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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: VI-Kart 15/05 (V)
Rechtsgebiete: GWB, VwGO


Vorschriften:

GWB § 36 Abs. 1
GWB § 40 Abs. 2
GWB § 65 Abs. 3
GWB § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
GWB § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
GWB § 65 Abs. 3 Satz 3
GWB § 65 Abs. 3 Satz 4
GWB § 67 Abs. 1 Nr. 3
GWB § 74 Abs. 4
VwGO § 42 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Anträge der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 01.09.05 werden als unzulässig verworfen.

Gründe: I. Die Beteiligten zu 1) bis 11) haben beim Bundeskartellamt ein in 2 Schritten zu vollziehendes Zusammenschlussvorhaben angemeldet, das den Erwerb der N. M. GmbH & Co. KG und der P. B. GmbH & Co. KG, jeweils einschließlich einer Reihe von Tochterunternehmen und Beteiligungen, die bisher von der Dr. S.-Gruppe gehalten wurden, durch die W.. W. KG bzw. Tochtergesellschaften betrifft. Das Bundeskartellamt hat dieses Vorhaben mit Beschluss vom 22.08.05 unter Auflagen freigegeben, wobei die Auflagen im wesentlichen in Veräußerungspflichten bestanden. Betroffen sind nach diesem Beschluss die sachlich relevanten Märkte für Asphaltmischgut und gebrochenen Naturstein auf verschiedenen regionalen Märkten, die bundesweiten Märkte für Bitumentransporte über die Straße und der Bitumennachfrage sowie der Baubereich. Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 12) und 15) als Beigeladene Beschwerden eingelegt, mit denen sie erreichen wollen, dass das Fusionsvorhaben insgesamt untersagt wird. Die Beteiligte zu 12) beantragt darüber hinaus, 1. die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen und das Vollzugsverbot wiederherzustellen; 2. soweit schon mit der Vollziehung der angemeldeten Vorhaben begonnen oder die Vollziehung schon durchgeführt wurde, der W. W. KG (Beteiligte zu 2)) und ihren Tochtergesellschaften (insbesondere der W. & N. OHG) zu untersagen, bezüglich im Antrag näher bezeichneter Unternehmen Stimmrechte auszuüben, die Besetzung von Aufsichtsrats-, Geschäftsführungs- oder Vorstandsämtern vorzunehmen oder Einfluss auf die Geschäftsführung oder die Geschäftspolitik zu nehmen; 3. die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen, soweit das Vorhaben schon vollzogen ist. Das Bundeskartellamt und die Beteiligten zu 1) bis 3) sind diesen Anträgen entgegengetreten. Sie halten sie für unzulässig und im Übrigen auch für unbegründet. Die anderen Verfahrensbeteiligten haben sich nicht geäußert. II. Mit dem Antrag zu 1. begehrt die Beteiligte zu 12) in erster Linie, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen. Diese Rechtsfolge kann das Beschwerdegericht gemäß § 65 Abs.3 Satz 3 GWB auf Antrag grundsätzlich aussprechen, wenn die Voraussetzungen des § 65 Abs.3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 GWB vorliegen. Der durch die 7. Kartellrechtsnovelle mit Wirkung vom 1.Juli 2005 eingefügte Satz 4 verlangt für den hier gegebenen Fall, dass ein Dritter Beschwerde gegen eine Verfügung nach § 40 Abs.2 GWB eingelegt hat, als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung jedoch, dass der Dritte geltend macht, durch die Verfügung in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung erfüllt der Antrag der Beteiligten zu 12) nicht. 1. Wie sich aus der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (BT-Drucksache 15/3640 zu Nr.41 a - S.65) ergibt, sollen nunmehr - anders als im Hauptsacheverfahren - wettbewerbliche oder wirtschaftliche Interessen für die Antragsstellung nicht mehr ausreichen. Erforderlich ist vielmehr eine Verletzung von Rechten. Der Antragsteller muss sich auf eine Rechtsnorm berufen können, die zumindest auch seinem individuellen Schutz dient und ihm deshalb subjektive Rechte gewährt. Auch der Bundesrat hat die vorgeschlagene Gesetzesänderung in eben diesem Sinne verstanden, wenn er auch die Gesetzesänderung in anderer rechtspolitischer Absicht zunächst abgelehnt hat (Stellungnahme des Bundesrates BT-Drucksache a.a.O. Nr. 18 - S.80/81). Die Bundesregierung hat jedoch an ihrer Vorstellung festgehalten (Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drucksache a. a.O. Nr.18 - S.90/91), und diese Auffassung hat der Gesetzgeber letztlich gebilligt und rechtlich umgesetzt. 2. Zunächst ist festzustellen, dass die Beteiligte zu 12) Dritte im Sinne von § 65 Abs.3 Satz 4 GWB ist. Sie ist nämlich an dem Zusammenschlussvorhaben selbst nicht beteiligt sondern nur als Beigeladene zu dem Verfahren hinzugezogen worden. Zu Unrecht will die Antragstellerin daraus, dass sie gemäß § 67 Abs.1 Nr.3 GWB Beteiligte am Beschwerdeverfahren ist, herleiten, sie sei deshalb nicht Dritte im Sinne des § 65 Abs.3 Satz 4 GWB. Das Gegenteil ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des Satzes 4 hinsichtlich Beschwerden Dritter bewusst ausschließen wollte, dass Beigeladene im Fusionsverfahren einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde stellen können. Der Gesetzgeber zählt damit gerade die Beigeladenen erklärtermaßen zu den Dritten im Sinne dieser Vorschrift. 3. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass sie durch die Entscheidung des Bundeskartellamts außer in ihren wirtschaftlichen und wettbewerblichen Interessen auch in ihren Rechten im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG oder § 42 Abs.2 VwGO verletzt ist. a) Die Antragstellerin will eine Rechtsverletzung schon daraus herleiten, dass die Fusionskontrolle gemäß § 36 Abs.1 GWB auch dem Schutz der Wettbewerber und Abnehmer dient. Dass aus einer Zusammenschlusskontrolle gerade auch die Wettbewerber und Abnehmer Nutzen ziehen können, besagt jedoch dazu, ob daraus subjektive Rechte der Wettbewerber entstehen, nichts. Nach der gesetzlichen Regelung haben die Wettbewerber zwar Anhörungsrechte und - wie hier die Antragstellerin - ggf. das Recht auf Beiladung und dadurch verfahrensrechtliche Möglichkeiten der Einflussnahme. Daraus resultiert jedoch kein subjektives Recht eines Unternehmens darauf, dass anderen Unternehmen ein Zusammenschluss untersagt wird. Drittunternehmen, die sich gegen einen Unternehmenszusammenschluss wenden, werden durch die Freigabe eines an sich zu untersagenden Unternehmenszusammenschlusses nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt. Weder aus einfachem Gesetz noch aus Grundrechten folgt ein subjektives Recht dritter Unternehmen auf Untersagung von Zusammenschlüssen (zuletzt: Senatsbeschluss vom 30.06.04 - VI - Kart 4/04 (V), Umdruck S.8 ff, "Ampere Beiladung"; Senatsbeschluss vom 07.10.04 - VI - Kart 3/04 (V), Umdruck S.7, "Ampere Freigabe", vom BGH bestätigt im Beschluss vom 28.06.04 - KVZ 34/04, Umdruck S.5). aa) Subjektive Rechte werden durch einfaches Gesetz begründet, wenn die in Frage stehende Norm außer der Allgemeinheit spezifisch auch das in Frage stehende Individuum schützt, d.h. dessen Schutz bezweckt und die Durchsetzbarkeit der Rechtsfolge für die gezielt begünstigte Person beabsichtigt (vgl. zu diesem Erfordernis: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 3. Aufl., Art. 19 Rn. 126, 129 ff.). Dies ist bei § 36 Abs. 1 GWB, der die Voraussetzungen für die Untersagung einer Fusion regelt, indes nicht der Fall. Nach herrschender Meinung, der sich der Senat weiterhin anschließt, begründet die Fusionskontrolle keine subjektiven Rechte zugunsten von Konkurrenten oder der Marktgegenseite, weil sie im öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs als Institution eingeführt worden ist (Emmerich in Immenga/ Mestmäcker, GWB, 3.Aufl., § 33 Rn 31; Bornkamp in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 9.Aufl., § 33 Rn. 29; Topel in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 50 Rn. 59; Roth in Frankfurter Kommentar, § 33 Rn. 84; Zöttl, WuW 2004, 474, 482 f. m.w.N.; BGH WuW/E 1556, 1561. - Weichschaum III zu § 24 GWB a.F.; a.A.: Steinberger, WuW 2000, 345, 350/351 m.w.N.). Die Bezeichnung dieser Rechtsprechung durch die Antragstellerin als "veraltet" geht an der Rechtslage vorbei. Selbst wenn bis zur 7. GWB-Novelle Zweifel an der Richtigkeit der zitierten Rechtsprechung bestanden haben sollten, so sind diese Zweifel spätestens durch die Einfügung von § 65 Abs.3 Satz 4 GWB beseitigt. Wenn jeder durch § 36 Abs.1 GWB geschützte Wettbewerber oder gar Abnehmer im Fusionsverfahren subjektive Rechte hätte, liefe die Gesetzesänderung leer. Umgekehrt ist aus der Einfügung des Satzes 4 zu folgern, dass nach dem Willen des Gesetzgebers § 36 Abs.1 GWB Wettbewerbern und Abnehmern gerade keine subjektiven Rechte einräumt. bb) Subjektive Rechte der Antragstellerin im Sinne von § 65 Abs.3 Satz 4 GWB lassen sich entgegen ihrer Ansicht auch nicht unter Übergehen der gesetzlichen Regelung des § 65 Abs. 3 Satz 4 GWB unmittelbar aus Art. 12, 14 und 2 GG herleiten. Es kann dahinstehen, ob die Freigabe eines Zusammenschlussvorhabens von Unternehmen überhaupt den Schutzbereich der Grundrechte der Wettbewerber oder Abnehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG (Freiheit der Berufsausübung), Art. 14 Abs. 1 GG (Schutz des Eigentums) oder Art. 2 Abs.1 GG (Freiheit der Entfaltung der Persönlichkeit) berührt. Voraussetzung für ein aus den genannten Grundrechten folgendes subjektives Abwehrrecht ist jedenfalls ein gezielter Eingriff in die grundrechtlich geschützte Position. Die Verletzung allein wirtschaftlicher Interessen, wie etwa die bloße Verschlechterung der Wettbewerbssituation, ist nicht ausreichend. Die Abwehr von Konkurrenz fällt daher grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des Art. 12 GG (Sachs-Tettinger, Grundgesetz Kommentar, 3.Aufl., Art. 12 Rn. 9 m.w.Nachw.). Anderes besagen auch die von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen des BVerfG (BVerfGE 32, 311; 46, 120; 86, 28), des BVerwG (BVerwGE 71, 183) und des VGH Baden-Württemberg (NVwZ-RR 1993, 445) nicht. Allenfalls in begrenzten Ausnahmefällen können bei sog. faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen subjektive Rechte begründet werden. Dass die Freigabe eines Zusammenschlussvorhabens, die sich allenfalls mittelbar auf die wirtschaftliche Betätigung der Konkurrenzunternehmen auswirkt, einen solchen Ausnahmefall begründet, ist jedoch nicht anzunehmen. Die Behauptung der Antragstellerin, die Freigabe des Zusammenschlußvorhabens führe hier zu ihrer unmittelbaren Verdrängung vom Markt, ist nach ihrem Vortrag nicht nachvollziehbar. Hiervon abgesehen stehen die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG unter einem Gesetzesvorbehalt, und die Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG ist von vornherein durch die Rechte der anderen und die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt. Der Gesetzgeber kann sowohl die Berufsausübungsfreiheit als auch das Eigentumsrecht einschränken. Der ihm dabei zustehende weite Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum (vgl. Sachs, a.a.O. Art. 12 Rn. 101 f. m.w.N.) wird bei § 65 Abs. 3 GWB nicht überschritten. Die gesetzliche Regelung findet ihre Rechtfertigung in dem Bestreben des Gesetzgebers, ungerechtfertigte Blockaden von Unternehmenszusammenschlüssen durch Konkurrenten zu verhindern. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass ein Zusammenschluss verschiedener Unternehmen grundsätzlich Ausfluss ihres unternehmerischen Gestaltungsrechts ist und die Untersagung des Zusammenschlusses einen Eingriff in dieses Recht darstellt, andererseits, dass ein Zusammenschluss oft nur innerhalb eines engen Zeitfensters wirtschaftlich sinnvoll ist und eine Aufschiebung des Vorhabens bis zur rechtskräftigen Klärung des Streits der Beteiligten dann im Ergebnis zur Aufgabe des Vorhabens zwingt. Wenn unter diesen Umständen der Gesetzgeber für die Schwebezeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine Beschwerde den Interessen der fusionswilligen Unternehmen den Vorrang vor denen der Konkurrenten eingeräumt hat, die die veränderte Wettbewerbssituation befürchten, ist das von dem Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass den Interessen der fusionswilligen Unternehmen nicht ohne jede Sachprüfung der Vorrang eingeräumt worden ist, sondern dass dieses Vorhaben immerhin von einer neutralen, dem freien Wettbewerb besonders verpflichteten Behörde, dem Bundeskartellamt, geprüft und für unbedenklich befunden sein muss. Soweit sich die Antragstellerin hinsichtlich der Bewertung der Interessen der Beigeladenen im Verhältnis zu denen der Fusionswilligen auf den Senatsbeschluss vom 25.Juli 2002, Kart 25/02 (V) in Sachen E.ON/Ruhrgas, WuW/E DE-R 2926 ff, bezieht, verkennt sie zwei grundlegende Unterschiede zu dem hier zu beurteilenden Fall: In jenem Verfahren hatte das Bundeskartellamt - anders als hier - festgestellt, dass der Untersagungstatbestand des § 36 Abs. 1 GWB erfüllt war, die Unternehmen also gerade kein Recht auf Freigabe ihres Vorhabens hatten, und es nur darum ging, ob der Zusammenschluss überwiegende gesamtwirtschaftliche Vorteile brachte oder ein überragendes Interesse der Allgemeinheit an dem Zusammenschluss bestand. Vor allem war die damalige Entscheidung des Senats auf einer anderen Gesetzeslage ergangen. Der Senat hatte damals zu prüfen, ob eine Auslegung des damals gültigen GWB zu einem Ausschluss des Rechts führt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu beantragen. Jetzt geht es um die Frage, ob der Gesetzgeber durch die Verfassung daran gehindert war, diese Rechtslage zu ändern. b) Die Antragstellerin will ihr Antragsrecht ferner daraus herleiten, dass einige der vom Bundeskartellamt ausgesprochenen Auflagen Unternehmen betreffen, an denen die Antragstellerin Minderheitsbeteiligungen hält. Sie nennt dabei die B. A.-M. GmbH & Co. KG für Straßenbaustoffe (B.) und die A.-A. R. GmbH & Co. KG. Diese Argumentation ist jedoch schon im Ansatz verfehlt. Die Kommanditeinlage oder sonstige Beteiligung der Antragstellerin kann von den Auflagen nicht betroffen sein. Jedenfalls ergibt der Vortrag der Antragstellerin nichts dazu, dass die Auflagen in die gesellschaftsrechtlichen Positionen der Antragstellerin nachteilig eingreifen. Eine - von der Antragstellerin auch nicht näher dargelegte - Verletzung von Rechten einer dieser Handelsgesellschaften führt jedoch nicht zugleich zu einer Verletzung subjektiver Rechte der Gesellschafter. III. Ist hiernach der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unzulässig, so folgt hieraus auch die Unzulässigkeit der weiteren Anträge, die darauf zielen, die Vollziehung der angemeldeten Vorhaben zu verhindern oder rückgängig zu machen. IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Die entschiedene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

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