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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: VI-Kart 1/06 (V)
Rechtsgebiete: GWB
Vorschriften:
GWB §§ 36 ff. | |
GWB § 40 | |
GWB § 40 Abs. 1 | |
GWB § 40 Abs. 1 Satz 1 | |
GWB § 40 Abs. 2 | |
GWB § 63 Abs. 3 | |
GWB § 71 Abs. 2 Satz 2 | |
GWB § 74 Abs. 2 | |
GWB § 74 Abs. 4 | |
GWB § 78 Satz 1 | |
GWB § 78 Satz 2 |
Tenor:
I. Der Antrag der Antragstellerin, den Beschluss des Bundeskartellamts vom 14. November 2005 aufzuheben und das Bundeskartellamt zu verpflichten, sie zu dem Verfahren der Zusammenschlusskontrolle mit dem Geschäftszeichen B7 - 180/05 beizuladen, hilfsweise das Bundeskartellamt zu verpflichten ihr Beiladungsgesuch neu zu bescheiden, wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag der Antragstellerin, hilfsweise festzustellen, dass die mit dem angefochtenen Beschluss des Bundeskartellamts vom 14. November 2005 ausgesprochene Ablehnung ihres Beiladungsantrags rechtswidrig und das Bundeskartellamt verpflichtet war, sie zu dem Verfahren der Zusammenschlusskontrolle mit dem Geschäftszeichen B7 - 180/05 beizuladen, hilfsweise das Bundeskartellamt verpflichtet war, ihren Beiladungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, wird zurückgewiesen.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen zu tragen, die dem Bundeskartellamt und den Beteiligten zu 1-8 in der Beschwerdeinstanz entstanden sind.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
V. Der Beschwerdewert wird auf 25.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit Entscheidung vom 17. Oktober 2005, eingegangen beim Bundeskartellamt per Telefax am selben Tag, hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ein von den Beteiligten zu 1 und 2 angemeldetes Zusammenschlussvorhaben nach Artikel 4 Abs. 4 der Fusionskontrollverordnung (FKVO) an das Bundeskartellamt als zuständige deutsche Behörde verwiesen. Vorsorglich haben die Beteiligten zu 1 und 2 das Zusammenschlussvorhaben noch einmal mit Telefax vom 17. Oktober 2005 beim Bundeskartellamt angemeldet.
Die Antragstellerin hat unter dem 11. August 2005 ihre Beiladung zu diesem Fusionskontrollverfahren begehrt. Diesen Antrag hat das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 14. November 2005 zurückgewiesen.
Am 17. November 2005 hat das Bundeskartellamt im Vorprüfverfahren nach § 40 Abs. 1 GWB beschlossen, den angemeldeten Zusammenschluss nicht zu untersagen, und die Zusammenschlussbeteiligten hierüber noch am selben Tag informiert.
Mit anwaltlichen Schriftsatz vom 15. Dezember 2005 hat die Antragstellerin fristgemäß Beschwerde gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 14. November 2005 eingelegt. Ihr Beiladungsantrag sei zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass ihre Interessen von dem zum Verfahren beigeladenen Kabelverband A. vertreten werden könnten, da insoweit gleichgelagerte Interessen beständen. Der Zulässigkeit der Beschwerde stehe nicht entgegen, dass das Zusammenschlussvorhaben durch die Nichteinleitung des Hauptprüfverfahrens freigegeben worden sei. Es sei insbesondere nicht mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG vereinbar, wenn in diesem Fall keine Rechtsschutzmöglichkeiten beständen. Die handelnde Behörde dürfe nicht durch die Wahl der verfahrensabschließenden Entscheidung (Freigabe durch Fristablauf oder Verwaltungsakt) entscheiden, ob eine gerichtliche Kontrolle stattfinde oder nicht. § 40 GWB müsse deshalb verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass die im Rahmen eines Vorprüfverfahrens erfolgte Fusionsfreigabe angefochten und vom Beschwerdegericht aufgehoben werden könne.
Die Anfechtungsmöglichkeit einer Freigabe im Vorprüfverfahren ergebe sich überdies aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung. Eine Anfechtungsbeschwerde sei danach statthaft, wenn eine Entscheidung des Kartellamtes richtigerweise durch Verwaltungsakt als Abschluss eines Hauptprüfverfahrens hätte ergehen müssen.
Zudem müsse der im europäischen Fusionskontrollrecht geltende Grundsatz eines umfassenden Drittschutzes auch im Rahmen der Anwendung des nationalen Rechts auf einen Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne von Art. 1 FKVO, der - wie hier - an eine mitgliedstaatliche Behörde verwiesen wurde, berücksichtigt werden.
Hilfsweise verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren im Wege des Fortsetzungsfeststellungsbegehrens weiter. Es bestehe die hinreichend konkrete Gefahr, dass auch in Zukunft ihr Antrag auf Beiladung zu Zusammenschlussverfahren im Bereich des deutschen Breitbandkabelmarktes trotz erheblicher Interessenberührung unter pauschalem Verweis auf die Beiladung eines Verbandes oder anderer Unternehmen, dessen Interessen nicht gleichgelagert seien, abgelehnt werde.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss der 7. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes vom 14.11.2005 aufzuheben und das Bundeskartellamt zu verpflichten, sie zu dem Verfahren der Zusammenschlusskontrolle mit dem Geschäftszeichen B7 180/05 beizuladen,
hilfsweise,
den Beschluss der 7. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes vom 14.11.2005 aufzuheben und das Bundeskartellamt zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden;
hilfweise,
2. festzustellen, dass die mit dem angefochtenen Beschluss der 7. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes vom 14.11.2005 ausgesprochene Ablehnung ihres Antrags auf Beiladung zu dem Verfahren der Zusammenschlusskontrolle mit dem Geschäftszeichen B7 - 180/05 rechtswidrig war und das Bundeskartellamt verpflichtet war, sie zu dem Verfahren der Zusammenschlusskontrolle mit dem Geschäftszeichen B7 180/05 beizuladen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die mit dem angefochtenen Beschluss der 7. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes vom 14.11.2005 ausgesprochene Ablehnung ihres Antrags auf Beiladung zu dem Verfahren der Zusammenschlusskontrolle mit dem Geschäftszeichen B7 - 180/05 rechtswidrig war und das Bundeskartellamt verpflichtet war, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Der Antragsgegner und die Beteiligten zu 1-8 beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und treten den Ausführungen der Antragstellerin im einzelnen entgegen.
II.
Weder die Verpflichtungsbeschwerde der Antragstellerin noch die hilfsweise geltend gemachte Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde haben Erfolg.
1.
Die gemäß § 63 Abs. 3 GWB statthafte und auch im übrigen zulässige Verpflichtungsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie sich gegen die Zurückweisung ihres Beiladungsantrages richtet und ihre Beiladung zu dem Fusionskontrollverfahren erstrebt, ist nicht begründet.
Für eine Beiladung der Antragstellerin ist kein Raum mehr. Das kartellbehördliche Fusionskontrollverfahren ist zwischenzeitlich endgültig beendet. Eine gerichtliche Überprüfung des freigegebenen und mittlerweile vollzogenen Zusammenschlusses ist nicht mehr möglich.
Das am 17. Oktober 2005 angemeldete Zusammenschlussvorhaben gilt mit Ablauf des 17. November 2005 gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB als freigegeben. Das Bundeskartellamt hat die Zusammenschlussbeteiligten innerhalb eines Monats nach Anmeldung des Fusionsvorhabens am 17. Oktober 2005 nicht über die Einleitung eines Hauptprüfverfahren unterrichtet, sondern ihnen am 17. November 2005 mitgeteilt, dass der angemeldete Zusammenschluss nicht untersagen wird. Läuft die Monatsfrist aber ab, ohne dass eine Mitteilung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB erfolgt ist, bedeutet dies, dass der Zusammenschluss - von den in § 40 Abs. 2 GWB geregelten Ausnahmefällen abgesehen - nicht mehr untersagt werden darf, mithin eine gerichtliche Anfechtung des Zusammenschlusses mit dem Ziel seiner Untersagung ausgeschlossen ist (BGH DE-R 1571, 1572 - Ampere; OLG Düsseldorf DE-R 1293, 1294 - tv kofler; Kiecker in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, § 54 Rn. 33). Die gegen dieses Normenverständnis vorgebrachten Einwände der Antragstellerin führen zu keinem anderen Ergebnis.
a.
Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, es sei mit dem verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht vereinbar, wenn sie die Entscheidung des Bundeskartellamtes, ein Hauptprüfverfahren nicht durchzuführen und die Freigabefiktion des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB herbeizuführen, weder verhindern noch gerichtlich überprüfen lassen könne. Der Senat hat sich bereits in einer früheren Entscheidung umfassend mit den von der Klägerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen befasst und insbesondere zu Art. 19 Abs. 4 GG ausgeführt, dass der verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutz nur dann tangiert ist, wenn die Freigabe ein subjektives öffentliches Recht eines Dritten verletzt (OLG Düsseldorf DE-R 1293, 1296 - tv kofler). Bei Drittunternehmen, die sich gegen einen Unternehmenszusammenschluss wenden, ist dies in der Regel aber nicht der Fall (BGH DE-R 1571, 1572 - Ampere; OLG Düsseldorf DE-R 1293, 1296 - tv kofler). Dass hier abweichend vom Regelfall die Antragstellerin durch die streitgegenständliche Freigabe ausnahmsweise in eigenen subjektiven Rechten verletzt ist, hat die Antragstellerin aber weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Jedenfalls reicht für die erforderliche Rechtsbetroffenheit nicht aus, dass die Antragstellerin durch den Zusammenschluss in ihren rechtlichen und/oder wirtschaftlichen Interessen erheblich berührt ist, etwa weil der Zusammenschluss für sie nicht unerhebliche wirtschaftliche Nachteile erwarten lässt (vgl. BGH DE-R 1571, 1572 - Ampere). Nichts anderes ergibt sich aus der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Voraussetzung für die Rechtsweggarantie ist, dass dem Betroffenen eine Rechtsposition zusteht, er also in eigenen Rechten verletzt ist; die Verletzung bloßer Interessen reicht hingegen nicht aus (BVerfG 2005, 2289, 2295).
b.
Die Antragstellerin kann sich ferner nicht mit Erfolg auf den Grundsatz der Meistbegünstigung berufen. Sie kann die Anfechtbarkeit der Freigabe nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB insbesondere nicht damit begründen, das Bundeskartellamt habe richtigerweise ein Hauptprüfverfahren einleiten und sodann im Wege einer gerichtlich anfechtbaren Freigabeverfügung über die kartellrechtliche Unbedenklichkeit des Zusammenschlusses befinden müssen. Selbst wenn das Bundeskartellamt bei richtiger Sachbehandlung den Zusammenschluss in einem Hauptprüfverfahren hätte untersuchen müssen, lässt sich daraus nicht die Berechtigung ableiten, die statt dessen bewirkte gesetzliche Freigabe im Vorprüfverfahren zur gerichtlichen Prüfung stellen zu dürfen. Denn dadurch würde die in § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, dem Bundeskartellamt die Möglichkeit zu eröffnen, im Vorprüfverfahren einen Zusammenschluss formlos durch Verstreichenlassen der Monatsfrist freizugeben, umgangen (vgl. Senat, Beschluss v. 30. Juni 2004, VI - Kart 4/04 (V), Beschlussumdruck Seite 12).
c.
Der Antragstellerin ist auch nicht deshalb eine gerichtliche Überprüfung der Fusionsfreigabe nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB zu ermöglichen, weil die Kommission das Verfahren gemäß Art. 4 FKVO an das Bundeskartellamt verwiesen hat und für Fusionskontrollverfahren nach der Europäischen Fusionskontrollverordnung ein umfassenderer Drittschutz vorgesehen und insbesondere die Anfechtung von Entscheidungen der Kommission möglich ist, die durch den Ablauf gesetzlicher Prüffristen fingiert werden. Nach Verweisung des Verfahrens durch die Kommission tritt das Gemeinschaftsrecht zu Gunsten des nationalen Rechts zurück. Der Mitgliedstaat hat seine eigenen nationalen Wettbewerbsvorschriften anzuwenden (Baron in Langen/Bunte, aaO., Bd. 2, FKVO Nr. 139/2004 Art. 9 Rn. 17). Die bedeutet, dass das streitgegenständliche Zusammenschlussvorhaben nach den Maßstäben der §§ 36 ff. GWB zu prüfen ist und sich die Rechtsschutzmöglichkeit allein nach den dort vorgesehenen gesetzlichen Regelungen richtet.
2.
Die Beschwerde bleibt auch mit dem Hilfsantrag erfolglos. Der Hilfsantrag ist unzulässig.
Zwar kann ein Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB auch dann noch zulässigerweise gestellt werden, wenn sich die Hauptsache - so wie hier durch Fristablauf am 17. November 2005 - bereits vor Einlegung der Beschwerde erledigt hat (vgl. nur KG WuW/E OLG 3217, 3221 m.w.Nachw.). Jedoch fehlt der Antragstellerin das für eine Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde erforderliche Feststellungsinteresse.
Gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB kann die beschwerdeführende Partei die Rechtmäßigkeit der von ihr angefochtenen und zwischenzeitlich erledigten kartellbehördlichen Entscheidung nur dann gerichtlich klären lassen, wenn sie ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Hierfür genügt grundsätzlich jedes nach den Umständen des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Art. Ein solches Rechtsschutzinteresse steht der Antragstellerin jedoch nicht zur Seite. Es besteht insbesondere nicht wegen Wiederholungsgefahr.
Ein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr ist anzuerkennen, wenn der Betroffene für den bevorstehenden Fall einer Wiederholung seiner Rechtshandlung erfahren möchte, von welcher Rechtsauffassung die beteiligte Behörde nach Meinung des Gerichts dann auszugehen haben wird. Die Wiederholung der zur gerichtlichen Überprüfung stehenden Rechtshandlung muss sich dabei bereits konkret abzeichnen, eine bloß vage Möglichkeit reicht nicht aus (Senat, Beschl. v. 22.12.2005 - VI-Kart 8/05 (V); KG WuW/E OLG 5497, 5502 - Fortsetzungsfeststellungsinteresse; KG WuW/E OLG 3213, 3215 f. - Zum bösen Wolf; Kollmorgen in Langen/Bunte, aaO., § 71 Rn. 37).
Vorliegend fehlt es an einer Wiederholungsgefahr. Die Antragstellerin hat weder dargetan noch ist sonst ersichtlich, dass es in absehbarer Zeit zu einem neuen Fusionskontrollverfahren auf dem deutschen Kabelmarkt kommen könnte, zu dem sie beigeladen werden möchte und befürchten müsste, dass ihr Antrag aus ähnlichen Gründen wie in der angefochtenen Entscheidung abgelehnt wird.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 78 Satz 1 und 2 GWB.
Die Antragstellerin hat als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die Gerichtskosten zu tragen. Darüber hinaus hat sie aus Gründen der Billigkeit dem obsiegenden Bundeskartellamt und den Beteiligten zu 1 - 8 die in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
IV.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 74 Abs. 2 GWB besteht kein Anlass. Insbesondere ist die Frage der grundsätzlichen Unanfechtbarkeit von Freigaben im Vorprüfverfahren bereits höchstrichterlich geklärt (BGH WuW DE-R 1571 - Ampere).
Ende der Entscheidung
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