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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 26.02.2008
Aktenzeichen: VI-Kart 18/07 (V)
Rechtsgebiete: GWB
Vorschriften:
GWB § 19 Abs. 3 | |
GWB § 19 Abs. 3 Satz 1 | |
GWB § 35 | |
GWB § 35 Abs. 1 | |
GWB § 35 Abs. 2 | |
GWB § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 | |
GWB § 35 Abs. 2 Nr. 2 | |
GWB § 36 | |
GWB § 36 Abs. 2 | |
GWB § 41 Abs. 1 | |
GWB § 41 Abs. 1 Satz 1 | |
GWB § 41 Abs. 2 | |
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 | |
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 3 b | |
GWB § 63 | |
GWB § 65 Abs. 3 | |
GWB § 65 Abs. 3 Satz 2 | |
GWB § 65 Abs. 3 Satz 3 | |
GWB § 74 Abs. 2 Nr. 1 |
Tenor:
I.
Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 15. November 2007 (B 1 - 190/07) wird angeordnet.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: F.) ist ein Straßen- und Tiefbauunternehmen mit Tätigkeitsschwerpunkt im Umfeld von S. im H.. Sie gehört zur F.-Gruppe, die neben Straßen- und Tiefbauaktivitäten auch in den Bereichen Hochbau, Erdbewegungen, Steinbrüche, Asphalt, Handel und Dienstleistungen tätig ist.
Die Beteiligte zu 2 (nachfolgend: B.) ist Deutschlands größter Hersteller von Asphaltmischgut und der größte Betreiber von Steinbrüchen. B. gehört zur W.-Gruppe, die schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Baustoffherstellung tätig ist. Zu den zahlreichen Tochtergesellschaften der W.-Gruppe gehört auch die W. & N. OHG. Diese ist mit einem Anteil von 50 % an der A. A. K. GmbH & Co. KG (nachfolgend: A. K.) beteiligt, die ein Asphaltmischwerk in K. betreibt. Die übrigen 50 % an der Gesellschaft hält ein Unternehmen der F.-Gruppe. K. ist etwa 35 Kilometer von L. entfernt.
F. beabsichtigt, von B. eine Beteiligung in Höhe von jeweils .. % an der neu zu gründenden Gesellschaft A. A. L. GmbH & Co. KG, L. (nachfolgend: A. L.) und der zugehörigen Komplementärgesellschaft A. A. L. Verwaltungs-GmbH, L., zu erwerben.
Nach Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens und Einleitung des Hauptprüfverfahrens hat das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 15. November 2007 den Zusammenschluss untersagt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Anteilserwerb von F. an der neu zu gründenden A. L. den Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 3 b) GWB und auch den des § 37 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 GWB erfülle, weil die W.-Gruppe und F. gleichzeitig bzw. nacheinander einen Anteil von jeweils mindestens .. % an den beiden Gesellschaften erwerben würden. Das Zusammenschlussvorhaben lasse die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung der W.-Gruppe auf dem Regionalmarkt für Asphaltmischgut in L. erwarten, weil sie einen verbesserten Zugang zu den Absatzmärkten für Asphaltmischgut erhielte. Nach Ansicht des Bundeskartellamtes unterliegt das Zusammenschlussvorhaben der Fusionskontrolle nach § 35 Abs. 1 GWB. Die Bagatellmarktklausel (§ 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB) sei nicht einschlägig. Durch das Zusammenschlussvorhaben seien der Regionalmarkt für Asphaltmischgut L. und der hieran angrenzende und ihn in einem Randbereich gering überschneidende Regionalmarkt für Asphaltmischgut K. betroffen. Zwar liege das Gesamtmarktvolumen von Asphaltmischgut in beiden Märkten jeweils unterhalb von 15 Mio. € (10, 1 Mio. € bzw. 10,7 Mio. €). Jedoch sei das Gesamtmarktvolumen beider Märkte für die Zwecke der Bagatellmarktklausel zusammenzurechnen.
Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten Beschwerde eingelegt und zudem beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 15. November 2007 anzuordnen.
Das Bundeskartellamt beantragt,
den Antrag zu verwerfen, hilfsweise, ihn zurückzuweisen.
II.
Der Antrag der Beteiligten zu 1 und 2, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes anzuordnen, ist zulässig und begründet.
A.
An der Zulässigkeit des Antrages nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB bestehen keine Bedenken. Er ist statthaft. Auch liegt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vor.
I.
Der Statthaftigkeit des Antrages nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB steht nicht das in § 41 Abs. 2 GWB vorgesehene Verfahren über die Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot entgegen. Zwar enthält § 41 Abs. 2 GWB nach der Rechtsprechung des Senates eine abschließende Spezialregelung für die Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB, so dass außerhalb des dort vorgesehenen Antragsverfahrens eine Befreiung vom Vollzugsverbot weder durch eine einstweilige Anordnung im Beschwerdeverfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung noch mittels (Wieder-)Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Untersagungsbeschwerde beantragt werden kann (Senat WuW/E DE-R 2069, 2073 ff. -Phonak/ReSound). Allerdings besteht vorliegend keine Kollision zwischen einem Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB und der nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB beantragten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die Untersagungsverfügung. Ein Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB scheidet aus, weil für das in Rede stehende Zusammenschlussvorhaben das gesetzliche Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB nicht gilt.
Das gesetzliche Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB beseht für alle Zusammenschlüsse, die dem Geltungsbereich der Zusammenschlusskontrolle (§ 35 GWB) unterfallen (Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 41 Rn. 3). Im Falle einer ergangenen Untersagungsverfügung dauert das gesetzliche Vollzugsverbot solange an, wie die Verfügung Bestand hat.
Der von F. beabsichtigte Erwerb einer Beteiligung von jeweils .. % von der B. an der neu zu gründenden A. L. und der dazugehörenden Komplementärgesellschaft unterfällt nicht der Zusammenschlusskontrolle, weil von dem Zusammenschlussvorhaben lediglich ein Bagatellmarkt betroffen ist.
1.
Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB finden die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle keine Anwendung, soweit ein Markt betroffen ist, auf dem seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Dienstleistungen angeboten werden und auf dem im letzten Kalenderjahr weniger als 15 Mio. € umgesetzt worden sind (sog. Bagatellmarktklausel). Unter welchen Voraussetzungen ein Markt im Sinne dieser Vorschrift als betroffen gilt, wird nicht näher konkretisiert. Der Begriff der Betroffenheit ist daher mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck der Fusionskontrolle auszufüllen. Ziel der Fusionskontrolle ist es, eine Verschlechterung der Marktstruktur durch die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu verhindern. Dementsprechend ist - wovon mit Recht auch das Bundeskartellamt in dem angefochtenen Beschluss (dort Rz. 17) ausgeht - von einem Zusammenschlussvorhaben der Markt betroffen, auf dem die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein am Zusammenschlussvorhaben beteiligtes Unternehmen möglich erscheint. Dies wird in der Regel der Markt sein, auf dem sich das Zusammenschlussvorhaben vollzieht (vgl. KG WuW/E OLG 2259 - Siegerländer Transportbeton). Es können aber auch andere (räumliche und sachliche) Märkte in Betracht kommen. An das Erfordernis der Betroffenheit sind dabei in beiden Fällen die gleichen Anforderungen zu stellen, d.h. es muss die Möglichkeit der Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch ein am Zusammenschlussvorhaben beteiligtes Unternehmen bestehen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, an die Betroffenheit des Marktes, auf dem sich der Zusammenschluss vollzieht, höhere oder geringere Anforderungen zu stellen, als an andere in Betracht zu ziehende Märkte. Die in der Literatur teilweise geforderte Spürbarkeit der Auswirkungen auf andere Märkte (vgl. Paschke in Frankfurter Kommentar § 35 Rn. 28; Ruppelt in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, 10 Aufl., § 35 Rn. 24) ist darüber hinaus nicht notwendig. Ein Spürbarkeitserfordernis ist der Fusionskontrolle fremd, weshalb der Bundesgerichtshof beispielsweise für die materielle Fusionskontrolle auch ein solches Spürbarkeitserfordernis ausdrücklich abgelehnt und selbst geringe Verstärkungswirkungen für ausreichend erachtet hat, um die Untersagungsvoraussetzungen zu erfüllen (Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl., § 36 Rn. 197 m.w.Nachw.).
Ob ein Markt im Sinne von § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB betroffen ist, erfordert dabei keine vorgezogene materielle Prüfung der Untersagungsvoraussetzungen des § 36 GWB. Vielmehr sind an das Vorliegen der Voraussetzungen geringere Anforderungen zu stellen, weil es allein um die Frage geht, ob die Fusionskontrolle eröffnet ist. Ausreichend aber auch erforderlich ist deshalb, dass die begründete, d.h. durch Tatsachen und Erfahrungssätze hinreichend belegte Möglichkeit besteht, dass sich durch das Zusammenschlussvorhaben die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Markt in der Weise verändern, dass ein am Zusammenschluss beteiligtes Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung erlangt oder eine solche verstärkt wird. Eine bloß theoretische Möglichkeit genügt dementsprechend nicht.
2.
Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen ist durch das in Rede stehende Zusammenschlussvorhaben lediglich der Regionalmarkt L. betroffen, der die Umsatzschwelle von 15 Mio. € jedoch nicht erreicht.
a.
Der von F. beabsichtigte Erwerb einer Beteiligung in Höhe von .. % von B. an dem A. L. betrifft in sachlicher Hinsicht den (Angebots-) Markt für Asphaltmischgut, der in räumlicher Hinsicht auf das typische Liefergebiet des Asphaltmischwerkes in L. beschränkt ist. Der Lieferradius beträgt etwa 25 Kilometer. Gegen diese Marktabgrenzung bestehen keine Bedenken. Auch die Antragsteller wenden sich hiergegen nicht. Da die W.-Gruppe auf diesem Markt mit großem Marktanteilsabstand zu den übrigen Wettbewerbern über einen weit über der Vermutungsgrenze des § 19 Abs. 3 GWB liegenden Marktanteil verfügt, besteht die begründete Möglichkeit, dass der Zusammenschluss zu einer Verstärkung einer - aller Voraussicht nach bestehenden - marktbeherrschenden Stellung der W.-Gruppe auf diesem Markt durch einen verbesserten Zugang zu dem Absatzmarkt für Asphaltmischgut führt, auf dem F. als Straßenbauunternehmen und damit als Abnehmer für Asphaltmischgut tätig ist.
Jedoch liegt das Gesamtvolumen in diesem Markt nach den Ermittlungen des Bundeskartellamtes bei ... Mio. € (.. Tt) und damit unterhalb des Schwellenwertes des § 35 Abs. 2 Nr. 2 GWB.
b.
Das Umsatzvolumen des räumlich angrenzenden Regionalmarktes für Asphaltmischgut, der sich in einem Radius von gleichfalls etwa 25 Kilometern um das von der A. K. betriebene Asphaltmischwerk erstreckt und nach den Ermittlungen des Amtes ein Umsatzvolumen von .. Mio. € hat, ist nicht zu addieren.
Zwar kann unter bestimmten Voraussetzungen bei der Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle im Rahmen des § 35 Abs. 2 Nr. 2 GWB das Marktvolumen mehrerer getrennter Märkte zusammengerechnet werden. Jedoch liegt ein solcher Ausnahmefall entgegen den Ausführungen des Amtes hier nicht vor.
aa.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Bagatellmarktklausel dann nicht ein, wenn das Zusammenschlussvorhaben mehrere räumlich nebeneinanderliegende (sachlich) gleichartige Märkten betrifft, auf denen insgesamt mehr als 15 Mio. € umgesetzt werden (BGHZ 168, 296 Rn. 15 - Deutsche Bahn/KVS Saarlouis). Allein entscheidend für eine Addition der Umsatzerlöse ist danach, dass es sich um sachlich gleichartige Märkte handelt, die räumlich nebeneinander liegen und jeweils von dem Zusammenschlussvorhaben betroffen sind. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Raiffeisen" zusätzlich darauf abgestellt hat, dass die betroffenen räumlichen Märkte entsprechend strukturiert sind und von einer flächendeckenden Organisationsstruktur der Zusammenschlussbeteiligten abgedeckt werden (BGH Wuw/E BGH 3037, 3043 - Raiffeisen), hat er hieran nicht mehr festgehalten. Vielmehr führt er hierzu ausdrücklich aus, dass das einzige Kriterium der Bagatellmarktklausel für die gesamtwirtschaftliche Bedeutung das Marktvolumen von 15 Mio. € ist und eine hiervon unabhängige Prüfung bei additiver Betrachtung mehrerer kleinerer Märkte sachlich nicht geboten und zudem mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten belastet wäre, die im Widerspruch zu der in § 35 GWB durch die Kriterien bestimmter Umsatzerlöse im Interesse der Rechtssicherheit formalisierten Bestimmung des Geltungsbereichs der Fusionskontrolle stünden (BGHZ 168, 296 Rn. 15 - Deutsche Bahn/KVS Saarlouis).
Von dieser Rechtsprechung hat sich der Bundesgerichtshof - anders als die Antragsteller meinen - in seiner jüngsten, zur Bagtellmarktklausel ergangenen Entscheidung nicht distanziert (BGH WuW/E DE-R 2133 - Sulzer/Kelmix). Der Bundesgerichtshof zählt in dieser Entscheidung die Fälle auf, in denen er nach seiner bisherigen Rechtsprechung ausnahmsweise eine Umsatzaddition zugelassen hat. Folgerichtig wird in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung "Deutsche Bahn/KVS Saarlouis" genannt und ausgeführt, dass eine Bündelung der auf verschiedenen sachlich relevanten Märkten erzielten Umsätze notwendig ist, wenn die Zusammenschlussbeteiligten gleichzeitig auf dem Bagatellmarkt und einem vor- oder nachgelagerten Nicht-Bagatellmarkt tätig sind und die Wettbewerbsbedingungen auf dem Bagatellmarkt unmittelbar darüber entscheiden, welche Wettbewerber rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, ihre Waren oder Dienstleistungen auch auf dem anderen Markt anzubieten. Zwar hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang seine in derselben Entscheidung enthaltenen Ausführungen zur Umsatzaddition gleichartiger Märkte nicht ausdrücklich wiederholt. Soweit die Beteiligten hieraus jedoch herleiten, dass der Bundesgerichtshof an diesen Ausführungen nicht mehr festhalten möchte, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Für eine solche Schlussfolgerung fehlen jegliche Anhaltspunkte. Vielmehr war - im Gegenteil - für die in Rede stehende Entscheidung die Addition der auf den räumlich nebeneinanderliegenden Fahrgastmärkten erzielten Umsätze Voraussetzung dafür, überhaupt einen Nicht-Bagatellmarkt feststellen zu können. Erst anschließend stellte sich für den Bundesgerichtshof die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die materielle Fusionskontrolle auch auf den vorgelagerten Bagatellmarkt - hierbei handelte es sich um den Aufgabenträgermarkt - zu erstrecken ist.
bb.
Bei den Regionalmärkten L. und K. handelt es sich um räumlich nebeneinanderliegende sachlich gleichartige Märkte. Eine Addition der erzielten Umsätze scheitert aber daran, dass der Regionalmarkt K. nicht von dem Zusammenschlussvorhaben betroffen ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich die beabsichtigte Beteiligung von F. in Höhe von .. % an der neu zu gründenden A. L. auch auf den Wettbewerb im Regionalmarkt K. in der Weise auswirkt, dass die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung entweder der W.-Gruppe oder der F.-Gruppe in Betracht kommt.
(1)
W. ist in dem Regionalmarkt K. mit großem Abstand der führende Hersteller von Asphaltmischgut. Es werden in diesem Markt nur zwei Asphaltmischwerke betrieben. Außer dem Asphaltmischwerk in K., an dem die Zusammenschlussbeteiligten jeweils zu .. % beteiligt sind, befindet sich ein weiteres Mischwerk in N.-B.. Auch dieses Mischwerk gehört zur W.-Gruppe. Der Marktanteil der W.-Gruppe ist daher erheblich und liegt zwischen 80-95 %. Allerdings vermag der Senat nicht zu erkennen, wie die beabsichtigte Minderheitsbeteiligung von F. an dem Asphaltmischwerk in L. die Marktstellung der W.-Gruppe im Regionalmarkt K. verstärken kann. Das Bundeskartellamt macht geltend, durch das Zusammenschlussvorhaben würden "die Kundenbeziehungen der W.-Gruppe (Werk L.) mit der F.-Gruppe abgesichert, so dass sich das Vorhaben auch insoweit auf den Regionalmarkt K. auswirkt" (Bl. 90 GA). Diese Ausführungen überzeugen nicht. Die W.-Gruppe verfügt im Regionalmarkt K. bereits über einen Zugang zu den Absatzmärkten für Asphaltmischgut, denn die W.-Gruppe ist mit F. über das paritätische Gemeinschaftunternehmen A. K. verflochten. Aufgrund dieser Verflechtung besteht für die F.-Gruppe als führendes Straßenbauunternehmen bereits der wirtschaftliche Anreiz, seinen Bedarf an Asphaltmischgut im Regionalmarkt K. möglichst bei der eigenen Beteiligungsgesellschaft und damit bei der A. zu beziehen. Dieser Anreiz wird nicht dadurch intensiviert, dass durch den beabsichtigten Zusammenschluss auch auf dem Regionalmarkt L. eine mögliche Absicherung der Kundenbeziehungen der W.-Gruppe mit der F.-Gruppe erreicht werden kann. Es ist nicht zu erkennen, warum es für die F.-Gruppe nach Vollzug des beabsichtigten Zusammenschlusses noch attraktiver als bisher sein soll, ihren Bedarf an Asphaltmischgut im Markt K. möglichst bei der A. K. zu decken. Dies gilt auch im Hinblick auf die Qualität der Beteiligungen von F. an der A. L. und der A. K.. Denn es ist nicht so, dass F. lediglich eine völlig unbedeutende Beteiligung an der A. K. hält und diese Beteiligung durch die beabsichtigte Verflechtung an der A. L. faktisch so aufgewertet werden kann, dass eine Intensivierung der Kundenbeziehungen möglich erscheint. Es ist vielmehr umgekehrt. Die A. K. wird als paritätisches Gemeinschaftsunternehmen von F. und der W.-Gruppe betrieben, während es sich bei der Beteiligung von F. an der A. L. lediglich um eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von .. % handelt.
Auf dem Markt K. besteht somit bereits eine intakte und weitaus intensivere Kooperation und Verflechtung der W.-Gruppe mit der F.-Gruppe, als sie durch das Zusammenschlussvorhaben entstehen würde. Dementsprechend ist nicht zu erwarten, dass die Fusion die vom Amt reklamierten Wettbewerbsbeschränkungen auf dem Markt K. entfaltet.
(2)
Ohne Erfolg macht das Bundeskartellamt ferner geltend, durch die beabsichtigte Minderheitsbeteiligung an der A. L. könne die Marktposition der F.-Gruppe auf dem Regionalmarkt K. verbessert werden, weil es infolge der geringen Überschneidung der Regionalmärkte zu horizontalen Effekten komme (Bl. 89 GA).
F. verfügt als Anbieter von Asphaltmischgut im Regionalmarkt K. bereits auf erste Sicht nicht über eine solche Marktstellung, dass die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung durch das in Rede stehende Zusammenschlussvorhaben ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Zwar trägt das Amt hierzu vor, die F.-Gruppe habe durch das paritätische Gemeinschaftsunternehmen A. K. - offenbar unter Anrechnung des Gesamtumsatzes des Gemeinschaftsunternehmens gemäß § 36 Abs. 2 GWB - einen Marktanteil oberhalb der Einzelmarktbeherrschungsvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB. Jedoch muss in diesem Zusammenhang auch und vor allem die Marktstellung der W.-Gruppe in den Blick genommen werden. Die W.-Gruppe ist im Regionalmarkt K. bereits auf erste Sicht mit sehr großem Abstand der führende Hersteller von Asphaltmischgut und verfügt, da auch ihr gemäß § 36 Abs. 2 GWB der Gesamtumsatzes des Gemeinschaftsunternehmen anzurechnen ist, über einen Marktanteil von 75-95 %. Bei dieser Situation ist auch ohne eingehende Prüfung die für die F.-Gruppe streitende Vermutung des § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB offentsichtlich als widerlegt anzusehen. Darüber hinaus ist aber auch nicht erkennbar und vom Bundeskartellamt auch nicht dargetan, inwiefern die Minderheitsbeteiligung von F. an der A. L. die Marktposition von F. auf dem Markt in K. verbessern könnte. Dass F. aufgrund der beabsichtigten Minderheitsbeteiligung von .. % das Marktverhalten der A. L. wesentlich bestimmen und auf diese Weise die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Regionalmarkt K. zu ihren Gunsten verändern kann, ist weder vom Amt dargetan noch zu erkennen.
cc.
Der Bagatellmarkt L. ist auch dann nicht in die materielle Fusionskontrolle einzubeziehen, wenn es sich bei dem nachgelagerten Straßenbaumarkt - so die Ausführungen des Bundeskartellamtes - um einen Nicht-Bagatellmarkt handelt. Insofern kann dahin stehen, wie der Straßenbaumarkt in sachlicher und räumlicher Hinsicht abzugrenzen und ob dieser Markt durch das Zusammenschlussvorhaben betroffen ist. Jedenfalls sind die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ausnahmsweise die auf verschiedenen sachlich relevanten Märkten erzielten Umsätze addiert werden können, nicht erfüllt. Eine Bündelung der erzielten Umsätze kommt nur dann in Betracht, wenn die Zusammenschlussbeteiligten gleichzeitig auf dem Bagatellmarkt und einem vor- oder nachgelagerten Nicht-Bagatellmarkt tätig sind und die Wettbewerbsbedingungen auf dem Bagatellmarkt unmittelbar darüber entscheiden, welche Wettbewerber rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, ihre Waren oder Dienstleistungen auch auf dem anderen Markt anzubieten (BGHZ 168, 295 Rn. 16 - Deutsche Bahn/KVS Saarlouis). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt für Asphaltmischgut entscheiden weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht darüber, welche Straßen- und Tiefbauunternehmen in der Lage sind, ihre Straßen- und Tiefbauleistungen anzubieten.
Betrifft somit das in Rede stehende Zusammenschlussvorhaben lediglich einen Bagatellmarkt, sind gemäß § 35 Abs. 2 GWB die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle nicht anwendbar und das gesetzliche Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB besteht nicht.
II.
Den Beteiligten steht für den geltend gemachten Antrag nach § 65 Abs. 3 GWB auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.
Das Rechtsschutzbedürfnis wäre nur dann zu verneinen, wenn die Beteiligten trotz der begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde gehindert wären, den Zusammenschluss einstweilen bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu vollziehen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das gesetzliche Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB gelten würde. Der angeordnete Suspensiveffekt der Untersagungsbeschwerde wäre in diesem Fall ohne Einfluss auf das gesetzliche Vollzugsverbot, weil § 41 Abs. 1 GWB die Vollziehung eines kontrollpflichtigen und kartellbehördlich untersagten Zusammenschlussvorhabens solange verbietet, wie die Untersagungsverfügung Bestand hat. Da hier aber - wie ausgeführt - das gesetzliche Vollzugsverbot nicht gilt, sind die Zusammenschlussbeteiligten ausschließlich durch die angefochtene Untersagungsverfügung an der Vollziehung des Zusammenschlusses gehindert. Daraus ergibt sich unmittelbar das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
III.
Der Antrag der Fusionsbeteiligten, die aufschiebende Wirkung ihrer gegen die Untersagungsverfügung eingelegten Beschwerde anzuordnen, ist auch nicht deshalb unzulässig, weil - so das Vorbringen des Amtes - hierdurch die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen würde.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde hat zur Folge, dass die Vollziehung der Untersagungsverfügung bis zur verfahrensabschließenden Entscheidung über die Beschwerde gehemmt ist. Da hier ein gesetzliches Vollzugsverbot nicht besteht, könnten die Antragsteller in diesem Fall das beabsichtigte Zusammenschlussvorhaben ohne Verstoß gegen die Untersagungsverfügung vollziehen, bevor in der Hauptsache über ihre Untersagungsbeschwerde entschieden worden ist. Dies bedeutet aber keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache im Sinne einer endgültigen Erfüllung des nachgesuchten Rechtsschutzes auf Gestattung der Fusion. Wenn die Beschwerde der Beteiligten in der Hauptsache keinen Erfolg hat und die Untersagungsverfügung bestätigt werden sollte, sind sie zur Entflechtung ihres vorläufig vollzogenen Zusammenschlussvorhabens verpflichtet (vgl. § 41 Abs. 3 GWB). Eine solche Entflechtung ist auch ohne weiteres möglich. Die Antragsteller haben vorgetragen, dass der Vollzug durch einfache Rückübertragung der ..%igen Minderheitsbeteiligung an B. rückabgewickelt werden kann.
B.
Der somit zulässige Antrag ist auch begründet.
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung (§ 65 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 GWB).
Das Verfahren nach § 65 Abs. 3 GWB ist ein Eilverfahren, in dem anders als im Beschwerdeverfahren nach § 63 GWB keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle der angefochtenen Verfügung der Kartellbehörde erfolgt. Nach § 65 Abs. 3 Satz 2 GWB ist daher der Prüfungsmaßstab für die vorzunehmende Rechtmäßigkeitskontrolle, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen. Hiervon ist vorliegend auszugehen. Wie bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ausgeführt sind die Voraussetzungen der Bagatellmarktklausel nach § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB zu bejahen. Dies bedeutet, dass das vom Bundeskartellamt verbotene Zusammenschlussvorhaben nicht den Vorschriften der Zusammenschlusskontrolle unterliegt und daher nicht hätte untersagt werden dürfen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1 GWB zuzulassen, weil die Rechtsfrage, wann ein Markt als betroffen im Sinne von § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB gilt, grundsätzliche Bedeutung hat.
Ende der Entscheidung
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