien", "kein Handwerk feststellbar") und nur zur Unübersichtlichkeit beitragen. Zwar ist die Verwendung einer Urteilsanlage nicht unzulässig (vgl. BGH NStZ 1987, 374; OLG Düsseldorf NStZ 1992, 39), vorliegend wäre es wegen der inhaltlichen Unzulänglichkeit der tabellarischen Aufstellung indes unerlässlich gewesen, in den Urteilsgründen konkrete, textlich formulierte Feststellungen zu den verfahrensrelevanten Werkleistungen - und auch nur hierzu - zu treffen.

Die in den Rechnungen dokumentierten Einzelheiten zu Art, Umfang, Zeit und Ort der Werkleistungen sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Das Amtsgericht hat dazu lediglich ausgeführt: "Wegen der Einzelheiten der Rechnungen und der ausgeführten Arbeiten wird auf. Bl. 220-267 der Akten verwiesen und diese zum Gegenstand des Urteils gemacht." Hierbei handelt es sich im eine unzulässige Bezugnahme auf Schriftstücke außerhalb der eigenen Urteilsgründe. Gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO muss auch im Bußgeldverfahren jedes Urteil aus sich heraus verständlich sein. Gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen dürfen nicht durch Bezugnahmen ersetzt werden, da es ansonsten sachlichrechtlich an der Möglichkeit einer Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht fehlt (vgl. zum Strafurteil: BGH NStZ 1992, 49; NStZ-RR 2000, 304; NStZ-RR 2007, 22). Um eine Verweisung auf Abbildungen (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) handelt es sich bei der Bezugnahme auf die Rechnungen nicht.

Die Feststellungen enthalten auch keine Angaben dazu, ob der Betroffene selbständig ein zulassungspflichtiges Handwerk ausgeübt hat. Ein selbständiger Handwerker im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG ist, wer das Handwerk für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung betreibt. Kein selbständiger Gewerbebetrieb ist gegeben, wenn der Tätigwerdende in einem Umfang an Weisungen gebunden ist, dass von einer handwerksmäßigen Betriebsweise, bei der noch ein gewisses Maß an Eigenständigkeit bei der Planung der Arbeiten und des Arbeitsablaufes gegeben sein muss, nicht mehr gesprochen werden kann. Bei Nach- oder Subunternehmern kann die Selbständigkeit fehlen, wenn deren Eigenständigkeit durch ihren Auftraggeber weitgehend eingeschränkt ist (vgl. OLG Düsseldorf GewArch 2000, 289).

Das angefochtene Urteil ist daher mit den Feststellungen aufzuheben (§ 79 Abs. 3 OWiG, §§ 353, 354 Abs. 2 StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Ein Anlass, die Sache an ein anderes Amtsgericht oder an eine andere Abteilung zurückzuverweisen, besteht nicht.

V.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat - für den Fall, dass es zu einer Verurteilung kommt - auf folgendes hin:

Da § 8 Abs. 1 Nr. 1 lit. e SchwarzArbG keinen Fahrlässigkeitstatbestand kennt und deshalb nur vorsätzliches Handeln geahndet werden kann (§ 10 OWiG), ist es nicht erforderlich, die Schuldform im Urteilstenor zu bezeichnen.

Die erlangten Vermögensvorteile sind in dem inzwischen rechtskräftigen Strafurteil auch für den hier in Rede stehenden Tatzeitraum (Mai 2003 bis November 2004) näher festgestellt worden. Diese für die Bemessung der Höhe der Geldbuße (§ 17 Abs. 4 OWiG) bedeutsamen strafrichterlichen Feststellungen können urkundenbeweislich durch Verlesung in die neue Hauptverhandlung eingeführt werden.

Aus dem angefochtenen Urteil geht nicht hervor, von welchem Bußgeldrahmen der Tatrichter ausgegangen ist. Gemäß § 4 Abs. 2 OWiG ist der bei unerlaubter Handwerksausübung auf 50.000 Euro (statt zuvor 100.000 Euro) gemilderte Bußgeldrahmen zugrunde zu legen, den das SchwarzArbG in der seit dem 1. August 2004 gültigen Fassung vorsieht (§ 8 Abs. 3 SchwarzArbG). Insoweit stellt sich bei der vorliegenden Dauerordnungswidrigkeit nicht die im Fall BVerfG NStZ 1996, 192 behandelte Problematik, wie das Bußgeld unter Beachtung des Art. 103 Abs. 2 GG zu bemessen ist, wenn ein größerer Anteil der Teilakte in den Zeitraum milderer Bußgeldandrohung fällt. Hier liegt es gerade umgekehrt.

Ende der Entscheidung

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