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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.11.2006
Aktenzeichen: VI-3 Kart 165/06 (V)
Rechtsgebiete: EnWG, VwVfG, GKG, ZPO


Vorschriften:

EnWG § 23 a
EnWG § 23 a Abs. 3 S. 1
EnWG § 23 a Abs. 4 S. 2
EnWG § 67 Abs. 2
EnWG § 90 S. 1
EnWG § 115 Abs. 1 a
VwVfG § 13 Abs. 2 S. 2
GKG § 50 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 2. März 2006 (BK 8 -05/039) aufgehoben.

Die Bundesnetzagentur wird verpflichtet, über den Beiladungsantrag der Beschwerdeführerin vom 5. Dezember 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Bundesnetzagentur hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Beschwerdeführerin - einschließlich der Anwaltskosten - zu tragen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 10.000 €

Gründe:

I.

Die Beteiligte V... E... AG & Co. KG (V... E... ) betreibt in B. als Rechtsnachfolgerin der B... Aktiengesellschaft & Co. KG (B...) ein Elektrizitätsversorgungsnetz. Die Beschwerdeführerin gehört zum niederländischen N...-Konzern. Zu ihren Geschäftsfeldern gehört die Belieferung von Weiterverteilern, Industrie- und Gewerbekunden mit Elektrizität. Für B. unterhält sie mit der V... E... einen Rahmenvertrag über die Netznutzung und das zu entrichtende Netzzugangsentgelt.

Mit Schreiben vom 28.10.2005 hat die V... E... die Genehmigung von Entgelten für den Zugang zu ihrem Elektrizitätsversorgungsnetz gemäß § 23 a EnWG beantragt. Mit Schreiben vom 5.12.2005 hat die Beschwerdeführerin ihre Beiladung zu dem Verfahren begehrt. Die Bundesnetzagentur - Beschlusskammer 8 - hat den Beiladungsantrag mit Beschluss vom 2.3.2006 abgelehnt und hierzu ausgeführt: Ein Fall notwendiger Beiladung liege nicht vor, weil die Genehmigung der Netzentgelte keine unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung auf die Rechtsbeziehung zwischen der V... E... und der Beschwerdeführerin habe. Auch eine einfache Beiladung scheide aus. Dabei könne offen bleiben, ob die Interessen der Beschwerdeführerin durch die Entscheidung erheblich berührt würden. Denn jedenfalls spreche die Abwägung aller Umstände gegen eine Beiladung. Ein das Verfahren wesentlich fördernder Beitrag sei von der Beschwerdeführerin nicht zu erwarten. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beschlusskammer innerhalb kurzer Zeit eine Vielzahl anderer Entgeltgenehmigungsanträge zu bearbeiten habe.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde verfolgt die Beschwerdeführerin ihr Beiladungsbegehren weiter.

Sie beantragt,

die Bundesnetzagentur unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zu verpflichten, über ihren Beiladungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Bundesnetzagentur und die V... E... beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie treten dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Einzelnen entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze und die Verwaltungsakten verwiesen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin hat Erfolg. Die Bundesnetzagentur ist zu verpflichten, erneut über den Beiladungsantrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden.

1. Ein Fall notwendiger Beiladung liegt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin allerdings nicht vor (vgl. hierzu bereits Senat, Beschluss vom 6.7.2006, 3 Kart 144 - 149/06 (V)). Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung werden in den Verfahrensordnungen unterschiedlich umschrieben. Die Beiladung ist begrifflich eine notwendige, wenn Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (vgl. § 83 Abs. 1 S. 4 EnWG, § 71 Abs. 1 S. 4 GWB und § 65 Abs. 2 VwGO). Nach § 13 Abs. 2 S. 2 VwVfG ist eine (notwendige) Beiladung ferner auszusprechen, wenn der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für einen Dritten hat. Allen Fällen der notwendigen Beiladung ist gemein, dass sie zum Schutz subjektiver Rechte des Beizuladenden erforderlich sind, weil der Ausgang des Verfahrens den Beizuladenden unmittelbar in seinen Rechten verletzen kann. Die Genehmigung eines bestimmten Höchstpreises gemäß § 23 a EnWG kann einen Netznutzer oder Wettbewerber des Netzbetreibers indes nicht in seinen Rechten verletzen. Dieser hat im Verfahren gemäß § 23 a EnWG kein subjektives Recht auf die Genehmigung eines bestimmten Höchstentgeltes, ungeachtet seiner Möglichkeit, bei überhöhten Entgelten auf die Einleitung eines Missbrauchsverfahrens gegen den Netzbetreiber hinzuwirken (§ 31 EnWG). Der Entgeltgenehmigung kommt auch in Bezug auf bestehende Netznutzungsverträge keine unmittelbare Gestaltungswirkung zu. Die genehmigten Entgelte werden nicht kraft Gesetzes oder Verfügung in die bestehenden Verträge implementiert. Vielmehr bilden sie als Höchstpreise nur die obere Entgeltgrenze. Ob der hierdurch gezogene Entgeltrahmen ausgeschöpft wird, bleibt den Verhandlungen der Vertragsparteien überlassen. Überdies ist eine Entgeltanpassung nur dann vorgeschrieben, wenn das bislang vereinbarte Entgelt das genehmigte überschreitet; selbst dann kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung unterbleiben (§ 23 a Abs. 2 S. 2 EnWG). Entsprechendes gilt nach dem klaren Gesetzeswortlaut auch im Rahmen des § 115 Abs. 1 a EnWG. Danach sind Verträge mit einer längeren Laufzeit als sechs Monate nach Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes hinsichtlich der Entgelte, soweit sie nach § 23 a EnwG zu genehmigen sind, unabhängig von einem Verlangen einer Vertragspartei anzupassen. Erforderlich ist also auch dort eine Anpassungsvereinbarung als weiterer Umsetzungsakt. Der von der Beschwerdeführerin behauptete privatrechtsgestaltende Automatismus der Genehmigung besteht danach nicht. Nichts anderes gilt mit Blick auf § 23 a Abs. 3 S. 1 EnWG, der vom "Wirksamwerden" der beantragten Netzentgelte spricht. Die Vorschrift bestimmt lediglich den Zeitpunkt, von dem an der Netzbetreiber das Netzentgelt in der genehmigten Höhe von seinen Vertragspartnern verlangen darf. Ob er dieses Netzentgelt tatsächlich fordert, bleibt seiner unternehmerischen Entscheidung überlassen. Ebenso wenig gebieten verfassungsrechtliche Aspekte die Anerkennung einer notwendigen Beiladung. Diese ist insbesondere nicht deswegen geboten, weil einem Dritten nur nach erfolgter Beiladung die Beschwerdebefugnis zusteht (§ 75 Abs. 2 EnWG). Bei einem Widerstreit zwischen den Belangen des Einzelnen, die für einen möglichst weitgehenden Rechtschutz streiten, und anderen gegenläufigen Belangen verlangt der aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Justizgewährungsanspruch keine Maximierung der Rechtschutzmöglichkeiten des einzelnen Rechtssuchenden, sondern nur eine sachgerechte Gewichtung der betroffenen rechtlich geschützten Belange (vgl. für den nationalen Rechtsschutz in öffentlichen Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte: BVerfG, Beschluss vom 13.6.2006, 1 BvR 1160/03). Im Kontext der Genehmigungsverfahren nach § 23 a EnWG erlaubt es die Abwägung, den beiladungswilligen Netznutzer bzw. Wettbewerber des Netzbetreibers im Falle seiner erheblichen Interessenberührung auf eine in das pflichtgemäße Ermessen der Regulierungsbehörde stehende Entscheidung über die (einfache) Beiladung zu verweisen (§ 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG).

2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen einer (einfachen) Beiladung erfüllt. Die Interessen der Beschwerdeführerin werden durch die Genehmigungsentscheidung erheblich berührt (§ 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG). Als Wettbewerberin der mit der Beteiligten verbundenen Konzernunternehmen auf dem B.er Markt für die Lieferung von Elektrizität und zudem als Kundin und Nutzerin des verfahrensgegenständlichen Elektrizitätsversorgungsnetzes ist die Beschwerdeführerin von der Genehmigungsentscheidung wirtschaftlich erheblich betroffen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Netzagentur und V... E... die erhebliche Interessensberührung der Beschwerdeführerin zu Recht nicht mehr in Abrede gestellt.

Die Beiladungsentscheidung steht mithin im Ermessen der Bundesnetzagentur. Die Ermessensausübung kann durch das Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler überprüft werden, insbesondere dahin, ob die Netzagentur von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat, ob sie durch die konkrete Ermessenentscheidung Sinn und Zweck des Gesetzes verfehlt oder bei der Ermessensabwägung Interessen eines Beteiligten in erheblicher Weise außer Acht gelassen hat. Daran gemessen hält die angefochtene Entscheidung auch mit den von der Netzagentur im Beschwerdeverfahren zulässigerweise nachgebrachten Erwägungen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Für die Beiladung der Beschwerdeführerin spricht ihre mehrfache Betroffenheit als Netznutzerin sowie Kundin und Wettbewerberin der V... E... . Ferner hat sie nachvollziehbar und in der Senatssitzung unwidersprochen dargelegt, dass sie - ohnehin nahe liegend - aufgrund ihrer Marktteilnahme und Wettbewerbsnähe über Erfahrungen und örtliche Kenntnisse verfügt, die für das Genehmigungsverfahren von Bedeutung sein können. Sie hat dies plausibel am Beispiel der Kosteneffizienz eines zum Netzbetrieb der V... E... gehörenden Umspannwerkes erläutert (vgl. hierzu auch S. 10/11 der Beschwerdebegründung). Die Netzagentur hat demgegenüber zwar pauschal auf eigene (ausreichende) Kenntnisse aus Quervergleichen mit anderen Unternehmen verwiesen, einen möglicherweise weiterführenden Beitrag der Beschwerdeführerin jedoch nicht ausschließen können. Gewichtige Belange, die gegen die Beiladung der Beschwerdeführerin sprechen könnten, sind auch sonst nicht ersichtlich. Den Geheimhaltungsinteressen der V... E... hinsichtlich ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse kann in geeigneter Form durch ein beschränktes Akteneinsichtsrecht der Beschwerdeführerin Rechnung getragen werden. Der Hinweis der Netzagentur auf eine verfahrensökonomische Ausgestaltung des Entgeltgenehmigungsverfahrens überzeugt ebenfalls nicht. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beiladung der Beschwerdeführerin zu einer nicht hinnehmbaren, insbesondere den Zwecken des Energiewirtschaftsgesetzes widersprechenden Verfahrensverzögerung führen würde. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass eine Beiladung Dritter das Verfahren im Endergebnis verschleppen wird, besteht nicht. Sind weiterführende Sachbeiträge eines Beiladungswilligen möglich, kann gerade dessen Beiladung verfahrensökonomisch sein. Dass inzwischen in der Hauptsache ein Genehmigungsbescheid ergangen ist (15.9.2006), hat hierbei außer Betracht zu bleiben. Dass es außer diesem Verfahren noch eine Reihe anderer innerhalb der Frist des § 23 a Abs. 4 S. 2 EnWG zu bescheidender Netzentgeltgenehmigungsanträge gibt, ist als Ablehnungsgrund ebenfalls nicht anzuerkennen. Bei der Einräumung der Beiladungsmöglichkeit von Personen, deren Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden, hat der Gesetzgeber den mit einer Beiladung verbundenen behördlichen Mehraufwand gesehen und damit auch für die Anfangsphase der Regulierungstätigkeit entschieden, dass die konkrete Beiladung nicht an einer allgemeinen Arbeitsbelastung der Regulierungsbehörde scheitern darf. Nicht ermessensfehlerfrei ist ferner die Erwägung der Netzagentur, die Beschwerdeführerin könne anderweitig - außerhalb einer Beiladung - Sachvortrag in das Verfahren einbringen. Die bloße Stellungnahme nach § 67 Abs. 2 EnWG bietet dem Beiladungswilligen keine gleichwertigen Verfahrensrechte (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 10.4.2006, VI-3 Kart 164/06 (V)).

Die von der Bundesnetzagentur angezogenen Ermessenserwägungen tragen die Ablehnung des Beiladungsgesuchs nach alledem nicht. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben (§ 85 Abs. 2 S. 1 EnWG). Ferner ist die Netzagentur auf den Antrag der Beschwerdeführerin zu verpflichten, erneut und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats über das Beiladungsbegehren der Beschwerdeführerin zu entscheiden. Diesem wird nach dem bisherigen Sachstand zu entsprechen sein.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 90 S. 1 EnWG und §§ 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, 3 ZPO.

IV.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der V... E... vom 23.10.2006 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Ende der Entscheidung

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