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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.08.2007
Aktenzeichen: VI-3 Kart 6/07 (V)
Rechtsgebiete: EnWG, StromNEV


Vorschriften:

EnWG § 21 Abs. 2 Satz 1
StromNEV § 6 Abs. 5
StromNEV § 32 Abs. 3
Die seit Inbetriebnahme der Sachanlagegüter tatsächlich zugrundegelegten Nutzungsdauern sind nach der Übergangsregelung des § 32 Abs. 3 Strom-NEV nur für die erstmalige Ermittlung der kalkulatorischen Restwerte heranzuziehen. Die kalkulatorische Abschreibung für die Kalkulationsperiode ist anhand der in Anlage 1 zu § 6 Abs. 5 StromNEV festgelegten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zu ermitteln.
Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die von der Bundesnetzagentur für die Landesregulierungsbehörde des Landes S. unter dem 8. Dezember 2006 getroffene Entgeltgenehmigung - BK 8-05/246 - wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschwerdegegnerin zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin ist ein Energieversorgungsunternehmen, das im Land S. ein Elektrizitätsverteilernetz betreibt, an das weniger als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar angeschlossen sind. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 hat sie einen Antrag auf Genehmigung von Entgelten für den Stromnetzzugang gemäß § 23a EnWG gestellt, über den die Beschlusskammer 8 der Bundesnetzagentur unter dem 8. Dezember 2006 "in Wahrnehmung der Aufgaben der Regulierungsbehörde für das Land S." entschieden hat, indem sie die Entgelte für den Stromnetzzugang gemäß der dem Beschluss beigefügten Anlage genehmigt und den weitergehenden Antrag abgelehnt hat. Dabei hat die Beschlusskammer die von der Antragstellerin angesetzten Netzkosten um insgesamt 2.218.857,73 € (entspricht 10,37 %) gekürzt. Die wesentliche Kürzung ist bei den kalkulatorischen Abschreibungen auf das Sachanlagevermögen erfolgt, welche die Antragstellerin mit 2.945.536,21 € in Ansatz gebracht hatte und die Beschlusskammer um 1.452.038,53 € auf 1.493.497,68 € gekürzt hat.

Hintergrund dieser Kürzung ist der Streit, ob - wie die Beschlusskammer meint - für das Jahr 2004 die Nutzungsdauern der Anlage 1 zur Stromnetzentgeltverordnung oder - so die Antragstellerin - die kürzeren steuerlichen Nutzungsdauern anzusetzen sind. In dem Bescheid heißt es zu den kalkulatorischen Abschreibungen auf S. 35 u.a.: "Die Antragstellerin beantragt für die Regulierungsperiode weiterhin die steuerlichen Nutzungsdauern anzusetzen. Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht konform mit der Stromnetzentgeltverordnung. Mit Inkrafttreten der Stromnetzentgeltverordnung sind nach Auffassung der Beschlusskammer 8 neue Nutzungsdauern maßgeblich wie in der Anlage 1 der Stromnetzentgeltverordnung aufgeführt. Die Verpflichtung zur Anwendung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern nach Anlage 1 ergibt sich aus § 6 Abs. 5 Satz 1 der StromNEV, welcher keine Ausnahme zur Anwendung anderer Nutzungsdauern vorsieht. Bräuchten die Nutzungsdauern der Anlage 1 nicht angewendet werden, so würde die Vorschrift des § 6 Abs. 5 Satz 1 StromNEV ins Leere laufen. Der Erlass einer Verordnung mit vorgegebenen Nutzungsdauern wäre nicht sinnvoll, wenn die Möglichkeit bestehen würde, andere Nutzungsdauern anzusetzen." Zu der Ermittlung der Restwerte ist auf Seite 29 zuvor ausgeführt: "Hinsichtlich der jeweiligen Nutzungsdauern, die seit dem Anschaffungsjahr (Inbetriebnahme) eines Anlageguts gemäß Bogen "B2" Anwendung gefunden haben, geht die Beschlusskammer im Falle der Antragstellerin von den folgenden zulässigen Nutzungsdauern im Sinne von § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV aus: Land S. anwendbare Nutzungsdauern steuerliche Nutzungsdauern bis 31.12.2003. Bei der Ermittlung der anerkennungsfähigen Restwerte wurde vereinfachend und nicht zuungunsten der Antragstellerin unterstellt, dass die Abschreibungen des Jahres 2004 auf der Grundlage der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern nach Anlage 1 StromNEV ermittelt wurden."

Gegen den der Antragstellerin am 14. Dezember 2006 zugestellten Beschluss hat diese mit Schriftsatz vom 8. Januar 2007 bei der Bundesnetzagentur Beschwerde eingelegt und sie mit weiterem Schriftsatz vom 7. März 2007 begründet. Zugleich hat sie die Rüge der örtlichen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Düsseldorf erhoben und beantragt, den Rechtsstreit an das nach ihrer Auffassung zuständige S... Oberlandesgericht zu verweisen. Diesen Verweisungsantrag hat der Senat mit Beschluss vom 2. Mai 2007 zurückgewiesen und das Oberlandesgericht Düsseldorf für die Entscheidung über die Beschwerde der Antragstellerin als örtlich zuständig erklärt.

In der Sache meint die Antragstellerin, sie habe die von ihr beantragten Abschreibungen methodisch korrekt auf der Basis der von ihr angesetzten Restbuchwerte und Nutzungsdauern der Sachanlagegüter ermittelt. In der Vergangenheit habe sie für die von ihr erworbenen oder errichteten Anlagegüter die steuerlich zulässigen Nutzungsdauern angesetzt. Dies gelte auch für das Jahr 2004. Soweit die Beschlusskammer der Ansicht sei, aus § 6 Abs. 5 Satz 1 StromNEV ergebe sich, dass für das Jahr 2004 die (längeren) Nutzungsdauern anzusetzen seien, die sich aus der Anlage 1 zur Stromnetzentgeltverordnung ergäben, verkenne sie das Zusammenspiel des § 6 Abs. 5 Satz 1 StromNEV mit der Übergangsregelung des § 32 Abs. 3 StromNEV. Aus letzterer ergebe sich, dass sie die steuerlichen Nutzungsdauern für 2004 ansetzen dürfe und müsse. § 32 Abs. 3 StromNEV gehe davon aus, dass zur erstmaligen Bestimmung der Netzentgelte nach der Stromnetzentgeltverordnung die kalkulatorischen Restwerte nach den neuen Regeln einmal bestimmt und festgelegt werden müssen. Dafür komme es darauf an, wie bislang die Nutzungsdauern in der Entgeltkalkulation berücksichtigt worden seien. Diesbezüglich sehe § 32 Abs. 3 StromNEV in den Sätzen 2 bis 4 eine Grundregel und zwei Vermutungsregeln vor. Hier komme bereits die Grundregel von Satz 2, aber auch die erste Vermutungsregel nach Satz 3 dazu, dass die steuerlichen Nutzungsdauern zugrunde zu legen seien. § 32 Abs. 3 Satz 2 StromNEV erkläre zunächst die tatsächlich angesetzten Nutzungsdauern für entscheidend. Dies sei vorliegend einschlägig, denn die Beschwerdeführerin habe - was zwischen den Parteien im Verwaltungsverfahren unstreitig geblieben sei - im Jahre 2004 die kurzen steuerlichen Nutzungsdauern ihrer Kalkulation tatsächlich zugrunde gelegt. Von einem solchen Zugrundelegen für eine kalkulatorische Abschreibung sei dann auszugehen, wenn auf der Basis der Abschreibungen ein Preis kalkuliert worden sei. Sie habe ihren Strompreis im Rahmen ihres BTOElt-Genehmigungsverfahrens kalkuliert; Bestandteil dessen seien auch die nach der alten Verbändeverordnung kalkulierten Netzkosten. Unschädlich sei es insoweit, dass es keine jährlichen Genehmigungen durch die Tarifbehörde gegeben habe, also insoweit kein Stromtarifbescheid existiere, der explizit eine Kalkulation auf Basis des Jahres 2004 beinhalte. Im Regelfall sei eine erteilte Genehmigung beibehalten worden, bis sich die Kalkulationsgrundlagen änderten. So sei es auch im vorliegenden Fall, denn sie - die Antragstellerin - habe ihre Nutzungsdauer nicht verändert, so dass die Kalkulationen in dieser Hinsicht weiterhin Geltung hätten. Zum gleichen Ergebnis komme auch § 32 Abs. 3 Satz 3 StromNEV. Im Wege einer Vermutungsregel sollten dann, wenn die tatsächlich angesetzten Nutzungsdauern nicht bekannt seien, die im Rahmen des BTOElt-Verfahrens berücksichtigten angesetzt werden. In S. seien das die steuerlichen Nutzungsdauern gewesen. Einen Nutzungsdauerwechsel von 2003 zu 2004 - wie die Beschlusskammer ihn annehme - habe es nicht gegeben, da kontinuierlich weiter die steuerlichen Nutzungsdauern angesetzt worden seien. Da im Jahre 2004 das aktuelle EnWG inkl. der Stromnetzentgeltverordnung noch keine Geltung gehabt habe, hätten weder sie noch die BTOElt-Behörde Veranlassung gehabt, etwas an ihrer Abschreibungspraxis zu ändern. Auch die Stromnetzentgeltverordnung sehe keinen Zeitpunkt eines Wechsels der Nutzungsdauer vor. Wenn der Verordnungsgeber dies gewollt haben sollte, hätte er es explizit in den Verordnungstext im Rahmen der Übergangsregelung aufnehmen müssen. Im Übrigen gehe auch die Beschlusskammer ganz offensichtlich davon aus, dass es auf die tatsächlichen Nutzungsdauern ankomme. Denn sowohl in der Anhörung als auch in ihrem Bescheid habe sie "unterstellt", dass im Jahr 2004 die Nutzungsdauern der Anlage 1 zur StromNEV herangezogen worden seien. Durch die pauschale Gleichbehandlung aller Netzbetreiber ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles verstoße die Bundesnetzagentur auch gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Rückwirkungsverbot. Da es in § 6 Abs. 5 StromNEV keinen Hinweis darauf gebe, dass die Übergangsvorschriften des § 32 Abs. 3 StromNEV nicht gelten sollten, müsse es auf die tatsächlich im Jahr 2004 angesetzten Nutzungsdauern ankommen. Im Übrigen dürften sich keine unternehmerischen Nachteile dadurch ergeben, dass durch die Verordnung aus dem Jahre 2005 ein tatsächliches Verhalten des Jahres 2004 relevant werde, welches nicht antizipativ habe verändert werden können.

Sie beantragt,

die Beschwerdegegnerin unter Aufhebung ihres Bescheids vom 08.12.2006 zu verpflichten, die Entgelte der Beschwerdeführerin für den Netzzugang unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Die Bundesnetzagentur bittet um Zurückweisung der Beschwerde.

Sie verteidigt die angegriffene Entgeltgenehmigung. Sie meint, die Antragstellerin könne die Genehmigung kalkulatorischer Abschreibungen i.H.v. weiteren 1.452.038,53 € nicht beanspruchen, weil für die Kalkulation des Jahres 2006 die betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern nach Anlage 1 der StromNEV maßgeblich seien. Die Antragstellerin habe entgegen der eindeutigen Vorgabe des § 6 Abs. 5 S. 1 StromNEV anstelle der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern der Anlage 1 zur StromNEV die kürzeren steuerlichen Nutzungsdauern des Landes S. angesetzt und somit überhöhte Beträge in ihre Kostenrechnung eingestellt. Für die Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen der Kalkulationsperiode 2006 seien ausschließlich die betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern nach Anlage 1 der Verordnung maßgeblich. Dies ergebe sich eindeutig aus § 6 Abs. 5 S. 1 StromNEV. Damit sei für die Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen gesetzlich eine Anpassung der Nutzungsdauern vorgegeben, sofern ein Netzbetreiber in der Vergangenheit von den Vorgaben der Anlage 1 abweichende Nutzungsdauern angesetzt habe. Hintergrund der Vereinheitlichung von Nutzungsdauern sei die gesetzgeberisch gewollte Anpassung der kalkulatorischen an die technische und damit betriebsübliche Nutzungsdauer von Anlagen des realen Wirtschaftslebens. Diese Verlängerung der Nutzungsdauern stelle für die Netzbetreiber mittelfristig betrachtet keinen bzw. jedenfalls keinen unzumutbaren wirtschaftlichen Nachteil dar. Zwar könnten sie nicht mehr die gewünschten hohen kalkulatorischen Abschreibungen in die Netzentgelte einstellen. Dies sei aber nur sachgerecht, da die Wirtschaftsgüter real auch länger einen Nutzen für den Netzbetrieb hätten. Die verbleibenden Restwerte der Altanlagen würden dementsprechend einer Verzinsung zugeführt. Für den eigenfinanzierten Anteil der Altanlagen werde die Wiederbeschaffung zudem dadurch sichergestellt, dass die Anlagengüter einer Tagesneuwertbildung zugeführt würden. Weder aus § 32 Abs. 3 S. 2 StromNEV noch aus § 32 Abs. 3 S. 3 StromNEV ergebe sich eine Beibehaltung der (kürzeren) steuerlichen Nutzungsdauern. § 32 Abs. 3 StromNEV enthalte zu den für den Genehmigungszeitraum 2006 anzusetzenden Nutzungsdauern keine Aussage, denn er regele nicht die Ermittlung der kalkulatorischen Abschreibungen, sondern die erstmalige Bestimmung der Restwerte des Sachanlagevermögens. Der Regelungsgehalt der StromNEV sei insoweit eindeutig: Bei der erstmaligen Ermittlung der Netzentgelte seien die kalkulatorischen Restwerte der Anlagengüter nach den Vorgaben des § 32 Abs. 3 StromNEV zu ermitteln, so dass für die Bestimmung dieser Restwerte nach Satz 2 - wie auch im Falle der Antragstellerin - vorrangig die von den Netzbetreibern in der Vergangenheit tatsächlich zu Grunde gelegten Nutzungsdauern heranzuziehen seien. Sollten diese nicht mehr ermittelbar sein, so griffen die Vermutungsregelungen der Sätze 3 und 4 des § 32 Abs. 3 StromNEV. Die nach diesen Vorgaben ermittelten Restwerte seien zum einen Ausgangspunkt für die Ermittlung des Kostenansatzes für die kalkulatorischen Abschreibungen nach § 6 StromNEV, die sich nach der linearen Abschreibungsmethode (§ 6 Abs. 2 S. 1 StromNEV) durch Division des Restwertes mit den verbleibenden betriebsgewöhnlichen (Rest-)Nutzungsdauern nach Anlage 1 errechneten. Zum anderen flössen sie nach § 7 StromNEV in die Verzinsungsbasis des Eigenkapitals ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang, den Senatsbeschluss vom 2. Mai 2007 und das Protokoll der Senatssitzung Bezug genommen.

B.

Die von der Antragstellerin form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist als Verpflichtungsbeschwerde zulässig. Der von der Antragstellerin unter dem 7. November 2006/ 8. Dezember 2006 erklärte Rechtsmittelverzicht (Bl. 349 f., 357 f. VV) steht der Beschwerde nicht entgegen, da die rechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Nutzungsdauerwechsels hiervon ausdrücklich ausgenommen worden ist (§ 2 der Vereinbarung, Bl. 349 VV; Schreiben vom 8. Dezember 2006, Bl. 357 VV). Dass das Oberlandesgericht Düsseldorf - und damit der Senat - für die Entscheidung über die Beschwerde der Antragstellerin zuständig ist, ist durch die nicht der Anfechtung unterliegende Entscheidung des Senats vom 2. Mai 2007 festgestellt.

In der Sache hat die vom Senat zu entscheidende Beschwerde aus den in der Senatssitzung erörterten Gründen keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Beschlusskammer die kalkulatorischen Abschreibungen für das Jahr 2004 dergestalt errechnet, dass sie im Grundsatz zunächst entsprechend § 32 Abs. 3 StromNEV die - kürzeren - steuerlichen Nutzungsdauern in Ansatz gebracht hat, um anhand dieser den danach noch vorhandenen Restwert der Anlagegüter zu ermitteln, und sodann ausgehend von diesem die jährliche Abschreibung unter Beachtung der in Anlage 1 zu § 6 Abs. 5 StromNEV vorgesehenen Nutzungsdauern bestimmt hat.

1. Zwischen den Parteien ist streitig, ob - so die Antragstellerin - auch bei der Ermittlung der Abschreibung weiterhin die kürzeren steuerlichen Nutzungsdauern zugrundelegen sind, wie sie sie unbestritten in der Vergangenheit im Rahmen der Stromtarifbildung nach BTOElt in Ansatz gebracht hat.

Die Vorgehensweise der Beschlusskammer ist methodisch nicht zu beanstanden.

Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG werden die Entgelte für die Netznutzung auf der Grundlage der Kosten einer Betriebsführung, die denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen müssen, unter Berücksichtigung von Anreizen für eine effiziente Leistungserbringung und einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals gebildet. Die Ermittlung der Netzkosten und der Netzentgelte erfolgt nach § 3 Abs. 1 Satz 5 StromNEV grundsätzlich auf der Basis der Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres. Nach § 4 Abs. 2 StromNEV ist ausgehend von den Gewinn- und Verlustrechnungen des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres eine kalkulatorische Rechnung zu erstellen, wobei sich die Netzkosten zum einen aus pagatorischen - d.h. in der Vergangenheit tatsächlich entstandenen - Kosten und rein kalkulatorischen Kosten zusammensetzen. Zu den pagatorischen Kosten gehören die aufwandsgleichen Kosten des § 5 StromNEV. Sie sind in der Vergangenheit tatsächlich entstanden und werden nach der Systematik der StromNEV allerdings in die Kalkulationsperiode projiziert, so dass es sich letztlich auch um kalkulatorische Kostenpositionen handelt, die jedoch an reale in der Vergangenheit entstandene Kosten anknüpfen. Nicht pagatorisch sind die rein kalkulatorischen Kosten, so die kalkulatorischen Abschreibungen des § 6 StromNEV, die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung des § 7 StromNEV und die kalkulatorische Gewerbesteuer des § 8 StromNEV. Sie sind der Gewinn- und Verlustrechnung des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres nicht unmittelbar zu entnehmen, sondern für die Kalkulationsperiode auf kalkulatorischem Wege zu ermitteln.

Für die hier im Streit stehenden kalkulatorischen Abschreibungen sieht § 6 Abs. 1 StromNEV vor, dass die Wertminderung der betriebsnotwendigen Anlagegüter nach Abs. 2 bis 7 bei der Ermittlung der Netzkosten in Ansatz zu bringen sind, um einen langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Netzbetrieb zu gewährleisten. Diese kalkulatorischen Abschreibungen treten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 StromNEV insoweit in der kalkulatorischen Kosten- und Erlösrechnung an die Stelle der entsprechenden bilanziellen Abschreibungen der Gewinn- und Verlustrechnung.

§ 6 Abs. 2 StromNEV bestimmt für die hier allein interessierenden kalkulatorischen Abschreibungen von - vor dem 1. Januar 2006 aktivierten - Altanlagen, dass diese unter Berücksichtigung der näher definierten Eigenkapitalquote nach der linearen Abschreibungsmethode zu ermitteln sind. In § 6 Abs. 5 StromNEV ist weiter geregelt, dass die kalkulatorischen Abschreibungen für jede Anlage - zukünftig - jährlich auf der Grundlage der jeweiligen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern nach Anlage 1 vorzunehmen sind, die unstreitig über denen der steuerlichen Nutzungsdauer liegen.

Für die erstmalige Ermittlung der Netzentgelte sieht die Übergangsregelung des § 32 StromNEV in Abs. 3 weiter vor, dass die kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögens, die Grundlage der Abschreibungen sind, für den eigenfinanzierten Anteil auf Tagesneuwertbasis nach § 6 Abs. 3 und für den fremdfinanzierten Anteil anschaffungsorientiert zu bestimmen und anlagenscharf zu dokumentieren sind. Satz 2 regelt weiter, dass dabei die seit Inbetriebnahme der Sachanlagegüter der kalkulatorischen Abschreibung tatsächlich zugrunde gelegten Nutzungsdauern heranzuziehen sind, wobei dieser Grundsatz im Weiteren durch zwei Vermutungen zu den Nutzungsdauern - in § 32 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 - ausgefüllt wird.

Schon der Wortlaut der Übergangsregelung zeigt, dass die tatsächlich in der Vergangenheit zugrunde gelegten Nutzungsdauern allein für die Ermittlung der Restwerte als Ausgangspunkt der kalkulatorischen Abschreibung, nicht aber auch für diese selbst maßgeblich sein sollen. Die kalkulatorische Abschreibung für die dem Regime der StromNEV unterliegende Kalkulationsperiode - also für die Zukunft - soll anhand der in der Anlage 1 zu § 6 Abs. 5 festgelegten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ermittelt werden.

Sinn und Zweck der erst im Vermittlungsverfahren eingefügten Übergangsregelung ist die Harmonisierung des Nutzungsdauerwechsels, wie sie im Grundsatz allerdings auch schon in § 6 Abs. 6 StromNEV angelegt ist. Da eine Abschreibung unter Null nicht erfolgen soll, ist im Falle der Veränderung der ursprünglichen Abschreibungsdauer während der Nutzung sicherzustellen, dass keine Erhöhung der Kalkulationsgrundlage erfolgt, indem der jeweilige Restwert des Wirtschaftsguts zum Zeitpunkt der Abschreibungsdauerumstellung die Grundlage der weiteren Abschreibung bildet. Der neue Abschreibungswert ergibt sich sodann aus der Division des Restwerts durch die - restliche - Abschreibungsdauer.

§ 32 Abs. 3 StromNEV will in Fortführung dessen sicherstellen, dass in die Berechnung der zukünftigen Netznutzungsentgelte als Grundlage der Abschreibung nur solche Restwerte einfließen, die noch nicht über die bisherigen Netznutzungsentgelte abgegolten und damit durch die Netznutzer finanziert worden sind. Indem sich der zugrundezulegende Restwert an den tatsächlichen Abschreibungen der Vergangenheit orientiert, bleibt der bisher schon einkalkulierte und refinanzierte Netzerrichtungsaufwand außer Betracht.

Ohne Erfolg führt die Antragstellerin demgegenüber an, sie habe im Jahre 2004 tatsächlich noch die steuerlichen Nutzungsdauern angesetzt.

Für die hier entscheidende Kalkulationsperiode der Netznutzungsentgelte nach dem EnWG sind nicht die tatsächlichen Abschreibungen des Jahres 2004 maßgeblich, sondern - wie oben ausgeführt - die kalkulatorisch nach Massgabe des § 6 StromNEV ermittelten Abschreibungen. Nur hinsichtlich der Abschreibungsbasis sieht die Übergangsregelung des § 32 Abs. 3 StromNEV vor, dass von Restwerten auszugehen ist, die unter Zuhilfenahme der tatsächlichen Nutzungsdauern der Vergangenheit zu bestimmen sind. Keinesfalls soll durch die Übergangsregelung des § 32 Abs. 3 StromNEV auch die zulässige Nutzungsdauer für die Zukunft abgeändert werden, für diese bleibt Anlage 1 zu § 6 Abs. 5 StromNEV maßgeblich.

Fehl geht schließlich auch der pauschal erhobene Einwand, die an der StromNEV orientierte Ermittlung der Abschreibung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Rückwirkungsverbot. § 32 StromNEV will gerade dem Umstand Rechnung tragen, dass in den verschiedenen Bundesländern in der Vergangenheit unterschiedliche Abschreibungszeiträume berücksichtigt worden sind. Die streitgegenständliche Regelung der kalkulatorischen Abschreibung gilt - was die Antragstellerin verkennt - nur für die Zukunft.

2. Soweit die Antragstellerin sich ganz offensichtlich weiter auch dagegen wendet, dass die Beschlusskammer bei der Ermittlung der Restwerte die kürzeren steuerlichen Nutzungsdauern nur für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2003 angewandt und ab diesem Zeitpunkt die längeren betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern der Anlage 1 zur StromNEV zugrundegelegt hat (s. S. 29 des Bescheids), ist schon nicht ersichtlich, dass ihr hierdurch ein Nachteil entstanden ist. Längere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauern führen zu einem niedrigeren jährlichen Abschreibungswert, so dass ihre Berücksichtigung bei der Ermittlung des Restwerts per Saldo zu einem höheren Restwert führt als die durchgängige Zugrundelegung der kürzeren steuerlichen Nutzungsdauer. Im Übrigen betrifft dies - wie der Vorsitzende der Beschlusskammer in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat - nur den für die Eigenkapitalverzinsung nach § 7 StromNEV maßgeblichen Restwert per 31.12.2004. Diesen hat sie nach den obigen Grundsätzen rechtsfehlerfrei ermittelt, indem sie von dem Restwert des Anlageguts per 31.12.2003 die kalkulatorische Abschreibung für das Jahr 2004 in Abzug gebracht hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG. Die Beschwerdeführerin hat als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die Gerichtskosten zu tragen und die der Beschwerdegegnerin entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO. Der Senat bemisst das für die Streitwertfestsetzung maßgebliche wirtschaftliche Interesse, das sich daran orientiert, in welcher Höhe der Antragstellerin durch die angegriffenen Kürzung voraussichtlich Entgelte entgehen werden, in Übereinstimmung mit den von ihr in der Senatsverhandlung gemachten Angaben auf 100.000 €.

C.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung zugelassen, weil die streitgegenständliche Frage grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG hat.

Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 88 Abs. 2 EnWG i.V.m. §§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird, sowie die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Rechtsbeschwerde stützt. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

Ende der Entscheidung

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