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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.11.2000
Aktenzeichen: U(Kart) 40/00
Rechtsgebiete: GWB, ATB, ZPO


Vorschriften:

GWB § 20 Abs. 2 Satz 1
GWB § 26 Abs. 2 Satz 2 a.F.
GWB § 130 Abs. 2 n. F.
ATB § 5.3 Nr. b) 1. Spiegelstrich
ATB § 1.2 Nr. a)
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

U(Kart) 40/00 81 O (Kart) 186/00 LG Köln

Verkündet am 15. November 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Verfahren

auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 21. September 2000 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß sich das Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt hat.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

I.

Nachdem die Antragsgegnerin im Verhandlungstermin des Senats glaubhaft gemacht hatte, daß die gesamte zur Nutzung zur Verfügung stehende Messefläche bereits anderweitig vergeben und deshalb die Zuweisung eines Messeplatzes an die Antragstellerin unmöglich ist, hat diese ihren Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragstellerin, verfolgt nunmehr die Feststellung, daß sich das Verfahren erledigt hat. Dieses Begehren ist begründet. Dem Antrag auf Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung hätte ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses stattgegeben werden müssen. Das Landgericht hat den Verfügungsantrag zu Unrecht zurückgewiesen.

A. Der nachgesuchte vorläufige Rechtsschutz ließ sich nicht mit der vom Landgericht gegebenen Begründung verneinen.

1. Das Landgericht hat die Zurückweisung des Verfügungsantrags auf die Erwägung gestützt, die Antragstellerin habe ihr Begehren nach der Terminierungspraxis der Kammer im Klagewege geltend machen können. Mit Rücksicht auf die besondere Eilbedürftigkeit der Zulassungsbegehren einerseits und der rechtlichen Problematik einer auf Erfüllung gerichteten einstweiligen Verfügung andererseits entspreche es seit 1998 der Übung der Kammer, nach Abschluss des Zulassungsverfahrens bei der Antragsgegnerin und in angemessener Zeit vor Messebeginn zwei Verhandlungstermine für Klageverfahren freizuhalten, mit denen abgelehnte Bewerber die Zulassung zur "Art Cologne" begehren. Vor diesem Hintergrund - so meint das Landgericht - sei im vorliegenden Fall der Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht notwendig gewesen.

2. Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Es kann auf sich beruhen, ob dem erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die erwähnte besondere Terminierungspraxis der Kammer überhaupt bekannt war. Offen bleiben kann des weiteren, ob durch die Reservierung von zwei Verhandlungstagen für Klagen auf Zulassung zur "Art Cologne" aus verständiger Sicht der Antragstellerin hinreichend sichergestellt war, daß noch rechtzeitig vor Beginn der Kunstmesse am 5. November 2000 in einem Klageverfahren auch über ihr Zulassungsbegehren zu entscheiden sein würde. Bedenken können sich aus der ungewissen Anzahl anderer Zulassungsklagen ergeben.

Entscheidend ist, daß die Antragstellerin bei Einreichung ihres Zulassungsbegehrens die Möglichkeit in Rechnung stellen mußte, daß über das Zulassungsverlangen nur nach Durchführung einer Beweisaufnahme, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, zu entscheiden sein würde. Denn die Antragstellerin bekämpfte gerade die Beurteilung ihres Ausstellungsgutes durch den Zulassungsausschuss der Antragsgegnerin als fehlerhaft. Dabei ging es insbesondere um die Einschätzung der Antragsgegnerin, daß die beabsichtigte Ausstellung ausgewählter Werke des Künstlers Rainer F wesentlich vom Galerieprogramm der Antragstellerin abweiche. Es konnte in diesem Zusammenhang sowohl auf die Feststellung des Galerieprogramms der Antragstellerin als auch um die fachliche Bewertung, ob sich die zur Ausstellung vorgesehenen Werke des Künstlers F in dieses Galerieprogramm im Sinne einer nicht wesentlichen Abweichung einfügen, ankommen. Ob sich dies in einem Klageverfahren rechtzeitig bis zum Beginn der "Art Cologne" würde klären lassen, war bei verständiger Beurteilung ungewiß. Bereits diese Unwägbarkeit schloss es aus anzunehmen, die Antragstellerin habe ihr Rechtsschutzziel im Klageverfahren durchsetzen können und sei nicht auf die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes angewiesen gewesen.

Im Entscheidungsfall kommt folgendes hinzu: Das Landgericht wäre aus dem Gesichtspunkt einer fairen Verfahrensführung verpflichtet gewesen, die Antragstellerin umgehend nach Eingang des Verfügungsantrags vom 6. August 2000 auf die Möglichkeit (und - aus Sicht der Kammer - auch die Notwendigkeit) hinzuweisen, den Zulassungsanspruch im Wege der Klage geltend zu machen. Die Antragstellerin hätte dadurch die Gelegenheit erhalten, der besonderen Terminierungspraxis des Landgerichts Rechnung zu tragen und ihr Zulassungsverlangen rechtzeitig klageweise zu verfolgen. Statt dessen hat das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung über den Verfügungsantrag der Antragstellerin auf den 21. September 2000 bestimmt, in diesem Termin erstmals auf seine Bedenken an der Statthaftigkeit des nachgesuchten einstweiligen Rechtsschutzes hingewiesen und sodann durch Stuhlurteil den Verfügungsantrag mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe ihren Zulassungsanspruch im Wege der Klage durchsetzen können (und müssen). Termin zur mündlichen Verhandlung über die von der Antragstellerin daraufhin eingereichte Zulassungsklage hat das Landgericht auf den 15. November 2000 - mithin wenige Tage nach dem Ende der "Art Cologne" - anberaumt. Eine solche Verfahrensweise geht nicht an. Es widerspricht dem Prinzip eines fairen Gerichtsverfahrens, die Antragstellerin auf die aus der besonderen Terminierungspraxis der Kammer resultierende Möglichkeit einer kurzfristigen klageweisen Geltendmachung ihrer Rechte und die daraus nach Ansicht der Kammer folgende Unzulässigkeit des Verfügungsantrags erst viele Wochen nach Eingang des Verfügungsantrags und zu einem Zeitpunkt, in dem eine rechtzeitige Verhandlung über die sodann eingereichte Klage nicht mehr gewährleistet war, hinzuweisen, und den ursprünglich beantragten vorläufigen Rechtsschutz anschließend mit dem Argument zu verweigern, der verfolgte Anspruch habe im Wege der Klage geltend gemacht werden müssen. Das läuft im Ergebnis auf die völlige Verweigerung der nachgesuchten gerichtlichen Hilfe hinaus.

B. Der Verfügungsantrag der Antragstellerin war auch nicht auf eine unstatthafte Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet.

Die Antragstellerin begehrte den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche die Antragsgegnerin verpflichtet werden sollte, ihr die Teilnahme an der Kunstmesse "Art Cologne" (5. und 12. November 2000) unter Zuweisung eines nach Lage und Größe angemessenen Messestandes zu gestatten und sie in einen dem Haupt-Messekatalog beizufügenden Nachtrag aufzunehmen. Der Verfügungsantrag war damit auf die vollständige und endgültige Erfüllung des reklamierten Hauptsacheanspruchs auf Zulassung zur Messe gerichtet. Das war im Streitfall ausnahmsweise zulässig.

1. Eine auf Befriedigung gerichtete einstweilige Verfügung ist im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung nur in Ausnahmefällen und unter engen Voraussetzungen zulässig.

Daß ohne die Verfügung die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO), genügt ebensowenig wie das Anliegen, wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 940 ZPO). Erforderlich ist vielmehr eine bestehende oder drohende Notlage des Gläubigers. Jener muß so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruchs angewiesen sein oder ihm müssen so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, daß ihm ein Zuwarten oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Wegfall des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht zumutbar ist (Senat, NJW-RR 1996, 123, 124; KG, WuW/E OLG 4628, 4630 - Berlin-Ausgabe des Gongs; OLG Köln, OLG Report 1999, 42, 43; OLG München, OLG Report 1996, 136; Grunsky in Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 21. Aufl., vor § 935 IV Rdz. 55; Heinze in MüKo, Kommentar zur ZPO, § 935 Rdz. 184 a.E.; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., Vorbemerkung zu § 935 Rdz. 22; M. Huber in Musielak, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, § 940 Rdz. 14; vgl. zum Meinungsstand auch: Dunkl in Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Aufl., Abschnitt H Rdz. 73).

In die rechtliche Beurteilung einzubeziehen ist dabei auch, inwieweit die Ablehnung einer Befriedigungsverfügung zu einer Rechtsverweigerung führt. Freilich rechtfertigt sich der Erlass einer Befriedigungsverfügung im allgemeinen nicht schon alleine aus dem Umstand, daß die geschuldete Leistung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorzunehmen ist und die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist (Senat, NJW-RR 1996, 123, 124; OLG Köln, NJW-RR 1995, 1088; Schuschke in Schuschke/Walker, a.a.O.; M. Huber in Musielak, a.a.O.; aA.: OLG Frankfurt a.M., NJW 1975,,392, 393; OLG Koblenz, WuW/E OLG 3893 - reproreife Anzeige; KG, WuW/E OLG 4628, 4630 - Berlin-Ausgabe des Gongs; Grunsky in Stein/Jonas, vor § 935 IV Rdz. 55; Vollkommer in Zöller, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 940 Rdz. 6). Dem Interesse des Gläubigers an der Gewährung effektiven Rechtsschutzes steht das schutzwürdige Interesse des Schuldners gegenüber, nicht in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten ausgestalteten summarischen Verfahren zu einer Erfüllung des reklamierten Anspruchs verpflichtet zu werden. Dieses Interesse des Schuldners gewinnt um so mehr dann an Gewicht, wenn sich - wie hier - die Erfüllung (und ihre Folgen) nicht oder nur schwer wieder rückgängig machen lassen. In diesen Fällen sind die Belange des Schuldners vielfach nicht weniger schutzwürdig als das Streben des Gläubigers nach Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs. Der Erlass einer auf endgültige Befriedigung des Erfüllungsanspruchs gerichteten einstweiligen Verfügung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn der dem Antragsteller aus der Nichterfüllung drohende Schaden außer Verhältnis zu demjenigen Schaden steht, der dem Antragsgegner aus der sofortigen Erfüllung droht (ebenso: OLG Köln, NJW-RR 1995, 1088; OLG Rostock, MDR 1996, 1183; M. Huber in Musielak, a.a.O.; Schuschke in Schuschke/Walker, § 938 Rdz. 16).

In die Abwägung der beiderseitigen Belange der Parteien sind darüber hinaus die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrags einzubeziehen. Ist die Rechtslage eindeutig und läßt sich die Berechtigung des verfolgten Anspruchs zweifelsfrei feststellen, so ist der Schuldner weniger schutzwürdig und überwiegt im Zweifel das Interesse des Antragstellers daran, daß sein Anspruch bereits im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erfüllt wird.

Die vorgenannten Beurteilungskriterien stehen dabei insgesamt in einer Wechselbeziehung zueinander. Ist die Berechtigung des reklamierten Anspruchs eindeutig und/oder liefe die Versagung einer Befriedigungsverfügung mehr oder weniger auf eine endgültige Rechtsverweigerung hinaus, sind geringere Anforderungen an die wirtschaftliche Notlage zu stellen. Umgekehrt ist die Schwelle für die zu fordernde Notlage höher anzusetzen, wenn die Rechtslage nicht zugunsten des Antragstellers völlig zweifelsfrei ist und/oder eine Verweisung auf die Geltendmachung von Schadensersatz zumutbar ist.

2. An diesen Rechtsgrundsätzen gemessen lagen im Streitfall die Voraussetzungen vor, unter denen ausnahmsweise der Erlass einer Befriedigungsverfügung in Betracht kommt. Bei Abwägung aller Umstände war es der Antragstellerin nicht zuzumuten, die wirtschaftlichen Folgen, welche ihr bei einer unterbleibenden Messeteilnahme drohen, hinzunehmen und die Antragsgegnerin für den Fall einer rechtswidrigen Ablehnung des Zulassungsantrags auf Schadensersatz in Regress zu nehmen.

a) Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, daß sie zum Betrieb ihrer Galerie dringend auf die Teilnahme an der "Art Cologne" angewiesen ist.

Durch Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers vom 8. Oktober 2000 (Anlage CCP 4) hat die Antragstellerin dargelegt, daß sie einen Großteil ihres Jahresumsatzes auf der "Art Cologne" erzielt. In den letzten drei Jahren beziffert sich danach der Umsatzanteil, der auf das Messe- und Messenachgeschäft der "Art Cologne" entfällt, auf 60 % bis 80 % des Jahresumsatzes. Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat dazu im Senatstermin nachvollziehbar erläutert, daß gerade für die Antragstellerin die Teilnahme an der "Art Cologne" deshalb von besonderer Bedeutung sei, um über den - in der Kunstszene eher unbedeutenden - Standort B hinaus finanziell potente Käufer zeitgenössischer Kunst zu erreichen.

Zur Zuverlässigkeit der angegebenen Umsatzanteile hat der Geschäftsführer angegeben, daß er sich vor jedem Verkauf beim Interessenten danach erkundige, auf welche Weise er auf die Galerie aufmerksam geworden sei. Da er über das Ergebnis seiner Erkundigungen Aufzeichnungen fertige, lasse sich der Umsatzanteil, der auf die "Art Cologne" zurückgehe, sehr genau ermitteln und nachvollziehen. Jener habe - wie angegeben - in den letzten Jahren deutlich über 50 % gelegen.

Der Senat hat keinen Anlass, die Richtigkeit dieser Angaben zu bezweifeln. Angesichts dessen war hinreichend wahrscheinlich, daß die Antragstellerin durch die Nichtteilnahme an der "Art Cologne" einen erheblichen finanziellen Schaden erleidet. Damit war die für den Erlass einer Befriedigungsverfügung erforderliche wirtschaftliche Notlage gegeben.

b) Der Schaden, welcher der Antragstellerin aus einer unterbleibenden Messeteilnahme voraussichtlich erwächst, überwiegt zudem deutlich denjenigen Nachteil, welcher die Antragsgegnerin bei Erlass einer Befriedigungsverfügung erlitten hätte.

Die Antragstellerin hatte ein vitales Interesse daran, bereits im Wege der einstweiligen Verfügung die Zulassung zur Kunstmesse zu erwirken. Sie erzielt - wie ausgeführt - den überwiegenden Teil ihres jährlichen Umsatzes auf der "Art Cologne". Eine Nichtteilnahme gefährdete deshalb den wirtschaftlichen Erfolg der Galerie in dem betreffenden Jahr. Dieser wirtschaftliche Schaden läßt sich aller Voraussicht nach im Klagewege nur begrenzt abwenden. Angesichts der Kürze der noch zur Verfügung stehenden Zeit bestand von vornherein keine Aussicht, den Zulassungsanspruch im Klagewege durchsetzen. Die Antragstellerin wäre in einem Hauptprozeß vielmehr auf die Geltendmachung von Schadensersatz verwiesen gewesen. Ob sich die Antragstellerin indes auf diesem Wege völlig schadlos halten kann, ist zweifelhaft. Zum einen ist die Ermittlung des aus einer unberechtigten Ablehnung des Zulassungsantrags entstandenen Schadens schwierig und mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden. Der Bezifferung des Schadens kann nur eine mehr oder weniger unsichere Prognose zugrunde gelegt werden, in welcher Größenordnung bei einer Messeteilnahme voraussichtlich Verkäufe getätigt worden wären. Im Ergebnis läuft die Antragstellerin damit Gefahr, einen Teil des tatsächlich eingetretenen wirtschaftlichen Schadens - nämlich denjenigen, der sich nicht sicher nachweisen läßt - selbst tragen zu müssen. Es kommt hinzu, daß ein stattgebendes Urteil unter Umständen erst nach Jahren erstritten werden kann. Die Antragstellerin ist dann für die Fortführung ihres Geschäftsbetriebes darauf angewiesen, daß sie über ausreichende finanzielle Reserven verfügt, um die eingetretenen Umsatzausfälle überbrücken zu können. Schließlich ist bei der Interessenabwägung in Rechnung zu stellen, daß speziell für die Antragstellerin, die seit 1992 ohne Unterbrechung auf der Messe vertreten war und einen Großteil ihres Umsatzes über das Messegeschäft erzielt, die Nichtteilnahme an der "Art Cologne" zu einem Ansehensverlust in den Käuferkreisen führen kann.

Das schutzwürdige Interesse der Antragsgegnerin, die Antragstellerin nicht auf der Grundlage eines bloß summarischen Verfahrens die Messeteilnahme gestatten zu müssen, tritt dahinter zurück. Zwar ist nicht zu verkennen, daß die Antragsgegnerin durch den Erlass von Befriedigungsverfügungen gezwungen ist, Standplätze für abgelehnte Bewerber zu reservieren, die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ihre Messeteilnahme erzwingen. Die Antragsgegnerin müßte dabei eine mehr oder weniger große Zahl an Messeplätzen bereithalten. Berücksichtigt man die herausgehobene Bedeutung der "Art Cologne" und die damit einhergehende große Zahl von Galeristen, die sich um eine Messeteilnahme bewerben, und stellt man des weiteren in Rechnung, daß wegen der begrenzten Zahl der Messeplätze in den letzten Jahren jeweils mehr als 200 Bewerber abgewiesen werden mußten, so liegt es nahe, daß sich eine erhebliche Zahl von Galeristen gerichtlich gegen die Ablehnung ihres Zulassungsantrags wenden. Das belegen auch die tatsächlichen Verfahrenszahlen. Alleine bei der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln waren im Jahre 1999 neun und im Jahre 2000 elf Rechtsschutzanträge auf Zulassung zur "Art Cologne" anhängig. In welcher Zahl die angestrengten Verfahren auf Zulassung zur "Art Cologne" Erfolg haben werden, ist für die Antragsgegnerin nicht vorhersehbar. Sie müßte deshalb eine größere Anzahl an Standplätzen auf die Gefahr hin bereit halten, daß diese Plätze letztlich doch nicht in Anspruch genommen werden. Das beeinträchtigt die berechtigten Belange der Antragsgegnerin in nicht unerheblichem Maße.

Gleichwohl gebührt im Entscheidungsfall dem Interesse der Antragstellerin, ihren Zulassungsanspruch im einstweiligen Rechtsschutz durchzusetzen, der Vorrang. Denn eine Teilnahme an der "Art Cologne" ist für die Antragstellerin, die in den letzten Jahren 60 % bis 80 % ihres Jahresumsatzes durch das Messe- und Messenachgeschäft erzielt hat, wirtschaftlich von nahezu existentieller Bedeutung.

c) Schließlich hätten auch die voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Zulassungsbegehrens der Antragstellerin den Erlass einer Befriedigungsverfügung gerechtfertigt.

aa) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 1999 - U (Kart) 35/98) - fest, daß die Antragsgegnerin als Veranstalter der "Art Cologne" ein (zumindest) marktstarkes Unternehmen im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB (= § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB a.F.) ist. Das Berufungsvorbringen der Antragsgegnerin gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Insbesondere ist der räumlich relevante Markt, auf dem die Antragsgegnerin über eine marktstarke Stellung verfügen muß, nicht über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus auf ganz Europa auszudehnen. Für die bis zum 31. Dezember 1998 geltende Rechtslage entsprach es höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, WuW/E BGH 3026, 3030 - Backofenmarkt), daß der räumlich relevante Markt allenfalls so groß sein kann wie das Bundesgebiet, und daß es dementsprechend alleine auf die Frage einer marktstarken Stellung des Unternehmers im Inland ankommt (ebenso: Möschel in Immenga/Mestmäcker, § 22 Rdz. 35; Ruppelt in Langen/Bunte, § 22 Rdz. 25). Seine Rechtfertigung findet diese Judikatur in dem Umstand, daß das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausschließlich den Schutz des inländischen Marktes bezweckt. Die zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene 6. GWB-Novelle hat an dieser Rechtslage nichts geändert. § 130 Abs. 2 GWB n. F. beschränkt den Anwendungsbereich des Kartellgesetzes ausdrücklich auf solche Wettbewerbsbeschränkungen, die sich im Inland auswirken. Folgerichtig geht deshalb auch das Bundeskartellamt in seinen Entscheidungen zur geänderten Gesetzeslage - und zwar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs - davon aus, daß der räumlich relevante Markt (nach wie vor) allenfalls das Inland umfasst. In der Entscheidung "Dürr/Alstom" (WuW DE-V 235, 237) wird dies vom Bundeskartellamt - zutreffend - selbst für den Fall angenommen, daß bei rein wirtschaftlicher Betrachtung der Markt an sich größer abzugrenzen ist. Es geht hier aber um die Relevanz des zu bestimmenden Marktraums für die Feststellung der Voraussetzungen für die formale und materielle Anwendung des GWB. Sachlich gleiche Auswirkungen finden sich in den Bundeskartellamtsentscheidungen "Drucksensor" (WuW DE-V 157, 159) und "Dow Chemical/Shell" (WuW DE-V 109/110).

Die Antragsgegnerin als inländisch marktstarkes Unternehmen unterliegt folglich dem kartellrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung (§ 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 GWB). Dazu zählt namentlich die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die in ihren Allgemeinen Teilnahmebedingungen (ATB) aufgestellten Auswahlkriterien gleichmäßig und willkürfrei anzuwenden. Soweit es in diesem Zusammenhang auf die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, insbesondere auf die Bewertung der von den anmeldenden Galerien vertretenen Künstler und deren auszustellenden Werke geht, steht der Antragsgegnerin dabei zwar ein weiter Beurteilungsspielraum zu (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Frankfurt a.M., WuW/E OLG 5027, 5030). In jedem Fall unterliegt der gerichtlichen Kontrolle aber, ob die Antragsgegnerin bei ihrer Auswahlentscheidung von einem vollständigen und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und sie eine widerspruchsfreie, in sich nachvollziehbare und auf sachgerechte Gesichtspunkte gestützte Begründung gefunden hat.

bb) Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend spricht alles dafür, daß das Zulassungsverlangen der Antragstellerin zu Unrecht abgelehnt worden ist.

(1) Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Zulassungsantrags der Antragstellerin auf § 5.3 Nr. b) 1. Spiegelstrich ATB gestützt. Danach kann eine Galerie von der Teilnahme ausgeschlossen werden, wenn sich das zur Präsentation angemeldete Programm wesentlich von ihrem Galerieprogramm unterscheidet. Die Antragsgegnerin hat diese Voraussetzung als erfüllt angesehen. Sie hat dazu in ihrem Widerspruchsschreiben an die Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 17. Juli 2000 ausgeführt:

Nach Überzeugung des Zulassungsausschusses ist Ihre Mandantin bisher nicht als Vertreterin des Künstlers Rainer F in Erscheinung getreten. Auch aus den von Ihrer Mandantin vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Hinweise, dass der Künstler F bisher mit Ihrer Mandantin zusammengearbeitet hat. Dies verdeutlicht auch die von Ihnen in Bezug genommene "Berliner Nacht", hinsichtlich derer Ihre Mandantin auf der ART COLOGNE 1995 gerade nicht mit dem Künstler Rainer F vertreten war.

Der Künstler F wurde in der Vergangenheit in der Hauptsache durch folgende Galerien maßgeblich vertreten:.....

Diese Argumentation geht schon im Ansatz fehl. Sie stellt darauf ab, ob der zur Ausstellung vorgesehene Künstler bislang bereits von der Galerie vertreten worden ist. Darauf kommt es indes nicht entscheidend an. Für den Ausschlussgrund des § 5.3 Nr. b) 1. Spiegelstrich ATB ist alleine maßgebend, ob die zur Ausstellung vorgesehenen Kunstwerke in bezug auf ihre Kunstrichtung sowie den Wert und Rang der Exponate das Galerieprogramm wiederspiegeln. Dafür spricht schon der Wortlaut der Teilnahmebedingung. Jene fordert eine Konvergenz des Ausstellungs- mit dem Galerieprogramm, nicht die Übereinstimmung der zur Ausstellung vorgesehenen und der in der Galerie gezeigten Künstler. Für ein dahingehendes Verständnis streitet zudem das in § 1.2 Nr. a) ATB niedergelegte Ziel der "Art Cologne", "ein repräsentatives und ausgewogenes Bild von der modernen Kunst und der Leistungsfähigkeit der internationalen Galerien in diesem Bereich zu vermitteln". Mit Recht hat die Antragsgegnerin in zweiter Instanz auch nicht mehr bezweifelt, daß es für § 5.3 Nr. b) 1. Spiegelstrich ATB alleine auf einen Vergleich der zur Ausstellung angemeldeten und der in der Galerie gezeigten Kunstwerke ankommt.

Die Begründung, mit welcher der Zulassungsausschuss unter dem 17. Juli 2000 einen Zulassungsanspruch der Antragstellerin verneint hat, verfehlt den danach gültigen Beurteilungsmaßstab völlig. Denn die Antragsgegnerin stellt fehlerhaft ausschließlich darauf ab, daß der Künstler F von der Antragstellerin bislang nicht vertreten worden ist. Diesen Standpunkt hat die Antragsgegnerin im übrigen noch im erstinstanzlichen Verfahren vertreten. In ihrer Antragserwiderung vom 11. September 2000 (dort Seite 24, GA 72) hat sie die Ablehnung des Zulassungsantrags nach § 5.3 Nr. b) 1. Spiegelstrich ATB ausdrücklich mit dem Hinweis verteidigt, der Künstler F gehöre nicht zum Galerieprogramm der Antragstellerin.

(2) Im Berufungsrechtszug vertritt die Antragsgegnerin nunmehr den zutreffenden Standpunkt, daß für § 5.3 Nr. b) 1. Spiegelstrich ATB auf die Kunstwerke abzustellen ist. Es ist zu prüfen, ob das angemeldete Ausstellungsgut der Antragstellerin von der Kunstrichtung her und/oder mit Blick auf das Renommee der Kunstwerke von ihrem Galerieprogramm wesentlich abweicht. Das läßt sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht feststellen.

(a) Die Antragstellerin hat anhand zahlreicher Abbildungen (Anlage 5-11, GA 30-38) dargelegt, daß die gegenständliche figurative Kunst seit vielen Jahren einen Schwerpunkt ihres Galerieprogramms bildet, daß sie mit namhaften Künstlern dieser Kunstrichtung (z.B. Stangl, Bargheer, E.L. Kirchner, Grützke, Kerbach) immer wieder Ausstellungen präsentiert und nicht zuletzt in den Jahren 1992, 1993 und 1995 auf der "Art Cologne" figurative Kunst ausgestellt habe, und daß Rainer F dieser Kunstrichtung ebenfalls angehöre. Dieser Sachvortrag ist ohne weiteres plausibel und nachvollziehbar; er hat zur Konsequenz, daß die Ablehnung des Zulassungsantrags der Antragstellerin gemäß § 5.3 Nr. b) 1. Spiegelstrich ATB unberechtigt war.

(b) Das Vorbringen der Antragsgegnerin im Verfügungsverfahren zieht diese Feststellung nicht in Zweifel.

Die Antragsgegnerin stellt zum einen pauschal die Vergleichbarkeit F mit den anderen von der Antragstellerin genannten Künstlern in Abrede. Insoweit ist ihr Vorbringen indes ohne jede Substanz. Dem Prozeßvortrag der Antragsgegnerin ist nicht im Ansatz zu entnehmen, aus welchen Gründen die gegenständliche Kunst der Künstler, welche die Antragstellerin im Rahmen ihres Galerieprogramms bereits ausgestellt hat, wesentlich von der figurativen Kunst F abweichen soll. Der Vortrag der Antragsgegnerin gibt deshalb im Ergebnis keinen Anlass, die von der Antragstellerin geltend gemachte Übereinstimmung ihres Galerieprogramms mit den zur Ausstellung angemeldeten Werken F anzuzweifeln.

Die Antragsgegnerin beruft sich zum anderen darauf, der Begriff der figurativen Kunst sei als Abgrenzungskriterium ungeeignet, weil er weltweit mindestens 80 % der bildenden Kunst umfasse. Innerhalb dieses Bereichs - so macht die Antragsgegnerin geltend - gebe es zahlreiche unterschiedliche Nuancen, welche es verböten, alleine die Zugehörigkeit eines Künstlers zur figurativen Kunst als Beurteilungsmaßstab heranzuziehen. Als solche Nuancen gebe es etwa den dokumentierenden Realismus, den politischen Realismus, den sozialistischen Realismus, den Fotorealismus. Alle diese Sparten seien dem Realismus zuzuordnen, hätten aber mit der Kunst F nichts zu tun. Aus alledem läßt sich eine Berechtigung, den Zulassungsantrag der Antragstellerin nach § 5.3 Nr. b) 1. Spiegelstrich ATB zurückzuweisen, nicht herleiten. Die Antragsgegnerin läßt bei ihrer Argumentation unberücksichtigt, daß für den Ausschlusstatbestand des § 5.3 Nr. b) 1. Spiegelstrich ATB eine wesentliche Abweichung zwischen Ausstellungs- und Galerieprogramm erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund geht der Hinweis, daß es innerhalb der figurativen Kunst unterschiedliche "Nuancen" gebe, schon im Ansatz fehl. Es kommt hinzu, daß die gewählten Beispiele verschiedener Spielarten des Realismus für den vorliegenden Fall ohnehin keinen Aussagewert haben. Die Antragsgegnerin räumt selbst ein, daß F der Kunstrichtung des Realismus gerade nicht angehört. Dann lassen sich aus den unterschiedlichen Kunstströmungen des Realismus aber auch keinerlei Schlußfolgerungen für die Frage ableiten, ob das Galerieprogramm der Antragstellerin von der Kunst F wesentlich abweicht. Erst recht sind die Beispielsfälle der Antragsgegnerin nicht im geringsten geeignet, den durch zahlreiche Abbildungen veranschaulichten Sachvortrag der Antragstellerin in Frage zu stellen, daß sich die figurative Kunst F in ihr bisheriges Galerieprogramm mit namhaften Vertretern der gegenständlichen figurativen Kunst (im Sinne einer nicht wesentlichen Abweichung) einfügt.

C. Nach alledem ist der Zulassungsantrag der Antragstellerin zu Unrecht abgelehnt worden und hätte dem auf eine Zulassung zur Messe gerichteten Verfügungsantrag stattgegeben werden müssen. Nachdem der Zulassungsanspruch der Antragstellerin dadurch untergegangen ist, daß die Antragsgegnerin mittlerweile sämtliche Messeplätze anderweitig vergeben hat, ist auf den Antrag der Antragstellerin festzustellen, daß sich das einstweilige Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt hat.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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