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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.10.2006
Aktenzeichen: IV-5 Ss (Owi) 175/06 - (OWi) 127/06 I
Rechtsgebiete: StPO, OWiG


Vorschriften:

StPO § 26a Abs. 1
StPO § 26a Abs. 1 Nr. 2
StPO § 26a Abs. 2 Satz 1
StPO § 27 Abs. 3 Satz 1
StPO § 137 Abs. 1 Satz 2
StPO § 353
StPO § 354 Abs. 2 Satz 1
OWiG § 73 Abs. 2
OWiG § 79 Abs. 3 Satz 1
OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 2006 wird zugelassen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid über 50 Euro (weil er einen nicht vorschriftsmäßigen Kraftomnibus geführt habe und dadurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt gewesen sei) in der Hauptverhandlung vom 30. Juni 2006 verworfen, weil der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei. Der Zulassungsantrag hat mit der ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge Erfolg. Der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör ist verletzt, weil der Richter, den er abgelehnt hatte, das Ablehnungsgesuch zu Unrecht selbst verworfen und sodann in der Sache entschieden hat.

1. Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter dieses Gerichts, es sei denn, die Ablehnung wird nach § 26a Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, §§ 27 Abs. 3 Satz 1 StPO, 26a Abs. 2 Satz 1 StPO. Nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO - der allein in Betracht kam - verwirft das Gericht die Ablehnung als unzulässig, wenn kein Grund zur Ablehnung oder kein Mittel zur Glaubhaftmachung angegeben wird, oder - was dem gleich steht - wenn die angegebenen Gründe aus zwingenden rechtlichen Gründen völlig ungeeignet sind, ein Ablehnungsgesuch zu rechtfertigen (BVerfG NJW 2005, 3410, 3412 f; BGH NJW 2005, 3434; BGH, 5 StR 154/06 vom 13. Juli 2006, Rdnr. 20 mwN <bundesgerichtshof.de>). Keiner dieser Fälle hat vorgelegen. Die Ablehnung des Richters war darauf gestützt, dass am 8. Juni 2006 (Akteneinsicht des Verteidigers) schon ein Protokoll und ein Verwerfungsurteil vom 30. Juni 2006 in die Akte eingeheftet gewesen seien. Damit hatte der Betroffene einen Grund zur Ablehnung angegeben; ob die Ablehnung berechtigt war, war keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit. Er hatte auf Blattzahlen (offenbar frühere - siehe jetzt Bl. 47-52) der Akte verwiesen und somit die Gerichtsakte selbst als Mittel zur Glaubhaftmachung angegeben. Die demnach zulässige Ablehnung hätte ein anderer Richter bescheiden müssen.

2. Die Entscheidung in der Sache selbst durch den abgelehnten Richter, der - wie hier - zu Unrecht seine Ablehnung im vereinfachten Ablehnungsverfahren verworfen hat, verletzt den grundrechtsgleichen Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs (BVerfG NJW 2005, 3410, 3414). Deswegen ist die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, das angefochtene Urteil nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

3. Für die weitere Sachbehandlung erteilt der Senat folgenden Hinweis:

a) Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von dieser Verpflichtung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Die Entscheidung ist nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt. Der Betroffene muss entbunden werden, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (BayObLG DAR 2001, 371; OLG Stuttgart zfs 2002, 253, 254; OLG Dresden zfs 2003, 374; OLG Hamm VRS 107 [2004], 120, 123; 124, 126; OLG Karlsruhe zfs 2005, 154; jeweils mwN).

b) In den Anwaltsschreiben vom 31. Mai und 8. Juni 2006 war "die Fahrereigenschaft eingeräumt" und mitgeteilt worden, dass der Betroffene sich nicht weiter äußern werde. Falls der oder die Verfasser dieser Schreiben Vertretungsvollmacht (vgl. Göhler, OWiG, 14. Aufl. [2006], § 73 Rdnr. 4) hatte(n) - was nach der überreichten Vollmacht unklar (§ 137 Abs. 1 Satz 2 StPO: höchstens drei Verteidiger) und vor dem Termin zu klären ist -, dürfte keine weitere Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts durch den Betroffenen zu erwarten sein.

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