Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.03.2008
Aktenzeichen: VI-Kart 19/07 (V)
Rechtsgebiete: GlüStV, LGlüG, GWB


Vorschriften:

GlüStV § 10
GlüStV § 10 Abs. 1 Satz 1
GlüStV § 10 Abs. 2
GlüStV § 25
GlüStV § 25 Abs. 3
LGlüG § 5
LGlüG § 5 Abs. 1
LGlüG § 5 Abs. 1 Satz 2
LGlüG § 5 Abs. 2
GWB § 24 Abs. 2 Satz 4 a.F.
GWB § 24 a Abs. 4 a.F.
GWB § 24 a Abs. 4 Satz 1 a.F.
GWB § 39 Abs. 3
GWB § 40 Abs. 1 Satz 1
GWB § 40 Abs. 2 Satz 2
GWB § 41
GWB § 41 Abs. 1
GWB § 41 Abs. 1 Satz 1
GWB § 41 Abs. 2
GWB § 41 Abs. 2 Satz 2
GWB § 56 a.F.
GWB § 56 Nr. 3 a.F.
GWB § 60
GWB § 60 Nr. 1
GWB § 60 Nr. 3
GWB § 63
GWB § 63 Abs. 1 Satz 1
GWB § 63 Abs. 3 a.F.
GWB § 64 Abs. 3
GWB § 64 Abs. 3 Satz 1
GWB § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
GWB § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
GWB § 65 Abs. 3 Satz 3
GWB § 76 Abs. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die Anträge der Beteiligten auf Erlass einer einstweiligen Anordnung oder eines Anordnungsbeschlusses, den Antragstellern und den Beteiligten zu 3. bis 5. zu gestatten, den mit Beschluss des Bundeskartellamtes vom 29.11.2007 (B 6 - 92763 - Fa - 158/07) untersagten Zusammenschluss vollziehen zu dürfen, werden verworfen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 2. (nachfolgend: L. GmbH) betreibt als vom Land RP betrautes Unternehmen nach dem Landesglücksspielgesetz des Landes RP im Bereich der Gebietskörperschaft der Beteiligten zu 1. (nachfolgend Land RP) unter anderem verschiedene Glücksspiellotterien. Derzeit betreibt sie aufgrund staatlicher Konzessionsbescheide des Landes RP die Lotterien und Wettspiele GlücksSpirale, Zahlenlotterie 6 aus 49, Super 6, Spiel 77, Zahlenlotterie Keno, Plus 5, Losbrieflotterie (Rubbellose), Fußballtoto-Auswahlwette, Fußballtotoergebniswette und Oddset-Sportwette. Gesellschafter der L. GmbH sind die Beteiligten zu 3. bis 5.

Das Land RP beabsichtigt, von den Beteiligten zu 3. bis 5. insgesamt ... % der Anteile der L. GmbH zu übernehmen, um darüber einen maßgeblichen Einfluss auf das Glücksspiel in Rheinland-Pfalz nehmen zu können.

Hintergrund für das Übernahmevorhaben sind Regelungen im Staatsvertrag der Bundesländer zum Glücksspielwesen in Deutschland aus dem Jahr 2007 (GlüStV) und des Ratifizierungsgesetzes des Landes RP zu diesem Vertrage (Landesglücksspielgesetz - LGlüG). Ziel des Glückspielstaatsvertrages sind gemäß seines § 1 unter anderem, "das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen" und "das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere das Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern".

In § 10 GlüStV heißt es hierzu weiter:

"(1) Die Länder haben zur Erreichung der Ziele des § 1 die ordnungsrechtliche Aufgabe, ein ausreichendes Glücksspielangebot sicherzustellen.(...)

(2) Auf gesetzlicher Grundlage können die Länder diese öffentliche Aufgabe selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, erfüllen."

§ 25 Abs. 3 GlüStV ergänzt diese Regelung wie folgt:

"Abweichend von § 10 Abs. 2 kann das Land Rheinland-Pfalz seine Aufgabe nach § 10 Abs. 1 durch ein betrautes Unternehmen wahrnehmen."

In § 5 des Landesglücksspielgesetzes hat das Land RP zur Umsetzung vorgenannter Bestimmungen folgende Regelungen getroffen:

"(1) Die in Rheinland Pfalz zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erforderlichen öffentlichen Glücksspiele werden vom Land selbst unmittelbar oder mittelbar über die S. K. veranstaltet. Die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgabe obliegt dem für das Lotteriewesen zuständigen Ministerium; dieses kann sich zur Durchführung der unmittelbar vom Land veranstalteten öffentlichen Glücksspiele einer privatrechtlichen Gesellschaft bedienen, die vom Land beherrscht wird.

(2) Das Land wird ermächtigt, ... einen geeigneten Dritten mit der Durchführung der unmittelbar vom Land veranstalteten öffentlichen Glücksspiele hoheitlich zu beleihen.

(5) Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 Halbsatz 2 werden die vom Land unmittelbar veranstalteten öffentlichen Glücksspiele von der L. R.-P. GmbH durchgeführt. § 25 GlüStV bleibt unberührt."

Das Bundeskartellamt hat mit dem angefochtenen Beschluss die Übernahme der Anteile untersagt, da damit eine marktbeherrschende Stellung der L. GmbH auf dem Markt für Lotterien in Rheinland-Pfalz verstärkt werde. Es stützt sich zur Begründung im Wesentlichen darauf, dass das Land RP auf den größten Wettbewerber der von der L. GmbH veranstalteten Lotterien, die S. K. (nachfolgend SKL), einen maßgeblichen Einfluss habe. Die SKL wird von den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz gemeinsam betrieben. Der Anteil des Landes RP in dem für die SKL zuständigen Staatslotterieausschuss beträgt nach dem Stimmverhältnis im Bundesrat gewichteten ... %. Das Bundeskartellamt nimmt neben dem Anwachsen der Marktmacht der L. GmbH in Rheinland-Pfalz auch einen koordinierenden Einfluss der L. GmbH auf das Lotteriegeschäft in den übrigen an der SLK beteiligten Bundesländer an.

Das Land RP und die L. GmbH haben gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie wenden sich ausführlich gegen die Feststellungen und Beurteilungen des Amtes im Hinblick auf eine marktbeherrschende Stellung der L. GmbH und eines Zuwachses an Marktmacht durch den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung durch das Land RP.

Im Wesentlichen machen sie geltend, die Übernahme der Anteile an der L. GmbH durch das Land RP sei ihnen hoheitlich, nämlich durch den zwischen allen Bundesländern geschlossenen Glücksspielstaatsvertrag und das Landesglücksspielgesetz des Landes RP vorgegeben. Die Regelungen des Staatsvertrages und des Landesgesetzes ihrerseits beruhten auf Vorgaben sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesgerichtshofs. Diese hätten ein staatliches Glücksspielmonopol nur bei einer konsistenten und an den Zielen der Spielsuchtbekämpfung ausgerichteten Organisation für zulässig erachtet. Einzig in Rheinland-Pfalz sei mit der L. GmbH noch ein rein privatrechtliches Unternehmen mit der Ausrichtung von Glücksspielen betraut. Nur der vom Amt untersagte Anteilserwerb könne eine einheitliche bundesweite Organisation sicher stellen, die den Anforderungen der Gerichte an ein Glücksspielmonopol genügten.

Auch habe die EU-Kommission § 25 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertrages der Länder, die dem Land RP zugestehe, die Aufgaben des Staatsvertrages (weiterhin) durch ein betrautes Unternehmen durchführen zu lassen, mehrfach, zuletzt mit Brief an die Bundesregierung vom 1. Februar 2008 gerügt, da diese Regelung einem privaten Unternehmen ohne Ausschreibung ein Monopol zuweise. Dieser Rüge könne ebenfalls allein durch eine Übernahme der Anteilsmehrheit an der L. GmbH durch das Land RP begegnet werden.

Die Beschwerdeführer haben beim Bundeskartellamt gemäß § 41 Abs. 2 GWB einen Dispens von dem gesetzlichen Vollzugsverbot beantragt. Diesen Antrag auf Dispens hat das Amt inzwischen abschlägig beschieden. Eine Beschwerde hiergegen haben die Beschwerdeführer angekündigt.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsverfügung beantragen die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit parallel hierzu im Wege einer einstweiligen Anordnung, hilfsweise durch Anordnungsbeschluss, ihnen und den Beteiligten zu 3. bis 5. zu gestatten, den mit Beschluss vom 29.11.2007 zum Gesch.-Z. B 6 - 92763 - Fa - 158 - 158/07 untersagten Zusammenschluss zu vollziehen.

Das Bundeskartellamt beantragt,

den Antrag zu verwerfen, hilfsweise, ihn zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls,

den Antrag zu verwerfen, hilfsweise, ihn zurückzuweisen

Das Amt und die Beigeladenen machen unter Bezugnahme auf den Phonak-Beschluss des Senats vom 08.08.2007 geltend, der Antrag sei unzulässig, da das Gesetz einen einstweiligen Rechtsschutz in der von den Beschwerdeführern begehrten Form nicht vorsehe. Eine Befreiung vom Vollzugsverbot sei ausschließlich über § 41 Abs. 2 GWB unter den dort normierten engen Voraussetzungen zu erlangen.

In der Sache verteidigt das Amt den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Gestattung der Vollziehung des Zusammenschlussvorhabens im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat keinen Erfolg.

A. Der Antrag ist - wie das Bundeskartellamt zutreffend geltend macht - unzulässig.

1. Nach geltendem Recht kann die Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot nur im Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB - und nicht durch einstweilige Anordnung im Beschwerdeverfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung oder mittels (Wieder-)Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Untersagungsbeschwerde - erteilt werden (Senat, Beschluss vom 08.08.2007, WuW/E DE-R 2069 - Phonak/ReSound).

a) Mit der zum 1. Januar 1998 in Kraft getretenen 6. GWB-Novelle hat der Gesetzgeber die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Zusammenschlussbeteiligten vor einer Fusionsfreigabe vom gesetzlichen Vollzugsverbot (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GWB, §§ 24 a Abs. 4 Satz 1, 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F.) befreit werden können, neu geregelt. Nach der bis dahin geltenden Rechtslage war der Kartellbehörde in § 56 Nr. 3 GWB a.F. das Recht eingeräumt, bis zu einer Entscheidung über die Freigabe eines angemeldeten Zusammenschlussvorhabens einstweilige Anordnungen zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes zu treffen. Die Befugnis zum Erlass einstweiliger Anordnungen umfasste dabei nach der Rechtsprechung des Kammergerichts auch die Möglichkeit, die Zusammenschlussbeteiligten vom Vollzugsverbot zu befreien und ihnen einstweilen den Vollzug eines angemeldeten, aber noch nicht bestandskräftig freigegebenen Fusionsvorhabens zu gestatten (KG, WuW/E OLG 2419, 2420 - Synthetischer Kautschuk II; WuW/E OLG 2571, 2572 - Gaslöschanlagen). Die Kompetenz der Kartellbehörde zur Befreiung vom Vollzugsverbot war allerdings zeitlich begrenzt. Wie sich aus § 63 Abs. 3 GWB a.F. ergab, wonach § 56 GWB a.F. entsprechend für das Verfahren vor dem Beschwerdegericht galt, ging mit Einlegung der Beschwerde die Befugnis zum Erlass einstweiliger Anordnungen von der Kartellbehörde auf das Beschwerdegericht über. Jenes war fortan bis zum rechtskräftigen Abschluss des Fusionskontrollverfahrens (vgl. § 75 Abs. 5 Satz 2 GWB a.F.) für den Erlass einstweiliger Anordnungen ausschließlich zuständig.

b) Diese Gesetzeslage ist im Bereich der Fusionskontrolle mit der 6. GWB-Novelle grundlegend umgestaltet worden.

aa) Festgehalten hat der Gesetzgeber daran, dass auch ein von der Kartellbehörde untersagter Zusammenschluss nicht vollzogen werden darf. Zwar ist die entsprechende Bestimmung in § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. im Rahmen der 6. GWB-Novelle ersatzlos entfallen. Statt dessen bestimmt § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB, dass der Vollzug einer Fusion vor Ablauf der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB und vor dem Ende der Vier-Monats-Frist des § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB, die das Kartellgesetz zur Durchführung des Hauptprüfverfahrens zur Verfügung stellt, und nach deren Ablauf jeweils eine gesetzliche Freigabefiktion eintritt (§ 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GWB), verboten ist. Daraus ist jedoch nicht zu folgern, dass ein von der Kartellbehörde untersagter Zusammenschluss in Abkehr von der bisherigen Rechtslage nunmehr soll vollzogen werden dürfen. Die Gesetzesbegründung zur 6. GWB-Novelle enthält keinen Hinweis auf einen dahingehenden Willen des Gesetzgebers. Sie betont im Gegenteil das Prinzip der präventiven Fusionskontrolle als einen das gesamte Recht der Zusammenschlusskontrolle beherrschenden Grundsatz und bezeichnet das Vollzugsverbot ausdrücklich als die notwendige Folge dieser Prävention (BT-Drucksache 13/9720, Abschnitt I Ziffer 3. h), Abschnitt II zu § 41, abgedr. in WuW-Sonderheft 1998 Seiten 79, 105). Damit wäre es unvereinbar anzunehmen, dass das gesetzliche Vollzugsverbot lediglich bis zum Ablauf der vom Gesetz eingeräumten Prüffristen, nicht aber für den Fall gelten soll, dass die Kartellbehörde das Zusammenschlussvorhaben untersagt hat. Dies gilt jedenfalls solange und soweit die Untersagungsentscheidung im Beschwerdeverfahren Bestand hat (vgl. Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 3. Aufl., § 41 a.a.O. Rdnr. 10; Ruppelt, in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 10. Aufl., § 41 Rdnr. 1; Rieger in Frankfurter Kommentar, GWB 2005 § 41 Rdnr. 25/26; Riesenkampff/Lehr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2, § 41 Rdnr. 2; siehe auch Bechtold, GWB Kartellgesetz, 4. Aufl., § 41 Rdnr. 8).

Aus dem Umstand, dass das Kartellgesetz vor der 6. GWB-Novelle das Vollzugsverbot für von der Kartellbehörde untersagte Zusammenschlüsse in § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. und für anmeldepflichtige Fusionen in § 24 a Abs. 4 Satz 1 GWB a.F. regelte und der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB erklärtermaßen alleine die Vorschrift des § 24 a Abs. 4 GWB a.F. übernehmen wollte (BT-Drucksache 13/9720, a.a.O.), lassen sich keine gegenteiligen Schlüsse ziehen. Die doppelte Rechtsgrundlage des Vollzugsverbots beruhte auf der damals geltenden Zweiteilung der Fusionskontrolle in anmelde- und anzeigepflichtige Zusammenschlüsse (§§ 24 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GWB a.F.) einerseits und den nur anzeigepflichtigen Fusionen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F.) andererseits. Für die anmeldepflichtigen Zusammenschlüsse, die bereits damals der präventiven Fusionskontrolle unterworfen waren, galt das Vollzugsverbot aus § 24 a Abs. 4 Satz 1 GWB a.F., während für bloß anzeigepflichtige Vorhaben, die der nachträglichen Zusammenschlusskontrolle unterstellt waren, die Regelung in § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. Anwendung fand. Nach der Rechtsprechung des Kammergerichts normierte § 24 a Abs. 4 Satz 1 GWB a.F. dabei ein gegenüber § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. eigenständiges Vollzugsverbot, das nur durch die kartellbehördliche Freigabe des Vorhabens oder das Verstreichen der in der Vorschrift genannten Fristen in Fortfall geraten konnte, und das im Falle einer behördlichen Untersagungsentscheidung fortgalt und nicht durch § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. ersetzt wurde (KG, WuW/E OLG 2571, 2572 - Gaslöschanlagen). Vor dem Hintergrund dieser Judikatur war die Entscheidung des Gesetzgebers der 6. GWB-Novelle, mit der Umstellung auf eine ausschließlich präventive Zusammenschlusskontrolle die Vorschrift des § 24 Abs. 2 Satz 4 GWB a.F. ersatzlos zu streichen und alleine den Regelungsgehalt des § 24 a Abs. 4 Satz 1 GWB a.F. zu übernehmen, konsequent. Einen gesetzgeberischen Regelungswillen, in Abkehr von der bisherigen Rechtslage kartellbehördlich untersagte Fusionsvorhaben fortan vom gesetzlichen Vollzugsverbot auszunehmen, kann daraus nicht abgeleitet werden.

Das gilt umso mehr, als es das erklärte Ziel des Gesetzgebers war, mit der 6. GWB-Novelle die präventive Zusammenschlusskontrolle in Anpassung an das europäische Recht, insbesondere an die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vom 21. Dezember 1989 (FKVO), auszuweiten (vgl. BT-Drucksache 13/9720, Abschnitt I Ziffer 3. h), abgedr. in WuW-Sonderheft 1998 Seiten 79) und das europäische Recht in Art. 7 Abs. 1 der genannten Verordnung ausdrücklich bestimmte, dass ein kontrollpflichtiger Zusammenschluss weder vor der Anmeldung noch solange vollzogen werden darf, bis er durch eine Entscheidung der Kommission für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt - d.h. freigegeben - worden ist. Diese europäische Rechtslage, die das Vollzugsverbot ausdrücklich auch auf den Fall erstreckt, dass ein Zusammenschlussvorhaben kartellbehördlich untersagt worden ist, gilt gemäß Art. 7 Abs. 1 der neuen Fusionskontrollverordnung (Verordnung (EG) Nr. 139/2004 vom 20.1.2004) - der die dargestellte Regelung unverändert übernommen hat - bis heute fort.

bb) Modifiziert hat der Gesetzgeber indes die Möglichkeit von Zwischenentscheidungen in der Fusionskontrolle. Zwar hat er in §§ 60, 64 Abs. 3, 76 Abs. 5 Satz 2 GWB an dem Grundsatz festgehalten, dass die Kartellbehörde für die Dauer des behördlichen Verfahrens zum Erlass von einstweiligen Anordnungen berechtigt ist und diese Befugnis mit Einlegung der Beschwerde auf das Beschwerdegericht übergeht, das sodann bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens für den Erlass einstweiliger Anordnungen ausschließlich zuständig ist. Das Verfahren zur Erlangung einer Befreiung vom Vollzugsverbot ist in § 41 Abs. 2 GWB aber gesondert geregelt worden. Die genannte Bestimmung sieht in Satz 1 vor, dass das Bundeskartellamt auf Antrag Befreiungen vom Vollzugsverbot erteilen kann, wenn die beteiligten Unternehmen hierfür wichtige Gründe geltend machen, insbesondere um schweren Schaden von einem beteiligten Unternehmen oder von Dritten abzuwenden; sie stellt in Satz 2 außerdem klar, dass die Befreiung jederzeit, auch vor der Anmeldung, erteilt werden kann. Der Gesetzgeber hat damit die Freistellung vom Vollzugsverbot in mehrfacher Hinsicht abweichend von den durch §§ 60, 64 Abs. 3 Satz 1 GWB ansonsten vorgesehenen einstweiligen Regelungsmöglichkeiten ausgestaltet. Dies betrifft zunächst die verfahrensmäßige Ausgestaltung. Der Dispens vom Vollzugsverbot ist in einem gesonderten Antragsverfahren bei der Kartellbehörde und nicht im Wege einstweiligen Rechtsschutzes geltend zu machen. Das Antragsverfahren nach § 41 Abs. 2 GWB weist darüber hinaus materiell-rechtliche Besonderheiten auf. § 41 Abs. 2 GWB knüpft bereits nach seinem Wortlaut ("wichtige Gründe") die Befreiung vom Vollzugsverbot an strengere Voraussetzungen, als sie § 60 GWB für den Erlass einstweiliger Anordnungen der Kartellbehörde vorsieht. Er bestimmt überdies - ebenfalls abweichend von § 60 GWB -, dass die Kartellbehörde die Befreiung vom Vollzugsverbot nicht nur im Rahmen des eigenen behördlichen Verfahrens, sondern "jederzeit" - also auch noch während des Beschwerdeverfahrens gegen seine Untersagungsverfügung und des Verfahrens der Rechtsbeschwerde bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über das angemeldete Zusammenschlussvorhaben - erteilen kann (zweifelnd: Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 24, die § 41 Abs. 2 GWB zwar ebenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Fusionskontrollverfahrens für anwendbar halten, aber aus dem allgemeinen Verhältnis von Kartellbehörde und Beschwerdegericht sowie mit Rücksicht auf die in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Untersagungsentscheidung zu treffende Prognoseentscheidung annehmen, dass - entgegen dem Wortlaut des § 41 Abs. 2 GWB - mit Beschwerdeeinlegung nicht mehr die Kartellbehörde, sondern in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB das Beschwerdegericht die Entscheidung nach § 41 Abs. 2 GWB zu treffen habe; a.A. Bremer/Wünschmann/Wolf, WuW 1/2008, s. 28, 29).

c) Aus der dargestellten Normlage kann nur geschlossen werden, dass § 41 Abs. 2 GWB für die Freistellung vom Vollzugsverbot eine abschließende Spezialregelung enthält. Dass § 60 Nr. 1 GWB die Kartellbehörde ermächtigt, einstweilige Anordnungen bis zur endgültigen Entscheidung der Kartellbehörde über die Freigabe oder Untersagung des Fusionsvorhabens im Hauptprüfverfahren nach § 40 Abs. 2 GWB zu treffen, steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift bezieht sich bei einer an Sinn und Zweck orientierten Gesetzesauslegung auf diejenigen einstweiligen Anordnungen in der Fusionskontrolle, die nicht auf die Befreiung vom Vollzugsverbot, sondern auf die anderen Regelungsziele (z.B. Anordnungen zur Sicherung des Vollzugsverbots; Anordnungen mit dem Ziel, eine etwaige spätere Entflechtung der fusionierten Unternehmen möglich zu halten) gerichtet sind.

aa) § 41 Abs. 2 GWB schließt mithin aus, dass die Kartellbehörde selbst den Zusammenschlussbeteiligten außerhalb des dort vorgesehenen Antragsverfahrens eine Befreiung vom Vollzugsverbots unter Rückgriff auf die allgemeinen Bestimmungen des Kartellgesetzes über den Erlass einstweiliger Anordnungen in § 60 GWB erteilt (ebenso: Mestmäcker/Veelken, a.a.O.; Rieger, a.a.O. Rdnr. 31, 64; vgl. auch Bechtold, a.a.O. § 60 Rdnr. 8 a.E.).

bb) In gleicher Weise ist auch das Beschwerdegericht gehindert, einem Zusammenschlussbeteiligten, der sich mit der Beschwerde gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung wendet, eine Befreiung vom Vollzugsverbot durch einstweilige Anordnung zu erteilen. § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB, der alleine § 60 GWB und nicht auch § 41 Abs. 2 GWB für in der Beschwerdeinstanz entsprechend anwendbar erklärt, räumt dem Beschwerdegericht nämlich ausschließlich diejenigen Befugnisse zum Erlass einer einstweiligen Anordnung ein, die auch der Kartellbehörde zustehen. Die Freistellung vom gesetzlichen Vollzugsverbot zählt nicht hierzu. Sie ist weder in § 60 GWB genannt noch kann sie überhaupt durch einstweilige Anordnung erteilt, sondern muss gemäß § 41 Abs. 2 GWB in einem besonderen Antragsverfahren bei der Kartellbehörde geltend gemacht werden (a.A. Bremer/Wünschmann/Wolf, a.a.O.).

(1) Dafür, dass dem Gesetzgeber bei der Fassung des § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB insoweit ein redaktionelles Versehen unterlaufen ist und der Wortlaut der Vorschrift den gesetzgeberischen Willen nur unvollständig wiedergibt, fehlt jedweder Anhaltspunkt. Dagegen spricht vielmehr, dass § 41 Abs. 2 Satz 2 GWB ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, bei der Kartellbehörde auch über das behördliche Verfahren hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Fusionskontrollverfahrens ("jederzeit") eine Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot zu erhalten. Nichts deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber den Zusammenschlussbeteiligten die Möglichkeit eröffnen wollte, sich nach freiem Belieben statt im Rahmen eines Antragsverfahrens nach § 41 Abs. 2 GWB im Beschwerdeverfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung durch einstweilige Anordnung des Beschwerdegerichts vom Vollzugsverbot befreien zu lassen.

(2) Eine dahingehende Anordnungsbefugnis des Beschwerdegerichts ist auch nicht unter Rechtsschutzgesichtspunkten geboten. Dem in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz ist dadurch Genüge getan, dass die Zusammenschlussbeteiligten die Ablehnung ihres Antrags nach § 41 Abs. 2 GWB auf Freistellung vom Vollzugsverbot gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 GWB mit der Beschwerde anfechten können und das Beschwerdegericht in jenem Verfahren analog § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB auch die zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes notwendigen einstweiligen Anordnungen treffen kann (vgl. Rieger, a.a.O. Rdnr. 63; Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 31; Kollmorgen in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 10. Aufl., § 64 Rdnr. 6).

2. Nach den vorstehend dargelegten Rechtsgrundsätzen sind die Anträge der Beteiligten, ihnen im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug des angemeldeten Zusammenschlussvorhabens zu gestatten, unzulässig. Nach geltendem Recht können die Zusammenschlussbeteiligten eine Befreiung vom Vollzugsverbot ausschließlich in dem dafür vorgesehenen Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB geltend machen. Der nachgesuchte Dispens kann demgegenüber nicht - wie beantragt - außerhalb dieses Verfahrens im Verfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung durch einstweilige Anordnung des Beschwerdegerichts nach §§ 64 Abs. 3, 60 GWB oder durch den Antrag nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde verfolgt werden. Er kann mangels Regelungslücke auch nicht auf eine analoge Anwendung der genannten Rechtsvorschriften gestützt werden.

Dem steht nicht entgegen, dass der Senat einstweilige Anordnungen in Bezug auf die Vollziehung des Zusammenschlussvorhabens nach § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3, Satz 3, §§ 64 Abs. 3, 60 Nr. 3 GWB für den Fall zugelassen hat, dass sich ein beigeladenes Unternehmen mit seiner Beschwerde gegen die kartellbehördliche Fusionsfreigabe wendet (WuW/E DE-R 665 - NetCologne; WuW/E DE-R 681, 682 -Trienekens). Jenen Sachverhalten lag nämlich eine gänzlich andere Fallkonstellation zugrunde. Bei der Drittbeschwerde des Beigeladenen geht es nicht um eine Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot, sondern im Gegenteil um die vorläufige Beseitigung der Befugnis der Fusionsbeteiligten, einen von der Kartellbehörde freigegebenen Zusammenschluss sofort vollziehen zu dürfen. Außerdem fehlt es in jenen Fällen - anders als bei der Freistellung vom Vollzugsverbot - an einer die Vorschriften zum Erlass einstweiliger Anordnungen verdrängenden Spezialregelung, wie sie § 41 Abs. 2 GWB enthält.

B. Wollte man entgegen den dargestellten - und nach Auffassung des Senats zwingenden - Erwägungen gleichwohl die Befugnis des Beschwerdegerichts bejahen, die Zusammenschlussbeteiligten durch einstweilige Anordnung vom Vollzugsverbot zu befreien, wären an eine dahingehende Freistellungsentscheidung des Beschwerdegerichts materiell-rechtlich in jedem Falle die gleichen Anforderungen zu stellen, wie sie im Beschwerdeverfahren gegen eine ablehnende Behördenentscheidung nach § 41 Abs. 2 GWB gelten würden. Diese sind im Entscheidungsfall indes nicht erfüllt.

1. a) Die Befreiung vom Vollzugsverbot stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der präventiven Fusionskontrolle dar und läuft überdies dem in § 41 Abs. 1 GWB zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers zuwider, auch eine nur zeitweilige Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen zu verhindern sowie die Schwierigkeiten der Entflechtung vollzogener Zusammenschlüsse zu verhindern. Aus diesem Grund muss die Befreiungsmöglichkeit des § 41 Abs. 2 GWB auf besondere Ausnahmesituationen beschränkt bleiben. Nachteile, die sich üblicherweise aus dem gesetzlichen Vollzugsverbot ergeben, rechtfertigen deshalb in keinem Fall die einstweilige Gestattung zum Vollzug des Zusammenschlusses. Zweck der Befreiung ist es vielmehr alleine, schwere Schäden für die Fusionsbeteiligten oder Dritte abzuwenden, die für die Dauer des fusionsrechtlichen Prüfverfahrens drohen und auf andere Weise nicht zu vermeiden sind (vgl. Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 27; Rieger, a.a.O. Rdnr. 49; Ruppelt, a.a.O. Rdnr. 4; Riesenkampff/Lehr, a.a.O. Rdnr. 7). Die Begründung zum Regierungsentwurf der 6. GWB-Novelle nennt als Beispiele einer die Befreiung vom Vollzugsverbot rechtfertigenden Ausnahmesituation zum einen die Sanierungsfusion - also den Fall, dass ohne die Befreiung vom Vollzugsverbot der Zusammenbruch eines Unternehmens und dessen Ausscheiden aus dem Markt droht - und zum anderen den Auslandszusammenschluss, bei dem die nach § 39 Abs. 3 GWB erforderlichen Angaben unvollständig sind und der Anmeldende bei der Anmeldung glaubhaft macht, dass er aufgrund der für die Fusion geltenden ausländischen Rechtsvorschriften oder sonstiger Umstände daran gehindert ist, die erforderlichen Angaben vor dem Vollzug des Zusammenschlusses zu machen (BT-Drucksache 13/9720, Abschnitt II zu § 41, abgedr. in WuW-Sonderheft 1998 Seite 105).

b) Das Gesetz räumt der Kartellbehörde in § 41 Abs. 2 GWB bei der Entscheidung, ob die von ihr festgestellten gewichtigen Gründe zu einem Dispens vom Vollzugsverbot führen oder nicht, überdies Ermessen ein. Unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat die Behörde die von den Fusionsbeteiligten geltend gemachten Individualinteressen mit dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung des gesetzlichen Vollzugsverbots gegeneinander abzuwägen (Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 27 m.w.N.). Das Beschwerdegericht ist in diesem Zusammenhang auf die Überprüfung beschränkt, ob die Kartellbehörde ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, d.h. die Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht (sog. Ermessensnichtgebrauch) und die gesetzlichen Zielvorstellungen beachtet sowie alle für die Ermessensausübung maßgebenden Gesichtspunkte hinreichend in ihre Erwägungen einbezogen hat (sog. Ermessensfehlgebrauch). Stellt es Ermessensfehler fest, hat es die Sache zur Neubescheidung an die Kartellbehörde zurückzugeben; eine eigene Ermessensentscheidung ist dem Beschwerdegericht verwehrt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund der besonderen Umstände des Falles alleine eine Entscheidung ermessensfehlerfrei ist. Ausschließlich bei einer solchen Ermessensreduzierung auf Null darf das Beschwerdegericht die Kartellbehörde zum Erlass dieser - rechtlich einzig fehlerfreien - Entscheidung verpflichten (vgl. allgemein: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 114 Rdnr. 4 bis 6 m.w.N.) oder selbst die Befreiung aussprechen. Im Ergebnis kann das Beschwerdegericht im Verfahren nach §§ 63, 41 Abs. 2 GWB deshalb nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Befreiung vom Vollzugsverbot erteilen, und zwar dann, wenn gewichtige Gründe im Sinne der genannten Vorschrift vorliegen und darüber hinaus die Belange der Zusammenschlussbeteiligten das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des gesetzlichen Vollzugsverbots in einem Maße überwiegen, dass der Dispens vom Vollzugsverbot die einzig ermessensfehlerfrei Entscheidung darstellt.

c) Dieselben Voraussetzungen müssen gelten, wenn man das Beschwerdegericht aus verfahrensökonomischen Erwägungen für befugt halten wollte, einen Dispens vom Vollzugsverbot statt im Beschwerdeverfahren nach §§ 63, 41 Abs. 2 GWB durch einstweilige Anordnung im Rechtsmittelverfahren gegen die kartellbehördliche Untersagungsentscheidung zu erteilen.

2. An dem danach anzulegenden strengen Maßstab gemessen rechtfertigen die von der Beschwerde vorgetragenen Gründe eine Befreiung vom Vollzugsverbot nicht. Die Beschwerde führt insoweit an, dass die Übernahme der L. GmbH durch das Land RP aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und der EU-Kommission zum Glücksspielmonopol unerlässlich sei und das Vollzugsverbot des Bundeskartellamtes die Beteiligten zu rechtswidrigem Verhalten zwinge.

a) Zu Unrecht macht die Beschwerde geltend, dass das Land RP den verfassungsrechtlich und europarechtlich gebotenen Anforderungen an ein staatliches Glückspielsmonopol nur durch die vom Bundeskartellamt untersagte Fusion genügen könne. Sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2006, 1261) als auch nach der Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. Urt. v. 24.3.1994, Slg. 1994 I Seite 1039 - "Schindler"; Urt. v. 21.9.1999, Slg. 1999 I Seite 6067 - "Läära"; Urt. v. 21.10.1999, Slg. 1999 I Seite 7289 - "Zenatti"; Urt. v. 6.11.2003, Slg. I Seite 13031 - "Gambelli"; Urt. v. 6.3.2007, NJW 2007, 1515, 1517 - "Placania") ist ein staatliches Lotterie- und Wettmonopol nur rechtens, wenn und soweit es zur Erreichung legitimer Gemeinwohlzwecke erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht nennt in diesem Zusammenhang die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, den Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften oder irreführender Werbung sowie die Abwehr von Gefahren aus mit dem Glücksspiel verbundener Folge- und Begleitkriminalität. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) beschreibt die ein staatliches Glückspielmonopol rechtfertigenden Ziele dahin, dass die Gelegenheit zum Spiel vermindert und - soweit Glückspiele zugelassen werden - Straftaten vorgebeugt werden muss, indem die betreffende geschäftliche Betätigung einer Kontrolle unterworfen und die Glückspieltätigkeiten so in Bahnen gelenkt werden, die diesen Kontrollen unterliegen (NJW 2007, 1515, 1517,1518 Rn. 46, 52 - "Placania"). Insbesondere der EuGH fordert dabei in ständiger Rechtsprechung (vgl. NJW 2007, 1515, 1517 Rn. 49 - "Placania" m.w.N.) die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbots. Dementsprechend hat auch die Europäische Kommission gegenüber dem Land RP beanstandet, dass die L. GmbH ohne vorherige Ausschreibung exklusiv mit der Veranstaltung von Lotterien in Rheinland-Pfalz betraut worden sei.

Unter keinem dieser rechtlichen Gesichtspunkt ist das in Rede stehende Zusammenschlussvorhaben zwingend geboten.

aa) Das gilt zunächst mit Blick auf die Erreichung der vorgenannten Gemeinwohlbelange. Eine effektive Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie ein wirksamer Verbraucherschutz lassen sich ohne weiteres auch (und vor allem) durch entsprechende gesetzliche Vorgaben und Rahmenbedingungen des Glückspielgeschäfts, darauf abgestellte Anforderungen an einen Konzessionsinhaber sowie eine konsequente Überwachung des Glückspielbetriebs gewährleisten. Es ist nicht darüber hinaus notwendig, dass das Land RP an der mit dem Lotteriegeschäft betrauten Unternehmen mehrheitlich beteiligt ist und vermöge seiner Gesellschafterstellung einen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen ausüben kann.

bb) Auch das Diskriminierungsverbot zwingt nicht zu der vom Amt untersagten Fusion. Sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich bleibt es dem Land RP unbenommen, das Glücksspielgeschäft wie bisher durch ein privates Drittunternehmen veranstalten zu lassen. Erforderlich ist allerdings, dass bei der Auswahl der privaten Lottogesellschaft der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet wird und demgemäß ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren stattfindet. Sollte - wovon ersichtlich die Europäische Kommission ausgeht - die L. GmbH bislang ohne Ausschreibung mit dem Lottogeschäft beauftragt sein, wird das betraute private Lottounternehmen künftig in einem transparenten und fairen Bieterwettbewerb zu ermitteln sein. Aus dieser Notwendigkeit lässt sich indes nicht die Gefahr schwerer Schäden im Sinne von § 41 Abs. 2 GWB herleiten. Das Land RP scheidet als "Geschädigter" von vornherein aus, weil es an der L. GmbH bisher nicht beteiligt ist. Das Unternehmen steht im alleinigen Anteilsbesitz der Beteiligten zu 3. bis zu 5. (nachfolgend: Sportbünde). Auch für diese lassen sich schwere Nachteile nicht feststellen. Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die L. GmbH in einem Bieterwettbewerb keine Zuschlagschancen hätte und infolge dessen aus dem Markt ausscheiden müsste.

b) Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde des Weiteren auf die Bestimmungen des nationalen Lotterierechts.

Der kartellbehördlich untersagte Anteilserwerb an der L. GmbH ist nicht erforderlich, um den Bestimmungen des Glückspielstaatsvertrages zu genügen. Dabei kann es auf sich beruhen, ob das Land RP sich in dem vorliegenden Zusammenhang überhaupt auf jenes Regelwerk, das es durch seine Mitwirkung beim Abschluss des Staatsvertrages und dessen Ratifizierung durch das Landesglücksspielgesetz selbst (mit-)geschaffen hat, berufen kann. Denn § 25 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertrages entbindet das Land RP ausdrücklich von der in § 10 Abs. 2 des Glücksspielstaatsvertrages vereinbarten Regelung, wonach die Länder ihr Glücksspielangebot selbst, durch juristische Personen des öffentlichen Rechts oder durch privatrechtliche Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, sicherstellen müssen. § 25 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertrages gestattet dem Land RP vielmehr ausdrücklich, seine Lotterien wie bisher durch ein betrautes Unternehmen veranstalten zu lassen. Dass das Land RP damit sein Lotterieangebot anders als alle anderen Ländern organisieren kann, ist vorliegend ohne Belang. Zu Unrecht reklamiert die Beschwerde die verfassungs- und europarechtliche Notwendigkeit eines bundeseinheitlich ausgestalteten, konsistenten Glückspielbetriebs mit einem daraus abgeleitetem Zwang zur Durchführung der streitbefangenen Fusion. Weder der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch den einschlägigen Urteilen des EuGH ist zu entnehmen, dass sich ein staatliches Glückspielmonopol nicht nur an den vorerwähnten Gemeinwohlbelangen messen lassen, sondern darüber hinaus auch bundeseinheitlich organisiert sein muss. In seinem Urteil zum bayerischen Wettmonopol (NJW 2006, 1261, dort Rn. 155) hat das Bundesverfassungsgericht im Gegenteil betont, dass die geforderte gesetzliche Neureglung sowohl durch den Bundes- wie den Landesgesetzgeber erfolgen könne. Das impliziert für die Länder zwingend die Möglichkeit, ihr Glücksspielrecht - und in diesem Kontext auch ihr staatliches Glückspielmonopol - autonom regeln und ausgestalten zu können. Voraussetzung für eine verfassungsgemäße Regelung ist alleine, dass sie dabei den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Suchtbekämpfung und zum Spielerschutz in ausreichender Weise Rechnung tragen.

Die Notwendigkeit der streitbefangenen Fusion lässt sich schließlich nicht mit den Regelungen des rheinland-pfälzischen Glücksspielgesetzes begründen. Die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 LGlüG, wonach ein privatrechtliches Unternehmen nur dann Lotterieveranstalter sein kann, wenn es vom Land RP beherrscht wird, kann schon im Ansatz eine Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot nicht rechtfertigen.

Zunächst eröffnet § 5 Abs. 1 LGlüG dem Land RP die Optionen, die staatlichen Glücksspiele selbst unmittelbar zu veranstalten oder sich einer anderen von ihm beherrschten privatrechtlichen Gesellschaft als der L. GmbH zu bedienen. In § 5 Abs. 2 LGlüG ist zudem die Veranstaltung des staatlichen Glückspiels durch ein hoheitlich beliehenes Unternehmen eröffnet. In diesen Fällen ist ein Anteilserwerb des Landes RP an der L. GmbH bereits nicht erforderlich.

Darüber hinaus handelt sich um einen selbst geschaffenen Normenkonflikt. Das Land RP war weder von Verfassungs wegen noch europarechtlich oder aufgrund des Glückspielstaatsvertrages gehalten, die Lotterien in seinem Hoheitsgebiet durch ein von ihm beherrschtes Unternehmen veranstalten zu lassen. Es hat die dahingehende Beschränkung, aus der es nunmehr die Unumgänglichkeit des untersagten Anteilserwerbs an der L. GmbH herleitet, vielmehr aus eigenem Entschluss geschaffen. Der reklamierte Normenkonflikt kann überdies vom Land RP selbst gelöst werden, indem das Landesglücksspielgesetz geändert und die Notwendigkeit einer maßgeblichen Beteiligung der öffentlichen Hand an dem privaten Lotterieunternehmen L. GmbH wieder gestrichen wird. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass unter diesen Umständen aus § 5 Abs. 1 Satz 2 des Landesglücksspielgesetzes keine Berechtigung hergeleitet werden kann, vom gesetzlichen Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 Satz 1 GWB befreit zu werden.

D. Im Ergebnis fehlt es damit bereits an gewichtigen Gründen im Sinne von § 41 Abs. 2 GWB. Das zur Entscheidung stehende Begehren auf Befreiung vom gesetzlichen Vollzugsverbot wäre deshalb selbst dann abzulehnen, wenn man mit Stimmen in der Literatur (vgl. Mestmäcker/Veelken, a.a.O. Rdnr. 24) von dem Erfordernis einer Ermessensreduzierung auf Null absehen und das Beschwerdegericht für befugt halten wollte, analog § 64 Abs. 3 Satz 1 GWB anstelle der Kartellbehörde die Entscheidung nach § 41 Abs. 2 GWB zu treffen.

III.

Eine Kostenentscheidung nach § 78 GWB ist nicht veranlasst. Das Eilverfahren, mit der die Beschwerdeführer gemäß §§ 60 Abs. 3 Satz 1, 60 Abs. 1 GWB um einen Befreiung vom Vollzugsverbot im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes nachsuchen, stellt kein gebührenrechtlich selbständiges Verfahren gegenüber dem Beschwerdeverfahren selbst dar. Es handelt sich vielmehr um ein Vorschalt- oder Zwischenverfahren, das mit dem Beschwerdeverfahren gebührenrechtliche eine Angelegenheit bildet (vgl. Senat Beschluss vom 28.02.2008, Az. VI-Kart 3/07 (V), Umdruck Seite 4 f.).

Da es sich bei dem Eilverfahren gebührenrechtlich gegenüber dem Hauptsacheverfahren um keine selbständige Angelegenheit handelt, kommt auch eine gesonderte Streitwertfestsetzung für dieses Verfahren nicht in Betracht.

IV.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 74 Abs. 2 GWB zugelassen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Fusionsbeteiligten im Beschwerdeverfahren gegen eine kartellbehördliche Untersagungsverfügung eine Befreiung vom Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB erwirken können, ohne das Verfahren nach § 41 Abs. 2 GWB zu betreiben, hat rechtsgrundsätzliche Bedeutung und ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Ende der Entscheidung

Zurück